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Wochenblatt - für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, SicbculclM »nö die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Ttadtrath daselbst. 81. Ireilag, den 15. Hctoöer 1868. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 14. October 1869. Der Erklärung des Kirchenvorstandes zu St. Thomä in Leipzig, das in Rom zusammentretende ökumenische Concil betreffend, hat sich auch der hiesige Kirchenvorstand angeschloffen. Die betreffende Erklärung lasten wir zu näherem Verständniß unserer Leser hier folgen: LrlLtLrirnrr Nm 8. Dcccmber d. I. soll ein „ökumenisches" Concil, nach 800 Jahren wieder da« erste, in Rom zusammentreten. Mit den wachsenden Nachrichten über seine Ziele beginnt es mehr und mehr die Schatten schwerer Bedrohung für unsere hei ligsten Güter vor sich her zu werfen. Ohne irgend welche Förderung des Friedens, und irgend welche Heilung von Schäden großen Charakters in Aussicht zu stellen, läßt cs mebr und mehr die verwirrende Erregung und Zerklüftung fühlbar werden, welche für die weitesten Kreise von ihm ausgehen wird. Zwar betrifft es zunächst nur die römisch-katholische und griechisch-unirte Kirche. Es ist demnach nicht in Wahrheit ein „ökumenisches," die ganze Christenheit um fassendes Concil. Auch dürfen wir, zumal nach den mancherlei Kundgebungen sonst, abschen von der Einladung des Papstes an die Protestanten, in den „einigen Schaf stall Christi" znrückzukehren. Gefahr wird diese Einladung nur für solche Protestam ten bringen können, welche längst schon ohnedies das Verständniß für die Segnungen ihrer Kirche verloren haben. Sicher aufrichtig gemeint, ist sie doch nur ein trauriger Beleg mehr für die Selbstüberhebung und Unkenntnis, der Zeit, welche Rom, einst an der Spitze der Zeit und ihrer Bildung, in fast allen Handlungen jetzt an den den Tag zu legen Pflegt. Aber nur ein verhängnißvoller Jrrthum würde die Größe der Gefahr dieses „ökumenischen" Concils unterschätzen und in der sorglosen Gleichgiltigkeit beharren wollen, welche im Ganzen und Großen noch immer die Signatur sowohl der katho lischen als der evangelischen Gemeinde ist gegenüber diesem Ereignisse. Die durch Gemeinsamkeit des Interesses jetzt mehr als je geschlossene Phalanx des Hähern ka tholischen Klerus, der Bann, unter dem mehr als je der niedere uierus liegt, der Ausschluß der katholischen Gemeinde von jeder eingreifenden Mildthätigkeit in kirch lichen Dingen, die Klarheit und Geschlossenheit der ultramontanen Ziele, während die Gegner noch unorganisirt und mehr oder weniger durch eignen brudcrmörderischen Streit zerrissen sind, die starre Consequenz, die rastlose Energie, die Jahrhunderte lange Uebung der römischen Kirchendiplomatie und ihr Sichstützen auf die ungebil deten Massen, die Großartigkeit ihrer äußern Mittel, welche einem guten Theile nach niedergelcgt sind in die Hände der unter dem Widerspruche fast der gesammten gesitteten Welt jetzt mehr als je unbedingt für Rom arbeitende» kirchlichen Genossen schaften und Klöster, selbst in protestantischen Ländern, Dieses und Anderes läßt, schon von Außen betrachtet, ein Ereigniß als eine große Gefahr für die evangelische Kirche und sür die antijesuitischen Richtungen in der katholischen Kirche selbst erkennen, das, ungestört zugelasscn, unleugbar eine hohe Kräftigung dieser geschlossenen hier archischen Einheit und ihrer rastlosen Bestrebungen sein wird. Aber weit mehr noch muß Geist und Wesen dieser Bestrebungen uns mit Be sorgniß erfüllen. Wit Grund ist zu befürchten, daß ausdrücklich oder thatsächlich, wenn nicht die allem religiösen Bewußtsein widersprechende Lehre der „Unfehlbarkeit" eines Men schen, des Papstes, so doch die Kbucyelica und der SpllabuS vom S. Dccember 1864 