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Wilsdruff, Tharandt, Raffen, Sicbciilchn und die Umgegenden. AmtsLlatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. Vierteljährlicher Pränumerationspreis 10 Ngr. — Jnsertionsgebühren für den Raum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pst — Annahme von Inseraten bis Montag ns Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 18. IreiLag, den 5. März 1868. Kirchennachrichtcn aus Wilsdruff Am Sonntage Lätarc predigen Vormittags: Herr Pastor Schmidt, Nachmittags Herr DiacvnuS Ficker. schachte für Hrn. Funke Kohlen für 8 Ngr. pr. Tonne zu holen. Er holte sie aus dem wend'schen Schacht, wo sie billiger waren, und oamit dieß nicht entdeckt würde, fälschte er den Eintrag im Beibuch für den Albertschacht; der widerrechtliche Gewinn betrug 12 Ngr. Nachdem die Verletzten die Taxen für das Gestohlene abgegeben, gegen die nichts eingewendet wurde, that Herr Stvatsanwalt Roß täuscher in einem äußerst klar gehaltenen Vortrag die Schuld aller Angeklagten dar, ihre Bestrafung wegen einfachen Diebstahls (Schiffel und Troschütz), Unterschlagung lind Urkundenfälschung (Schiffel), Be günstigung des Parlierens (Richter), gewerbmäßiger (Fiedler) und und einfacher Partiererei (die klebrigen) beantragend. Herr Advokat Schanz verwandte sich lebhaft für seinen Schützling. Fiedler, der Vater von 11 Kindern, mit Ehren alt geworden sei, nur aus Noth und Unbedachtsamkeit das begangen, was er heute treuherzig einge räumt, und setzte seine Hoffnung namentlich auf die Herren Schöffen, die nicht, wie die juristischen Richter an das Wort von oben gebun den seien, indem er ihnen die Annahme des Artikels 292, nicht 293 des revidirten Str.-G.-B., der gcwerbmäßige Partiererei ahndet, bei Abmessung der Straf« Fiedlers empfahl. Die Staatsanwaltschaft bestritt die Anführung der Vcrtheidigung, die ihrerseits im Schluß wort antwortete. Angeklagter Schiffel bat um Anrechnung seiner Untersuchungshaft (vom 23. Febr. v. I. an), was die Staatsanwalt schaft befürwortete. Das Urthcil lautete bei Schiffel auf 3 Jahr 6 Monate Zuchthaus, wovon 4 Monate als verbüßt erachtet, bei Tro schütz auf 1 Jahr 8 Monate Arbeitshaus, bei Fiedler 1 Jahr 6 Monate Arbeitshaus, bei Günther 4 Atonale Gefängniß, bei Reck 5 Monate Gefängniß, bei Melzer, Hennig und Ficke 1 Woche, bei Rössel 5 und Lehmann 6 Tage Gefängniß. Herr Funke desavouirte heule seinen früher auf Ersatz im Wege der Eivilklage gegen den Angeklagten gerichteten Antrag; sein Schaden beträgt gegen 150 Thlr. Die Sitzung dauerte mit einer Unterbrechung Mittags, von 9 Uhr früh bis 9 Uhr Abends. (Dr Kurier.) Auch Stadtrath Sachße in Freiberg hat sein Mandat als Ab geordneter für den Reichstag des norddeutschen Bundes niedergelegt und ist die Ersatzwahl für den 9. Wahlkreis — Freiberg, Frauenstein, Hainichen, Oedran, Brand — bereits ausgeschrieben. Die Witterungsverhältnisse dieses Winters haben uns schon man chen unerwarteten Wechsel gebracht, daher sei hierzu als bemerkens- werlh erwähnt, daß, während man am 27. Februar von den Be- wüsserungswiesen des Varth'schen Gutes in Cunnersdorf bei Zwickau Gras gemäht hat, seit Sonntag der Winter mit voller Macht nun zum drittenmale zu uns zurückgekehrt ist. Der nicht unbedeutende Schneefall scheint sich nach den Witlerungsberichten der Berliner me teorologischen Eentralstation über einen sehr großen Theil von Nord deutschland erstreckt zu haben. Berlin, 1. März. An den Reichstag des Norddeutschen Bun des tritt sehr ernst die Frage heran, in welcher Weise er jetzt defi nitiv das Wahlgesetz für seine Wähler feststeUen will. Die Regie rung will es, wie wir hören, beim Alten lassen und nur das preu ßische Verfahren für das ganze norddeutsche Bundesgebiet verall gemeinern. Der bayrische Minister Fürst Hohenlohe gicbt sich viel Mühe, einen Südbund zu Stande zu bringen und mit diesem dem Nord bund näher zu treten. Er kommt aber nicht vorwärts und erntet weder bei den süddeutschen Beiseitestehern, noch in Wien, noch in Paris (was auch gar nicht nöthig ist), noch auch in Berlin viel Dank. So bleibt Süddeutschlands Stellung in der Schwebe, bis einmal das Schicksal iü Gestalt „brutaler Thatsachen" eingreifen wird. Die Nachrichten aus Spanien stimmen sümmtlich dahin über ein, daß die Thrvnaussichten des