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Die Genueser Geige. Nachdruck verboten. In Pans macht folgende wahre Geschichte von sich reden: Der dicke Schweineschlächter Boudinot saß eines Morgens in seinem Laden, Rue St. Denis-, als ein kleiner Bursche von etwa zwölf Jahren seinen Kopf in die Thür steckte. Die Erscheinung des Jungen war nicht gerade inte ressant. Er steckte in einer Art von Uniformsrock, der ihm viel zu groß, voller Riffe und Flecke und um die Taille, wegen mangelnder Knöpfe, mit Riemen befestigt war. Sein struppiges Haar quoll unter einem zer drückten Filzhut hervor, unter dem Arm trug er eine alte schmutzige Geige nebst Bogen. „Willst Du gleich machen, daß Du sortkommst, junger Affe," schrie ihn der Schlächer an. „Nein, Signor," sagte der Junge, indem er hereintrat, „ich nicht komme bitten la carita, ich wollen zwei Rippchen von Schwein." „So, zwei Schweinskoteletten? Da, mein Junge," sagte Herr Boudinot besänftigt, und indem er von mehreren zurechtgeschnit tenen Rippchen zwei auf eine Gabel spießte, ergriff er einen Bogen Papier, um dem Kunden den Einkauf einzuwickeln. „Sechzehn Sous kostet's," sagte er, als der Knabe die Hand darnach ausstreckte. Dieser fuhr in seine Taschen, wühlte darin, leerte sie eine nach der anderen aus, es kam aber alles Mögliche heraus, — eine Cigarre, drei Hornknöpfe, das Frag ment eines Kammes, etliche Spielkarten, eine trockene Brotrinde, — nur nicht die Spur einer Münze. Unser Schweineschlächter sah mit erwachen dem Mißtrauen zu, wie der junge Italiener wieder und wieder in den Taschen suchte, und hörte mit eifriger Gleichgiltigkeit seinen Klageruf: „O Signor, Signor, ich habe mein Geld verloren." „Dann laß die Hand von der Waare," sagte er, „kein Geld, keine Koteletten." Der Kleine stand da, ein Bild des Jammers. „Was soll ich machen?" rief er; „wenn ich meinem Vater nichts zum Frühstück bringe, schlägt er mich unbarm herzig. O Signor, seien Sie gut; da ist mein Instrumente, behalten Sie es, und ehe eine Stunde vergeht, bringe ich das Geld und hole die Geige." Boudinot nahm das Pfandobjekt uud besah es prüfend; dreißig Sous konnte so ein Ding immerhin werth sein, er riskirte also nichts. Schweigend händigte er dem Buben das Fleisch ein, und dieser trollte sich damit fort. Er war noch keine halbe Stunde fort, als ein aristokratisch aussehen der, sehr fein und modisch gekleideter Herr in den Laden trat und in ge brochenem Französisch, mit stark englischem Accent, den Schlächter anredete: „Entschuldigen Sie, mein Herr, ich habe den Weg verloren und bitte Sie sehr, mich zurechtzuweisen. Wie komme ich wohl nach den Boulevards?" — Boudinot gab ihm sogleich ausführliche Auskunft, doch während er sprach, haftete der Blick des Fremden auf der Violine, die noch auf dem Ladentische lag. „Ist das Ihr Instrument?" fragte er, nachdem er sie, wie unwiderstehlich angezogen, ergriffen und aufmerksam von allen Seiten betrachtet hatte. „Nein, mein Herr, ein armer Junge ließ sie hier zum Pfände." „Ah! können Sie mir sagen, wo er wohnt?" — „Nein Herr, meiner Treu, das weiß ich nicht; aber er wollte in einer Stunde wieder hier sein, um sie für sechzehn Sous, die er mir schuldig ist, einzulösen." — „Schade, schade," murmelte der Fremde wie zu sich selbst; „ein ganz wunderbares Instrument ist es, ein Guarnerius — ein seltenes Prachtstück." „Was Sie sagen!" rief Boudinot erstaunt. „Ja, ja, sehen Sie nur her, hier ist das Zeichen," sagte der Engländer, indem er auf etwas wie Linien und Striche im inneren Raum des Instrumentes wies. „Guarnerius