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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.04.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080425019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908042501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908042501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-25
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Monat
1908-04
-
Jahr
1908
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Deklarativ« miteinander in Verbindung treten, um sich im Wege der Verembaruug untereinander über die Maßnahmen zu verständigen, die sie im Interesse der Aufrechterhaltung des atatus ouo ihier Bentzuogen für uüytich halten möchte». Die gegenwärtige Erklärung wlrv mit tunlichster Beschleunigung ratifiziert werven. Die Ratifikationen werden möglichst bald, späiestenS am 3l. Dezember in Berlin niedergelegt werden. Neber die Nieverlegung jeder Ratifikation wird ein Protokoll ausgenommen, wovon eine beglaubigte Abschrift auf diplomatischen Wege den Signatarmächten übermittelt wird. Zu Urkund dessen usw. 2) Memorandum. Bei der Unterzeichnung der Deklaration vom heutigen Tage stellen die Unierzeichneren im Namen ihrer Regierungen folgende« fest: 1) Daß der durch diese Deklaration anerkannte Grundsatz der Aufrechterhaltung deS »tatus quo nur die territoriale Integrität aller gegenwärtigen Besitzungen der hoben vertragschließenden Teile in den an die Nordsee grenlenden Gegenden in« Auge faßt, daß daher die Deklaration in keiner Weise angerufen werden kann, sobald es sich um die trete Ausübung von Hobelt-ereckten der hoben vertragschließenden Teile über ihre obenerwähnten Besitzungen bandelt. 2) Daß im Sinne der Deklaration die Norv'ee sich nach Osten bis zu ihrer Bereinigung mit den Gewässern der Ostsee erstreckt. * Da« in Petersburg unterzeichnete Ostseeabkommen lautet in deutscher Nebersetzung wie folgt: 1) Deklaration. Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, Sriue Majestät der König von Dänemark, Seine Majestät der Kaiser von Rußland und Seine Maj-stät der König von Schwede« hege« den Wunsch, die zwischen ihren Staaten bestehenden Baude nachbarschaftlicher Freundschaft zu stärken und davuich zur Erhaltung de- allgemeinen Friedens 'oeizutragen, und stimmen in der Ueberzeugung überein, daß ihre Politik mit Bezug auf die an die Ostsee grenzenden Gebiete die Aufrechterhaltung deS jetzigen territorialen statu-; yuo zum Gegenstände hat. Ibre Regie rungen erklären deshalb, daß sie f-st entschlossen sind, die Rechte Seiner Maiestät de« Deutschen Kaisers, Königs von Preußen, Seiner Majestät de« Königs von Dänemark, Seiner Majestät des Kaiser« von Rußland und Seiner Majestät des Königs von Schweden an ibren festländischen und insularen Besitzungen in den genannten Gegenden unverkürzt zu erkalten. Sollte der gegenwärtige territoriale Status quo in den Gegez den der Ostsee durch irgendwelche Ereignisse bedroht weiden, so werden die Re» gierunyen der vier Signatarmächre der gegenwärtigen Deklaration mit einander in Verbindung treten, um sich über die Maß regeln zu verständigen, die sie im Interesse der Aufrechterhaltung des Status guo für nützlich halten sollen. Zu Urkund dessen usw. 2) Memorandum. Bei Unterzeichnung der Deklaration vom heutigen Tage stellen die Unterzeichneten im Namen ihrer Regierungen fest: daß der durch diese Deklaration anerkannte Grundsatz der Aufrecht erhaltung deS Status