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WM Beilage zn No. 18. - TagtSqesckichte. «re. Maj. derKönig von Sachsen wird, wie länger schon gehofft wurde, zum Geburtstag Sr. Majestät des Kaiser gleichfalls aus Dresden nach Berlin kommen. Ebenso wird auch ein italienischer Prinz als Vertreter des Königs Umberto von Italien zur Gratulation hier erwartet. Der Erzherzog Rudolf, Kronprinz von Oesterreich-Ungern, trifft, wie schon gemeldet, am 16. d. M. Abends in Berlin ein. Ueber die Ankunftszeit des Prinzen von Wales, sowie des Großfürsten Michael Nikolajewitsch von Rußland, des Oheims Kaiser Alexanders, und der Großfürstin Vera von Rußland, de« Kronprinzen und der Kronprinzessin von Schweden sind noch keine definitiven Nachrichten hierher gelangt. Außerdem werden zum Geburtstage Sr. Maj. des Kaisers noch hier erwartet: Der Großherzog und die Großherzogin von Baden, der Großherzog von Hessen, der Groß herzog und der Erbgroßherzog von Sachsen-Weimar und andere Fürst lichkeiten. Die neue kirchenpolitische Vorlage hat seitens der leitenden "Zentrums- Presse eine ziemlich unfreundliche Beurtheilung gefunden, da man auf die ser Seite die in der Vorlage der Kirche gemachten abermaligen Zugeständ nisse als selbstverständlich betrachtet und noch ganz andere Dinge verlangt. In Rom selber ist man aber von dem Entwurf durchaus befriedigt, wie aus einer bezüglichen Korrespondenz des offiziösen „Moniteur de Rome" hervorgeht, weshalb sich die „Germania" in sehr gereizter Sprache gegen das vatikanische Preßorgan wendet — es ist wieder einmal die alte Ge schichte, daß das tonangebende Zentrumsorgan päpstlicher sein will, als der Papst selbst! Uebrigens ist der kirchenpolitischen Vorlage die könig liche Verordnung, welche die neue Vereidigung der preußischen Bischöfe betrifft, auf dem Fuße nachgefolgt und von offiziöser Seite wird ausdrücklich bemerkt, daß diese Verordnung eine Ergänzung des kirchenpolitischen Ent wurfs vom 13. Februar 1887 bilde und zusammen mit demselben bestimmt sei, bisher noch offene Fragen im versöhnlichen Sinne zu lösen. An dem großen Fackelzug, welchen die Berliner Studenten schaft Sr. Maj. dem Kaiser aus Anlaß seines 90. Geburtstages darbringen wird, werden sich auch die Studirenden des Polytechnikums in Charlottenburg, der Kunstakademie, der Bergakademie und der land- wirthschaftlichen Hochschule betheiligen. Der Zug wird mithin gegen 4000 Fackelträger aufzuweisen haben. Seine Ausdehnung und Großartigkeit wird jenem Fackelzuge würdig zur Seite stehen, welcher dem Reichskanzler zum siebzigsten Geburtstage dargebracht wurde. Die Vorbereitungen zu dieser gewaltigen Festfeier sind schon jetzt im vollsten Gange. Ein großer Kommers wird sich dem Fackelzuge anschließen. Unter der Studenten schaft ist bekanntlich bereits ein Preisausschreiben behufs Abfassung eines an der Tafel zu singenden Kaiserliedcs erlasfen worden. Von Seiten des Senats der k. Akademie der Künste ist beschlossen worden, als äußeres Zeichen der Freude die Fassade des Kunstakademiegebäudes, welche bekannt lich dem kaiserlichen Palais grade gegenüberliegt, festlich zu schmücken. Dieser Festschmuck soll nach einem Entwürfe des Professors Johannes Ohen ausgeführt werden. Lübeck, 27. Februar. 