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anwalt!" — Ein solcher Habenichts von Schwiegersohn könnte mir fehlen. Bitte, nennen Sie mir Ihren Gewährsmann, ich werde der Lästerzunge das Lügenhandwerk schon legen. Nun will man mich und die Meinen wohl gar in die häßliche Geschichte mit verwickeln." Der kleine Notar war heinahe blau im Gesicht vor Zorn und Aerger, weshalb der Staatsanwalt ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte. „Fassen Sie sich, Herr Notar!" sagte er, „ich bedauere, falsch berichtet zu sein, obwohl mir eine Vernehmung der betreffenden jungen Dame nicht unerwünscht gewesen wäre. Alteriren Sie sich doch nicht so entsetzlich darüber, der junge Mann kann in dieser Geschichte, welche sich aller Wahr scheinlichkeit nach jetzt sensationell zuzuspitzen scheint, vielleicht eine sehr wichtige Rolle spielen. Ist er Ihnen als Lügner, als intriganter Mensch etwa bekannt?" „Bewahre!" rief der Notar spöttisch auflachend, „der ein Jntriguant! — Eine sogenannte ehrliche Haut, ein Einfaltspinsel, der es nie zu etwas Gescheiten in der Welt bringen wird, aber — kein Lügner — Gott be wahre, er würde sich selber nicht vom Galgen durch eine Unwahrheit be freien. — Na, der Schwiegersohn könnte mir paffen, Herr Staatsanwalt! — Und der soll seine alte Tante umgebracht, den Herrn von Santen er würgt haben? — Ich würde es nicht glauben und wenn er's mir selber sagte, sondern behaupten, daß er in's Irrenhaus müsse, bah, die Geschichte ist zu absurd!" Der Staatsanwalt nahm dem kleinen zornigen Notar die heftige Rede durchaus nicht übel, er drückte ihm vielmehr die Hand und wieder holte seine Bitte hinsichtlich des Documents. „Ja, ja, wenn's sein muß, geh' ich gleich hin," sagte Sauer, sich jetzt gewaltsam zusammennehmend. „Verzeihen Sie mir meine Heftigkeit, aber man wird in solchen Familiensachen leicht gereizt, — ich kann nun einmal von dem Menschen nichts hören. — Soll ich Sie dorthin be gleiten?" „Nach dem Gefängniß — nein, man soll uns nicht beisammen sehen, die Leute sind zu neugierig und stets bereit, überall neuen Staub aufzuwirbeln. Ich gehe voran, Sie folgen mir in zehn Minuten, Herr Notar!" Er drückte ihm noch einmal die Hand, winkte zurück zu bleiben, und bestieg den draußen harrenden Wagen, um sich nach Hause fahren zu lassen und von da nach dem Gefängniß zu gehen. Der kleine Notar begab sick jetzt sogleich zu seiner Frau. „Wo ist Albertine?" fragte er kurz. „Mein Gott, Sauer, wie Du heute nur bist," rief die Frau Notar, ihn von oben bis unten musternd, „was ist mit Dir vorgegangen, daß Du Dir einen solchen Ton gegen mich erlaubst?" „Der Papa hat endlich die Sturmhaube aufgesetzt," flüsterte Karl einer der horchenden Schwester in's Ohr. „Still, Junge" — „Bitte, alle Erörtemngen bei Seite zu lassen, Frau!" rief der unge duldige Gatte mit gereizter Stimme, „wo ist Albertine, will ich wissen, — habe keine Zeit zu unnützen Präliminarien." „Hier bin ich, Papa!" tönte es zaghaft von der Treppe her. „Himmel!" seufzte Linchen, „nun geht das Verderben seinen Gang." „Komm' in mein Zimmer, ich habe mit Dir zu reden!" gebot der Notar und schweigend geborchte Albertine. „Nun sage mir einer, was das zu bedeuten hat?" rief die Mutter, ganz entsetzt auf ihre Kinder blickend. „Ach was," meinte Karl wegwerfend, „Papa will die Albertine >n's Gebet nehmen und das mit Recht. Weshalb läuft sie auf der Pro menade mit Hinz und Kunz umher — früher war's der Schlingel von Schwarz und heute Nachmittag sah ich sie