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3 schäft mit Paul dünkt ihr süßer, als die balsamischen Düfte an der Infamen Stelle, reiner M das tiefklare Waffe der Quelle, stärker als die geschwisterlich sich berührenden Palmen. Ein Seufzer ent windet sich ihrer Brust. —Auf einmal denkt sie an die Nacht, an die tiefe Stille, die sie umgiebt; ein unheimliches Grausen weht sie an. Nasch steigt sie heraus und eilt in fliegendem Lauf zur Mutter, um an ihr gleichsam eine Schutzwehr wider sich selbst zu finden. Heftig drückt sie deren Hände. Sie möchte ihr den Grund ihrer namenlosen Pein verrathen; mehrmals hat sie den Namen Paul auf den Lippen. Aber ihr Herz ist wie zugeschnürt, die Zunge bleibt stumm. Sie kann nichts als ihren Kopf in den mütterlichen Busen bergen und bitter lich weinen. — Wohl durchschaut die Mutter jetzt den Grund dieses seltsamen Benehmens; aber sie wagt es nicht, ihre Vermuthungcn auszusprechcn. „Mein liebes Kind", tröstete sie, „wende Dich an Golt, welcher nach seinem Gefallen Gesundheit und Leben verleiht. Er erprobt Dich heute, um Dich morgen zu belohnen. Denke, daß wir dazu auf der Erde sind, um uns in der Ausübung der Tugend zu vervollkommnen." — Die grenzenlose Hitze hatte dem Ocean Dünste entlockt, die einem ungeheuren Sonnenschirme gleich diese Insel überschatteten. Bald fuhren lange Feuerstrahlen von den wolkichten Bergspitzen nieder. Furchtbare Donnerschläge machten Wälder und Thälcr erdröhnen. Rauschende Platzregen stürzten vom Himmel nieder. Schäumende Gicßbäche schossen an den Berglehnen hinab. In kurzer Zeit war der ganze Grund des Felsenbeckcns wie ein See anzusehen. Die Bodencrhöhung, wo die Hütten stehen, glich einer Insel im Kleinen. In der Hütte der Madame von Latour lag alles auf den Knieen und flehte Gott um Schonung an. Das Dach bog sich auf und nie der unter dem gräßlichen Ungestüm des Sturmes. Obschon Thür und Fensterlukcn sorgfältig verschlossen waren, bahnten sich die grellen häufigen Blitze doch einen Weg durch die Fugen und Ritzen des Ge bälks und ließen im Zimmer alle Gegenstände scharf und deutlich er kennen. Unerschrocken wanderte inzwischen Paul an Domingo's Seite von einer Hütte zur andern, indem er hier einen Pfahl einschlug, dort wieder eine unsichere Wand durch einen Strebepfeiler stützte; er ging nur zurück, um die Familie auf baldige Wiederkehr schönen Wetters zu vertrösten. Und in der That, gegen Abend ließ der Re gen; der gewöhnliche Südostwind fing wieder an zu wehen; das Ge wölk zertheilte sich, friedlich und freundlich sandte die untergchende Sonne vom Horizonte ihren Abschiedsgruß. Ein Goldhauch überzog die wieder aufathmende Landschaft. Der erste Wunsch Virginiens war, nach ihrem Nuheplätzchcn zu sehen. Fast furchtsam näherte sich ihr Paul und bot ihr den Arm. Sie nahm ihn lächelnd und schritt mit ihm ins Freie. Die Luft war frisch und überaus wohlthuend. Aber als sie beide ins Gärtchen traten, — welche Verwüstung: Der Boden war von den starken Regen güssen ganz aufgewühlt. Die schönsten Fruchtbäume lagen entwurzelt da. Große Sandinassen hatten sich über die Wiesenflüchen gelagert. Auch das Bad Virginiens war durch sie verschüttet; nur die beiden Palmen standen unversehrt. Aber die Vögel waren verschwunden. Etliche Finken beklagten auf den nahen Felsen mit traurigen Tönen den Verlust ihrer Jungen. „Ihr habt die Vögel hierher gelockt", sprach Virginie angesichts dieser Verheerung, „der Sturm hat sie getodtet. Ihr habt den Gar ten gepflanzt, nun liegt er zerstört. Alles vergeht auf der Erde; ein zig der Himmel bleibt