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2 zugehen und meinen, wenn der Boden unter den Füßen zu schwanken anfangs, sei sich Jeder selbst der Nächste. Schon werden Namen von Bankdirectoren, Bankinstituten und von bisher reichen Privatleuten genannt, deren Bankerott man mit Bestimmtheit voraussieht. Kurz, man macht sich auf eine Krisis gefaßt und hofft nur, daß sie rasch vorübergehe. Die näheren Umstände, welche den Capitän Werner zur Weg nahme des spanischen Kanonenbotes „Vigilante" veranlaßt haben, sind noch immer nicht bekannt; nachdem aber von Seiten der kaiser lichen Regierung erklärt worden, daß derselbe ohne Ermächtigung, das heißt auf eigene Verantwortlichkeit gehandelt habe, so läßt sich, sowohl mit Rücksicht auf die Erfahrung und den Ruf des Mannes, als auf die Lage der Dinge, fast mit Bestimmtheit voraussehen, daß die That keinen politischen Character gehabt hat, sondern nur als ein einfacher Act der Secpolizei zu betrachten ist. Jedes Kriegsschiff darf nach Seerecht Fahrzeuge aufbringen, welche entweder ohne Flagge, oder unter einer staats- oder völkerrechtlich nicht anerkannten Flagge fahren, oder dieselbe auf der Fahrt wechseln. Die Vigilante hatte die rot he Piratenflagge aufgezogen und mußte also gewärtig sein, als Piratcnschiff behandelt zu werden. Das Aergerlichste bei der ganzen Sache scheint zu sein, daß ein Schiff der jungen deutschen Marine so kühn und keck in's Zeug gegangen ist, ohne erst bei den Franzosen und Engländern um Erlaubniß zu bitten. Der König von Bayern hat die Deputation, welche bei ihm die Bitte anbringen sollte: dem bayerischen Bevollmächtigten imBun- desrath den Befehl zu geben, jeder weiteren Ausdehnung des Jesuiten- .gesetzes im Bundesralhe entgegenzutreten, nicht empfangen, weshalb die darauf bezüglichen Wünsche auf schriftlichem Wege zur Kcnntniß des Königs gebracht wurden. An der unglücklichen Anna Böckler ist nach den Berichten des Criminal-Commissar Laue ein zweifaches Verbrechen verübt worden. — Der Thäter ist ein I7jährigcr Bursche, der oft auf dem Gute ar beitete, ein äußerst verschlossener und heimtückischer Mensch, der be harrlich leugnet. Einer Zusammenstellung der„D. Ztg." entnehmen wir Folgendes: In Wien befinden sich in Concurs vierActiengesellschaften mit 13,150,000 Fl. eingezahltem Capital. Die Liquidation haben 25 beschlossen mit 72,800,000 Fl. Einzahlungscapital. Beantragt haben die Liquidation 11 mit 31,800,000 Fl. Einzahlungscapital. Capitalreductionen beab sichtigen sieben. Vom Effectenmarkt verschwinden also, soweit bereits festgestellt ist, 1,111,520 Stück Actien mit 117,750,000 Fl. Capital. ' Die deutschen Truppen haben nun auch die Städte Montmedy, Lüneville, Raon und Commercy geräumt. Den Armen in Nancy hat General Manteuffel 20,000 Francs geschenkt. Die französischeNationalversammlung ist mit einer Botschaft Mac Mahons in die Ferien geschickt worden. Gehen Sie ohne Un ruhe, sagte Mac Mahon, ich verspreche Ihnen, daß in ihrer Abwe senheit nichts die öffentliche Ruhe gefährden wird. Diese Stelle ist die Copie einer Napoleon'schen Thronrede, welche lautet: „Sorgen Sie für die Freiheit (cs war nicht so bös gemeint), für die Ordnung will ich schon sorgen." Mac Mahon giebt dem Lande damit einen Wink und namentlich den Republikanern, von denen man sagt, sie würden die Köpfe und Stimmen freier erheben, sobald die deutschen Truppen Frankreich verlassen würden, was jetzt geschieht. — Selt samerweise kommt gleichzeitig aus Paris das Gerücht von einem Restaurationsplane, es solle nach den Kammerferien die Monarchie hergestellt werden, ohne den Thron zu besetzen; Mac Mahon solle die Regentschaft führen. Die Linke der Nationalversammlung hat