sogar mit dem fremden Ci- garren-Reisenden in vertraulicher Unterhaltung promeniren. Das schickt sich doch wohl nicht für die Tochter eines Notars. — Na, ich sollte jetzt an Papas Stelle sein." Er machte die Pantomime des Ohrfeigens, — erhielt aber im selben Augenblick einen so fühlbaren Abdruck der mütterlichen Hand auf seine Wange, daß er sich rasch unsichtbar machte. „Kinder!" sagte die Frau Notar dann zu ihren ältesten Töchtern, „hat der Junge die Wahrheit gesagt? — Eure Gesichter verkünden nichts Gutes. Was hat das Unglückskind, die Albertine, nur angerichtet?" „Wir wissen es wirklich nicht, Mama!" betheuerte Linchen, einen Blick mit der Schwester wechselnd. „Der Karl ist ein Windbeutel und ein reckt boshafter dazu. Warte, bis Papa Dir Mittheilung macht." „Das ist's ja gerade, Kinder!" klagte die resolute Mama mit wei nerlicher Stimme, worüber die Töchter in ein neues Entsetzen geriethen, — „Papa ist gar richt mehr der alte, so war er noch nie, was ist nur mit dem Manne vorgegangen?" Nun, das merkte auch Albertine, welche in diesem Augenblick vor ihrem Vater stand und resignirt das Gericht über sich ergehen ließ. Das arme Mädchen hatte seit Sannas Ermordung sich fortwährend auf einer Art Folder befunden, welche sie matt an Körper und Geist gemacht, da sie fest an Rudolfs Schuld glaubte und Gericht und Schaffst sie Tag und Nacht verfolgten. Die Unglückliche hatte in dieser letzten Zeit ein Leben der Verdammten geführt. Während Kugler am Nachmittage bei der verabredeten Zusammen kunft aus der Promenade sich ihr als Detectiv vorgestellt, hatte er die arme gepeinigte Seele in das Kreuzfeuer seiner scharfsinnigen Fragen ge nommen, um ihr schließlich ein volles Geständniß ihrer inneren Leiden und Beängstigungen zu entreißen, indem sie ihm unter Seufzern und Thränen die Geschichte jenes Nachmittags-Kaffees in Sanna's Stube er zählte. Das war allerdings ein gewichtiger Beweis für die Schuld des jungen Mannes und für den Detectiv ein großer Triumph. Nun stand die unglückliche Albertine vor ihrem zweiten Richter, dem eigenen Vater, der sie mit einer Fluth von Vorwürfen überschüttete und ihr kaum ein Wort der Vertheidigung gönnte. „Unselige!" rief er endlich, dicht vor sie hintretend, „in welche Schmach und Schande hast Du Dich und uns alle gestürzt. — „Sprich, hast Du Dich hinter meinem Rücken mit jenem Buben verlobt?" „O, Papa!" klagte das arme Mädchen mit fast erstickter Stimme, „es ist wahr, aber sei nur ruhig, ich habe schon einen Ausweg gefunden, um Euch zu retten. — Verzeihe mir, guter Papa, — gib mir Deine Hand, und sage mir, daß Du mir nicht mehr zürnest." Der kleine Notar war im Grunde ein herzensguter Mann, besonders gegen die eigene Familie, und als er seine Tochter so verzweiflungsvoll sah und ihre Worte sich zu deuten suchte, da überfiel ihn doch eine große Angst. „Ja, ja, es ist schlimm, recht schlimm, Kind!" sprach er in einem völlig veränderten Tone, worin sich der tiefste Schmerz verrieth, „ich wollte Dir nicht wehe thun, der Zorn riß micb hin, nur bitte ich Dich, mir Alles zu sagen, nichts zu verhehlen, was mir irgend Licht verschaffen kann. Vielleicht machen wir uns ganz unnöthige Angst und Sorge, erzähle nur und vergiß es nicht, daß Dein Vater Jurist und in solchen Dingen be wandert ist." (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * In der Nacht zum ersten Feiertag wurde in Berlin ein gräßlicher Raubmord verübt. Der Militäranwärter Röse wurde gestern in seiner Wohnung erschlagen und mit