durch das Concil Bestätigung erlangen werden. Den Grundlagen unserer Gesittung und Bildung, sowie unseres gejammten StaatslebenS würde dadurch und wenigstens für die katholische Kirche unwiderruflich, das Verdammungsurtheil gesprochen und der Krieg erklärt sein. Denn sowohl in der Enchclica des Papstes als in dem beigegebenen Syllabus wird die „Gewissens- uud Cultusfreiheit," welche mit Ausnahne Roms jetzt selbst in fast allen katholischen Staaten proklamirt und die geheiligte Grundlage ihres kirchlichen Friedens ist, als „Wahnsinn" bezeichnet. Der römischen Kirche wird aus drücklich die Macht zuertheilt, sür einen Glaubenssatz zu erklären, „daß die katho lische Religion die allein wahre sei." Die Gleichheit vor dem Gesetze und dem Richter Wird ausgehoben. Dem Staate wird jedes Recht abgesprochcn, die Rcchtsbcstä»- digkeit und Sittlichkeit der römischen E> lasse zu prüfen, sie niit seinen Gesetze« zu vergleichen, zu befestigen oder zu verwerfen. Ohne Prüfungsrecht soll er unter die Willkür des „unfehlbaren Urtheils" der „mittelalterlichen Kirche" gebeugt werden. Die drei wichtigsten Momente in unserem Bildungsleben, die Schule in ihrcm Ge- sammtumsange, die Ehe und die Wissenschaft, einfchließlich der Philosophie und der Naturwissenschafteu, werden allein, oder so gut wie allein, für das „unfehlbare Urtheil" der uncontrolirten, den Umfang ihrer Rechte autonom bestimmenden Kirche in Anspruch genommen. Es wird zugleich die notorische Thatsachc geleugnet, daß „die Dccrete des päpstlichen Stuhles und der römischen Congregationcn" den freien Fortschritt der Wissenschaften hemmen oder mit deren Resultaten und den Anforde rungen der Zeit im Widerspruche stehen. Mit einer alles Bisherige fast überbieten den Unduldsamkeit werden „christliche" Staaten nur die römisch-katholischen genannt, und nur die römisch-katholische Kirche wird als „Kirche" anerkannt. Die „Bibelge sellschaften und die sreien geistlichen Genossenschaften" werden ebenso wie die Prcß- srecheit und daS freie Ausspreche» von Ueberzcugungen und Gedanken für eine Pest der Gesellschaft und für ein Verderben der Sitten und Geister erklärt. Dem Pro testantismus wird abgcsprochen auch nur „eine andere Forni" der wahren Religion zu sein. Es wird ausdrücklich als Jrrthum verboten, auch nur zu „hoffen" für das ewige Heil Solcher, welche niemals in der wahren Kirche Christi, d. h. in der rö mischen Kirche gewesen sind. Bei der unlöslichen Wechselwirkung der gesellschaftlichen Zustände unserer Ge genwart constatiren wir mit tiefer Besorgnih die Gefahr, welche über uns Herein brechen würde, wenn diese meist mehr als mittelalterlichen Grundsätze zur Geltung gebracht oder durch daS Ansehen eines „ökumenischen" ConcilS bestätigt werden s ollten. Wohl fürchten wir nichts für die Zukunft unserer Geschichte. Der endliche Sieg von Wahrheit, Freiheit und 'Recht ist uns unzweifelhaft. Wir erwarte» mit Zuver sicht, daß der Staat, vor Allem die deutschen Regierungen, diese grundstürzenden Eingriffe werden abzuwehren wisse». Aber insbesondere müssen die Gemeinden selbst es sich gegenwärtig erhalten, daß nicht träger Gleichgiltigkeit und thatlosem Zusehen der Sieg gehört. An unsere evangelische Gemeinde wenden wir uns daher mit diesem Worte. Als die gewählten und verpflichteten Vertreter ihrer Interessen und Siechte legen wir kraft unseres Amtes hierdurch laut und öffentlich Zeugniß ab gegen die obigen Grundsätze. Wir fordern an unserm geringen Theile unsere evangelischen Glaubens- brüder überall, und zunächst die Kirchenvorstände unseres Landes auf, in dieser oder in anderer Form unserem Zeugnisse einmüthig und öffentlich sich anzuschließen. Wir bitten sie auf dem gemeinsamen evangelischen Grunde, auf welchem wir stehen, ge genüber dem geineinsamen Gegner, der das