quo nur die territoriale Integrität aller gegen wärtigen Besitzungen der hoben vertragschließenden Teile in den an die Ostler grenzenden Gegenden ins Auge saßt, und daß daher die Deklaration in keiner Weise augerufen werden kann, sobald eS sich um die freie Aus übung von HoheilSiechren der hohen vertragschließenden Teile über ihre oben erwähnten Besitzungen handelt. * Zu den beiden bedeutungsvollen Abkommen geben wir noch folgende Londoner, Petersburger und Kopenhagener Preßstimmen wieder, die die Wichtigkeit zeigen, die man den Verträgen in London und Peters burg beimißt. London, 24. April. „Daily Grap hie" schreibt: Die Abkom men über die Nord- und Ostsee werden von jedem Freunde deS europäischen Friedens mit Genugtuung begrüßt werden. Sie werden dazu dienen, nicht nur die kleineren Staaten deS Norden« von großer Besorgnis zu befreien, sondern auch aus den Beziehungen der Großmächte Befürchtungen und Verdachts momente au Szm chatten, die geeignet wären, unfreundliche Gefühle gegeneinander auikommen zu lassen. Der Abschluß der Abkommen ist gleicdtallS zu begrüßen als erstes praktisches Ergebnis der englisch deutscheu Annäherung, die während der letzten zwo f Monate so erfreu liche Fortschritte gemacht hat. Großbritannien und Deutichland baben sich nunmehr in der Nordsee ein Feld koniervativen Zusammenwirkens gesichert, das ganz dem Mutelmeerablommen zwilchen England, Frank reich und Spanien entspricht. So ist der Anfang zu einer wirklichen Entente gemacht, die, wie wir vertrauen, bald so eng und herzlich sein wird, wie die, welche un« mit unseren Partnern im Mittelmeer verbindet. Petersburg, 24. April. Alle hiesigen Blätter begrüßen die gestern unterzeichneten Verträgt über dir Ostlee und über die Nordsee mit sympatbischt-u Artikeln. „Nowoje Wremja" sagt: Indem Rußland den Wünschen Schweden« wie vorher Norwegen« entgegeukam, wurde e« von dem natürlichen Wunsche geleitet, den Nachbar zu beruhigen, für den e« die freundschaftlichsten und besten freundnachbarlrchen Gelühle nährt. Da« System der abgeschlossenen Verträge habe, wir da« Blatt werter meint, eher eine moralische als eine politische Bedeutung. Rußlands Nachbarstaaten hätten nochmals die feierliche Be stätigung seiner friedlichen Absichten und Bereitschaft erhalten, jedem friedlichen Beginnen entHegtnzukommen und dasselbe zu unterstützen. „Ruß" schreibt, jetzt könne man mit Recht sagen, die heikle Frage sei zur beiderseitigen Zufriedenheit gelöst und es sei Rußland ge lungen, Schweden endlich von seinen durchaus friedlichen Absickten zu überzeugen. .Retsch' ist der Ansicht, da« mit Schweden erzielte Abkom men weide wabrtcheinlich d>e öffentliche Meinung Schwedens beruhigen. Die „Börsenzeitung" äußer«, die gestern unterzeichneten Ablommen schafften eine neue und sicher« Garantie für den Frieden Nordeuropa«. Was Schweden betreffe, so garantiere ihm die neue, sehr wichtig« Alte Rübe und Sicherheit. Die schwcvncke Gesellschaft könne nun nicht mehr von einer russischen Gefabr sprechen. Kopenhagen, 24. dlpril. Das RegierungSorgan „Dane- brog" bezeichnet den dlbschluß als Glied in der Kette der allgemeinen Bestrebungen zur Sicherung deS Friedens. Insbesondere die kleinen Staaten hätten ein Interesse daran, daß diese Bestrebungen gefördert lvürden und zu einem positiven Ergebnis führten. S-it dem Besuch deS Deutschen Kaisers in England im Herbst 1907 sei die Angelegenheit Gegenstand ruhiger diplomatischer Behandlung gewesen und man gehe nicht fehl, wenn man Kaiser Wilhelm ein gut Teil der Ehre zuschreibe, daß diese Bestrebungen zu einer Friedens- und Verständigungspolitik zum Ziele führten. Krine direkt interessierte Macht, auch keine kleine Macht, wie Dänemark, hätte diese Forderung erheben können, um so weniger, als die abgeschlossenen Abkommen, vom Gesichtspunkt der Machtpolitik auS betrachtet, in erster Linie für die kleinen und schwachen Staaten von Vorteil seien. Deutsches Reich. Leipzig. 