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Ein jäher Schreck durchzuckte das große, starke Mädchen, seine Augen rollten unruhig umher, und sich in wilder Verzweiflung auf seinen Vetter stürzend, ries es hastig: „Ferdinand, sie dürfen Dich nicht fortschleppen, Du bist ja unschuldig!" Die blauen Augen des Scholzen leuchteten freudig auf; da war we nigstens noch Jemand, der an seine Unschuld glaubte, und freundlicher als er je mit Helene gesprochen, in der er nur stets die Magd, nicht die Verwandte sah, entgegnete er leise: „Du glaubst also nicht, daß ich so schlecht gewesen?" „Nein, das glaub' ich nimmer," erwiderte die Magd, und sich an den Gerichtsrath wendend, bat sie: „Lassen Sie meinen Vetter frei, er ist gewiß nicht der Mörder." Der Gerichtsrath machte nur eine abwehrende Handbewegung. „Er ist doch unschuldig!" fuhr die Magd heftig fort; „Berthaallein ist die Mörderin!" „Das lügst Du!" rief der Scholz, und seine blaffen Augen färbten sich höher. Der Rath hatte den stillen Mann noch nie so heftig gesehen. „In Deinen Augen ist sie freilich ein Engel," entgegnete Helene und konnte nur mit Mühe eine gewisse Bitterkeit unterdrücken; „aber sie mag zehnmal meine Freundin sein, so ist es doch schlecht genug von ihr, daß sie Dich mit ins Unglück stürzte." Der Scholz schüttelte den Kopf, er richtete sich höher auf: „'S ist gut, daß Du mir daran denken hilfst; nun sind wir Beide unglücklich, das trägt sich leichter." Seine Worte verriethen die tiefen, innigen Gefühle, die er für seine Jugendgeliebte im Herzen trug. In dem Gesichte Helenens zeigte sich ein gewisser Unmuth; ihr Auge streifte mit einer Art Mitleid den Scholzen, als wollte sie sagen: „Wie verblendet Du bist, Du guter, armer Mann!" Dann fragte sie noch einmal den Gerichtsrath: „Wollen Sie wirklich meinen Vetter verhaften lassen?" O haben Sie Barmherzigkeit, er ist unschuldig!" Sie rang verzweifelnd die Hände. Der Scholz blickte ganz verwundert auf seine Verwandte; eine solche Theilnahme hatte er von ihr nicht erwartet, und in seiner Ehrlichkeit sagte er auch: „Du bist besser, als ich gedacht habe!" Helene brach in Thränen aus: „Du hast mich immer scheel angesehen, und ich hab' Dir doch die Wirthschaft treu und ehrlich führen helfen," klagte sie, und ihre Augen ruhten mit großer Theilnahme auf ihrem Verwandten. „Magst auch jetzt nach dem Rechten sehen," entgegnete der Scholz; „ich hab' mir so niemals recht die Wirthschaft zu Herzen genommen, da kann ich schon fort," setzte der gutmüthige Mann mit trübem Lächeln hinzu. Ohne auf das Klagen seiner Magd weiter zu achten, ohne einen letzten Blick auf die alten, lieben Räume zu werfen, schritt jetzt der Scholz hinaus. Die Aufdeckung des zweiten Mordes gab der Sache eine andere Wen dung. Es konnte wohl kaum einer Frage unterliegen, daß der Scholz an einem dieser Verbrechen betheiligt war und es blieb nur noch zu ermitteln, ob die beiden Verbrecher nach einem bestimmten Plan gehandelt, und welcher von ihnen auch den zweiten Mord begangen hatte? Bald sollte die Lage des Scholzen noch bedenklicher werden. Es gab nur drei Schönfärber in