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Tharandt, Nossen, Siebentel)« and die Umgegenden. Am tsb latt für die Königl. Amtshailptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. - Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 47. Dienstag, den 10. Juni 1884» Bekanntmachung. Sonnabend, den 14. Juni dss. Js., Vorm. 9 Uhr findet im hiesigen Verhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge in hiesiger Hausflur zu ersehen. Meißen, am 6. Juni 1884. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Aagesgeschichte. Die Feierlichkeit der Grundsteinlegung des Reichstagsge bäudes wird in folgender Weise ihren Verlauf nehmen. Die Geist lichen nehmen zwischen dem Podest der Abgeordneten und der vor demselben gelegenen Kanzel Platz. Bei dem Herannahen des Kaisers bläst die Musik eine Fanfare; sobald der Kaiser vor dem Pavillon erscheint, nähert sich der Reichskanzler dem Kaiser und fragt, ob die Feier beginnen solle. Nach dem dazu ertheilten Befehl singt der Dom chor einen Choral. Der Reichskanzler bittet um die Erlanbniß zur Verlesung der für den Grundstein bestimmten Urkunde und verliest dieselbe. Die zur Versenkung bestimmten Schriftstücke und Mün zen sind: Der Erlaß an das deutsche Volk von Versailles vom 17. Januar 1871, betr. die Erneuerung der deutschen Kaiserwürde, die deutsche Reichsverfassung, das Handbuch für das deutsche Reich von 1884, die Baugeschichte des Reichstagsgebäudes, Pläne der Stadt Berlin und ihres Weichbildes, ein vollständiger Satz von Reichsmünzen aus den Prägungen aller deutschen Münzstätten. Der Kaiser, die Kaiserin, der Kronprinz, die Kronprinzessin, die Großherzogin von Baden, die Prinzen und Prinzessinnen des Königshauses begeben sich nach der Stelle des Grundsteins. Der bayerische stimmführende Bun- desrathsbevoümächtigte überreicht dem Kaiser unter einer Ansprache die Kelle. Der Kaiser wirft sodann Mörtel auf den Stein, Meister und Maurer des Steinmetzgewerks setzen das Verschlußstück aus, der Reichstagspräsident übergiebt dem Kaiser ebenfalls unter einer An sprache den Hammer. Der Kaiser vollzieht drei Hammerschläge, da nach die Kaiserin, der Kronprinz, die Kronprinzessin, die Großherzogin von Baden, die Prinzen und Prinzessinen des königlichen Hauses, so dann der Reichskanzler und die Generalfeldmarschälle, die dazu befoh lenen kommandirenden Generale, Ritter des schwarzen Adlerordens, die stimmführenden Bundesrathsbevollmächtigten, der Präsident, die Vice- Präsidenten, Schriftführer und Quästoren des Reichstags und die Mit glieder des preußischen Ministeriums, die Chefs der Reichsämter, die Mitglieder der Reichstagsbau-Kommission, beide Architekten des Baues. Nach einem Gesang des Domchores folgt der Weihespruch des Ober hofpredigers Kögel, und nachdem der Segen gesprochen, singt die ganze Versammlung zwei Verse des Liedes: „Nun danket alle Gott". Der Reichstagspräsident v. Levetzow bringt hierauf ein Hoch auf den Kaiser aus. Tie Musik intonirt das „Heil Dir im Siegeskranz", welches die ganze Versammlung mitsingt. In der ultramontanen Bonner „Reichszeitung" lesen wir: „Wie man uns mittheilt, gewinnt in Centrumskreisen die Ueberzeugung im mer tieferen Boden, daß, wenn die protestantische Einweihung nicht aus dem Festprogramm der Grundsteinlegung des neuen Reichstags gebäudes gestrichen wird, eine Theilnahme seitens der katholischen Reichstags-Mitglieder rein unmöglich ist. Durch die offizielle Auf nahme des protestantischen Weiheaktes in das Festprogramm wird der Protestantismus zur offiziellen Reichsreligion gestempelt. Dagegen müssen die Katholiken und ihre Vertreter ganz entschieden Protest er heben. So weit sind wir denn doch noch nicht, daß die Katholiken sich so etwas wie stumme Hunde gefallen lassen müßten. Hoffentlich wird die Sache auch von Centrums - Mitgliedern im Reichstage zur Sprache gebracht und feierliche Verwahrung dagegen eingelegt werden. Würden sich die Protestanten so etwas gefallen lassen, wenn man ihnen dergleichen böte?" — Ein hübscher Ton; soll denn etwa ein protestan tischer Kaiser eine katholische Einweihnng vollziehen lassen? Berlin. Die „Kreuz-Zeitung" enthält Folgendes: Ein Bericht erstatter schreibt: In Bundesrathskreisen besteht die Ueberzeugung, daß der Entwurf des Börsensteuergesetzes demnächst an den Reichstag ge langen wird. Prinzipiell stehen die meisten Landesregierungen auf dem Boden des preußischen Antrages, es würde sich sonach vielleicht nur um einige formelle Aenderungen bezüglich der Ausführung des Gesetzes handeln. Einig ist man in dem Bundesrath mit den preu ßischen Vorschlägen zunächst darin, daß man in den einzelnen Arten der Geschäfte, zum Beispiel ob Zeitgeschäft oder ein anderes, keinen Unterschied machen dürfe, sodaß eine Kontrole geschaffen werden müsse endlich darin, daß man einen Anfang mache, da der geringe Betrag, der bisher daraus gezogen wurde, einer angemessenen Belastung keines wegs entspricht. Zu der bevorstehenden Verhandlung des Reichstags über den konservativ-klerikalen Antrag, betreffend Beschränkung der Lehr lingsannahme auf Jnnungsmeister, hat, wie die „Germania" mittheilt, der Vorsitzende der Centrumsfraktion seine Parteigenossen ausdrücklich zu vollzähligem Erscheinen aufgefordert. „Auch für die liberalen Parteien," so schreibt die„N.