Herz unserer Gegenwart und Zukunft bedroht und der so große Verluste, so unsägliches Leid über unsere Kirche schon ge bracht hat, den Geist der Gemeinschaft und des Friedens, den echt christlichen, den wahrhaft „ökumenischen" Geist in unserer eigenen Mitte zu Pflegen und energisch die Hand zur gemeinsamen Abwehr zusammcnzulegen. Gebunden durch die Treue gegen unser Gewissen, sind wir zugleich der Zuver sicht, durch dieses Zeugniß Diejenigen unter unsern katholischen Brüdern nicht zu verletzen, welche die Grundsätze der Gewissens-Knechtung mit uns verwerfen. Wir danken ihnen für die Kundgebungen in ihrer eigenen Mitte gegen SyllabuS und Encyclica. Wir legen großen Werth auf den Frieden auch zwischen den katholischen und evangelischen Christen, welche jene Grundsätze verwerfen und statt des Streites den Geist deS Friedens und der Gemeinschaft wähle» wollen, welcher bei aller Treue gegen den eigenen Glaube» de» Christen mit dem Christen verbinden kann und soll. MW Zuversicht sprechen wir die Ueberzeugung aus, daß nicht in den Grundsätzen deS Unfriedens, des Ausschlusses und Hasses, wie Enchclica und Shllabus ibn predigeiy sondern in dem Geiste aufrichtig und voll gewährter Achtung des Ge wissens vor dem Gewissen daö hohe Wort des Herrn zum Heile der ganzen Mensch heit mehr und mehr sich erfüllen wird, daß einst „Eine Heerde und Ein Hirte" sein werden. Leipzig. 12. Juli 1869. Der Kirchenvorstand zu St. Thomä. b>r. Lcchler. Dresden, II. October. In der heutigen Sitzung derII.Kam mer zeigte die Negistrande den Eingang des neuen Gesetzes über die Angelegenheiten der Presse an. Nach demselben sollen künftig u. A. bei Zeitungen die Caulionen ganz Wegfällen und statt 3 nur I Pflicht exemplar gegeben werden; auch die Verpflichtung zum unentgcldlichcn Abdruck amtlicher Inserate fällt weg. — Vicepräsident Streit und Genoffen haben einen Antrag eiugebracht auf Vorlage einer neuen Stüdleordnung und Gcmeindcgefetzes, Wegfall des Dualismus iu der städtischen Vertretung, Einführung des allgemeinen und direkten Wahl rechts mit geheimer Abstimmung, Wegfall der Exemtionen gewisser Grundstücke von« Gemeindeverband, facullative Bildung von BezirkS- gemeinden, Wahl der Bürgermeister, Stadträthe auf Zeit rc. Aus Dresden schreibt man der„D.A.Z.": Für die Hinterlassenen der verunglückten Bergleute im Plauenschen Grunde ist die höchst be deutende Summe Vvu 360,000 Thalern eingegangen. Das Verthei- lungScomitee hat in diesen Tagen seinen Plan festgestellt uud dem Vernehmen nach besteht dieser in Folgendem: Es wird mit der Säch sischen Rentenbank ein Abkommen getroffen, wonach diese die obige bei ihr iu Reuten angelegte Summe außerordentlicher Weise mit 4 oder 4'/, Prvucent verzinst. Dadurch wird sich daS Verhältnis! so stellen, baß jedes Kind unter 14 Jahre» jährlich 36 Thlr. erhält, bei Erreichung des 14. Jahres 20 Thaler auf ci» Mal und beim Mündigwerdcn noch 100 bis 150 Thaler, jcdc Wittwe lebenslänglich e ne JahrcSrente von 70 bis 80 Thlrn. Außerdem ist für solche Fälle, wo die Vcrfngbarmachung einer größeren Summe wünschens- Werth wäre (z. V. bei beabsichnglcr Auswanderung oder dergleichen), eine Ablösung der Renten (Verwandlung in Capital) Vorbehalten. Unter überaus reger Theilnahme beging am 10. October die Anncnkirchc in Dresden ihr lOOjährigeS Kirchweihfest; cs hat die ses Gotteshaus in der letzten Zeit eine umfassende Renovation er fahren, so daß die neu geschmückten Räume am 10. October zum crstknmale wicder in Benutzung genommen wurden. Der Predigt des Pastor Böttger ging eine Ansprache deS Archidiakonus Pfeilschmidt voraus. Se. Exellenz der Herr Staatsminister I)r. von Falkenstein wohnte der gottesdienstlichen Feier bei. Nachmittags fand ein Kin- dergottesdimst und Abends eine geistliche Musikaufführung statt.