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L86 Möae dieser Eongreß ja zu Stande kommen und zu glücklichem 'j,iele führen! Allgemeine Entwaffnung^ es wäre der segens- ceichste politische Beschluß unsrer. Zeit; "aber auch nur ein solcher würde das eigentliche Oelblatt des Friedens bringen; bloße Versicherungen erwecken schon längst kein Vertrauen mehr. Preußen, England und Rußland bemühen sich ernstlich um Er haltung des Friedens. Deutsche Regierungen machen deshalb nicht viel Aufhebens über die an sich auffallende Erscheinung, daß französische Offiziere bald hier, bald da in Deutschland die Gegend eifrig studiren und aufnehmen und verfängliche Notizen über Land und Leute aufschreiben. Doch haben soeben die Straßenbaumeister und Straßcnwärter in Baden den Auftrag erhalten, fremde Personen, welche sich mit Aufnahme des Terrains beschäftigen, sofort zur An zeige zu bringen. In Paris spielen die der Regierung nahestehenden Zeitungen eine seltsame Rolle, die einen wiegeln auf zum Kriege, die andern ab. Bestunterrichtete Leute warnen aber, daraus voreilige Schlüsse zu ziehen, weder die betr. Zeitungen, noch die einzelnen Mi nister, von denen sie beeinflußt werden, wissen, was Napoleon vor hat. Der Kaiser hüllt sich mehr als je in Schweigen und weiht Niemand in seine Pläne ein. Die Entscheidung über Krieg und Frie den behält er sich allein vor und die Minister wissen darüber nicht mehr als das Publikum. Der Krieg geht den Minister des Auswär tigen dann erst an, wenn er die Depesche, die ihn unvermeidlich macht, siegelt; den Kriegsminister, wenn er den Befehl zum Auf bruch wider den Feind giebt; den Cultusminister, wenn er ein lo- äeum in den Kirchen singen läßt; den Staatsminister, wenn er dem Landtag die fertige Thatsache zu erklären hat. Keiner weiß einen Augenblick eher, woran er ist. Man will wissen, daß den Generalen der französischen Armee der Befehl zugegangen sei, sich die für den Kriegsfall vorgeschriebene Anzahl von 4 Pferden anzuschaffen. In Frankreich ist der Versuch gemacht worden, Locomotiven mit Pctrolcumöl zu heißen. Napoleon hat sich selbst auf eine Loco- motive gestellt, um das neue System kennen zu lernen und das Re sultat war, daß der Zug ohne Rauch und Lärm und 15 Minuten rascher fuhr als andere Züge. Die gebildete Welt ist neulich erschreckt worden durch den russi schen Statthalter, der den Polen den Gebrauch ihrer Sprache kurz weg bei hoher Strafe untersagte. Das war aber nur ein Zeichen des furchtbaren Drucks, unter dem Polen leidet. In Lithauen, Po- dolicn, Volhynien darf kein Pole ohne Erlaubniß sein Haus und sei nen Ort verlassen, sie haben alle gleichsam Hausarrest. So z. B. ist das Namensfest des Herrn K... in der Nähe von Zytomierz — und der Betreffende will seine Nachbarn und Verwandten zum Essen einladen. Da muß er sich zuerst zur entsprechenden Behörde begeben die Zahl und die Namen der einzuladenden Gäste angeben, den sub alternen Beamten etwa 15 Silberrubel bezahlen, dainit der Erfolg seiner Bitte günstig sei, den Vorstand der Behörde tüchtig beschenken, und nachdem er manchmal den ganzen Tag in der Stadt im Vor zimmer des Bezirksvorstandes gewartet, — bekommt er endlich die erwünschte Erlaubniß, Gäste einladen zu dürfen, aber blos für die Dauer des Tages; denn sobald die Dämmerung anfängt, müssen schon alle sich wieder fortbegeben. Nun hat K.... die Einladungen ausgeschickt. Jeder Eingeladene — muß sich jetzt wieder zum Be zirksvorstände begeben und die Erlaubniß auf die oben angeführte Art und Weise zu erlangen trachten. — Herr M... sitzt ganz ruhig zu Hause und betrachtet vom Fenster seiner Wohnung seine Felder. Nun kommt zu ihm