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60 fönlichen Opfern, dankte ich Gott, wenigstens Etwas erreicht zu sehen. Ich hatte ursprünglich auch das ganze Deutschland und die ganze Freiheit gewollt. Die Zeit hatte mich bescheidener gemacht. Ich nahm also die 70 Procent, und wer's unter ähnlichen Umständen nicht gethan hätte, der werfe den ersten Stein auf mich! Aber — ich habe die fehlenden 30 Procent noch nicht verloren gegeben und was ich davon noch erlangen kann, das werd' ich zu erringen suchen. Mehr, glaub' ich, kann Niemand verlangen. Und daß ich das vrill, dafür dürfte mein bisheriges Wirken wohl einige Bürgschaft bieten. Vorwärts! wenn auch nur Schritt für Schritt; und nie die Hoffnung verloren! Mit vereinter Kraft kommen wir schießlich doch an's Ziel! Dresden, 21. Febr. 1869. Advokat ViSgsvI. Cm verfehltes Leben. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Sie schien meinen Vorwurf zu fühlen; ihr Auge unflorte sich für einen Augenblick, dennoch blieb sie mir jede Antwort schuldig, was mich uoch mehr gegen ihr kleinlich-geiziges Wesen aufbrachte. Plötzlich begann sie: „Ach mein Herr, ich habe zu Ihnen ein eignes Vertrauen gefaßt und wage deshalb eine recht große Bitte." Gewiß sollte ich der Alten ihre Einkäufe besorgen, da kostete es nichts; nein, ich danke Madame! Und wirklich neugierig wartete ich auf den Inhalt der Bitte meiner Kranken, die mir schon merklich eulenhafter vorkam. „Wollten Sie vielleicht den Schrank dort am Fenster auf machen?" begann sie wieder mit schwacher zitternder Stimme; „man muß rechts herumdrchen, es ist ein eigcnthümliches Schloß, dort im untersten Schube — aber ich bemühe Sie gewiß zu sehr?" Ich wollte doch sehen, wie weit ihre Unverschämtheit gehen würde und schickte mich an, ihrer Weisung zu folgen. „Es sind gerade 12 Thaler, die darin liegen." Richtig, meine liebenswürdige Eule, wo ist der Korb — dachte ich ingrimmig, damit ich dir die Rüben und den Salat nach Hause schleppe, oder wahrscheinlich nur Kartoffeln. — Und diese Frau war einmal schön gewesen und nur der brennende Geiz hatte Alles bis auf die Knochen verzehrt! Welche Metamorpho sen! Der Pflanzenkeim wird Knospe, Blüthe und endlich Frucht, und immer neue wunderbare Schönheit entfaltet sich in diesen leisen har monischen Uebergängen; nur das Menschenherz kann ohne Spur sei ner frühern Schönheit, seiner Gedankenfülle in den Staub zerfallen. Armes, altes Weib! „Nein, ich wage es doch nicht," begann jetzt wieder die Eule, „ich werde übermorgen schon wieder ausgehen können, und auf einen Tag kommt es am Ende nicht an, obwohl —" „O, ich bin jetzt einmal im Zuge," entgegnete ich mit Ironie, ich hab ein Talent zum Einkäufen und werde Ihnen schon JhrcVic- tualien zur Zufriedenheit bringen." Die bisher so ernste Frau brach unwillkürlich in ein heiteres La chen aus, das sie aber plötzlich abbrach; und mir die Hand reichend, sagte Sie mir, Sie hatten Recht, ich bin ja die alte geizige Eutc; aber es war doch etwas Anderes, mit dem ich Sie beläüigcn wollte. Ich habe dort in der Vorstadt an mehrere Leute etwas zu zahlen, und möchte gern, daß es heute geschehe; cs ist eine Grille von 'mir, aber es würde mir peinlich sein, wenn ich es unterlassen müßte." Ich erbot mich wiederholt und jetzt freundlicher dazu und sie nannte mir die Namen der Empfänger, die ich mir aufschrieb. Dem Schuh macher Lindner 5 Thlr., dem Böttcher Weinhold, dem Schneider Borrisch, dem Schlosser Wunderlich jedem 2 Thlr., dem Tischler Bluhm 1 Thlr., so, das waren die 12 Thaler. Vielleicht hatte die Alte dort Bestellungen