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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sicbenlchit mid die Umgegenden. Amtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 82. Dienstag, den 19. Hctoker 1868. Lußkößeschichte. Wilsdruff, am 18. October 1869. Uebcr das am vorigen Donnerstag von Fräulein Marie Zedtler, Tochter unsres beliebten Cantors, veranstaltete Conrert läßt sich nur Nühmrnswcrthes berichten. Das fein gewählte Pro gramm wurde mit der Ouvertüre „Tell" von Rossini vom hiesigen verstärkten Stadtmusikchor in exacter Weise eröffnet. Die 17jährige Concertgeberin spielte das k-moU - Concert mit Orchesterbegleitung von C. M. v. Weber mit einer Vollendung und Sicherheit, wie wir solche in Wilsdruff nur von Georg Leitert gehört haben; außerdem spielte dieselbe „Scherzo" von Chopin, „Un Lnkouäo" von Pauer, sowie „Concert-Variatiouen" von Haenselt in so hinreißender Weise, daß jeder Piece rauschender Beifall folgte. Eine ebenfalls noch jugendliche Künstlerin, Frl. Marie Lehn aus Dresden, unterstützte mit ihrer lieblichen Stimme die Loncert- gcberin mit einer Arie aus „den lustigen Weibern" von Nicolai und mehreren Liedern in ancrkennenswcrther Weise, ihr sauberer, seelen voller Vortrag läßt eine vorzügliche Schule voraussetze»; auch ihre Vorträge wurden niit reichstem Beifall belohnt. Herr Cantor Zedtler, sowie Herr Lehn, (Beide anwesend) können mit Stolz und den besten Hoffnungen der Zukunft ihrer Frl. Töchter entgegen sehen. Noch muffen wir unserm Günther für seine präcise Direction, die sich namentlich in der schwierigen Begleitung des t'-moU-Concerts bekundet«, unsere wärmste Anerkennung zollen. Ein« Neuerung, und zwar das „Nichtrauchen während des Concerts," hat allgemeinen Beifall gefunden; es wäre sehr zu wünschen, daß bei den nun bald beginnenden Abounementconcerten diese nur lobenswerthe Einrichtung beibehalten würde. AuS einem in heutiger Nummer befindlichen Inserat des Stadt raths ersehen wir, daß bei der vorige Woche stattgefundenen Haus sammlung für die Abgebrannten in Zschopeu und Frauenstein ein Reinertrag von 78 Thalern erzielt worden ist. Noch sind die Sammlungen für die beiden Von Vrandunglücken betroffenen Städte Frauenstein und Zschopau im Gange und noch ist zur Linderung des in diesen Orten vorhandenen Elendes kaum das Aller- nothwendigstc geschehen und schon wieder sind wir in der traurigen Lage, von einem Brandunglück zu berichten, welches die Stadt Lichtenstein in der Nacht zum 15. d. hart betroffen hat. Es sind durch dasselbe ohne die Hintergebäude 30 Wohnhäuser zerstört und mehrere hundert Men schen abermals obdachlos geworden. Der Brand ist in dem in der Schnlgafse gelegenen Hause des Webermeisters Stegmann '/»t Uhr Nachts ausgcbrochen. Alle Löschversuche wurden durch den starken Wind vereitelt, so daß das Feuer mit großer Schnelligkeit links nach dem Markte und rechts nach der Kirche um sich griff. Das Flug feuer entzündete denn auch sehr bald weiter gelegene Häuser und in kurzer Zeit stand die Schulgasse herunter bis zum Mellerschen Hause, der sogen. Buttermarkt, gänzlich und der Hauptmarkt thcilweise in Flammen, trotzdem, daß viele Häuser harte Dachung hatten. Der Umstand, daß das HauS des Kaufmann Webcndörfer massiv gebaut ist, kam hier den Anstrengungen der Feuerwehren zu Hülfe und es konnte dem Brande an diesem Orte ein Ziel gesetzt werden, wahrend an andern Stellen durch Niederreißen der bedrohten Gebäude Einhalt gethan wurde. Mit großer Mühe wurden die Schule und die Kirche erhalten; diese Gebäude brannten bereits unter den Dächern, aber das wackre Arbeiten der Feuerwehren wendete die sehr drohende Ge fahr ab. Hierbei war natürlich nicht zu vermeiden, daß durch die in die Gebäude dirigirten großen Waffermaffen großer Schaden an gerichtet ward. Der Gasthof zur Sonne am Markl liegt total in Äsche. Wenige sind wohlhabende Leute, arme Weber und Strumpf wirker bildende Hauptmasse der vom Brandunglück Betroffenen. 