10,000 sozialistische Flugblätter mit heftigen Angriffen auf Se. Maj. den Kaiser und den Fürsten Bismarck wurden heute beschlagnahmt. Die Untersuchung ist eingeleitet. Wie ein bayrischer Kriegerverein gewählt hat, wird aus Schwarzen bach bei Hof gemeldet: Sämmtliche Mitglieder des dortigen Veteranen vereins zogen mit klingendem Spiel in geschlossenen Reihen vor das Wahllokal. Während die Einzelnen ihre Stimmen abgaben, spielte die Musik die „Wacht am Rhein", Heil Dir im Siegerkranz" rc. Nach Beendigung des Wahlgeschäftes brachte der Kommandant des Vereins ein Hoch auf den Kaiser, den bayrischen Prinz-Regenten und das deutsche Vaterland aus, in welches alle Anwesenden begeistert einstimmten. In strammem, kriegerischem Marsch zog dann der Verein in sein Versamm lungslokal zurück. Rußland hat dem deutschen Nachbar wieder einmal einen seltsamen Freundschaftsbeweis gegeben. Der russische Reichsrath erhielt einen Ukas, welcher ein allmähliges Einfuhrverbot für ausländische Robeisen, resp. eine allmählige Erhöhung der Eisenzölle verfügt. Die deutsche Industrie ist der Hauptlieferant für den russischen Eisenmarkt und mithin bedeutet jene Verfügung, die unzweifelhaft Gesetzkraft erlangen wird, einen neuen direkten Schlag gegen die deutsche Eisenindustrie. Und das trotz der angeblich so warmen politischen Freundschaft zwischen Berlin und Petersburg. Die Russischen Drohungen, Deutschland in der Stunde der Gefahr in die Arme zu fallen, geben den Oesterreichern neue Hoffnungen auf ein enges Bündniß mit Deutschland. Die N. Fr. P. sagt darüber: Das Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich schöpft aus der deutsch feindlichen Stimmung Rußlands frische und erhöhte Kraft. Deutschland weiß jetzt genau, wo seine wahren, seine einzig verläßlichen Freunde zu finden sind. Wenn Bismarck etwa einen Augenblick geglaubt hätte, daß die Freundschaft Rußlands ihm das Bündniß mit Oesterreich ersetzen könne, heute ist er sicher davon abgekommen, und der trübe Schatten, den seine Reichstagsrede auf dies Bündniß geworfen, entweicht. Deutschland ist nicht die Macht, die man mit dem Schrecken gewinnen kann, und wenn die Russen etwa nur eine ungeschickte Werbung versuchten, so gehen sie sicher fehl. Indem Rußland seine Karten aufdeckt, stößt es Deutschland ab und wir sehen die Stunde kommen, da man in Berlin sich nicht länger der Erkenntniß verschließen wird, man müsse den Angelegenheiten im Orient einige Beachtung schenken um des treuen, des einzigen Freundes willen, den Deutschland besitzt, eines Freundes, der die friedlichste Politik befolgt, und nichts beansprucht, als billige Rücksicht für seine Stellung im Orient und im Nothfalle über eine Million von Streitern gebietet. Das Bündniß Italiens mit den mitteleuropäischen Kaisermächten ist jetzt vollständig gesichert. Zugleich wird auf die Angaben des ministeriellen „Popolo Romano" aufmerksam gemacht, der den Kriegsfall wie folgt be zeichnet: „Falls Rußland entweder Oesterreich oder Deutjchland angreifen sollte, würde es in jedem Fall nur diesen beiden Staaten sich gegenüber finden, aber nicht Italien. Wenn aber Deutschland von Frankreich ange griffen wird, müßte Italien an der Seite Deutschlands kämpfen, während Oesterreich-Ungarn passiv bliebe, soll heißen, sich zurückhielte. Dasselbe Würde im Fall eines italienisch-französischen Krieges geschehen, wo dann Freitag, dcii 4. März I887. Italien durch Deutschland unterstützt werden müßte. Sämmtliche drei Mächte würden nur aktiv auftrcten, d. h. also thatig vorgehen, wenn der Angriff gegen eine derselben ein doppelter wäre, das heißt, wenn beispiels weise Deutschland mit