ein Nachbar gefahren. Es ist in Lithauen, Vol- hynien und Podolien erlaubt, den Nachbar zu empfangen, aber nur einen einzigen. Wenn ein zweiter kommt, so muß sich der erstere sogleich entfernen, weil es strengstens verboten ist, sich zu versam meln, und die Zusammenkunft von 3 Männern als Versammlung angesehen — und bestraft wird. Nun aber kam zu HerrnM... der Nachbar; bald aber nach ihm kam ein anderer. Die Gastfreundschaft erlaubt doch nicht, dem Nachbar die Thür zu weisen. Also die drei Herren unterhalten sich (soweit man sich noch in diesem Lande unter halten kann), bis endlich eine Gensdarmerie-Patrouille ankommt, dem Hausherrn 50 Silberrubel und den Gästen je 25 Silberubcl Strafe abnimmt. — Herr Z... war eine längere Zeit krank, und Aerzte haben ihm die Reise in einen Badeort in Galizien, z. B. Krhnica, empfohlen. Herr Z... reicht an den Statthalter das Ge such um einen Reisepaß ein und motivirt dieses mit ärztlichen Zeug nissen. Ein Zeugniß eines Civil-Arztes hat keine Giltigkeit, es muß von einem Stabsarzte des entsprechenden Garnisonsortes ausgestellt werden. Nun muß sich der kranke Herr Z... etliche 20 Meilen weit nach Zytomierz begeben, sich dem Stabsarzte vorstellen und einige hundert Rubel bezahlen, um das nöthige Zeugniß zu bekommen. So hat der ebengenannte Herr Z... seinen Reisepaß ins Ausland mit über flOO Silberrubeln bezahlt. Nämlich für die Erlaubniß, sich zum Stabsarzte begeben zu können und nach Zytomierz fahren zu dürfen (im Bezirke) 18 Silberrubel, dem Stabsarzte 150 Silberrubel, dem Statthalterei-Beamten über 100 Silberrubel. Zwischen zwei Feuern. Humoristische Novelle von Ludw. Habicht, Verfasser deS historischen Romans: Der Stadtschreiber von Liegnitz, dem Irrwege rc. (Fortsetzung.) Eines Abends fand Thalheim zu seiner Verwunderung Röschen nicht allein aus der Bank, ein nicht mehr ganz junger Mann, der nach seiner, Kleidung eben von einer Reise gekommen sein mußte, saß neben ihr. Zwar machte der Fremde dem Ankommenden beschei- Getreidepreise von Dresden, am 4. Seplbr. 18^- 1. an der Börse. „E Roggen 4 Thlr. 17 Ngr. bis 4 Thlr. 27 Ngr. — Weizen, weiß 6 Thlr. I' HF bis 7 Thlr. —Ngr., Weizen braun 5 Thlr. 20 Ngr. bis 6 Thlr. 12'/, Ngr.-" Pi' 4 Thlr. -Ngr. bis 4 Thlr. 17'/, Ngr. - Hafer 2 Thlr. 17'/, Ngr. bis 22'/, Ngr. 2. auf dem Markte. , . Roggen 4 Tblr. 24 Ngr. bis 4 Tblr. 28 Ngr. — Weizen 6 Thlr. - 7 Thlr. — Rgr. — Gerste 4 Thlr. 5 Ngr. bis 4 Thlr. 15 Ngr. — Haftr 18 Ngr. bis 3 Tblr. 15 Ngr.— Kartoffeln 1 Tblr. 25 Ngr. bis 2 Thlr. M Heu I Thlr. 18 Ngr. bis 1 Thlr. 28 Ngr. — Ltroh 12 Thlr.- Ngr. bis I» — Rgr. — Butter L Kanne 22 bis 24 Ngr. Wochenmarkt in Meißen, 5. Septbr. 1868. F > Eine Kanne Butter kostete 22 Ngr. — Pf. bis 23 Ngr. 4 Pf.— I Ferkel — Ngr. bis 1 Tblr. 15 Ngr. (eingebracht 451 Stück.) den Platz, aber Thalheim ttölhigte ihn, sich niederzusetzen, da sür alle drei noch Platz sei und blieb dem Fremden gegenüber so unbe fangen als möglich, während in seiner Seele etwas ganz Anderes vorging. An der Verlegenheit Röschcn's bemerkte der junge Feld messer sogleich, daß der so herrlich hereingeschneite „Dritte" ein Bewerber sein müsse und damit erhielten seine bisher nebelhaften Gefühle Farbe und Gestalt. Mit diesem Augenblicke fühlte er, daß ihn mehr als ein gewöhnliches Interesse an das Mädchen kette und der Stachel der Eifersucht weckte die ganze Macht aufkeimender Liebe. Das Gespräch wollte nicht recht in Gang kommen, Röschen blieb schweigsam und verhielt sich besonders gegen die Freundlichkeit des älteren Freundes kühl und ablehnend, der aber, ruhig und klug ge nug, es nicht zu beachten schien und von ihr in gewöhnter Freund schaft