faciebat 1720." „Ich kann's nicht ganz genau sehen," sagte der Schlächter, der trotz eifrigen Hinstarrens doch nur dicken Schmutz und Staub unter schied- „Aber hier ist jeder Jrrthum ausgeschlossen," rief der Engländer. „Ich will Ihnen dafür geben, was Sie irgend verlangen." — Unmöglich, mein Herr, ich wiederhole, daß sie mir nicht gehört." „Sie sollen zweihundert Franken dafür haben, — dreihundert, — «ckllen Sie? — Nun denn, tausend, — fünfzehnhundert „Es thut mir sehr leid, aber sie ist nicht mein, und so darf ich sie nicht verkaufen." „Das ist zu schade," sagte der Fremde. „Wissen Sie, überlegen Sie die Sache, und wenn Sie zu einem Resultat gekommen sind, dann benach richtigen Sie mich, ich gebe Ihnen dann — zweitausend Franken. Hier ist meine Karte. Guten Morgen!" Auf der Karte stand: Lord Nuppet, Hotel Continental. Boudinot war schon mit sich'einig, für den Fall, daß der kleine Italiener nicht vor drei Uhr zurückkehrte, das großmüthige Anerbieten Seiner Lordschaft anzu nehmen, als eine Helle Stimme sein Ohr traf: „Buon gioruo, Signor, hier sind die sechzehn Sous." „Ah, bist Du da," sagte der Schlächter mit finsterm Gesicht. „Es ist jetzt halb drei, Du bist sehr lange geblieben. Aber," setzte er nach einer Weile freundlich hinzu, „behalte Dein Geld und sage: willst Du mir Deine Fiedel verkaufen?" „Nein, Signor." „Ich will Dir zwanzig Franken dafür geben." „Nein, Signor. Das Jnstrumento gehört meinem Vater; wenn ich eS nicht zurückbringe, schlägt er mich." „Hier, nimm fünfzig Franken und laß sie mir." „Ich kann nicht, ich versichere Sie." „Nun so sagen wir hundert — zwei- — dreihundert," fuhr der Schlächter fort, indem er das Geld in der Kasse klimpern ließ. „Du siehst, ich habe meinen Kopf darauf gesetzt, das Ding zu haben." Nach langem Sträuben gab der junge Italiener endlich sein Instrument für 450 Franken hin. Boudinot schloß sogleich seinen Laden. Auf dem Wege nach dem Hotel Continental kicherte er vergnügt vor sich hin. „450 Franken von 2000," rechnete er, „das bedeutet einen hübschen kleinen Profit von 1550 Franken — beim Verkauf von zwei Schweinskoteletten." Am Ort seiner Bestimmung angelangt, fragte er mit vor Aufregung bebender Stimme nach Lord Nuppet. „Kenne ich nicht," fügte der Portier. „Sehen Sie her, da ist seine Karte." — „Sie kommen vermuthlich wegen einer Geige," sagte der Portier grinsend. „Ganz recht, hier habe ich sie in diesem Packet." — „Nun, dann sind Sie der sechste Herr, der heut in derselben Ange legenheit hierherkommt." — „Und Lord Nuppet?" „Ist ein gewandter Spitzbube, der Sie und die Andern betrogen hat." Boudinot mußte sich an den Thürpfosten anhalten, um nicht vor Schreck umzusinken. Endlich stammelte er: „Aber er sagte doch es wäre ein sehr seltenes Instrument wäre es ." Der Portier brach in ein schallendes Ge ¬ lächter aus. „Selten? Unsinn! Eine Fiedel wie diese kaufen Sie jeden Tag im Temple für dreißig Sous." E. Ludwig. Landwirthschaftliches- Gegen den Erdfloh. Ihrer Häufigkeit wegen, dann weil sie sich von allen möglichen Pflanzen nähren und endlich auch, weil man ihnen ihrer Kleinheit wegen schlecht beikommen kann, werden die Erdflöhe zu den gefährlichsten Feinden unserer Kulturpflanzen, ganz besonders der Keimlinge. Für manche Gemüsezüchter bildet der Erdfloh oft die größte Plage. Auf die verschiedenen Arten hier näher einzugehen, erscheint über flüssig, cs mag die Bemerkung genügen, daß fast alle gleich schädlich sind. Dagegen ist für ihre Bekämpfung die Kenntniß ihrer Lebensweise zweck dienlich, und sei deshalb hierüber kurz bemerkt, daß der