durchschnittenem Halse vorgefunden. Die gräßlich verstümmelte Leiche war in einen Korb verpackt worden. Die Verwandten des Verstorbenen, der nähere Angehörige nicht besaß, wurden in dem Augenblicke davon benachrichtigt, als sie sich versammelt hatten, um die Verlobung eines Neffen des Verstorbenen mit einer Dresdner Dame zu begehen. * Ein Brief der Kaiserin von Rußland. In der „Köln. Ztg." lesen wir: Die Kaiserin von Rußland hat an ihre Mutter, die Königin von Dänemark, einen überaus gemüthvollen, rührenden Brief über den entsetzlichen Eisenbahnunfall geschrieben, von dem sie und ihr Gemahl auf ihrer kaukasischen Reise bei Borki betroffen wurden. In diesem Briefe, von dem ich aus Hofkreisen Kenntniß erlangt habe, zeigt sich aufs Neue, wie sehr die hohe Frau es verdient, um ihrer geistigen und gemüthvollen Eigenschaften willen verchrt zu werden. Sie schreibt ganz in dem Styl eines Kindes, das seine besorgte Mutter beruhigen will, ohne jedoch die Schrecknisse des gräßlichen Unfalls zu verschleiern. Sie erzählt, daß sie auch jetzt noch nicht wisse, wie sie aus dem Wagen herausgekommen sei. Sie habe sich plötzlich draußen befunden. Ihr erster Gedanke habe dem Kaiser gegolten. Zu ihrem Schrecken habe sie ihn nirgends entdecken können, endlich nach entsetzlichen Sekunden verzweiflungsvoller Angst habe sie ihn bemerkt, wie . er auf Händen und Füßen aus den Trümmern des zersplitterten Wagens herrorgekrochen sei. In demselben Augenblick seien aus dem benachbarten Wagen, der über den kaiserlichen hinaufgekollert sei, ihre Kinder zu ihr herangesprungen mit dem rührenden Ausruf: „Mama, uns fehlt gar nichts!" Auf dem Bahndamm, der durch anhaltende Re gengüsse gänzlich durchweicht gewesen sei, hätten sie und der Kaiser bis zu den Knieen im Schlamme gewatet; mit Schauder und zugleich mit Ge fühlen tiefer Dankbarkeit zu Gott über ihre wunderbare Rettung hätten sie nun erst die fürchterlichen Verwüstungen überblicken können. Man habe gemeldet, daß es in ihrem Gefolge Todte und Schwerverwundete gebe. „Unter den Todten ist auch einer meiner Leibdicner, und zwar der nette anstellige Mensch, den Du bei unserer letzten Anwesenheit in Kopenhagen in meiner Umgebung gesehen hast." Ueber die Verletzungen, die sie und der Kaiser davongetragen, geht die Kaiserin mit leichten Worten hinweg. „Wir haben zwar jetzt noch an großen Stellen unseres Körpers schwarze und blaue Flecken, aber es hat nicht viel zu bedeuten!" Ein Vorschlag zur Güte. Die Londoner Polizei hat Ende voriger Woche einen aus Berlin gebürtigen Einbrecher, Alexander Schmidt, ver haftet, in dessen Taschen sich ein an einen Londoner Bankier gerichteter Brief befand, der nach dem „Kl. Journ." folgenden Inhalt hatte: „Mein Herr! Meine langjährige Thätigkeit als Dieb und Einbrecher in Deutsch land und vorzugsweise in Berlin bürgt dafür, daß ich im Stande bin, auch Ihre Kaffe um große Kapitalien zu erleichtern. Sollten Sie es jedoch vorziehen, mir auf gütlichem Wege eine Abfindungssumme von 100 Pfd. Sterl, an beigegebene Adresse zu senden, so können Sie ver sichert sein, daß Sie unbehelligt bleiben. Im anderen Falle werde ich mir erlauben, Sie demnächst durch meinen Besuch zu erschrecken. Der Umstand, daß es unter 18 Fällen erst zwei Mal glückte, mich zu über führen und zu fassen, läßt es für Sie sehr rathsam erscheinen, meinem Vorschläge nachzukommen. Sollten Sie meine Verhaftung versuchen lassen, so werde ich Sie meinen zahlreichen Kollegen aufs Wärmste em pfehlen, Bruder