-L. C.", „dürfte diese Mahnung sehr am Platze sein. Konservative und Centrum haben offenbar die Hoffnung, diesmal mit ihrem Anträge durchzudringen, und machen die möglichsten Anstrengungen, sich dieses Resultat zu sichern und auf diese Weise den verkappten Jnnungszwang endlich in die Gewerbeord nung einzuführen. Die Entscheidung ist durchaus zweifelhaft. Im Dezember 1882 wurde der Antrag mit 178 gegen 148 Stimmen ab gelehnt, ein Resultat, welches dadurch erreicht wurde, daß die Mehr zahl der deutschen Reichspartei mit den liberalen Parteien stimmte. Jetzt aber stehen unter dem erneuten Antrag auch freikonservative Unterschriften, und die Stellung der deutschen Reichspartei scheint eine veränderte oder ist jedenfalls eine ganz unzuverlässige, sodaß, nament lich bei schlechter Besetzung der linken Seite, die Annahme des Antrag- Wohl möglich erscheint. Was die Regierung betrifft, so hat sie, nach dem sie früher selbst einmal den fraglichen Vorschlag gemacht, seitdem nichts mehr davon wissen wollen. Man wird sich erinnern, daß vor einiger Zeit der Staatsminister von Boetticher in einem Schreiben an die Krefelder Weber erklärt hat, daß die Regierung die Lösung der Jnnungsfrage in der bezeichneten Richtung entschieden ablehnen müsse. Indessen wird man sich allzufest doch nicht darauf verlassen dürfen, daß der Bundesrath einen neuen Beschluß des Reichstags des ange gebenen Inhalts unter allen Umständen zurückweisen werde. Die in Berlin versammelten Delegirten des Berliner Aeltestenkol- legiums der Handelskammern zu Köln, Frankfurt a. M., Karlsruhe, Mannheim, Hannover, Bremen, Hamburg, Stettin, Königsberg, Mag deburg, Breslau, Danzig, Leipzig und Dresden beschlossen, bezüglich des Börsensteuergesetzentwurfs eine Petition an den Bundesrath zu richten, welche, von den Berliner Aeltesten entworfen, in folgenden vier Punkten gipfelt: 1. Der Stempel auf Immobilien ist nicht maß gebend, für den Stempel auf Handelsverkehrsobjekte, weil bei den be weglichen Gütern ein möglichst schneller Umsatz wünschenSwerth ist; 2. das Gesetz würde zur Folge haben, daß zum Nachtheile des Landes wenige große Mittelpunkte die jetzt im Lande verbreitete kommerzielle Arbeit in sich aufsaugen würden; 3. die Kontrolbestimmungen erscheinen nicht als annehmbar, weil sie das Verkehrsleben unter polizeiliche Aufsicht stellen; 4. die auf den Umschlag gelegte Geschäftssteuer würde, da sie nirgends anderswo existirt, den deutschen Handel im interna tionalen Verkehr schwer schädigen. Friedrichsruhe, wo augenblicklich der Reichskanzler verweilt, ist am Pfingstmontage der Schauplatz eines bedauerlichen Exzesses geworden. Eine recht beträchtliche Anzahl der Arbeiter aus der in Begedorf gelegenen Fabrik schwedischer Hufnägel nahm nämlich in unmittelbarer Nähe des fürstlichen Wohnhauses Aufstellung und führte dort durch Geschrei, Gejohle und Pfeifen einen so unqualifizirbaren Lärm aus, daß die herbeieilenden Gendarmen die Exzedenten zum Fortgehen aufforderten. Die Aufforderung blieb unbeachtet, und die Gendarmen zogen deshalb blank, um zur Verhaftung der Rädelsführer zu schreiten. Dies gelang aber erst mit Unterstützung der fürstlichen Dienerschaft. Das Programm einer neuen sozialistischen Partei ist, wie der „Brest. Ztg." geschrieben wird, erschienen. Die Partei, welche durch aus unabhängig sein will und sich positiv-sozialistische oder deutsch soziale Partei zu nennen gedenkt, will auf verfassungsmäßigem, gesetz mäßigem Boden ihre Forderungen durchzusetzen versuchen. Die Frage der Einführung der Postsparkassen in Deutsch land, über welche schon seit längerer Zeit kommissarische Verhandlungen zwischen den hierbei betheiligten Ressorts stattgefunden haben, ist jetzt, wie die „B. P. N." hören, soweit zum Abschluß gebracht, daß man im Reichsamt des Innern an die Ausarbeitung des diesbezüglichen Gesetzentwurfes in Bälde wird herantreten können. Im Großen und Ganzen sind die Grundzüge desselben festgestellt, und nur die Frage, ob eine besondere Instanz für die Verwaltung der Spargelder zu schaffen, oder ob hiermit die Verwaltung des Reichsinvalidenfonds zu betrauen sein würde, soll noch der endgültigen Entscheidung harren. Der Reichstag wird sich in seiner jetzigen Session jedenfalls mit dieser Angelegenheit noch nicht zu befassen haben. Als verbürgt wird heute gemeldet, daß der Kaiser nunmehr die Cabinetsordre unterzeichnet hat, durch welche der Kronprinz zum Vor sitzenden des Staatsraths und Fürst Bismarck zu dessen Stellver- reter in diesem Posten ernannt wird. t