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Tharandt, Nossen, Aiebenlehn nnd die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruss. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, DienStagS und Freitag«. — Abonnementprei« vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag« und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 104. Sonnabend, den 27. December 1884. Nachstehender Auszug aus der Jahresliste der Hauptgeschworenen für das Schwurgericht beim Königlichen Landgerichte zu Dresden auf Idas Geschäftsjahr 1885 wird mit dem an die darin aufgeführten Herren Geschworenen gerichteten Veranlassen veröffentlicht, etwaige Behinderungsgründe schleunigst hier anzuzeigen. Dresden, am 13. Dezember 1884. Königliches Landgericht. Wehinger. Bezirk des Königl. Amtsgerichts Wilsdruff. Hauptgeschworene die Herren: Länarä O8ear iMmmntWvb, Gutsbesitzer in Burkhardswalde. Foliann kHoNrleb Julius Nobnert, Gutsbesitzer in Hühndorf. Laspar von SellölldonA-röltillA, Rittergutsbesitzer in Alttanneberg. 6arl ^n§u8t 28ebovb«, Gutsbesitzer in Sachsdorf. DageSgefchichte. Das Reichsgericht zu Leipzig hat am Montag in dem Hoch- verrathsprozesse, welcher das versuchte Dynamitattentat auf dem Niederwald zum Gegenstände hatte, das Urtheil gesprochen und die drei Hauptbetheiligten zum Tode, Zuchthausstrafen und Ehrenrechts verlust, die beiden nächst Gravirten zu Zuchthausstrafen rc. verurtheilt, drei der Angeklagten dagegen freigesprochen. Die zuerkannten Strafen sind hart, aber Angesichts der geplanten Verbrechen, die an Schänd lichkeit und Verworfenheit alles bisher Dagewesene übertreffen, gerecht. Traurig genug, steht die erschreckende Thatsache fest, daß auf deutschem Boden eine Verzweigung sich bilden konnte, deren Glieder die „Rettung der Gesellschaft" im Verbrechen suchte und sich anschickte, diese Rettung durch ein verbrecherisches Attentat auf das Leben des Kaisers und der übrigen am Niederwalddenkmal versammelten Fürsten in die Hand zu nehmen. Die verbrecherische Handlung wird gesühnt werden; hoffen wir, daß die Gesinnung, der diese Handlung entspringt, in Deutschland künftig keine Träger finde. Alle fünf verurtheilten Anarchisten wur den Nachmittags nach Halle in die Gefangenanstalt abgeführt. Bach mann und Holzhauer traten dort sofort die ihnen zuerkannte Zucht hausstrafe an. Die Verurtheilten nahmen das Erkenntniß anscheinend gefaßt auf, die drei Freigesprochenen wurden sofort in Freiheit gesetzt. In den Erkenntnißgründen wird bezüglich des Elberfelder Falles be tont, daß seitens Bachmanns ein offenes Geständniß vorliegt, welches in einer theilweisen Zerstörung des bewohnten Gebäudes bestand. Die Angabe Bachmanns, er habe nur einen Knall Hervorrufen wollen, sei nicht glaubhaft, im Gegentheil sei es erwiesen, daß es nicht blos auf Beschädigung von Sachen, sondern auch von Menschen abgesehen war. Bachmann habe die That mit voller Ueberlegung ausgeführt, die Anstiftung zum Elberfelder Attentat, sowie zum Niederwaldattentat seitens Reinsdorf's sei durch Aussagen von Rupsch und Küchler, sowie durch sonstige Umstände festgestellt. Das Niederwaldattentat sei un zweifelhaft dazu bestimmt gewesen, den Festzug zu stören, es sei er wiesen, daß man Se. Maj. den Kaiser und andere Persönlichkeiten durch Dynamit habe tödten wollen. Der Versicherung Rupsch's, daß er das Attentat vereiteln wollte und durch Zerschneiden der Zündschnüre verhindert habe, könne der Gerichtshof nach den Ergebnissen der Be weisaufnahme keinen Glauben schenken. Es komme namentlich mit in Betracht, daß ein reuiger Verbrecher, der soeben vor der Begehung eines Mordes zurückgeschreckt sei, unmöglich im nächsten Augenblick zu einem neuen Mordversuche schreiten werde. Das habe Rupsch gethan. Betreffs der Anstiftung zum Niederwaldattentat liege das offene Ge- ständniß Reinsdorf's vor; derselbe habe zugegeben, daß der Zweck desselben gewesen sei, Se. Maj. den Kaiser und andere hohe Persön lichkeiten zu tödten. Er habe die That sogar gerechtfertigt und erklärt, das Haus Holzbauers sei der Herd der anarchistischen Anzettelungen ge wesen, er habe von den Vorbereitungen zum Attentat unbedingt gewußt. Was die Angeklagten Söhngen, Rheinbach und Töllner angehe, so sei nicht erwiesen, daß sie den Zweck des Reisegeldes für Rupsch, zu dem sie beigesteuert hätten, genau gekannt haben. Die Sozialdemokraten im Reichstage sind bisher mit ihrem in Aussicht gestellten Anträge auf Aufhebung des Sozialistengesetzes nicht hervorgetreten. Sie mögen wohl selbst das Gefühl gehabt haben, daß die Tage des Leipziger Hochverrathsprozesses nicht der richtige Augenblick für einen solchen Antrag seien. Indessen ist, wie man hört, die Absicht keineswegs aufgegeben. Nach Neujahr soll der Antrag zu erwarten