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MWNWWs Tharandt, Nassen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt fiir die König!. Aintshanptmannschaft zn Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zn WÜsdrnff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. - Abonnem cntpre is vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 52 Freiing, der 27. Juni 1884. Bekanntmachung, die Ertheilung außergewöhnlicher Tanzerlaubniß betr. Nach ß 4 des für den hiesigen Verwaltungsbezirk bestehenden Tanzregulativs v. 9. März 1878 dürfen öffentliche Tanzvergnügungen außer an den regulativmäßigen Tanztagen nur mit ausdrücklicher Erlaubniß der Königlichen Amtshauptmannfchaft stattfinden, und ist dem Ansuchen um solche Erlaubniß eine Bescheinigung des Gemeindevorstandes darüber, daß demselben kein Bedenken gegen die Ertheilung der Erlaubniß beigehe, beizufügen. Da erfahrungsgemäß diese Bescheinigung nur in, seltenen Fällen versagt wird, die unterzeichnete Königliche Amtshauptmannschaft aber nur dann die Erlaubniß zu außergewöhnlichen Tanzvergullgungen ertheilen kann, wenn eine besondere Veranlassung hierfür vorliegt, so werden die Herren Gemeindevorstände hierdurch angewiesen, die bei ihnen eingehenden Gesuche vor Ertheilung der erforder lichen Bescheinigung gehörig zu prüfen, solche Gesuche aber, die nicht aus besonderen Thatsachen oder Verhältnissen sich rechtfertigen, ohne weiteres zurückzuweisen. Wenn übrigens in mehreren zur Kenntniß der unterzeichneten Königlichen Amtshauptmannschaft gelangten Fällen Gemeindevorstände die Erlaubniß zu außergewöhnlichen Tanzverguügungen selbst ertheilt haben, so will man nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß in solchen Fällen nicht nur die betreffenden Wirthe nach Maßgabe obgedachten Tanzregulativs, sondern auch die betreffenden Gemeindevorstände dis- ciplinell nach Maßgabe des H 80 der revidirten Landgemeindeordnnug zu bestrafen sind. Meißen, am 21. Juni 1884. Königliche 'Amtöhnuptmannschnst. v. Bosse. Bekanntmachung. Am 30. dieses Monats ist der 2. Termin Kandrente und KandeSknlturrente und vom 1. bis 14. nächsten Monats das 2. Quartal Schulgeld bei Vermeidung von Weiterungen an die Stadtkämmerei abzuentrichten. Wilsdruff, am 26. Juni 1884. Der Stadtgemeindcntth. Kieker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Berlin, 24. Juni. Ueber das Befinden Sr. Mas. des Kaisers bringen Personen, welche sich bis jetzt in dessen nächster Umgebung befunden haben, die günstigsten Nachrichten hierher. Trotz der naßkalten Witterung, die auch in Ems herrscht, hat der Kaiser noch nicht einen Tag seine Kur ausgesetzt. Als er neulich von Koblenz zurückkehrte, wo er seiner Gemahlin einen zweistündigen Besuch abgestattet hatte, soll sich der hohe Herr recht befriedigt über den Gesundheitszustand der Kaiserin ausgesprochen haben. Wie es heißt, werden der König und die Königin von Dänemark in den nächsten Tage» von Wiesbaden in Ems zum Besuch des Kaisers erwartet. Im Reichstage wurde in dritter Lesung der Ackermann'sche Lehrlingsantrag nach hartem Kampfe mit 159 gegen 156 Stimmen angenommen. Der Bundesrath beschloß die einjährige Verlängerung des Bela- gerungszustandes über Leipzig. Der lebendige Verkehr des deutschen Kronprinzen mit dem Fürsten Bismarck wird in Berlin viel besprochen. Der Oberbürger meister Miquel in Frankfurt a. M., der in den neuesten politischen Vorgängen eine gewichtige Rolle spielt, ist telegraphisch zum Kaiser in Ems berufen worden. Die deutsche Reichsregierung hat die Einrichtung neuer Dampfer linien und deren Unterstützung aus Reichsmitteln beiden, Reichstage beantragt. Sie kommt dadurch einer Lebensfrage des Reiches, dem allgemeinen Verlangen des Handels und der Industrie entgegen. Um so größeres Befremden hat die ablehnende Haltung der Fortschritts partei unter Richter und Bamberger in der ersten Lesung allgemein erregt. Ist es nicht ein berechtigter Wunsch jedes Deutschen, die deutsche Flagge in allen Meeren würdig vertreten zn sehen als Trä gerin eines blühenden Handels, als Pfadfinderin für neue Absatzwege unserer Produktion und damit als Hebel für die Arbeit unseres Volkes und für die Beschäftigung von Tausenden von Köpfen und Händen? Jetzt, darüber