der Stadt. Alle drei bestritten, dem Scholzen Arsenik verkauft zu haben und bei ihren Confrontationen mit dem Scholzen wurde der unglückliche Mann zum erstenmal verlegen — er mußte einräumen, daß keiner dieser Männer ihm das Gift verkauft habe, und wollte oder konnte nicht Den jenigen namhaft machen, der ihm das Gift verschafft hatte. Dem Scholzen standen die Schweißtropfen auf der Stirn, seine Augen irrten unruhig umher, und auf die wiederholten Fragen des Gerichtsrathes antwortete der Angeklagte nur: „Ich weiß es nicht." „Wisfen Sie auch, daß Sie sich Ihre Lage damit verschlimmern?" fragte der Gerichtsrath. Der Scholz schien all' seine träge Unentschlossenheit allmählig abzu streifen und mit ungewöhnlicher Festigkeit entgegnete er: „Machen Sie mit mir, was Sie wollen, ich werde es nie sagen, wo ich das Gift her bekam, und ich bin dennoch unschuldig." „Diese Betheuerungen werden Ihnen wenig helfen," sagte der Ge richtsrath nicht ohne Mitleid, denn er war überzeugt, daß nur das schlaue hinterlistige Mädchen den armen, unglücklichen Mann zu einem Verbrechen mit fortgerissen hatte. Alle dahin gehenden Vermuthungen des Gerichts raths lehnte der Angeklagte mit Entschiedenheit ab, und der sonst so ru hige Mann zeigte dabei eine ganz besondere Heftigkeit. Es war unmöglich, ihn zu einem offenen Geständniß zu bewegen. Nach der Aussage des gräflichen Jägers hatte Bertha Lindner sich Arsenik zu verschaffen gewußt; vielleicht war sie es gewesen, die das Gift dem Scholzen eingehändigt hatte, und noch ehe der Gerichtsrath gegen die Angeklagten weiter verhandelte, schritt er zu einer nochmaligen Vernehmung des Jägers. Die Vermuthung des Gerichtsraths bestätigte sich vollkommen. Der Jäger erkannte augenblicklich die ihm vorgelegte Büchse Arsenik als diejenige, die er der Angeklagten verschafft hatte. „Sie war ganz voll," versicherte der Zeuge und erklärte ganz ent schieden, daß das Arsenik beinahe zur Hälfte verbraucht worden sei. Ja, der junge Mann bekundete jetzt noch: als er einmal im Scherz der An geklagten seine Hand angetragen, habe sie sogleich erwidert, daß sie die Frau des Scholzen werden müsse, und auf seine Bemerkung, daß die an dere ja noch lebe, habe sie gelacht und keck entgegnet: „Abwarten und dann Thee trinken." Bertha Lindner war seit mehreren Tagen nicht mehr verhört worden; als sie jetzt in das Gerichtszimmer geführt wurde, bemerkte der Gerichts rath, daß die Angeklagte viel von ihrer früheren Sicherheit verloren hatte. Das Gesicht bedeckte eine merkliche Blässe, und die schönen blauen Augen blieben fortwähreno zur Erde gesenkt. Sie schien eine Frage auf dem Herzen und doch nicht den Muth zu haben, sie zu äußern. Ohne erst ein Wort an die Angeklagte zu richten, ließ ihr der Gerichtsrath das Zeugenprotokoll vorlesen, und dann erst fragte er: „ob sie gegen die Wahr haftigkeit des Jägers Etwas einzuwenden habe?" Das junge Mädchen hörte aufmerksam auf das Protokoll; kaum war es zu Ende, da rief es mit zorngerötheten Wangen: „Das ist eine ganz elende Lüge, das hab' ich nicht gesagt." „Der Zeuge hat seine Aussage beschworen," war die Bemerkung