2ö April. * Zu« Protest gegen die Wahl -es Abgeordnete» Wittich wird un« aus vem Pirnaer Wahlkreis geschrieben: Untrrm 6. Oktober v. I. wurde vom nationalliberalen Verein für den 8. tächsiichen ReichStagS- wahlkrei« (Sitz Pirna) P-otest wegen Wahlbeeinflussung gegen die Wahl de« koniervativen Abgeordneten Wit tick-Rabenau erhoben, der den 5. städtischen Wahlkreis in der Zw iten Kammer vertritt. Der Protest gründete sich besonders auf Wahlbeeinflussungen, die von feiten der Schutinspekioren zu Dippoldiswalde, den Herren AmtSbauptinann Dr. Mchncrt und Schulrat Bang, vorgekomnien sein sollen. Der fünften Abteilung der Zweiten Kammer erfchien eine Klarstellung dieser schwer wiegenden Behauptungen erforderlich und sie b> schloß daher einstimmig, darüber durch die Regierung Erhebungen anstelle» zu lassen. Der dahingehende Vorschlag an die Kammer ist unter dem 24. Februar eingebracht worden. Zwei Monate sind seitdem ins Land gegangen. Auf der Tagesordnung der Zweiten Kammer hat eine ganze Reihe von Drucksachen gestanden, die erst später au die Kammer gelangt waren; eS liegt jetzt bereit« die Drucksache 33l vor, aber Me Drucksache 2lt, eben jener vom Abg. Dr. Zöphel verfaßte Bericht über die Behandlung de« Pirnaer Wahlprotestes, ist noch nickt zur Erledigung gelangt, ob wohl noch Vieser Tage der Kammerpräsident Dr. Mehaert über Stoff mangel zur Beratung im Plenum klagte. Anstatt daß die Angelegenheit die Zweite Kammer bescheinigte, erschien vier Wochen nach dem Be schluß der fünften Abteilung eine Erklärung des Bezirkslehrer- verein« Dippoldiswalde, in der peinliche Verwahrung gegen eine Wablbeeiiiflussuug durch behördliche Organe eingelegt wiro, aber keine positiven Anga- en gebracht werden, die geeignet wären, die Vorwürfe im Pirnaer Wablprotcst zu entkräften. Eine baldige Regelung dieser Angelegenheit liegt nicht nur im Interesse dr« Abgeordneten Wittich selbst, der fünften Abteilung, die sich leicht dem Vorwurf der Lässigkeit auSsetzen könnte, sondern auch der beschuldigten Schulinspektion in Dippolvswalde, de- angeblich benachteiligten Gegenkandidaten und deS ganzen Lande«. W * Las Kaiserpaar auf Korfu. Der Kaiser hörte am Freitag vor mittag auf der Achille-terraffe die Vorträge de« Chef« de« Militär kabinett« Grafen v. Hülsen - Harseler, de« Cbef« de« Marinekabiuetts v. Müller, de« Geheimen RegirrungSrat« v. Berg au« dem Zwilkabmett und des Gesandten Dr. Fieiherrn v. Ienifch. Zur FrühstückStafel sind die Herrschakten von Connaughl gelaven. * Die Haltung in -er Freisinnigen Bereinigung. Im Auftrag de« GesamtvoistaudeS de« „Wahlverein« der Liberalen' bat ver Parteivor sitzende Abgeordnete Schrader an die Parteiorganisationen folgende Erklärung gerichtet: „Ja der Delegiertenversammlung am 22. b. M. haben die Herren Dr. Barth, v. Gerlach und Dr. Brtltlchciv und einige ihrer Gesinnungsgenossen ihren Austritt au« dem Wahlverein der Liberalen erklärt. Der Grund war die Ablehnung eine« von ibnen