ist eine Täuschung nicht mehr möglich, ist der letzte Ter min zur Vergebung aller irgend noch kolonisationsfähigen Gebiete und auch zur Erringung der geeigneten Handels- und Absatzwege an gesetzt; alle regsameren europäischen Völker und die große Union im Norden Amerikas sind zu diesem Termine erschienen, um ihren Vor theil zu wahren. Kleinkrämerisch darf der Standpunkt jetzt weniger sein, als jemals — sonst kommen wir wieder einmal, wie der Poet, zur letzten Theilung der Welt zu spät. Und zwar aus sehr — unpoe tischen Gründen: dem Geiste der Kleinlichkeit, der Kritikasterei, der Parteisucht u. s. w. Hier ist das Wort „national" wirklich an der Stelle, hier muß es sich kräftig erweisen nnd schon der Gedanke, daß °üe wirthschaftlich höherstehenden Völker Europas in ihren Dampfer- «ubventionen keine Verschwendung, geschweige denn ein Unding sehen, '.Ee bon einer wegwerfenden Kritik abhalten. Die Vorlage ist sach- Uch zu Prüfen, aber zugleich mit dem Bewußtsein, daß alle anderen mit uns vorzugsweise 'konkurrirenden Völker Europas unter ihren Konkurrenzbedingungen auch Dampfer-Subventionen durch den Staat zählen, und ferner mit dem Bewußtsein, daß bei der neu eröffneten Theilung der Welt resp. ihres Handels unser Deutschland nicht allein nicht wieder leer ausgehen darf, sondern auch die Versäumnisse von Jahrhunderten möglichst gut zu machen hat. Unser Bevölkerungsüber schuß macht weite Absatzgebiete nothwendig und erfordert endlich auch einen Platz in der Welt, wo deutsche Auswanderer als Deutsche zu- sannuenwohnen und mit dem Vaterlande in Verbindung bleiben. Wieder einmal ist es in Gesprächen und manchen Zeitungen an scheinend Mode geworden, namentlich bei den jungen Fortschrittlern und Siedenmeilenstieflern, von den Achtundvierzigern mit Achsel zucken zu sprechen. Es ist eben so: nur wer jene Zeit miterlebt hat, kann sich von ihr eine deutliche Vorstellung machen. Sie war trotzdem und alledem der „Völker Frühling". Es ist dazumal doch etwas und viel sogar vom Besten im Menschen wach, rege und thätig gewesen. Die kühl und selbstsüchtig kalkulirenden Rechner und Streber von heute haben keine Ahnung davon, wie in jenen Märztagen die besten deutschen Jünglinge und Männer von dem Gedanken des Vaterlandes ergriffen, von dem Eifer für die Einheit, Freiheit und Größe der Nation erfüllt und getrieben waren. Wochen- und Monate lang — und das ist, wie die Menschen nun einmal sind, lang, sehr lang — duckten sich alle gemeinen Instinkte und schwiegen alle böse Leidenschaften. Edles Vertrauen beschwingte die Geister, gläubiges Hoffen erhob die Herzen. Wer von Allen, die es miterlebt, will es leugnen? Die Achselzucker muß mau fragen: Wurde denn nicht auch ein Monarch selber, wurde nicht Friedrich Wilhelm IV. von Preußen für Stunden und Tage von diesem Sturm ergriffen? Man wird die Reden, Auf rufe und Handlungen des Königs vom 21. März 1848 niemals aus dem Buche der Geschichte wegätzen können. Viele 48er, die nach dem Sturmjahre lange durch die Wüste der Reaktion gewandert sind, haben das neue Deutsche Reich, an welchem sie trotz der Ungunst der Zeiten unverdrossen milgearbeitet haben, das Parlament nnd alle die Rechte nnd Fortschritte, die wir genießen, mit Begeisterung begrüßt, sie wissen, wie Großes fast unverhofft erreicht worden ist und wollen es nicht gefährden durch allzu ungestümes Vorwärtsdrängen und Stürmen — wohin? Und das ist ihr Verbrechen. Wie aus Bundesrathskreisen verlautet, werden unmittelbar nach erfolgter definitiver Annahme des Uufallversicherungsgesetzes die Vor- arbeiten für ein Alter- und Jnvaliditätsges'etz' für Arbeiter in Angriff genommen werden. Die frühere 'Mittheilung, daß ein solches Gesetz im Reichsamt des Innern bereits vollständig vorbereitet sei, ist nicht zutreffend, doch sind die Grundzüge für eine gesetzliche Regelung dieser Materie allerdings schon festgestellt, so daß, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle in den Fortgang der Arbeiten hemmend kingreifen, eine Fertigstellung des Gesetzes bis zum Beginn der nächsten ordenilichen Reichstagssefsion nicht zu den Unmöglichkeiten gehört. Wie man vernimmt, werden die Arbeiten wiederum unter den Augen des Reichskanzlers stattfinden und wird der betreffende