Während der Ferien einen Ueberwachungsausschuß eingesetzt. Die für Deutschland wichtigste Stelle in MacMahons Botschaft kautet: „Der so lheuer erworbene Frieden ist unser erstes Bedürfnis; es ist unser fester Entschluß, ihn aufrecht zu erhalten." Ueber die gegen Bazaine gerichtete Anklageschrift meldet der Fi garo: „Der Bericht des Generäls Riviere besteht aus vier verschiede nen Theilen, die vier Bände füllen. Der erste Band faßt alle An- klagcpunkte zusammen; der zweite ist speciell der Artillerie, der dritte den Lebensmitteln, der vierte den Communicationen gewidmet. Der Marschall ist angcklagt: 1. mit dem Feinde capitulirt und den Platz Metz, besten oberster Commandant er war, übergeben und nicht zuvor alle Vertheidigungsmittel erschöpft zu haben; 2. als Obcrcommandant der Armee von Metz im offenen Felde eine Kapitulation, wonach seine Truppen die Waffen zu strecken hatten, unterzeichnet und, ehe er sich mündlich und schriftlich auf Unterhandlungen einließ, nicht Alles aufgeboten zu haben, was ihm die Pflicht und die Ehre verschrieben; Verbrechen, welche in den Artikeln 209 und 210 des Militär-Straf gesetzbuches vorausgesehen sind. Wird der Marschall dieser Verbrechen für schuldig erkannt, so muß den erwähnten Artikeln gemäß die Todesstrafe erfolgen." Die Jesuiten in Frankreich geben sich gegenwärtig alle nur er denkliche Mühe, dle ihnen zur Erziehung anvertrauten junge Leute dazu zu bestimmen, sich dem Militairstande zu widmen. Unter 125 Angemeldetcn, welche bei der letzten Prüfung in die Militairschule von St. Cyr ausgenommen wurden, befanden sich 100 Zöglinge aus der Jesuitenschule der Rue des Postes und es ist schon so weit ge kommen, daß man nicht mehr wagt, dieselben wegen Mangels an Kenntnissen durchfallen zu lassen. Jedenfalls darf unter diesen Um ständen nicht befremden, wenn sich unter den Offizieren der franzö sischen Armee ein nltramontaner Geist Bahn bricht, wie er noch nie mals dagewesen ist. Ob die Armee dabei gewinnt, wenn gleichzeitig ein geistliches und ein militärisches Commando sich geltend macht, haben wir nicht zu untersuchen. Rußland. Die Friedensbedingungen für Chiwa lauten aus führlicher wie folgt: „1. Dem Chanat Chiwa wird eine Kriegscontribution von 2,000,000 R.S. auferlegt, von denen 1,200,000 R.S. auf das Cha nat Chiwa selbst und 800,000 R. S. auf den südlich von Chiwa nomadisirenden Stamm der turkmenischen Jomuden, besten Mittel punkt die Stadt Kasawa bildet, kommen. Die Entrichtung derCon- tribution hat in sieben Jahren zu erfolgen (dieser Termin ist mit Rücksicht auf die finanziellen Mittel des Chanats fixirt, dessen Ein nahmen sich auf nur 400,000 N. S. jährlich belaufen). Für die Zahlung der Contribution seitens der Jomuden leistet der Chan von Chiwa Garantie. 2. Zur Sicherstellung der Contributionszahlung werden bis zum vollständigen Eingehen derselben die russischen Trup pen folgende Punkte besetzen: a. Schurachan, eine kleine Festung am rechten Ufer des Amu-Darja mit 3000 Einwohnern und einer Passage über den Fluß und d. Kungrad am linken Ufer des Amu mit 5000 Einwohnern. 3. Für die Verpflegung der russischen Truppen wäh rend der ganzen Zeit ihres Cantonnements auf chiwesischen Gebiete hat die örtliche Bevöklerung Sorge zu tragen. 4. Die Todesstrafe ist im Chanat Chiwa auf ewige Zeiten abgcschafft. 5. Das Chanat bleibt ein selbstständiger Staat des Chans. 6. Die natürliche Grenze des Chanats Chiwa wird der Amu-Darja bilden. Alle frühere» Be sitzungen der Chiwesen am rechten Ufer des Amu-Darja fallen Bochara zu, als Entschädigung für die von den Bocharen in diesem Feldzuge den Russen geleistete Hülfe. 