gestellten Antrages, den Abgeordneten der Partei, welche im Reichstage für das Verein-'gesetz gestimmt batten, das Bedauern deS Parte tages auSzudrücken. Die sehr große Mehrheit der Versammlung hat dies abgelehnt, weil sie anerkannte, daß die Parlamentarier im vollsten Pflichtgefühl und aus der Notwendigkeit der politi'chen Lage heraus gehandelt Kälten. Allgemein wurde der Austritt der genannten Herren aus der Partei sehr bedauert, und unter allgemeinem Beifall wurde dem auch vom Leiter des Parteitages Ausdruck geg den. Zugleich wurde aber unter der gleichen Zustimmung der Venammlung von ihm hervorgehoben, daß die politische Haltung der Parier dadurch in kerner Weise verändert werde. Die Haltung deS Parteitages wahrend dieser und der folgenden Beratungen hat dann auch tatsächlich gezeigt, daß er von dem Geiste des entschiedenen Liberalismus erfüllt war, und daß er in vielem Sinne die Einigkeit de« Geiamtliberalismus energisch weiter pflegen will. Die Verhandlungen über die Arbeiterfrage beweisen, daß untere Partei gewillt ist, von diesem Standpunkte der Entschiedenheit auS sich nach wie vor der Vertretung der Arbeiterinteressen zu widmen. Ebenso bat die Behandlung der Fraueniraae vargetan, daß unsere Partei die Wege deS Fortschrittes in leber Hinsicht auch weiterbin geben wird. Wir geben unseren Freunden biervon mit der Brite Kenntnis, in ibrem Ver trauen zu der Partei nicht wankend zu werven, wielmehr mit aller Kraft für ibre Organisation und ihre Ziele weiter einzutreten.' * Zur PcilsionSveisicherung -er Prtvatbramtcn. In einer großen Versammlung in Müncken - Gladbach hat der ReichstagSabgeordnete SiNart interessante Mitteilungen über den Stano der Pension«- Versicherung der Priva i bea mten gemacht. Wie er erzäblte, sei in einer letzter Tage im NeichSamt de« Inneren abgehaltenen Be sprechung von zuständiger Seite die Versicheiung abgegeben worden, die Regierung werde dieses Iabrzebnt nicht vorübcrgeben lassen, ohne vem Reichstage einen Gesetz ntwurs über PennonSversicherung der Privatbeamten vor zulegen. Danach wäre da« Gesetz also in längsten« zwer oder drei Jahren zu erwailen. * Tie -rulsch.ftan;öitschr Annäherung. Der Pariser „Gauloi«' hatte seinen Beiliner Korrespondenten beauftragt, verichiedene maß gebende deutsche Persönlichkeiten über die An näberungsbcstrebungen zwilchen Deutschland und Frankreich zu befragen. Jetzt werden die Antworten deS ReichStag'piäudenten Grasen v. Stolberg, de« Herzog« vou Trachenbera, der Generale v. Loevell und v. Fetter und de« Freiberrn v. Hrrtling veröffentlicht. Alle diele Herren sind Mttgl eber des Komitee«, das sich zumZweck drrFörderung derAnnäderungSbestrebungen ge bildet hat. Sie sprechen sich demgemäß für jede ernstbafte Bemühung in diesem Sinne au«, beben aber fast sämtlich hervor, daß diese Bemühungen nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie durch ein ähnjiche« Komitee in Frankreich unterstützt würden. Der Herzog von Trachenberg warnt vor jeder Ueberstürzung; unüberlegte Hast könnte den guten Zweck gefährden. Der General v. Loebell wünscht, daß die hohe Politik bei den Bestrebungen de« Komitee« au« dem Spiele bleibe. Er will den schon begonnenen Gedanken ausbauen, auch künstlerische und wirt schaftliche Gebiete fördernd unterstützen und gibt schließlich ein günstige« Urteil über da« sranzöstiche Heer ab, über dessen gute Organisation und Bravour in der deutschen Armee kein Zweifel bestünde. General