Erdfloh sowohl als vollkommenes Insekt, also als Käfer, wie auch schon als Larve M Pflanzen durch seinen Fraß schadet, und zwar dauern die Beschädigungen bis in den Herbst hinein, um im frühesten Frühjahr wieder zu beginnen. Der Käfer nämlich stirbt vor Winter nicht, überwintert vielmehr unter der Baumrinde, in den Rissen alten Holzes, zwischen Laub oder auch >n hohlen Pflanzenstengeln. Sobald im Frühjahr die Tage wärmer werden, erscheint er dann sogleich wieder, um sich von den jungen Gartenpflanzen zu nähren, an welchen er dann große Verwüstungen anrichtet. Das Wel chen legt dann seine Eier, aus welchen die Larven kriechen, welches ebenfalls von den Blättern junger Pflanzen nähren und denselben da durch schaden. Wie schon bemerkt, ist die Vertilgung dieses schädliche» Insektes sehr schwer. Eine Hauptsache ist es, solche Pflanzen, welche der Erdfloh besonders liebt, an Stellen zu bauen, welche denselben als Ach enthaltsort zuwider sind. Und hierzu ist zu bemerken, daß der Erdfleh Schatten und Feuchtigkeit haßt und sich nur auf sonnig gelegenen Beete» wohl fühlt. Wo es irgend möglich, sollte man deshalb bie Saatbette, welchen der Erdfloh besonders schädlich wird, an mehr schattig gelegene» Stellen anlegen und sie reichlich begießen. Stellt sich der Erdfloh w großen Mengen auf einem Felde ein, so gilt es, demselben die Nahrung durch Bestreuen mit trockenen oder Bespritzen mit flüssigen Mitteln z» verleiden. Selbstverständlich dürfen die Mittel den Pflanzen selbst nicht schaden und sind die Streumittel gleich nach Morgenthau oder Regen an- zuwenden, damit sie anhaften, und wenn sie der Regen abgespielt hob wiederholt anzuwenden. Als geeignetste derartige Mittel gelten Kalkstaub, Ofenruß und Asche, je reichlicher letztere über die Pflanzen gestreut wirb, um so besser ist es. Ein wirksames Spezialmittel, welches man am beste" am frühen Morgen oder am Abend — nicht bei Sonnenschein — anwen det (unter Umständen einige Mal wiederholt) ist folgendes: Man läßt eine» Eimer kochendes Wasfer zwölf Stunden über Wermuth (Handvoll) stehe» und besprengt mit diesem bitteren Wasser die Pflanzen. Ein sehr einfaches, besonders im Garten anzuwendendes Mittel besteht noch darin, gleichzeitig mit den zu schützenden Pflanzen etwas Kresse zu säen. Letztere läuft sehr schnell auf und ist eine Lieblingsspeise des Erdflohs. Derselbe such sie deshalb mit Vorliebe auf und vernichtet sie gänzlich; den übrige» Pflänzchen dabei aber genügend Zeit, zu erstarken, womit jede Gefahr f>" sie geschwunden ist. Einfaches Verfahren zur Erzielung einer zweimaligen Erdbeerernt! im Jahre. Hierüber macht die „Allg. Ztg. für deutsche Land- u»b Forstwirthe" folgende interessante und sicherlich auch manchem unserer Lese' willkommene Mittheilung: Daß die Gartenerdbeeren, wenn sie mit bei» Ballen Mitte Februar in ein warmes, mit Laub und Pferdedünger berei tetes Mistbeet versetzt werden, im Mai zur Reife kommen, wissen so zictt lich alle Gärtner. Wenige davon aber kennen das Verfahren, die Reife zeit bis Ende August hinauszuschieben, was für viele Fälle einen entschie denen Werth hat. Das Verfahren ist höchst einfach. Man schneide z»' gewöhnlichen Blüthezeit der Erdbeeren mit einer Sichel alle Stöcke, d» später blühen sollen, mit sämmtlichen Blüthen und vorhandenen Blätter» ziemlich tief am Stengel ab, ohne jedoch die nachwachsenden Stengel z» verletzen, die zur Zeit noch krautig sich über den Wurzclstock erhebe» Nur häufelt man die Pflanzen, giebt ihnen, wenn nöthig, um den Str» verrotteten Dünger und begießt sie fleißig, denn