Goliath." — Der Verhaftete hatte an mehrere reiche Londoner Kaufleute bereits Briefe desselben frechen Inhalts abgesendet, wodurch man auf ihn aufmerksam wurde und sich seiner bemächtigte. * Wer gehört zu den besseren Ständen? In einer Gesellschaft zu Liegnitz wurde die Frage aufgeworfen, wer zu den „besseren Ständen" zu zählen sei. Da auch nicht zwei der Anwesenden die Frage gleichartig beantworteten, so wurde beschlossen, die Aufgabe schriftlich zu lösen und die Lösungen binnen zwei Tagen an das älteste Mitglied einzusenden. Als die beste Lösung wurde die eines jungen Herrn anerkannt, welche folgendermaßen lautet: Wer selbstbewußt in eig'ner Achtung steht, Wer mild und warm durchs kalte Leben geht, Wer mehr zu thun hat und zu schaffen, Als auf des Nächsten Schritt' zu gaffen, Wer edel denkt, nur der allein Wird einer aus den „bcss'ren Ständen" sein. * Die zärtliche Mutter entdeckt mit Schrecken eine Beule an Maxens Stirn und fragt dringend: „Wo Haft Du Dir das gemacht, Kind, und wie ist es geschehen?" — „Ach," sagt der Verletzte klagend, „ich habe mich vorhin an der Tischccke gestoßen." — „Und gar nicht geschrien, Maxchen?" — Nein, Mama, es war ja Niemand im Zimmer." * Vater: „Was willst Du werden, Hans, wenn Du groß bist?" — Hans: „Ei, ein Soldat." — „Aber da kannst Du todtgeschossen werden." — Von wem denn?" — „Vom Feinde." — „Dann will ich lieber Feind werden." * Als Gesammtzahl der Menschen auf der Erde glaubte man bisher etwa 1000 Millionen annehmen zu dürfen. Seither haben Volkszählungen sich über Europa, Amerika, Australien und Theile Asiens und Afrikas ver breitet und zumeist Zahlen ergeben, welche die früher vermutheten weit hinter sich ließen. Levasseur in Paris hat sich nun in jüngster Zeit in Gemeinschaft mit dem Direktor des königl. italienischen statistischen Amtes, Bodio, der Mühe unterzogen, die an den verschiedensten Stellen zerstreu ten, begründeten Ergebnisse der offiziellen statistischen Aufnahmen wie die Schätzungen der Reisenden zu vereinigen und eine Generalstatistik des Flächeninhalts und der Völkerungszahlen der verschiedenen Theile unseres Planeten zu geben. Nach den Schlußergebnissen derselben haben die fünf Erdtheile einen Flächeninhalt von 136 Millionen Quadratkilometern und eine Bevölkerung von einer Milliarde und 483 Millionen Seelen. Zwei Drittel hiervon leben auf einem Raume von 11 Millionen Quadratkilo metern, ungefähr ein Zwölftel der Gesammtoberfläche. Es kommen auf Europa, ausschließlich Rußlands und Skandinaviens, 245 Millionen, auf Indien allein 254 und auf das eigentliche China und Japan 430 Millionen. «Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Sonntag, den 30. December: Vorm. 8'/2 Uhr Gottesdienst mit Predigt über Ev. Matth. 25, 14—30. Dienstag, Neujahrsfest: Vorm. 8V2 Uhr Gottesdienst. Predigt über Ev. Luc. 12, 5—9. Es giebt kein besseres Mittel. Humfeld (Lippe-Detmold.) Seit drei Jahren an Hartleibigkeit und Magenbeschwerden leidend, habe ich meine Zuflucht zu der Dr. Fernest'sche Lebens-Essenz von C. Lück in Colberg genommen und diese hat mir auch stets geholfen. So oft ich die Uebel bekomme, nehme ich Essenz ein und bin ich dann wieder davon be freit. Ich glaube, daß es ein besseres Mittel nicht giebt, da ich vieles angewandt habe, mir aber bisher nichts geholfen hat und werde ich dafür sorgen, daß diese vorzügliche Essenz niemals in meinem Hause fehlt. Frau Louise Kemp. Erhältlich in Flaschen n 50 Pf., 1 M. und 1 M. 50 Pf. in Wilsdruff bei Apotheker Tzschaschel,