Volltext Seite (XML)
Vis zum 2. d. sind in Ver'lin bereits 25 Cholerafälle gemeldet worden, von denen 23 einen tödtlichen Ausgang genommen haben und 2 zur Zeit noch in ärztlicher Behandlung verblieben waren. Seitens der Stadt sind nunmehr die Barackenlazarethe in Moabit und in der Pallisadenstraße zur Aufnahme von Cholera-Kranken vor bereitet worden und hat in ersterem die Aufnahme bereits stattgefun den. Am Plötzeusee ist für die ankommenden Schiffe eine Quaran- tainestation eingerichtet worden und müssen alle Schiffe erst ärztlich untersucht und dcsinsicirt werden, ehe sie ihre Fahrt nach der Stadt fortsetzen wollen. Königsberg i. P., 5. August. Die Cholera ist, wie der„Ost- prenßischcn Ztg." gemeldet wird, auch in Braunsberg in heftiger Weise zum Ausbruch gekommen. Die Zahl der bis gestern daselbst erkrank ten Personen betrug 174; von diesen waren 67 gestorben. Eine Compagnie des dort garnisonirendeu ostpreußischen Jägerbataillons Nr. 1 hat in dem dortigen Stadtwalde Baracken bezogen. — Hier in Königsberg hat die Zahl der an der Cholera Erkrankten die Zahl 100 bereits überschritten. Würtemberg. Dem amtlichen „W. Staats-Anz." wird aus Rosenfeld, 31. Juli, folgender entsetzliche Unglückssall mitgetheilt: „Es war uns auf heute die Besatzung der Burg Hohenzollern, 112 Mann stark, die in ihre Garnison Freiburg zurückkehrte, in's Quartier angesagt, zu deren freundlichem Empfang Alles bereit war, der aber ein trauriger werden sollte. Denn eine Viertelstunde von hier und noch in der Stadt wurden viele von der drückenden Hitze iiiederge- worfcn. Einige erholten sich wieder, aber acht erlagen." Der Be richterstatter fügt vorsichtig hinzu: „Dem Commandirenden kann kein Vorwurf gemacht werden, da er nach dem einstimmigen Zeuguiß der Soldaten ihnen den Marsch auf jede Weise zu erleichtern gesucht hat." Der General v. Manteuffel hat das Schicksal, daß immer wieder viel von ihm gesprochen wird, weil er selbst viel spricht, was sonst die Sache preußischer Generale nicht ist, dieweil sie sich mehr an's Handeln halten. In Schleswig-Holstein erwarb er sich einst durch eine Improvisation, die weder seinen College» vom Militair, noch von der Diplomatie zusagte, den Beinamen des Sicbensüßigen; im Kriege von 1866 löste er Vogel von Falkenstein im Commando der Mainarince ab und erwarb sich so wenig Popularität, daß der Nord deutsche Reichstag einen Strich durch seine Dotation machte, einen Strich, der 250,000 Thlr. kostete. Den Krieg von 1870/71 beendigte er durch seinen bekannten kühnen und glücklichen Zug und erwarb sich Lorbeer und Dotation zugleich. Daß er ein tüchtiger Militair ist, dafür kann er sich auf das Zeuguiß des alten Moltke berufen. Er wird daher, wenn er die Truppen aus Frankreich zurückgeführt hat, einen militairischcn Ehrenposten erhalten; als Diplomat hat er auch in Frankreich manchen Schnitzer gemacht. In Belfort hielt er eine Rede, die seinem Herzen mehr Ehre machte als seinem Kopfe, er streute den Franzosen Weihrauch, die in diesem Artikel selber das Mögliche leisten. Aehnlich erging's ihm in Nancy; er schenkte den Armen 20,000 Franks und setzte dadurch die Franzosen in große Verlegenheit; denn sie dachten an die 5000 Millionen, die sie Deutsch land haben zahlen müssen. Endlich schlug sich ein vornehmer Fran zose ins Mittel und überwies den Armen in Metz gleichfalls 20,000 Franks. Der General will durch die Fehler seiner diplomatischen Strategie vielleicht nur seinen stillen Gönnern in Berlin desavoniren, die ihn auch jetzt wieder als Nachfolger Bismarcks oder Roons aus- marschiren lassen. Von bemerkenswerther Stelle in Berlin wird öffentlich erklärt, es sei nicht daran zu denken, daß Manteuffel Bis- marck's oder Noou's Nachfolger (als Ministerpräsident) jemals