Abschied nahm. Sobald der Fremde fort war, seufzte Röschen tief auf, als ob ein rechter Druck von ihr hinweggenommen wäre und ehe noch Thalheim eine Frage an sie richten konnte, begann sie selbst erklä rend: „Es ist ein reicher Leinwandhändler, ein Freund meines Va ters." „Nur?" fragte Thalheim und heftete forschend seine Augen auf das erröthende Mädchen. Sie spielte wieder verlegen an ihrem Schürzenbande, dann ihre alte Munterkeit wieder gewinnend, entgeg nete sie: „Er will mich heirathen aber ich mag ihn jetzt nicht." Dem jungen Feldmesser klopfte das Herz vor Freude; er hätte das liebe Mädchen umarmen, an seine Brust drücken und ausrufeu mögen: „ja, Du bist mein, ewig mein!" aber es war nur ein flüch tiger Augenblick, das Bild Anna's, solange in seinem Herzen zurüa- gedrängt, stellte sich plötzlich zwischen ihn und Röschen — zür nend und hoch aufgerichtet, wie cs ihr so schön stand — und sei" überwallcndes Herz zum Schweigen bringend, entgegnete er ruhig: „Es ist ein guter Mensch, mit dem eine Frau glücklich sein wird." Die Kleine fühlte, daß dies nicht die Antwort war, die sie er warten durfte nnd zärtlich schmollend, obgleich ihr Thränen im Auge standen, erwiedcrte sie: „Sie sind recht unartig, ich bin Jhn^ auck nicht mehr gut," nnd sie wollte in die Stube entschlüpft»- Thalheim hielt sie zurück, er wollte in seiner Gutmüthigkeit »»^ sie beruhigen, sie zur Vernunft bringen, denn der schlecht verhehlte Schmerz des Mädchens berührte ihn tief. Röschen blieb. Sie plau derten noch lange miteinander. Zwar sprachen sie nicht von Liebe, zwar gelobten sie sich nicht ewige Treue, aber dennoch schien sich dieser Stunde ein innigeres Band um sie geschlungen zu haben. . Als Thalheim am andern Tage Röschen besuchte, war der Lä» wandhändlcr wieder dort. Die Zuneigung Röschens zu dem jE» Manne gewahrte der Letztere wohl, dennoch brachte es ihn außer Fassung, er verharrte in seiner frühern Stellung als ruhtzm gelassener Bewerber um des Mädchens Hand und schien das hättniß der jungen Leute als etwas Vorübergehendes anzusehcn, dä- früh oder spät seiner ernstlichen Werbung weichen müsse. t 'Der verständige Mann zeigte nicht die mindeste Gereiztheit Eifersucht, und obwohl diese große Sicherheit des Nebenbuhlers be" jungen Feldmesser beunruhigte, ja kränkte, mußte er doch den chl^,' werthen Charakter desselben und seine auf tiefe Kenntniß des Leb^ gegründete Ruhe anerkennen. Röschen's Freier wußte sehr wohl, daß Thalheim nichts für lv; hatte, als seine Jugend, seine Träume nnd Phantasien, daß vergehen mußten, ehe er ernstlich an eine Werbung denken duft^ und Röschen war nicht mehr in dem jugendlichen Älter, wo dasNs ein langes Hoffen und Harren ohne Gefahr erträgt. Ihre km, Figur, ihr frischer Teint ließen sie sehr jung erscheinen und war sie einige Jahr älter als Thalheim. Wie konnte eine hoffnungslose Liebe der ernstlichen Werbung des wohlhabenden Ab nes. Stand halten und statt Röschen darüber zu zürnen, belä^ er heimlich diese Verirrung, die sie um so sicherer in seine führen mußten. (Fortsetzung Vermischtes. . Ein englisches Blatt zählt die reichsten Leute der Erde auf- der Spitze steht weder ein König, noch Kaiser- auch Niemand Europa, sondern ein Bürger der neuen Welt, ein Gewcrbsnia»» - Nordamerika, dessen jährliche Renten 49 Mill. Francs betrag dann folgt ein russischer Bojar. Der Dritte ist ein Engländer,^, in Ostindien begütert ist. Rothschild, den man gewöhnlich fü» Krösus der Menschheit hält, kommt erst in der elften Reihe. Äirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 14. Sonntage nach Trinit. predigen Vormittags: Herr Diaconus Hochmuth. Nachmittags: Betstunde.