Rußland und Frankreich zu gleicher Zeit kämpfen müßte." Besonders erfreulich ist es, daß keine der maßgebenden italienischen Parteien in der auswärtigen Politik entgegengesetzte Anschauungen zur Gel tung bringen will und daß König Humbert, wie ein römisches Telegramm gemeldet hat, in allen Wandlungen der jetzigen Ministerkrise daran fest hält, daß das neue Kabinct die Politik Robilant's befolge und mit Oester reich-Ungarn und Deutschland eng verbunden bleibe. Ueber die in Amsterdam am Geburtstage des Königs stattgefundenen sozialistischen Unruhen liegen jetzt nähere Berichte vor, die aber nur be stätigen, daß es dabei sehr blutig zugegangen ist. Den äußerlichen Anlaß der Tumulte bildete eine Demonstration der Sozialisten zu „Ehren" ihres verurtheilten Führers Domela Nieuwenhuys, was eine Gegendemonstration der loyal gesinnten Arbeiter und schließlich die schon vom Telegraph be richteten bluügen Vorgänge hervorrief. Die Polizisten wie die Anarchisten feuerten mit Revolvern auf einander und steht die Menge der Verwundeten, von denen inzwischen mehrere gestorben sind, noch gar nicht fest, doch soll sie weit über ein halbes Hundert betragen. Brüssel. Gestern Abend fand eine furchtbare Explosion der Dy namitfabrik Lommel bei Antwerpen statt. Die Fabrik flog vollständig in die Lust. 10 Arbeiter wurden getödtet. Athen, 28. Februar. Der russische Dampser „Czarine" ist bei Syra mit der gejammten Ladung gescheitert. Die Verluste werden auf sieben Millionen Francs geschätzt. Vaterländisches. Wilsdruff. Am Dienstag Nachts kurz nach 11 Uhr brannten im benachbarten Grumbach die zum Adolf Schirmer'schen Gute gehörige Scheune und zwei Seitengebäude total nieder; das Wohnhaus, auf dessen Boden viel Getreide lagerte, wurde durch das rechtzeitige Erscheinen und wirkungsvolle Eingreifen der Wilsdruffer freiwilligen Feuerwehr mit ihrer Spritze, welche auch hier die erste am Platze war, gerettet. Auchsämmt- liches Vieh wurde gerettet. Der Calamitose hat versichert. Ueber die Ent stehungsursache des Feuers herrscht noch Dunkel. — Alle Glieder der hiesigen „Liedertafel" machen wir auch an dieser Stelle noch auf den sich ihnen am heutigen Abend bei der Feier des Stiftungsfestes darbietenden musikalischen Hochgenuß durch Aufführung der „Glocke" rc. aufmerksam. — Wir freuen uns, daß unsere kürzlich ausgesprochene Aufforderung, zum Besuch des jetzt hier weilenden Theaters, von Erfolg gewesen ist, denn der Besuch der Vorstellungen der letzten Tage war ein zahlreicher; aber die Karich'sche Truppe verdient denselben auch. Nicht nur, daß die Di rektion bei der Wahl der zur Aufführung gelangenden Stücke weder Kosten noch Mühe scheut, sondern auch die darstellenden Mitglieder der Truppe, obenan Fräulein Karichs, bieten alle ihre Kräfte auf, um sich den Beifall des Publikums zu erringen, und diesen haben sie sich bereits errungen, denn von Abend zu Abend bessert sich der Besuch. Ja, möge die Direk tion recht oft ein volles Haus haben, als Sporn zu neuem Schaffen. Möge auch unsere Landbevölkerung bei dem jetzigen hübschen Wetter die sich darbictende Gelegenheit, ein schönes Lust- oder Schauspiel zu sehen, nicht entgehen lassen, sondern recht oft nach unserm Kunsttempel wandem. — Die feierliche Eröffnung des außerordentlichen Landtags ging Mitwoch Nachmittag 2 Uhr im Sitzungssaale der 1. Kammer pro grammäßig vor sich. Nachdem Herr Geh. Rath Held das Kgl. Kommis soriale verlesen, welches den