v. Fetter behauptet, im deutschen Heere finde sich keiner, der einem freundschaftlichen Euwernebmea mit Frankreich feindlich gegeauberstehe. Er glaubt, der Zeitpunkt für eine Bewegung im Sinne einer friedlichen Annäherung zwilchen den beiden Ländern sei gut gewählt. Freiherr v. Hertling findet die Mission des Komitees nicht leicht, meint, Woße Schwierigkeiten würden zu überwinden sein, um so größer wäre aber da« Verdienst, wenn e« gelänge, die beiden zum Werke der Zivilisation berufenen Völker vahin zu bringen, daß sie nicht gegeneinander, sondern miteinander aibeiten. * wenrhmtute Warenhaussteuer. Die Fürstlich Reußische Regierung in Gera genehmigte die Warenhaussteuer der Sladt Gera dl« zu 2 Prozent. Feuilleton. Vie Leute vom Simpttzisfimur. Bon Otto Alake.*) Wir stellen folgende Prognose für die Zeit fest, als der „Simvli- zissimus" erschien. In den weilen Kreisen der Ordnung und des Be sitzes, von der Krone herab bis in die kleinbürgerlichen Familien hinein, bestand die felsenfeste Meinung, ,m Besitze der Kultur schlechthin zu sein und, seit Frankreich besiegt war, an der Spitze der europäischen Zivilisation zu marschieren — eine Ueberzeugung, die noch immer auf dem Bewußtsein der Leistungen der klassischen Epoche fußte und durch den Ruhm, den die deutsch« Wissenschaft und die deutsche Industrie sich erworben hatten, befestigt wurde. Dieser offiziellen Anschauung stand diametral gegenüber die der Künstler und Literaten, daß man auf dem toten Punkte angelangt sei. ES ergab sich die Aufgabe, die Nation zum Bewußtsein ihrer Lage zu bringen. Es war eine unge heure Aufgabe, doppelt schwierig, weil man bei der Temperamentanlag« deS Deutschen nickt erwarten konnte, daß man zünden und die Bereit willigkeit zur Revolution, die den Fortschritt bei unseren Nachbarn so erleichtert, beim deutschen Bürger finden werde. Es handelte sich nicht darum, einer schon unruhigen Masse Führer zu geben, sondern sie erst in Unruhe zu bringen, sie in ihren sichersten Ueberzeugungen zu ver letzen, zu verhöhnen, zu reizen. Dieser Kampf fand ein Organ im „Simplizissimus". Staatsanwälte, die ihre Objektivität versichern, um desto grimmiger zulassen zu können, pflegen in den vielen Prozessen, die der „Simplizisst- mus" heraufbeschwort, die Forderung aufzustellen: der Spott dürfe nvar treffen, aber nicht verletzen. Tie Unsinnigkeit liegt im Bilde selbst. Man kann nicht treffen, ohne zu verletzen. Was sich für die „Fliegenden Blätter" schickt, schickt sich nicht für den „Simplizissimus". Auch die ..Fliegenden Blätter" waren einmal aggressiv, aber während sie ihren Frieden mit allem, was denkbar und undenkbar ist, seit Großväterzeit längst gemacht hatten und die Bürgerruhe auf ihren Seiten eine in ihrer Harmlosigkeit stupide Apotheose gefunden hatte, trat er eben in die Bresche, die auch vom „Kladderadatsch" des geeinigten Reiches nicht mehr ausgefüllt wurde, mit einem den veränderten Umständen entsprechenden Radikalismus. Gewiß liegt in einem Unternehmen, daS der Satire dient und jede Woche erscheinen muß, eine Gefahr, die überhaupt nickt vermieden werden kann. Die Gckabr der Wiederholung und die noch schlimmere der Verbohrtheit, der künstlichen Beschleunigung der Gallenproduktion, die auf natürlichem Wege sicher in einem etwas langsameren Tempo vor sich ginge. Aber daraus gibt es verschiedene Einwendungen. Zunächst ist nicht einznlehen, warum einem Witzblatt nicht dieselbe Nachsicht ent- gegengebracht