unveränderlich." „Könnte ich Dir doch," seufzte Paul, „etwas aus dem Himmel geben! Aber ich besitze nichts, gar nichts; nicht einmal auf der Erde." „Du hast doch, warf Virginie lächelnd ein, „das Bildniß des heiligen Paul." Kaum war diese Aeußerung gethan, als Paul zur Hütte lief, das Gewünschte herbei zuholen. Jenes Bildniß stellte den Einsiedler Paul vor. Margaretha hatte cs lange an ihrem Halse getragen. Als sie Mutter geworden, hatte sie cs aber ihrem Kinde gewidmet, indem sie ihm damit gleich sam einen Schutztalisman zu geben vermeinte. Tiefbewegt empfing Virginie das unscheinbare Bild aus der Hand des Bruders. „So lange ich lebe," betonte sie feierlich, indem sie mit beiden Händen den Portraitpaul vor sich hin hielt, „niemals werde ich mir dieses Ge schenk entreißen lassen, und niemals", fügte sie mit langsamerer Stimme hinzu, „werde ich es vergessen, daß Du mir das Einzige geschenkt hast, das Du Dein eigen nennst." Bei diesem freundschaftlichen Tone, bei dieser unverhofften Wiederkehr der alten Vertraulichkeit und Zärtlichkeit versucht« Paul, sie zu umarmen; allein behende wie ein Vogel, entschlüpfte sie ihm. Betroffen, schier unwillig, sähe Paul ihr nach, da er sich das sonderbare Betragen ans keine Weise zu ent- räthseln vermochte. — (Forts, folgt.) Vermischtes. „Ueber den Geldwerth des Menschen" lautet die Ucber- schrift eines interessanten Artikels des vr. N. Lüdtge in der „D. Vers.-Ztg." Aus dem Aufsatz ersehen wir, daß, die Sterblichkeits verhältnisse in Anschlag gebracht und die Kosten für die Verstorbenen auf die Ueberlebcnden rcpartirt, an Erziehungskosten ein Kind dem Arbeiterstande angehörig, zu 3 Jahren 339 Thlr., zu 6 705, zu 9 1120, zu 12 1580, zu 15 Jahren 2119 repräsentirt. In den höheren Ständen, bei denen unser Gewährsmann Zwei Klaffen, Kaufmanns- und Gelehrtenstand unterscheidet, stellt sich das Verhältniß folgender maßen: Zu 5 Jahren ist ein solcher im Keime befindlicher Kaufmann bereits 1153 Thlr. Werth, zu 10 Jahren repräsentirt er die Summe Von aufgewendetcu 2536 Thlru., zu 15 Jahren 4238 und zu 20 Jahren, dem Zeitpunkt, zu welchem mau die Erziehung als abgeschlossen an- nehmcn kann und zu welchem das reale Leben an den jungen Kauf mann herantritt, 6195 Thaler. Bei Demjenigen, der sich dem Ge lehrtenstande widmen will, kann man die Erziehung erst als mit dem fünfundzwanzigsten Jahr beendigt setzen, so daß die Gesammterziehungs- summe sich bei einem Solchen auf 10,388 Thaler beläuft. Für eine» jungen Gelehrten, einen Oberlehrer, Juristen oder Theologen würde also nach geendeter Studienzeit ein Gehalt von über 500 Thalern eben nur knapp der Verzinsung der in der Erziehung angelegten Capitalien entsprechen. Es erhellt aus diesen Zahlen ferner, daß im Verhältniß die arbeitende Elaste erheblich günstiger darin ist. Denn bei einem Anlage- (Erziehungs-) Capital von 2100 Thalern wird vom 15. Jahre an oder mindestens vom 18. an (die Lehrzeit in Anschlag gebracht) bereits eine reichliche Verzinsung erzielt, während der Gelehrte, um die gleich hohe Verzinsung des in ihm steckenden Werthes zu erzielen, etwa bis zum 30. Jahre warten muß. Normal etwa ist das Verhältniß beim Kaufmannsstandc. Die Tochter aus den untern Ständen wird etwa den gleichen Erzichungswcrth, wie die Knaben des Arbeiterstandcs rcprä,cntiren, die Tochter aus den höheren Ständen, ihre Erziehung mit dem 20. Jahre als beendet betrachtet, wird 5196 Thaler Erziehungskosten repräsentiren. Die Anwendung auf das Deutsche Reich liegt am nächsten. Laut Volks zählung von 1871 betrug die Bevölkerungszahl circa 41 