des Gerichtsraths. „Er hat mich mit seinen Anträgen verfolgt und ich hab' ihn immer abgewiesen, — nun haßt er mich und will mich verderben," entgegnete Bertha; „ich hab' das nimmer gesagt, das wär' ja frivol!" setzte sie mit ganz besonderer Wichtigkeit hinzu, als habe dies Wort für sie die schwerste Bedeutung. „Sie haben diese Büchse nicht von dem Jäger erhalten?" fragte jetzt der Gerichtsrath, und während seine Augen forschend auf dem jungen Mädchen ruhten, zeigte er ihm die unter Papieren versteckt gewesene Büchse. Alles Blut trat der Angeklagten aus dm Wangen, ihre Lippen bebten und ein ücfer, fürchterlicher Schmerz prägte sich auf ihrem schönen Antlitz aus. Kein Wort brachte sie hervor, und wie geistesabwesend starrte sie auf das kleine, verhängnisvolle Gefäß. Der Gerichtsrath mußte seine Frage wiederholen. „Es ist die Wahrheit!" hauchte sie endlich hervor. „Und wie ist sic denn in den Schrank des Scholzen gekommen?" forschte der Gerichtsrath weiter. Wenn die Angeklagte hätte noch bleicher werden können, wäre eS jetzt geschehen. Unruhig, wie in wilder Ver zweiflung irrten ihre Augen umher, dann fragte sie abgebrochen und nach jedem Wort tief Athem holend: „Haben Sie Ferdinand auch jetzt in Verdacht?" „Wie kommen Sie zu dieser Frage?" bemerkte der Gerichtsrath finster, dem das Benehmen der Angeklagten keinen Zweifel mehr an ihrer Schuld ließ; „der Scholz ist verhaftet worden, weil die stärksten Verdachtsgründe vvrliegen, daß er seine Frau vergiftet hat," setzte der Richter mit ernster Miene hinzu. „Er ist unschuldig!" rief Bertha in wilder Hast, „ich allein bin die Schuldige!" „Ich vcrmuthe, daß Sie Beide an dein schändlichen Verbrechen be theiligt sind," entgegnete der Rath. „Nein, ich allein vollführte die That, Ferdinand ist völlig unschuldig!" versicherte Bertha von Neuem. Es lag in ihren Worten und in ihrem ganzen Wesen jene Ueberschwänglichkeit, die schon immer dem Gerichtsrath mißfallen hatte. „Wie wäre es Ihnen möglich gewesen, die arme Frau zu vergiften, wenn Sie nicht den Scholzen zum Mitwisser gemacht hätten?" war seine Antwort. „Die Angeklagte holte wieder tief Athem, ein Frost schien ihren ganzen Körper zu schütteln, dann stieß sie hastig, in abgebrochenen Sätzen hervor: „Ich habe Ferdinand geliebt, so tief, so innig, und ich konnt'S nicht länger mehr ertragen, daß eine Andere an der Stelle war, die mir gehörte . . . sie mußte hinweg — da hab' ich sie vergiftet." „Und wenn der Scholz an diesem Morde nicht betheiligt wäre, wie kam denn das Gift in seinen Schrank?" fragte der Gerichtsrath. Bertha zuckte zusammen; sie blieb einen Augenblick ohne Antwort, dann schien sie mit der ganzen List einer Kammerzofe eine paffende Aus rede gefunden zu haben, denn in ihren Augen leuchtete es freudiger auf. Ruhiger und zusammenhängender wie früher gab sie ihre Antwort: „Fer dinand klagte schon immer, daß er so viel Mäuse in der Scheune habe und kein Gift bekommen könne. Sobald ihm etwas Mühe macht, giebt er es auf und Gift ist nicht so leicht zu bekommen." „Wirklich?" fragte der Gerichtsrath etwas höhnisch und bereute dann selbst seine