werde; dazu besitze er weder die /Qualitäten", noch auch das nöthige An sehen. (Das Geschenk in Nancy soll nach neuesten Nachrichten eine Aufmunterung sein, die deutschen Gräber gut zu halten.) Atts Spanien, auf welches Land sich die Aufmerksamkeit der politischen Kreise fortdauernd um so mehr in erster Linie richtet, je weniger die Vorgänge anderwärts in höherem Grade zu intcressircn vermögen, wird ein neuer bedeutsamer Erfolg der Car- Ustcn gemeldet. Dieselben sollen die so lange und heldenmüthig ver- thcidigte Stadt uud Festung Estella genommen haben. Estella, an der Staße zwischen Pampclona und Logrono, beherrscht das obere linke Ebroufer und würde dessen Besitz den Carlisten bei ihren even tuellen Operationen gegen Bilbao sehr zu Statten kommen. Nur die Geldnot!) scheinen die Carlisten noch schwerer überwinden zu können, als die kleinen Festungen in Catalonien uud Navarra, denn wie aus London verlautet, ist jene carlistische Anleihe, von der bereits die Rede gewesen, vorderhand immer erst nur ein frommer Wunsch, ob wohl dem großmüthigen Kapitalisten, der auch nur eine Million auf auf Don Carlos Aussichten einzusctzcn geneigt wäre, ein Hcrzogstitel als Lockvogel vorgehalten wird. — Von dem anderweilen Kriegs schauplätze in Spanien liegt eine Reihe von Nachrichten vor, die aber sämmtlich nur zeigen, daß die Zersetzung noch immer Fortschritte macht. Sevilla, wo das Petroleum wie in Paris die Niederlage der Insurgenten gräßlich beleuchtete, ist von den Ncgierungstruppen ein genommen, dafür erhebt aber in anderen Punkten die Secession ihr Haupt und ein Ende dieser Verwirrung ist vorerst absolut nicht ab- zusehcn. In: Gegeutheil scheint die Absendung englischer und fran zösischer Kriegsschiffe nach Bilbao anzudcutcn, daß man sich in Parts und London eher auf eine Erweiterung des allgemeinen Kriegsschau platzes gefaßt macht. Die Nachricht, daß in Almeria bei der Be- fchießung der Stadt durch Jnsurgcntcnschiffe das Haus des deutschen ConsulS ungeachtet der auf demselben aufgezogenen Flagge zerstört worden sei, ist eine beredte Illustration der Gemeinschädlichkeit der gegenwärtigen Zustände in Spanien, indessen scheint es angemessen, erst noch genauere Mittheilungcn über diese Schädigung eines fremdländischen Functionairs durch den spanischen Bürgerkrieg abzu- wartcn. Die Brennpunkte der Aufstände und Kämpfe in Span in sind dieser Tage die Städte Valencia, Sevilla, Malaga und Cadix ge wesen. Cartagena wird von den Aufständischen in Besitz gehalten, diese schickten Verstärkung nach Valencia, bombardirten Almeria und äscherten das deutsche Consulatsgcbäude ein. In Valencia plünder ten die Aufständischen die Bank und in Sevilla zündeten sie vor ihrer Niederlage alle öffentlichen Gebäude mit Petroleum an. Vier deut sche Kriegsschiffe kreuzen vor Malaga und im Hafen von Bilbaosind englische und französische Kriegsschiffe eingelaufen, was auf eine wich tige Kriscs hindculet. Nach in New-Jork am 2. August eingetroffenen Nachrichten ist in Portland im Oregougebiete eine große Feuersbrunst ausgebrochen, welche 366 Häuser vernichtete und circa 150 Familien obdachlos machte. Der angerichtete Schaden wird auf 1,500,000 Dollars geschätzt. Paul und Virginie. (Fortsetzung.) In der regnerischen Jahreszeit hielten sich alle im Haufe auf, meist mit der Fertigung von Matten und Bambuskörben beschäftigt. Abends bei Lampenschein erzählten Madame von Latour und Mar garetha wohl abwechselnd etliche Geschichten vom Festlande, oder es wurde ein Capitel aus der Bibel gelesen und besprochen. Wenn cs schön war, begaben sie sich regelmäßig Sonntags zusammen zur Messe in die Kirche, von welcher der Thurm dort unten sichtbar ist. Da kam es denn manchmal vor, daß sie von reichen Umwohnern zu Ver