Millionen und zwar je zur Hälfte männlichen und weiblichen Geschlechts. Etwa 25 Proc. der gejammten Bevölkerung gehören der gebildeten, 75Proc. den andern Ständen an. Der Gcsammtwerth der Bevölkerung in Thalern ausgedrückt beläuft sich etwa auf 77 Vs Milliarden Thaler. * München, 5. August. Nachdem hier einige Cholerafälle vor gekommen, beschloß der Gesundheitsrath in heutiger Sitzung die beim Ausbruch der Cholera gesetzlich vorgeschriebenen Maßregeln sogleich anzuordnen. * Am 30. Juli hat ein furchtbarer Wolkenbruch mit Hagel schlag die Umgebungen von Eger verwüstet. Die Getreidefrüchte sind meilenweit im Umkreise vernichtet. * Aus Lippa im Temeser Comitat in Ungarn wird der „N. Fr. Pr." berichtet: In der von Walachen bewohnten Nachbargemeinde Belotincz ist eine Seuche ausgebrochen. Sofort wurde eine Menge jener Zaubermittel zur Anwendung gebracht, an deren wunderthälige Wirkung das verwahrloste walachische Volk so gerne glaubt. Nach dem jedoch die Krankheit dem gewöhnlichen Zauberspuke nicht Weichen wollte, wurde zu einem heroischen Mittel gegriffen. Man begab sich auf den Gottesacker und scharrte elf Leichen aus den Gräbern, welche sofort secirt wurden. Die Herzen der Leichen wurden zerschnitten und die einzelnen Stücke unter den Bewohnern von Belotincz mit der Weisung vertheilt, ihre Leiber mit den Herzstücken zu bestreichen, was auch Viele gewissenhaft ausgeführt haben. Der eigentliche Ar rangeur dieses niederträchtigen Actes, ein Walache aus dem Kaffoer Comitate, wollte denselben dieser Tage in Petris wiederholen, wurde jedoch durch die Organe des Lippaer Bezirksgerichts rechtzeitig betre ten und dem Gerichte eingeliefert, wo er sich gegenwärtig in Unter suchungshaft befindet. So steht es um die Bildung unserer „in teressanten Nationalitäten"! * Reiseabenteuer. Ein junger Mann aus Westphalen machte auf einer Reise nach Köln die Bekanntschaft einer jugendlichen Wür- tembergerin, welche vorgab, sie komme aus Holland, wo ihr Mann, ein reicher Kaufmann, vor einem halben Jahre gestorben sei und gehe jetzt zu ihren Eltern in Süddeutschland. Der biedere Sohn der rothcn Erde war von der Liebenswürdigkcit seiner Begleiterin derart entzückt, daß er ihr in Köln den Vorschlag machte, mit ihm die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besichtigen, welcher Vorschlag nach kurzem Sträuben angenommen wurde. Die beiden jungen Leute amusirten sich vortrefflich, namentlich aber in der Flora, wo sie eine Flasche nach der andern leerten. Auf einmal spürte aber unser Westphale, wie sich die Hand seiner Dulcinca in einer Tasche seines Ueberzichers vertiefte, die Brieftasche hervorholte und sie blitzschnell in ihrer Tasche verschwinden ließ. Dieses sehen und der Dame ein paar derbe Ohrfeigen verabfolgen und ihr den Raub wieder entwin den, war das Werk eines Augenblickes. Mit zerknüttertcr Toilette und unter dem Gelächter der Anwesenden verließ die kunstfertige Lang- fingerin eiligst den Schauplatz ihrer gestörten Thätigkeit. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 9. Trinitatis-Sonntag predigen Vormittags: Herr Diac. Canitz, Nachmittags: Betstunde. Dresdner Getreidebörse, 4. August. An der Börse. pro 1000 Kilogramm Weizen weiß 96 Thlr. — Ngr. bis 104 Thlr. — Ngr. Weizen braun 87 - — - - 98 - — - Korn 57 - - - - 68 - — - Gerste 56 - — - - 73 - — - Hafer 49 - — - - 53 - 15 - Die Kanne Butter 24 bis 28 Ngr' Auf dem Markte. pro Hektoliter. Hafer 2 - 10 - - 2 - 25 - Kartoffeln 3 - — - - 3 - 10 - Heu L Ctr 1 - 5 - - 1 - 15 » Stroh ä, Sch. 7 - 10 - - 7 - 20 - D'c Kanne Butter 26 bis 30 Ngr,