Herzogs von Montpensier fortge setzt wachsen. In Barcelona hat eine carlistische — nach Anderen eine communistische —Bewegung stattgcfundcn, ist aber bald unter drückt worden. Tagesgeschichte. Wilsdruff, 4. März 1869. Der heute vor 8 Tagen im Wctzig'schen Kalkbruch auf Grum- bachcr Flur verunglückte Kalkmesser Winkler ist, trotz der angestreng testen Arbeit, noch nicht ausgcfunden worden. Die Unglücksstätte st zu einem wahren Wallfahrtsorte geworden; wie gefährlich aber der Be such, zumal für Solche, die der Warnung zum Trotz zu weit an den Bruch Herangehen, werden kann, beweist das heute früh stattge fundene theilweise Versinken der an der Unglücksstätte befindlichen Scheune, deren völliges Versinken wahrscheinlich ist. Am gestrigen Tage hatten die Arbeiter Hoffnung auf baldiges Auffinden Wink lers, indem sie mehrere Gegenstände aus dein Kuhstall auffanden, in welchem bekanntlich Winkler sich befand, als das Haus versank. Wie aus der vor. Nr. d. Bl. hervorgeht, wird der rühm lichst bekannte Medicinal-Rath I)r. Schmalz in Dresden (Lange Straße 35 I.) nur bis Ende März verweilen, um Gehör- und Sprachkranken, zu welchen auch die an Ohr- Brausen, Sausen, Singen, Klingen und drgl. Leidenden ge hören, Rath zu ertheilen. Da vr. Schmalz eines weit ver breiteten Rufes genießt, machen wir hierauf noch besonders aufmerksam. Oeffeutliche Gerichtssitzung zu Dresden am 2. März, Vorm. 9 Uhr unter Präsidium des Hrn. Gerichtsrath Jungnickel, er öffnet gegen Heinrich Wilhelm Schiffel aus Constappel und Genossen. Oeffentticher Ankläger: Herr Staatsanwalt Roßtäuscher. Vertheidi- gung: Herr Adv. Schanz. Schöffen sind zugezogen. Als Angeklagte erscheinen auf der verhüngnißvollen Bank (resp. neben derselben), Schiffel aus Constappel, Troschütz, Fiedler (ein bejahrter Mann), Reck, Günther, Lehmann, Richter Heimig, Melzer, Rössel und Ficke; als Verletzte die Zeugen Gutsbesitzer Funke aus Hühndors und Weiß gerber Fehrmann, auch Stadtgutsbesitzer in Wilsdruff. In dieser Sache ist bereits, nach der Voruntersuchung des Gerichtsamts Wilsdruff, Er- kmntmß vom hiesigen Bezirksgerichte ergangen, dasselbe von der Staatsanwaltschaft aber angefochten, mithin die Sache an das Ober appellationsgericht hier abgegeben und von diesem zur Hauptverhand lung verwicien worden. Der Hauptangeklagte Schiffel, der wieder holt schon bestraft, bei Funke als Knecht diente, ist zunächst ange- lchuldigt und auch unumwunden geständig im Winter 1867/68 mit seinem Ncbcnknechte Troschütz, als sie in der Scheuntennc verschie denes Getreide zu reinigen und von da auf den Getreideboden zu schaffen hatten, dessen Schlüssel dem Schiffel stets zugängig war, ge meinschaftlich beschlossen zu haben, verschiedene Getreidesorten zu ent wenden und dann zu ihrem Bortheil zu verkaufen. Dies führten sie damit aus, daß sie das in Säcke gefüllte Getreide Gemenge, Korn, Weizen, Gerste, Hafer u. s. w. nicht alles auf den Boden trugen, son dern einen Theil davon in die Gerüllkammer versteckten. Von dort schafften sie's zum Schmied Fiedler in Hühndorf zum Verkauf und zwar in verschiedenen Partieen (im Ganzen 5 Scheffel Hafer, 3 Schsl. Weizen, 3 Schfl. Gerste, wieder 3 Schfl. Weizen rc.) Der sagte ihnen, „bringt nur was ihr habt, ich nehme Alles." So sind sie zehn mal gekommen, immer kaufte es Fiedler, natürlich bedeutend unter dem Marktpreise, 90 Thlr. Werth hatte das Getreide, für das er kaum den 3. Theil zahlte! Aber auch allein bestahl Schiffel leinen Dienstherrn 5 Schfl. Weizen, verschiedene Säcke Kartoffeln, Wicken, Gemenge rc. Diese letzten Posten verkaufte er an die Mit angeklagten Günther, Neck, die die Säcke zu früher Morgenstunde an Funke's Garten oder an der Schmiede abholten, an Rössel, Mel ier und Hennig, die freilich nicht viel dafür zahlten. Auch den mit- angcklagtcn Arbeitsmann Richter beauftragte er, einen Sack mit ge- nolstcncm Getreide zu verkaufen, der nach dessen Ausführung einen -Judaslohn erhielt. Es stellte sich aber auch heraus, daß, als Schiffel " des jetzigen Gutsbesitzer Fehrmann Bruder diente, demselben aus "bm unverschlossenen Kasten 6 Schaaffelle, außerdem auch Kartoffeln w Korn gestohlen hatte. 3 von den Fellen (n. 15 Ngr. Werth) Z br dem Angeklagten Lehmann geschenkt. Noch liegt gegen Schiffel Anklage wegen Unterschlagung vor; er hatte aus dem Albert