sein. Wird am Ende auch Kladderadatsch in den Bann gethan, weil er an der Spitze seines Blattes dem patriotischen Zorn über die Abstimmungen am 15. Dezember von seinem politischen Parteistand punkte das Wort giebt und zwar in sehr ernsten Worten? Hier zur Probe nur die 3. Strophe: „Es ist gescheh'n — o ließ es sich verschweigen! Doch weit erscholl es in die Welt hinaus. Wir seh'n die Welt mit Fingern auf uns zeigen, Den Spott des Auslands fordern wir heraus. «Seht, das ist Deutschland, stets nach solchem trachtend, Was Schmach ihm bringt, und seinen Ruhm verachtend." Im Gouvernement Archangel (Rußland) ist eine Hungers noth ausgebrochen, das Elend wird als noch größer geschildert, als im Jahre 1867; auch glaubt man, daß eine allgemeine Auswanderung der nothleidenden Bevölkerung, ganz wie es im Jahre 1867 der Fall war, unmittelbar bevorstehe. Als Ursache des Unglücks wird der Um stand angeführt, daß Getreide und Kartoffeln in diesem Herbste zum großen Theil auf den Feldern erfroren sind. Das Mehl hat schon jetzt einen für die Mehrzahl der Bewohner unerschwinglichen Preis erreicht. Wie dem „Gaulois" aus London gemeldet wird, beginnt man in offiziellen Kreisen bezüglich der Expedition nach dem Sudan unruhig zu werden. Lord Hartington verhehlt nicht seine Besorgnisse darüber, daß General Gordon keine Miene macht, Lord Wolseley entgegenzu gehen, der bis Debbeh und Korti vorgerückt ist, ohne sich mit den Belagerten in Verbindung setzen zu können. Seit 4. November ist man ohne alle Nachrichten von Khartum und man äußert selbst Ver dacht wegen des Briefes Gordons, der dieses Datum trägt. Viele glauben neuerdings an den Fall der Stadt und an den Tod des Ge nerals. Es wäre sonst kaum zu erklären, warum er, von der englischen Armee nur durch eine Wüste getrennt, welche die Araber in einer Woche durchziehen, keine Nachrichten von sich gebe, besonders da der Lauf des Nil von Khartum bis Girgeh frei ist und von diesem Ort bis Debbeh, wo ein englisches Korps steht, nur zwei Marschtage sind. Vaterländisches. — Dresden. Am Sonnabend wurde in einer in „British Hotel" abaehaltenen Versammlung hiesiger Bürger verschiedener Parteien be schlossen, nachstehende Adresse an den deutschen Reichstag zu richten und zu deren Unterzeichnung alle gleichgesinnten Bewohner unserer Stadt aufzufordern: „Der deutsche Reichstag hat bei Berathung des Reichstagsbudgets in seiner Sitzung vom 15. Dezember d. I. die von den verbündeten Regierungen beantragte Anstellung eines Direktors im auswärtigen Amte trotz der wiederholten Versicherung des Fürsten Reichskanzlers, daß er einer solchen Hilfe zur erfolgreichen Weiterführung der auswärtigen Geschäfte des Reiches dringend bedürfe, mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Diese Ablehnung und die in der vorausgegangenen Debatte von den Gegnern gemachten Ausführungen Haden im ganzen deutschen Vaterlande die tiefste Entrüstung hervor gerufen und selbst im Auslande das peinlichste Aufsehen erregt. Auch die unterzeichneten Bewohner Dresdens fühlen sich, nicht als Mitglie der dieser oder jener politischen Partei, sondern als deutsche Bürger, gedrungen, ibre entschiedenste Mißbilligung dieses Verhaltens der Ma jorität des Reichstages auszusprechen und dabei das Gefühl wärmster Dankbarkeit und unerschütterlichen Vertrauens zu unserem großen Staatsmanne zu bekunden, durch dessen unermüdliche und erfolgreiche Thätigkeit die Macht, Würde und Wohlfahrt des Vaterlandes wie bisher auch fernerhin gewahrt bleiben möge. — Die Redaktion des „Dresdner Tageblatt" hat am Montag Abend eine Zustimmungsadresse an Se. Durchlaucht den Reichs kanzler Fürsten Bismarck, mit 5000 Unterschriften bedeckt, abge sandt, und zwar nicht in Kopie, sondern die Originalhandschriften mit manchen Patriotischen Randbemerkungen und vielen sehr interessanten Briefen. Das Aktenstück war infolgedessen sehr umfangreich geworden. — Leipzig, 23. Dezember. Heute ging an den Reichskanzler Fürsten Bismarck eine mit 9755 Unterschriften aller Stände der Bür gerschaft versehene Adresse ab, welche anläßlich des Reichstagsbeschlusses vom 15. Dezember unveränderte Treue und Hingebung für den großen Staatsmann ausspricht, der mit freudigem Stolz Leipzigs Ehrenbürger genannl werde. Die Adresse mißbilligt das Vorgehen der unnatürlichen Koalilion gegen den Reichskanzler und spricht die Ueberzeugung aus, daß dem Kanzler, wie in früheren Kämpfen, auch diesmal der Sieg verbleibe. — Bei der hochgradigen Bewegung patriotischer Entrüstung, die das Votum der Majorität des Reichstages gegen den Fürsten Bis marck in der Sitzung am 15. Dezember weit und breit im deutschen Volke hervorgerufen hat, ist es gewiß von Interesse, zu erfahren, wie die sächsischen Reichstagsabgeordneten sich zu dieser Angelegen