80 Familien sollen obdachlos sein. Das Dorf Kleinschönau bei Zittau ist am 12. October Abends von einein bedeutenden Brandunglttck heimgesucht worden. Ein Ach tel sämmtlicher Häuser, darunter 12 Wohnhäuser, der Gasthof, viele Scheunen, wurden ein Raub der Flammen. Die meisten Calamitoscn Haven kaum das Nothwendigste gerettet. Vom Landtage wird der D. A. Z. berichtet, daß eine Anzahl der Kammer angehörigen Rittergutsbesitzer im British Hotel zusam mengekommen und beschlossen hat, einen Antrag auf Verwaltungsre organisation zu stellen und ihrerseits auf alle, den Rittergutsbesitzern noch zustehenden polizeilichen und andern dergleichen Privilegien zu verzichten. Bis zum Aufgeben des Patronatsrechtes habe man sich jedoch noch nicht verstiegen. Die schöne, neuerbäute Zittauer Kaserne ist nebst einigen an dern zu Militairzwecken verwendbaren Gebäuden von dem Kriegsmi nisterium für 210,000 Thlr. der Stadt Zittau abgekauft worden. Die neue Kaserne in Dresden kostet 300,000 Thaler. Für Kasernen bauten ist Geld da. Ein Chemnitzer Blatt theilt mit, daß ein Soldat von seinem Exerziermeister binnen 5 Minuten mit 5 Ohrfeigen tractirt worden ist und zwar wegen falsch genommenen Wendungen. In einem Schlafsaale der großen Infanterie-Kaserne in Dres den erschoß sich am 14. October ein von Dresden gebürtiger Tambour der 3. Compagnie des Leib-Gr enadier-Ncgiments mit einem Dienst gewehre. Ein Brief, den er kurz vor seinem Tode mit Bleistift in Haft geschrieben und der den D. N. vorliegt, giebt einigermaßen die Ur sache zur That an. Er sagt wörtlich: „Liebe Eltern! Das ist eine Minute vor meinem Tode. Ich kann es nichtLlänger aushalten, denn mir geht es bei der Compagnie zu schlecht." — Nachdem er noch über seinen Nachlaß Einig-cs gesagt, endet er mit den Worten: „Meinen herzlichen Gruß. Oscar Gottschall. Grüßen Sie meine Laura und Karl. Oben sehen wir uns wieder." Der Abgeordnete Adv. Krause hat bei der zweiten Kammer die Aufhebung des Verbots der Ehe zwischen Juden und Christen, sowie die Grltigkeitserklärung von im Auslande geschlossenen Civilehen be antragt. Durch die Umsicht und Energie des GenSdarmen Fichtner in Zwenkau ist ein höchst gefährlicher Dieb und Betrüger in die Hand der Gerichte, denen er sich schlau zu entziehen gewußt, wieder cinge- liefert worden. Der etwa 20jährige Tischler und Soldat Schlimper aus Mutzschen war nämlich im Juli vorigen Jahres wegen im Rück fall und Complot begangenen Desertion zu 20jührigcr Arbeitshaus - strafe verurtheilt und zur Verbüßung dieser Strafe nach Zwickau ab geführt worden, gegen Ende September laufenden Jahres aber aus der Anstalt daselbst entsprungen. Seitdem hatte sich Schlimper im Lande umhergetrieben, und, sich für einen Osfiziersdiener ausgcbend, in der Gegend von Lausiak zwei Pferde, Wagen und Geschirr' zu er schwindeln gewußt, die ihm aber in Rohrbach wieder abgcnommen wurden, auch sich vielfacher Diebstähle verdächtig gemacht. Endlich wurde er, wie eingangs erwähnt, in Pulgar in der Nacht zum 13. October durch den Gcnsdarm Fichtner verhaftet. Der ReichStagsabgcordnele des Freiberger Wahlkreises, Fritz Mende, ist gänzlich verschwunden. Wir finden nämlich in der „K. Volksztg." folgende Notiz aus Düsseldorf vom 12. Ociober: Gestern stand die Sache gegen den Präsidenten des „Allgemeinen deutschen Arbeitervereins", .Fritz Mende, zur Verhandlung. Derselbe wurde vom Gerichte erster Instanz am 17. Juli d. I. wegen der Glad bacher Affaire zu einem Jahre Gefängnißstrafe verurtheilt und hatte gegen dieses Erkenntniß appellirt. Da nun Mendes Aufenthalt ge genwärtig ganz unbekannt ist (es wurde umsonst nach ihm in Düssel- dor, in Leipzig und Berlin recherchirt), so vertagte die Appellkammer die Sache aus den 30. Januar 1870. Die Dr. N. berichten einen Fall aus Berlin, wonach am Bil letschalter des Stettiner Bahnhofs ein sächs. 10thalerschein, welchen ein Reisender zur Bezahlung seines Billets präsentirte, zurückgewiescn wurde. Zum Glück hatte der Einsender noch Zeit genug, in die BahnhofSrestauralion zu eilen, dort eine Kleinigkeit zu kaufen und dabei den perhorrescirten Schein zu wechseln. Ohne diesen-glücklichen Umstand wäre er — trotzdem er mehrere hundert Thaler in sächsi schen Zehnthalerscheinen bei sich trug — ohne Zweifel genöthigt ge wesen, seine Reise aus Mangel an gütigem Geld zu unterbrechen und, da an diesem Tage kein weiterer Zug nach Stralsund abge laffen wurde, die Nacht in Berlin zu bleiben. Was würde man sagen, wenn einem Bürger des „Staates der Intelligenz" etwas Aehnliches auf einer sächsischen Bahn passirte.