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Ihnen indessen soviel sagen, oder Baron! daß die Fürstin Romilli stets ihren Willen durchsetzt und daß dieser Wille zuweilen sehr exzen trischer Natur ist. Wir dürfen uns demnach immerhin auf eine Ueber- raschung gefaßt machen." „Pah, Sie meinen schon an diesem Abend?" „Ich meine gar nichts, glaube nur, was meine Augen sehen, — und in der That, Baron! — Sie müssen zugeben, daß man kaum etwas Schöneres sehen kann als dieses Paar." Der Baron zuckte spöttisch lächelnd die Achseln und winkte einen ältlichen Herrn an sich heran. Dieser, ein berühmter Maler der Gegenwart, drückte sein Lorgnon in'S Auge und befand sich im nächsten Augenblick an der Seite des Barons. „Sie versprachen mir neulich einige nähere Aufklärungen über unsern beneidenSwerthen Mimen, lieber L." „Ich werde Sie Ihnen noch an diesem Abend geben, Herr Baron," flüsterte der Maler, „nur Geduld, wir werden der verliebten Fürstin eine Douche geben." „Charmant," lächelte der Baron, „die ganze Aristokratie wird Ihnen dafür Dank wissen." Das Gespräch wurde abgebrochen, die Fürstin hatte sich nieder gelassen und ihre» Kavalier hinter ihren Sessel beordert. Otto schien sich in einer unnatürlichen Aufregung zu befinden, seine wunderbar schönen Augen flammten so seltsam und die ganze mächtige Gestalt des jungen Künstlers suchte durch eine ihm sonst fremde Herausfor derung den Neid und Haß der Gesellschaft immer mehr anzufachen. Es war überhaupt etwas Fremdes und Unnatürliches in seinem Wesen, das selbst die Fürstin überraschte und frappirte. Daß fast die gesammte Gesellschaft ihn zum Stichblatt der heim lichen Medifance nahm, war selbstverständlich, doch schien er, der sonst sich niemals darum bekümmert, am heutigen Abend dieselbe buchstäb- lich herauszufordern, ja, sich sogar daran mit geheimer Lust zu weiden. Die anwesenden Künstler und Künstlerinnen hatten ihren Tribut für die Einladung bereits abgetragen, die Fürstin war in einer aus gezeichnet animirten Stimmung und hatte für jeden ihrer Gäste ein gütiges Lächeln, ein freundliches Wort, während sie ihrem Kavalier mit einer gewissen Ostentation den gleichberechtigten Rang an ihrer Seite zu sichern wußte, eine Bevorzugung, welche die Gesellschaft von dem Ernste ihrer Zuneigung für den bürgerlichen Künstler hinlänglich genug überzeugte. Der Haushofmeister meldete, daß das Souper angerichtet sei und sich erhebend, ergriff die Fürstin auf's Neue Otto's Arm, um sich in den prächtigen Speisesaal zu begeben. Hier wurde jeder Zwang beseitigt und bald genug herrschte die heiterste Stimmung an der ausgesuchten Tafel. Otto befand sich in einem seltsamen Traume, aus dem er nicht wieder zu erwachen wünschte. Wenn die schöne Fürstin ihn auch bereits durch eine offen zur Schau getragene Gunst ausgezeichnet und mit ihrem Zauber zu umstricken gesucht hatte, so war solches doch niemals wie an diesem Abend ge schehen, wo er nur die Hand auszustrecken brauchte, um das höchste Glück, Reichthum, Rang und Schönheit sein Eigen zu nennen. Der junge Mann, welcher sich durch feine Lebensfchicksale wie die Liebe der Kunst gegen eine solche Versuchung hinlänglich geschützt wähnte, konnte sich's nicht verhehlen, daß sich das Netz, welches die Fürstin über ihn geworfen, immer dichter und fester um ihn zufam- menzog, daß er seine Kräfte überschätzt und der gefährlichen Zauberin vielleicht an diesem Abend schon unrettbar verfallen sei. Und warum auch sollte er dieses stolze Glück thöricht von sich stoßen? Fühlte er nicht sein Herz wild und leidenschaftlich klopfen, wenn er der schönen Frau, deren Locken eine Fürstenkrone schmückte, in die blitzenden Augen schaute? Konnte ein so ruhig bürgerliches Wesen wie Nanni, selbst wenn sie seiner Rückkehr treu geharrt, seiner Liebe fest vertraut hätte, ihn, den verwöhnten Liebling des Publikums, der einen anderen und viel höheren Maßstab irdischen Glücks besaß, auf die Dauer be glücken, sein Haus als Herrin repräsennren? Blitzschnell flogen ihm mitten im Taumel der Gegenwart^ diese Gedanken durch den Kopf und fein berauschtes Herz gab nur gar zu willig die ersehnte Antwort darauf. „Ah, mein bester Herr Eberhard!" tönte plötzlich von der unteren Tafel die scharfe Stimme des Malers zu ihm her. „Sie waren doch, bevor Sie die Bühne zu Ihrem Beruf wählten, Maler wie ich —" „Ganz recht," versetzte Otto, „was soll's damit?" „Sie haben in der Stadt Z. unser edles Handwerk erlernt, wenn ich nicht irre," fuhr der Maler fort. In Otto's Wange stieg die Röthe des Unwillens. „Freilich, Z. ist meine Vaterstadt," rief er stolz, „doch was soll die Frage, welche einem Jnquiriren nicht unähnlich sieht?" „Pardon!" lächelte der Maler, sich behaglich den röthlichen Bart streichelnd, „ich hörte von einem neuen Bilde, welches von Berlin aus die Runde durch Europa machen und wahrscheinlich großes Auf sehen erregen wird. Dasselbe soll von Eberhard in Z. gemalt fein, — vielleicht ein Verwandter von Ihnen, Herr Eberhard?" „Es ist eine Art Vetter von mir," erwiderte Otto, sichlich erbleichend. „So, so, ich dachte es mir; vielleicht war es Ihr Lehrmeister?" „Nein!" schrie Otto mit einer so wilden, zornigen Bewegung, daß die Fürstin betroffen zusommenzuckte. „Ich verbitte mir Ihre inquisitorischen Fragen, mein Herr!" setzte er etwas ruhiger hinzu. „Noch einmal Pardon, verehrter Herr!" lächelte der Maler so behaglich wie zuvor, „die Frage war insofern nothwendig, als ich nach der Erklärung des Herrn Eberhard nun ohne weitere Skrupel weiterreden darf, das heißt, mit der gnädigen Erlaubniß meiner durch lauchtigsten Fürstin." Diese nickte ihm leicht zu und sagte: „Einer Erlaubniß dazu, bedars's nicht, lieber X. Sie wissen ein- für allemal, daß an diefer Tafel ein Jeder zwangslos reden darf. Sie scheinen eine pikante Geschichte in xstto zu haben," fetzte sie mit einem besorgten Blick auf Otto hinzu, der finster vor sich hinschaute. „Weniger pikant als dramatisch, Durchlaucht! — Ich erfuhr die kleine Geschichte jenes Bildes erst heute durch einen Brief aus Berlin." „Nun, dann lassen Sie hören," nickte die Fürstin, sich in ihren Sessel zurücklehnend, und den Blick nicht von Otto wendend. „Hat man Ihnen das Bild genauer beschrieben?" fuhr Letzterer wie aus einem Traum erwachend empor. (Forts, folgt.)