gemacht, und ich versprach, die Auszahlung auf das getrculichstc zu besorgen und ihr die Quittungen beizu- bringcn. „Das ist nicht nöthig," entgegnete sie eifrig. — „Aber wie kön nen Sie denn wissen, daß ich das Geld abgeführt?" — Sie blickte mich vorwurfsvoll an und sagte ganz einfach: „Nicht wahr, Sie er füllen mir die Bitte?" Und so fühlte ich wohl, daß, obgleich diese Person schrecklich geizig sein möge, sie doch nicht mißtrauisch war, wie man sie verschrieen hatte, und auch in dem letzten Punkte wenigstens batte auch ich ihr Unrecht gethan, aber selbst in dein ersteren sollte ich empfindlich beschämt werden. Welch' überraschende Aufschlüsse wurden mir zu Theil. Auf meiner Wanderung fand ich zuerst den Schuhmacher Lind- ner. Er lag krank zu Bett und als ich ihm seine 5 Thaler aufzählte und ihm sagte, daß die alte Dame krank sei, da rang er jammernd die Hände und klagte: „O Gott, laß Sie nicht sterben, was. sollen wir "Aermsten ansangen?" Er batte bisher jeden Freitag 2 Thlr. erhalten, seit seinem Erkranken aber 5 Thaler, und bei all den Neb ligen, an die ich Zahlungen zu leisten hatte, hörte ich dasselbe. Man verehrte die alte Frau wie eine Heilige und doch durften diese Ar men nichts davon verlauten lassen, sie hatte es streng verboten und bei dem leisesten Wort mit ihrem Wegbleiben gedroht; aber was mich noch mehr in Erstaunen setzte, war, daß es wirklich Arme waren, die sich die Alte ausgesucht hatte, Arme, die trotz ihres Fleißes un ter einein Joche schmachteten, das ohne die Hilfe dieser Edclmüthigen sie erdrückt haben würde. Ich war von dem Erfahrenen ganz auf geregt und konnte den andern Tag nicht erwarten, an dem ich die alte Frau wieder besuchen wollte. Welch räthselhafte, sonderbare Er scheinung, in unsern Tagen, wo man ohne Geräusch nicht wohlzuthun vermag! Warum ertrug diese Frau geduldig den Haß und die Ver achtung ihrer Nachbarn, ließ sich ruhig als geizig und boshaft aus schelten? Warum führte sie ein so karges Leben, während sie so reiche und regelmäßige Spenden auStheilte? Das waren Fragen, die mich bis zur Stunde meines Besuchs auf das lebhafteste beschäftigten. Ich fand die alte Dame hellte schon in ihrem Lehnstuhl sitzend, obwohl sie noch immer über große Schwäche klagte. Mit welch an deren Augen betrachtete ich sie hellte; nicht mehr mit denen eines physiognomischen Forschers, sondern mit denen der Verehrung. Die letzten finstern, menschenscheuen Züge schienen sich vor mir aufzuhellen und noch eine andere Schönheit, als die gestern beobachtete, glänzte mir aus dem alten, runzeligen Gesicht entgegen, eine Schönheit, die nicht im Antlitz, sondern in der Seele liegt. Ja, sie war schön, jetzt ge wahrte ich es erst, eine echte Matrone, in ihrem Augen ruhte Licht und Frieden, über ihrem ganzen Wesen lag ein Hauch tiefen See lenschmerzes ausgebreitet, der verschönt und durchgeistigt. Wie hatte ich dies edle Gesicht nicht schon längst schön finden und in das all gemeine Urthcil einstimmen können: „Die häßliche alte Eule." Die alte Frau gewahrte mein ehrfurchtsvolleres Benehmen, und statt, davon geschmeichelt, nun nach ihren Aufträgen zu fragen, für die sie meine Bewunderung einernten mußte, wich sie diesem Gespräch sichtlich aus und lenkte meine Aufmerksamkeit auf andere Sachen. Plötzlich stieß die in ihrem Käfig hausende Eule ihr abscheuliches Geschrei aus. Die Kranke rief ihr begütigend freundlich zu und ich fragte offen, warum sie gerade ein so häßliches Thier sich zu ihrer Unterhaltung ausgesucht habe, ein so lichtscheues? Sie zuckte zusam men, ihre Äugen schienen sich zu