werden soll, die anderen periodischen Blättern bewilligt wird. Tie „Jugend" vermag auch nickt in jeder Nummer einen neuen Zeichner oder ein Mcisterblatt zu veröffentlichen. Solche Blätter wollen weniger nack ihren Einzelhesten als im ganzen beurteilt werden. Und der „Simplizissimus" besteht solche Probe glänzend. Seine Sammel beste und seine Jahrgänge überraschen nnd zwingen zur Bewunderung. Zweitens ober stellt sich heraus, daß der Zeichnungen und Karika turen, die nur dfe Nummer stillen sollen, recht wenige sind; wessen Ver dienst an dieser Tatsache größer ist: der Künstler, die immer von neuem glänzend produzieren, ohne zum richtigen Aussuchen zu kommen, oder unseres öffentlichen, politischen oder gesellschaftlichen Lebens, das un ermüdlich Stoff zur Lächerlichkeit liefert und eine Art Materiallieferant . *1 Wir entnehmen die Äus'ührungcn uiiseres Mitarbeiters einem in der EssaiS-Sammlung „Persönlichkeiten" (Virgil-Verlag, Charlotten- b«rg) soeben erschienenen Hefte. deS Blattes darstellt, bleibe unentschieden. Beide arbeiten wohl getreu lich Hand in Hand. Und drittens: wenn «S irgendwo richtig ist, daß einmal keinmal ist, so hier. Wer die Nolle eines öffentlichen Aufklärers übernommen hat, muß sein Programm oft wiederholen. Die Unerbittlichkeit ist die Starke des „Simplizissimus". Sobald die Münchner Zeichner den Beruf, für den „Simplizissimus" zu zeichnen, einmal übernommen haben, werden sie auch von allein im Gang erhalten. Andere machen Politik, sie die Glossen darüber, andere trogen Jägerhemden, sie setzen ein Sprüchelchen darunter. Sicher, man braucht nicht bei jedem betrunkenen Studenten Gehirnverblödung durch konstanten Alkoholmißbrauch anzunehmen, und nicht in jedem Korpsstudenten eine Kreuzung von Troddelhaftigkeit und Strebertum zu sehen — das Saufen und das Verbandsunwesen sind darum dock Tatsachen, und Tatsachen verfallen dem Spott. Der Sach« nach sind die „Simplizissimus"-Leute nichts anderes als die von den „Fliegenden Blättern", die jede Woche ihre Schwiegermutter-, Förster dackel- und gute^rlte-Zeitwitze reißen; aber sie tun eS um eines höheren Zweckes willen; dort handelt eS sich nicht um viel mehr als Kinderei, damit der Mensch, wenn er rasiert wird, etwa- hat, womit er sich lang- weilen kann ; hier bandelt es sich um eine so ernsthafte Sache, wie seelische Freiheit, bessere Nationalmanieren und anständige öffentliche Zustände, von dem künstlerischen Vergnügen ganz zu schweigen. Selbst wenn eS Einseitigkeit sein sollte: nun, so ist Einseitigkeit Notwendigkeit. Alle« ist einsntig, alle sind einseitig. * Schiller« Urenkel «er Schiller« Liede. Btt Loge» Diebwich« in Jena erscheint demnächst eine NevaaSgab« d«S Briefwechsel« zwt chen Eckiller und Lotte, den der einzige noch überlebend« Urenkel de« Dicktrr«, Alexander vou Klttcheu-Rußwnrm, herauSgibt und rin leitet. Seine Sialtttang. vou der wir schon jetzt Einsicht nehme« konnten, ist darum besonder« interessant, weil sie »ach einer Andeutung dr« Verfasser« mündliche Urberliesernnaen verwertet, die auf Lotte« Schwester Karoliu« zurückgehen uud vou tdrer Nichte Emtlte. de« Dichter« jüngster Tochter und Großmutter de« Brriasser«, mttgeteilt worden sind. E« beziehe» sich diel« Mitteilungen ans da« ost erörterte und ost miß verstandene Verhältnis Schiller« »u den beiden Schwestern Karoliue und Lotte, dessen Entwickel«»« Glttchrn-Rußwurm rbeuso natürlich wir überzeugend dar- zustrlle» weiß. Al« Schiller