die Erdbeeren lieben einem alten Gärtnerspruche das Brnnncnwasser mehr, als das des HiK mels. Mit Ende August oder Anfangs September hat man die zw-f» Ernte. Das Experiment darf aber an denselben Pflanzen das nächst Jahr nicht wiederholt werden. WermifchteS. * Ein Wort unseres Kaisers. Aus London, woselbst die FeW» der Königin von England eben versammelt sind, ist der „Wiener Ach Ztg." ein hübsches Wort unseres Kaisers mitgetheilt worden, welches Prinzessin Wilhelm dort erzählte: Als ich, am Tage meiner Abreise?" Großpapa kam, ries er mir entgegen: „Grüß' Gott, Viktoria, hast D» heute schon Zeitungen gelesen?" — Als ich dies verwundert verneint meinte der Kaiser: „Das thut mir wirklich leid, ich hoffte, von Dir geM zu erfahren, wie ich mich befinde, denn die Aerzte blicken immer ernst drei»- aber die Bulletins, die sie herausgeben, sind rosig, damit meine guten Bst liner sich nicht ängstigen; in der Mitte zwischen beiden liegt die Wahrhc» die sich nur die Herren von der Presse herauszusuchen wissen." " Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande. Man schreibt»»' Petersburg: „Im Hause des Czaren ist eine Kinderfrau bedienstet, M» Mutter in ihrem kleinen Geburtsorte den Ruf einer ausgezeichneten WM sagerin hat. Letzthin kam die Frau ihre Tochter besuchen und die GE fürstin Lenia erzählte ihrer Mutter von dem angenehmen Gaste. Czarin ließ die Frau zu sich kommen und hieß dieselbe, ihr die ZuM vorhersagen. Nach langer Vorbereitung meinte die Prophetin: „Ihr we^ Eure ganze Familie, Mann und Kinder überleben." — Als der bald darauf in das Zimmer der Kaiserin trat, fand er dieselbe in TM nen gebadet. Die Kaiserin erzählte das Vorgefallene und der Czar die Alte aus dem Hause peitschen, ihre Tochter, die seit elf Jahren Schlosse bedienstet, mußte gleichfalls in selber Stunde fort und ihr A» recht auf eine Pension hat sie verwirkt. ... * Man schreibt aus Barcelona: „Der Aeronaut Fernandez hatte)', kürzlich bei einer zufälligen Anwesenheit auf der Erde in die Tochter erst reichen Bürgers Namens Donardo verliebt. Das Mädchen wies st'» Werbung mit dem Bemerken zurück, sie wolle keinen Mann, der sich oberhalb der Dächer herumtreibt. Und Femandez sagte ihr schluchze^ „Ich kann ohne Sie weder auf der Erde, noch in den Lüften leben; haben mein Todesurtheil gesprochen." Am 10. d. M. stieg Fern»M wie gewöhnlich auf, doch als sein Gehilfe sich zu ihm in die Go" schwingen wollte, schnitt er rasch die Stricke durch und fuhr Himmel«»» s Als der Ballon ungefähr 100 Meter hoch angekommen war, hörte einen Knall, eine Flammengarbe stieg empor und der Körper des schiffers fiel brennend zur Erde. Was unten anlangte, war nur " eine unkenntliche Masse. Leute, die dem Ballon mit Ferngläsern blickt hatten, wollen bemerkt haben, wie Fernandez mit einer Lunte ° selben in Brand steckte. ....z "Ein Hagel sturm außerordentlicher Art hat die Bezirke A» und Carnobat (Türkei) heimgesucht. Die Schloßen wogen über c>nWq und waren von unregelmäßiger Form und rauher Oberfläche. Personen, die von dem Sturm überrascht wurden, während sie j" Feldern arbeiteten, wurden getödtet, desgleichen sehr viel Vieh. Die geln der Hausdächer wurden zerschmettert und Bretter in vielen si» wie durch Kugeln durchbohrt. Die Ernte wurde gänzlich vernichtet- 5, * Wie aus New-Aork gemeldet wird, ist die Havemeyer'schc SM Zuckerraffinerie in Greenpoint, New-Aork, am Sonntag Niedergebra Der Schaden beträgt 600,000 Dollars. Eine Person kam babe> Leben. Mehrere Schiffe befanden sich in Gefahr, konnten aber noch zeitig fortgeschleppt werden.