umfloren. (Fonsetzung folgt.) Vermischtes. Als der östreichische Reichskanzler Herr Baron von Beust bei seiner letzten Anwesenheit in Ungarn eine kleinere Stadt besuchte, trat ihm am Weichbild derselben eine Deputation zur Begrüßung entgegen. Der Ortsrichter drückte in etwas schwer verständlichem Dialcct die Freude der Bewohner des Städtchens aus, den großen Minister in ihren Mauern zu scheu. „Nun" fragte Beust, „seid ihr denn jetzt zufrieden?" — „O ja, Excellenz, wir sind jetzt sehr zu frieden." — „Nun, und die Slimmung, die Gesinnung für die Re gierung, wie ist die denn jetzt?" — „O, Excellenz, Stimmung ist jetzt sehr gut, nur Richter und Amtmann sind noch schwarzgelbc Bestien, die wcr'n wir nächstens todtschlagcn, aber bei uns Andern ist Ge sinnung sehr gut. (Eingesandt.) Theater. Selten hat wohl in hiesiger Stadt ein Stück soviel Beifall erzielt, wie das be reits dreimal zur Aufführung gelangte Stück „Therese Krones." Die Aufführung am Sonnadeud ließ aber auch in den Hauptsachen nichts zu wünschen übrig -, ein braves einheitliches Zusammenspiel, ein offenbarer Wetteifer der einzelnen Darsteller in Ausführung ihrer Nollen war Nicht zu verkennen. Frau Bünger spielte die Titelrolle mit lobcnswerther Naivet.it und Frische; sie wußte den Wiener Dialect prächtig zu treffen, und war überhaupt in Spiel uns Gesang ein frisches Wiener Mädel, sowohl in den Scenen der Lust und Freude, als auch in den Momenten des Schmerzes, insbesondere bei der Unterredung Mit Gabriele bei Verwechselung des Loo ses! Auch Herr Eidner leistete in der Nolle des „Raimund" Vorzügliches und es ist das Duett zwischen ihm und Frau Bünger im 2. Act als im Spiel und Gesang besonders gut ausgeführt hervorzuhebe». Von den übrigen Darstellern wollen wä nur noch Herrn Naumann, der als „Wucherer" ganz an seinem Platze war, sowie den Darsteller des Fermior, der seine kleine Rolle ganz vortrefflich durchführte, bcr- vorhcbcn, über die sonstigen Mitspieler aber, insbesondere über die beiden Fräulein Adler uns ein Urtheil erst dann gestatten, wenn wir sie in größeren Rollen gesehen haben werden. In Betreff der Lokalitäten ist der hinsichtlich des ersten Platzes gerügte Mangel noch nicht gehoben; wir wiederholen daher nicht allein unsre dicSsallsigen Wunsche, sondern machen außerdem Herrn Director Zirkel zur Pflicht, streng darauf zu halten, daß Amtliche Bekanntmachungell und Anzeigen vermischten Inhalts. Bekanntmachung. Am 10. dieses Mts. ist iu hiesiger Stadt ein nach dem bezirksthierärztlichen Gutachten mit der-Wuthkrankheit behasi tet gewesener Hund, welcher mit andern Hnnden hier in Berührung gekommen, betroffen und getödtet worden. Es wird daher der bestehenden Vorschrift gemäß das Herumlaufcn der Hunde innerhalb des hiesigen Amtsbezirks außer der Behausung und Gehöfte ihrer Eigenthümer während eines zwölfwöchentlichcn Zeitraums von obbemerktem Tage an gerechnet und sonach bis zum 4. Mai dies. Js. nur unter der Bedingung gesiatlet, daß dieselben mit einem zweckentsprechenden, von starken Drahtstangen construirtrn Mau^ korbe versehen sind. Indem man dies hierdurch bekannt macht, bezieht man sich ans die bestehenden weiteren diesfallsigO' dcr erste Platz nur solchen eingeräumt wird, welch.- den Preis dafür bezahlt haben, nicht aber allen denjenigen, welche auf den übrigen Plätzen nicht Unterkommen, schließ lich auf den ersten Platz gewiesen werden. Cs würde das Beste sein, wenn Herr Director Zirkel den ersten Platz nume- rirte, dann würde man stets in ter Lage sein, diejenigen, welche sich unbefugter Weise dahin verfügen, entfernen zu lass n!