die Dameu Leuarfeld kennen lernte, war »« zurrst die tu tdrer Eh« sich «lcht glücklich fühlende Karoltne, deren lebhafter Geist ihn fesselte. Ja Gespräche» mit ihr über sein Wirke» »nd Wollen streifte er die weltfremde Schüchternheit ab, während ihm Loti«, still und innerlich bester, »ach Art der deutfchrn Mädchen jener Zeit eia wenig verträumt znhörtr und mit wachsender Neigung ihm tief t» di« Seele schaute. Geraume Zeit noch bat in dem Verkehre Sckill^« mit beiden Schwestern dir attstige Anregung die bedeutendste Noll« geivielt. E« ist nicht unmSgltch, so meint Gletchen-Raßwurm. daß Karocknr damal« bereit« an Scheidung backte und die MSgltchtttt in« Auge saßte. al« Schiller« Gattin eine» Wirkung«krtt« zu finde», der ibren «»lagen und Wünschen entsvrach. Ader „die Bequemlichkeit'' — wie Korollar im Kreise der Farmltr genannt wurde — scheute sich noch vor allen Konflikte», dl« eine solche Tat heraufbeschwor, zumal da dir Mutter, eine strenge Dame der älteren Generation, von einem solchen Schritte dorttau» nicht« wissen wollte. Wenn in dem Verhältnisse Schiller« zu Karolinen gelegentlich rin gewisser Ueberschwang der Sprache oder der Gefüble bemerkbar wirb, so muß man sich daran erinnern, baß jene Zeit in dieser Bezirhunq leicht verschwenderisch veriuhr uud daß sich hinter Formen, dir un» heiße Leidenschaft zu verraten ickrinrn, doch nur warme Freundschaft verbarg. Zunächst schwelgten beide Sckw-stern, Karo- llne und Lotte, gemeinsam in einem Kultu» über'chwenglicher Freundschaft. Ob e« Karolinen dann große innere Lntiagung gekostet bot. um Schiller und Lotte »ur gegenseitigen An-'vrachr zu veranlassen, ist beute nicht mehr zu entickttben. Jedenfalls blieb sie tdm nach dieser Aussprache mit gleicher Herzlichkeit zu getan, und die Träume de« Dicktee- gingen immer auf rin Zusammenleben mit beiden Frauen, in dem sür >eten Kenner der damaligen GefüblSivrlt absolut nickt« Fremdartige« oder Verletzende« liegt. Au« ken Tagebüchern und den vertraui'ckru Bririeu Karolinen« geht hervor, daß erst in den Tagen ibre« junge» Eheglücke« tu Lotten sich ein leichter Argwohn regt«, ihre Schwester könne für Schiller geistig mehr bedeuten, al« sie selbst. Zwischen beiden Frauen fand in Jena eine offene Aussprache statt, nach der sich Korollar mehr und mehr au« der geistlgen und seelischen Gemeintchast mit Schiller zuruckzog. Der Dichter fand Ersatz in der wachsenden Freundschaft mit Goethe. * Hochschulnachrichten. Di« iu diesen Tagen in Kiel tagende „Deutsche Pathologische G> seuiwaft" wählte beute, wie un« «in Telegramm an« kiel meldet, den Gebermrn Hosrat Professor Dr. Welchselbaum au« Wien zum Vor sitzenden und bestimmte Leipzig al» Ort der nächsten Tagung. — Für den die- jährigen Aerztetag in Danzig ist jetzt folgende Tagesordnung frstgestellt: 1) Die Leitsätze der Kommission für Schulaeiundvrttevfüge, nebst Zusätzen der Kommission, worüber Geheimer Hofrat Professor Dr. König-Häser-Ltuilgart b« richten wird; Referat von Dr. Äastvar über dir schulärztlichen Organtlationeiqneme 2) Anträge der Kommission zur Bekämpfung der Aurvsusckeret zu dem vorläufigen Entwurf eine- Grs.tze» über die Ausübung der Hetltunde durch mchtavprobierü Perwnen und den Geheimmsttelverkhr; Referent Mebizinalrat Dr. Ltndmann- Mannhrim 8. Regelung dr» Verhältnisse« de» Deutschen Aerzleveretusbunde« zu dem Verbände druticher LebenSversiterunaSaeselllchaftrn: Referenten Pro fessor Dr. Kraft-Gör ber-dorf und Dr. Pfalz-LÜffeldorf. 