Herrn Staatsminister von Fabrice mit diesem Auftrage betraut, fährt derselbe fort: „Meine hochzuverehrenden Herren! Se. Majestät der König haben geruht, Sie zu einem außerordentlichen Landtag zu berufen, um Ihre verfassungsmäßige Zustimmung zu dem Ankäufe der Strecke Dresden-Elsterwerda der Berlin- Dresdner Eisenbahn einznholen. In dem zwischen Sachsen und Preußen wegen Herstellung einer direkten Eisenbahn von Berlin nach Dresden abgeschlossenen Staatsvertrage vom 6. Juni 1872 haben sich beide vertragenden Regierungen das Recht Vorbehalten, die auf ihren betheiligten Gebieten belegenen Strecken der Bahn nach Maßgabe der Bestimmungen des preußischen Gesetzes über Eisen bahnunternehmungen vom 3. November 1838 im Wege des Zwangsankaufs zu erwerben. Die Kgl. preußische Regierung hat sich aber entschlossen, die Berlin- Dresdner Bahn, deren Betrieb seit dem 1. Oktober 1877 von der Kgl. preußischen Staatseisenbahnverwaltung geleitet wird, vor Ablauf der festgesetzten Frist frei händig für den preußischen Staat anzukaufen. Es war daher zwischen den bei den Regierungen ein Abkommen über die anderwe-te Regelung der Verhältnisse der Berlin-Dresdner Eisenbahn zu treffen. Bei den deshalb eingeleiteten Ver handlungen bestand Einverständniß darüber, daß es der sächsischen Regierung freistehe, auch für den Fall eines solche» freihändigen Ankaufs der Bahn durch den preußischen Staat in diesen Kauf hinsichtlich der Strecke Dresden-Elsterwerda einzutreten. Die Regierung Sr. Majestät des Königs konnte in dieser Frage über die von ihr zu fassende Entschließung nicht in Zweifel sein. In voller Würdigung aller hierbei in Betracht kommenden Verhältnisse erachtet sie es als im Interesse des Landes liegend, sich an dem Kaufe zu Letheiligen und dadurch den Betrieb sämmtlicher in Dresden einmündenden Bahnen unter eine Verwaltung zu vereini gen. Sie hat daher einen Vertrag mit der Kgl preußischen Regierung vereinbart, nach welchem die letztere nach dem Erwerb der Berlin-Dresdner Eisenbahn durch den preußischen Staat die Strecke Dresden-Elsterwerda gegen Erstattung eines verhältnißmäßigen Antheils von dem Kaufpreise an Sachsen abzutreten bereit ist. Dieser Verlrag, dessen Ratification nach Lage der Verhältnisse einen Aufschub nicht zuließ, wird Ihnen unverzüglich zur verfassungsmäßigen Zustimmung vor gelegt werden. Se. Majestät der König versehen sich nunmehr zu den getreuen Ständen, daß Sie diese für die Consolidirung des sächsischen Staatseisenbahn- nctzes wichtige Angelegenheit mit bewährter Einsicht und Gewissenhaftigkeit be- rathen werden. Und so erkläre ich denn im Auftrage und auf Befehl Sr. Maje stät des Königs den außerordentlichen Landtag für eröffnet!" Die Versammlung hatte die Rede stehend angehört. Ein von dem Prä sidenten der ersten Kammer, Wirkl. Geh. Rath von Zehmen ausgebrachtes Hoch auf Se. Maj. den König, in welches die Versammlung begeistert einstimmte, schloß den feierlichen Akt, der Alles in Allem nur 5 Minuten gedauert hatte. Auf der Tribüne des Saales hatten der Eröffnungsfeier etwa 30—40 distinguirte Herren und Damen beigewohnt. — Die Zweite Kammer überwies in der heutigen Abendsitzung das k. Dekret, betreffend den Ankauf der Strecke Dresden-Elsterwerda der Berlin-Dresdener Eisenbahn durch den sächsischen Staat, ohne Debatte auf Antrag des Vizepräsidenten Streit den beiden Finanzdeputationen, welche darüber nächsten Freitag Vormittag mündlich berichten werden.