gnügungspartien anfgcfordert wurden. Allein sie lehnten alle derar tige Einladungen ab; sie mochten sich nicht für die Vornehmen zum bloßen Zeitvertreibe hergeben. Trotz ihrer strengen Zurückgezogenheit aber waren sie doch allgemein geschätzt und beliebt. Ihr feiner An stand erwarb ihnen die Achtung der Hohen, wie nicht minder ihre ungezwungene Liebenswürdigkeit das Vertrauen der Armen. — Seit einiger Zeit hatte Virginie zu kränkeln angefangen. WaS ihr eigentlich fehlte, wußten wir anfangs alle nicht. Ihre schönen blauen Augen nahmen einen trüben Schein an, ihre Haut färbte sich gilblich, der ganze Körper war von großer Mattigkeit befallen. Von ihrer Stirn schwand die Heiterkeit, und das Lächeln von ihren Lippen. Sie floh ihre unschuldigen Spiele, ihre lieben Arbeiten, ja selbst die Gesellschaft ihrer Familie. An den einsamsten Oertern der Nieder lassung irrte sie herum, überall Ruhe suchend und sie doch nirgends findend. Bisweilen, wenn sie Paul erblickte, eilte sie freudig auf ihn zu; aber mit einem Male stand sie still, eine plötzliche Verlegenheit überkam sie. Lebhafte Nöthe überzog ihre bleichen Wangen und ihre Augen wagten nicht, seinem Blicke zu begegnen. „Herrliches Grün", klagte dann wohl Paul, „bekleidet diese Felsen; unsere Vögel singen, wenn sie Dich sehen; alles ist fröhlich um Dich her; Du allein bist traurig." Unv er suchte sie zu crmuthigen, indem er die Arme um sie schlang; aber sie wandte den Kopf ab und flüchtete sich zitternd zur Mutter. Die Unglückliche fühlte sich beunruhigt durch die Zärt lichkeit ihres Bruders. Paul begriff nichts von diesen ihm gänzlich neuen Launen. Ein Unglück kommt selten allein. Einer von den Sommern, welche von Zeit zu Zeit die Tropen- lünder verheerend heimsuchen, richtete auch hier arge Verwüstungen an. Es war gegen Ende December, als die Sonne drei Wochen lang ihre Strahlen glühend heiß auf Mauritius niedersandte. Lange Staubwolken erhoben sich von den Wegen und erfüllten die Luft. Hier und da spaltete sich der Boden vor übergroßer Trockenheit. Das Gras war versengt; gleich Oefen glühten die Wände der Berge, und die meisten ihrer kleinen Bäche waren ausgetrocknet. Keine er sehnte Wolke stieg aus dem Meere auf. Nur am Tage sah man rothe Dünste über den Ebenen schweben, die beim Sinken der Sonne gleich einem ungeheuren Brande leuchteten. Selbst die Nacht ver mochte nicht, die brennende Atmosphäre abzukühlen. Hochroth zeigte sich die Mondscheibe in ungewöhnlicher Größe am trüben Horizonte. Die Thäler hallten wieder von dem dumpfen Gebrülle verschmachteter Heerde», die sich a» den Seiten der Hügel gelagert hatten. Der Kaffer, welcher sie weidete, hatte sich platt auf den Bode» hingestreckt, um nicht die staubige Luft cinschlucken zu müssen. Dazu wimmelt die Luft von unzähligen großen und kleinen Insekten, die im Blute der Menschen und der Thiere ihren Dnrst stillten. — In einer dieser schlimmen Nächte ward Virginien ihr Leidenszu stand unerträglich. Sie stand auf, setzte sich, legte sich ; aber in keiner Lage kam ihr der erwünschte Schlaf. Endlich macht sie sich im blei che» Schimmer des Mondes nach ihrem LieblingSplätzchcn, der Vir ginienruhe, auf. Dort sendete die Quelle noch immer einige Silber- fadcn in die Höhe. Sie badet sich in dem stillen Gewässer. An fangs erquickt auch die Frische ihre Sinne und tausend angenehme Bilder ziehen an ihrer Seele vorüber; aber in allen diesen Bildern steht Paul im Vordergründe. Sie vergegenwärtigt sich die früheste Kindcszeit, wo sie beide von den Müttern zusammen gebadet wurden, gedenkt des Jahres, in dem Paul dieses Bad für sie allein hcrrich- tete, indem er das Bett tiefer aussichtete, den Grund mit Kies bedeckte und den Rand mit gewürzhaftcn Kräutern lnpflanzte. Die Freund-