7. Der Abmarsch der russischen Truppen unter dem Befehl des Generals Kauffmann aus der Residenz des Chanats Chiwa erfolgt am 15. (27.) August d. I." Die Aufhebung der Todesstrafe entspricht der russischen Gesetz gebung, welche dieselbe nur noch für Hochverrath und im Militär strafgesetz beibehalten hat. In Chiwa wurde die Todesstrafe stets besonders grausam und unter großen Qualen (Pfählung) für die Be troffenen vollzogen. Somit hat sich die russische Armee in Wahrheit als die Avantgarde der Civilisation nach Osten erwiesen. In New-2)ork am 30. Juli eingegangenen Nachrichten zufolge soll der diesjährige Ertrag von Weizen in Wisconsin und Minnesota reichhaltig und vorzüglicher Qualität sein. Im Nordwesten ist die Ernte überhaupt befriedigend. Paul und Virginie. (Fortsetzung.) Als sie sich eine gute Strecke von der Pflanzung entfernt hatten, setzten sie sich unter einen Baum, von Mattigkeit, Hunger und Durst gänzlich erschöpft. „Liebe Schwester", begann Paul, „es ist jetzt Mittag; Du bist hungrig unv durstig; hier werben wir nichts zu essen finden. Laß uns wieder zur Pflanzung hinabsteigen und dort um etwas Essen bitten!" „Um Himmels willen nicht!" entgegnete Virginie ängstlich. „Der Herr dort unten hat mich zu sehr erschreckt. Denke daran, was uns die Mutter so oft gesagt hat: Das Brod des Bösen füllt den Mund mit Kieselsteinen." „Aber was sollen wir machen?" nahm Paul wieder das Wort. „Die Früchte dieses Baumes sind ungenießbar; und ringsherum wird keine Tamarinde oder ein Citroncnbaüm stehen, um Dich zu erfrischen." „Gott wird sich unserer annehmen," tröstete Virginie. „Hört er doch die Stimme kleiner Vögel, die ihn um Nah rung bitten." Sie rafften sich von Neuem auf und gelangten nach wenig Schritten an eine Quelle, deren klares Wasser für ihren verlechztett Gaumen ein Labsal war; an ihrem Rande wuchs eine Menge Kresse, die wenigstens nothdürftig ihren peinigenden Hunger stillte. Beim Weitereilen erspähte Virginie in der Ferne eine einsam stehende Kohl palme, deren Blätter bekanntlich ein süßes wohlschmeckendes Mark, den sogenannten Palmenkohl, enthalten. Aber die Palme war stark und hoch. Wie da zu ihren Blättern hinaufgclangen? Paul ent schloß sich kurz. Er nahm, wie er es von Domingo gelernt, zwei im Holze verschiedene dürre Zweige, bohrte in den einen ein Loch, steckte darein den anderen, den er etwas zugespitzt hatte und drehte ihn hastig mit beiden Händen herum. Bald hatte er die Freude, Rauch und Funken aufsteigen zu sehen. Rasch legte er nun das in Brand gerathene Holz an den Fuß der Palme, den Virginie mittlerweile mit einem Haufen dürrer Aeste umgeben hatte. Es dauerte nicht lange, so fing der Baum au, lichterloh zu brennen und fiel nach kurzer Zeit mit heftigem Geprassel zu Boden. Beide gingen vorsich tig herzu, trennten einige Blätter los und hielten von ihrem saftigen Fleische eine leckere Mahlzeit. Darüber war eine geraume Zeil ver strichen. Mit Schrecken bemerkte auf einmal Virginie, daß es nach dem Stand der Sonne hoch am Nachmittag sein müsse. „Wir wer den uns," meinte sie, „bei einbrechendcr Nacht in der Wildmß ver irren, da wir jetzt nicht wie heut Morgen eine sichere Führerin bei uns haben." „Sei nur ruhig, Schwester," ermunterte sie Paul, „dort sind ja die drei Gipfel jenes Berges, über den wir heute früh gestie gen sind; darauf müssen wir lossteuern." Gesagt, gethan. Allein kaum hatten sie sich eilenden Fußes ins Dickicht verloren, als auch das Ziel ihren Blicken entschwand, und trotzdem, daß Paul mehrere Baumriesen erkletterte, keine Spur davon sich mehr entdecken ließ- Dazu waren Virginiens Füße von dem anhaltenden Gehen angc- schwolleu und mit Blut unterlaufen. Sie ging nur noch mit der größten Anstrengung, jedoch ohne eine Klage auszustoßen, neben