4. Bericht und Vor schläge der Krankenkassenkommisiion. b. Anirag de« ärztlichen Bezirk-Verein« Leipzig-Land: „Der 36. Deutsche Aerztetag in Danzig erklärt e« sür Stande«- pflicht der deutschen Aercte, mit allen erlaubten Mitteln die Ausdehnung de« VersicherungSzwangeS über die 2>kX) Mark-Grenze hinaus zu bekämpfen." Der Aerztetag ist für 190tt vom Aerztltchen Verein zu Lübeck eingrlacen, der dann sein hundert lähttgr« Bestehen sttert. * iklettte Lhrontk. Wie au» München berichtet wird, hat Paul Hevse der dortigen Hof» und Staatsbibliothek eine wertvolle Schenkung zugewenbet. Sie besteht au- einer Sammlung von ungeiädr 600 Dramen au« den letzten Jahrzehnten (größtenteils Buhnen-Mannslrivtes und etwa 200 Werken der schönen Literatur Italien«. Bon den Dramen tragen sehr viele hand schriftliche Wtbmunaen der betreffenden Dichter an Paul Heyse; uatrr den italienischen Werken befindet sich eine große Anzahl vou Werken oberttaltrntscker Dlckter, die Paul Heyie al- Besitzer der schönen Billa in Gardon« Riviera ihre Huldtgunnen darbrachtrn. — König Karl von Rumänien schenkte rem Pariser Museum der dekorativen Künste eine Sammlung von 6L rumänt chen Bauernlöviereien. — Eugen d'Albert« neue Oper „Jzcyl" behandelt den Stoff der „oainto ooattloaoo^ und ist dem Drama von Sllvrstrr und Morand, da» vor einigen Jahren in Pari« mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle über 300 Aufführungen erlebt, entnommen. — Der kürzlich erfolgte ablehnende Bescheid de» Kaiser« über da- Lüchow- Denkmal de« Bildhauer» Klinisch, da» die Stadt Berlin und die Berliner Aerztrschaft auf dem Karl-Platz errichten wollen, hat dir gestrig« Sitzung dr« Berliner Magistrat» wider Erwarten noch nicht beschäf tigt. da im Rathaus« dir Rechtsgrundlagen für die Beurteilung dieser Materie anfchttnend noch nicht genügend geklärt sind. Im übrigen ist der Bescheid de« givilkabtnett«, wie wir hören, in sehr bkfltchrm und enigegenkommrndem Tone gehalten. Seine Fassung soll, wie vernchrrt wird, weit davon entfernt lein, im roten Hause so etwa» wie eine Konfllkt-stimmung hervorzuruien. Virchow werde darin al« der „große Mauri" bezeichnet. Dir ablehnende Haltung de« Kaiser«, die in dem Antwortickrriben eingehend begründet wird, richte sich lediglich gegen di« HerkuleSgruppe auf dem Postament, di« nach der Meinung de« Kaiser« vielen unverständlich erscheinen müsse. — Dem Schwäbischen Sckiller-Brrein hat sich nach einer Meldung ouS Stuttgart der Illstinus-Kerner-Berrin in Rineberg alS Zwrigverein ange'chlossrn. Der Kerner-Verein übergibt dem Schiller-Verein für da« Schiller-Museum zu dauerndem Eigentum alle im Besitz dr» Kerner-Verein« befindlichen, w e alle ihm künftig zuoeheuden handsct riitlichen Stück,. — Da« Programm der Kaiser- frstsplele in Wiesbaden ist auf Briehl deS Kaiser« wie folgt frstgrlegt worden: 1. Abend, 14. Mai: „Gotberga", rin dramotsickr« Gedickt von Jolrs Lauff; 2. Abend, lb. Mai: „Oberon ', große romontiscke Feenoper in 8 Akten vou Karl Maria von Weber; 3. Abend, 16. Mai: „Der Vibckoihekar", Schwank in 4 Akten von G. von Moser (neu einstuvlrrt,; 4. Abend 17. Mai: „ILgerblut", B«>k»stück mit Gesang und Tanz in k Bildern von Benno Nauck,negger cmst Konrad Dreher al, Gasts; b. Abend, 18. Mai: „Der letzte Fuakr', Lu'ispirl in 3 Alten von O-lar Blumenthal und G. Kadelburg. Für dr» 19. Mat stehl eine E»1schttdu»g »och au«.
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