Bitterkeit. (Fortsetzung folgt.) Dbeater Wie wir hören, findet Dienstag den 8. d. M. abermals eine Bene fiz-Vorstellung statt und zwar für Herrn Guhde; jedenfalls eines der beliebtesten Mitglieder der Direktion Karichs. Herr Guhde hat es in dieser kurzen Zeit verstanden, sich die Gunst des hiesigen Publikums zu erringen — wir wollen hier nur an seinen: Falkentoni, Raphael d'Arbaut, Philippe Derblay und Hans Werner erinnern; seine Leistungen verdienen entschie dene Anerkennung und für all' die schönen, genußreichen Stunden, die uns Herr Guhde in Gemeinschaft mit seinen Kollegen bereitet hat, wünschen wir ihm ein recht volles Haus!! Frau Dir. Karichs hat die Liebens würdigkeit gehabt, Herm Guhde die vorzügliche Lustspiel-Novität: „Wo ist die Frau?" zur ersten Aufführung als Benefiz zu bewilligen. „Wo ist die Frau?" ist ein Lustspiel, wie jetzt in der Neuzeit nur wenige exi- stiren, nebenbei sei bemerkt, daß es in Leipzig schon die 50. Aufführung hinter sich hat! Die Hauptrollen sind so vorzüglich besetzt, daß es auch hier einen großen Erfolg erzielen wird. Frl. Karichs wird mit ihrer Gerda Hoch- städt einen Stein der Erinnerung niederlegen und die Herren Guhde und Stolle werden wieder ganz an ihrem Platze sein. Indem wir dem Publikum einen höchst genußreichen Abend versprechen, wünschen wir Herm Guhde nochmals ein volles Haus. — Herr Musikdirektor Spühring wird mit seiner Kapelle diesen Bene fiz-Abend auch verschönern helfen, da er die ausgewähltesten Musikpiecen zur Aufführung bringt! Äirchennachrichten aus Wilsdruff. Am Bußtag predigt Vormittags Herr ?. Or. Wahl. Nach deni 2. Einlauten Beichte und nach der Predigt heil. Abendmahl. Nach dem Gottesdienste wird eine Eokeete für innere Mission gesammelt werden Nachmittags Gottesdienst mit Predigt. Zu verm Lethen Meißnerstr. 1. Etage: 2 Stuben, 3 Kammem, Küche w., oder Markt seite: 2 Stuben, 2 Kammern, Küche rc. Oktober beziehbar. I^«ui8 Wsdnor. Neu! In kürzester Frist nrnts HäiipllMt und cltMltii Barl durch K. schnellwirkende Tinktur in Flaschen zu nur 80 Pfennigen ächt bei Herrn Friseur 1!ori-L in Wilsdruff. kauft zu höchsten Preisen Roßschlächter Hartmann, Potschappel. /'keeltnleum UMvokcku. / — Hökere UkUsevuN/ /kür «»sckinsn - Ingenieure u»U f Vornntsrrietit frei A / Llitts Lxril n. Oot-'- - § Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 4. März. Eine Kanne Butter kostete 1 Mark 90 Pf. bis 2 Mark — Pf. Ferkel wurden eingebracht 180 Stück und verkauft ü Paar 21 Mark — Pf. bis 36 Mar' — Pf. Meißen, 5. März. 1 Ferkel 8 Mk. — Pf. bis 15 Mk. —Pf. Eingebracht 240 Stück. 1 Läufer 30 Mk. - Pf. bis 33 Mk. — Pf. Butter 1 Kilogramm 1 Mark 80 Pf. bis 2 Mark — Pf. Dresden, 4. März. (Getreidepreise.) An der Börse: pro 1000 Kilogramm: Weizen, weiß 166—170 M., Weizen, braun 164—168 Mk., Korn 132—134 Mk., Gerste 135—1kO Mk. Hafer 117-122 M- — Auf dem Markte: Hafer pro Hektoliter 6Mk. — Pf. bis 7 Mk. — Pf. Kartoffeln 4 Pik. — Pf. — bis 4 Mk. 40 Pf. Butter 1 Kilo gramm 2 Mk. — Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. Heu pro Centner 3 Mk. — Pf. bis 4 Mk. — Pf. Stroh pro Schock 32—34 Mk.