Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Mcbcnlch» und die Nmgcgciidtii. Umtslilatt für das Königliche Gcrichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 44. Dienstag, den 8. Juni 1869. Tagesgesch ichte. Wilsdruff, den 7. Juni 1869. Nach hier eingegangenen Privatnachrichten fielen im hiesigen Landtagswahlbezirk in Freiberg auf Sachße 690, auf Blüher 430 Stimmen. - Tharandt - - 85, - - 20 - - Wilsdruff - - 50, - - 43 - Sa. 825. Sa. 493 Stimmen. Herr Stadtrath Sachße ist somit für den hiesigen Wahlkreis zum Abgeordneten gewählt. — Mit wahrer Wollust blickt jetzt das Auge auf die herrlichen Roggenfelder und bleibt staunend vor denselben stehen, die Große und reiche Fülle derselben betrachtend; auf Klipphausener Flur wurde am Sonntag bei einer solchen Betrachtung ein Roggenhalm in der außergewöhnlichen Länge von 4'/« Ellen gesunden. An uns sind Programme und Notizen zur schleswig-holsteinischen Landes-Jndustric-Ausstellung gesandt worden. Um diesem Unterneh men förderlich zu sein, werden hiesige und auswärtige Gewerbtrei- bcnde darauf aufmerksam gemacht. Die Ausstellung in Altona, ver bunden mit einer Viehausstellung, welche gleichzeit g mit der großar tigen internationalen Gartenbauausstellung in Hamburg stattsindet, ist Ausstellern aus allen Ländern offen. Die Altonaer Ausstellung wird für den industriellen Theil eröffnet am 27. August, für die Viehausstcllung am 3. September. Die Notizen in nächster Nummer. Die öffentliche Verloosung der in den Jahren 1852, 1855, 1858, 1859 und 1862, creirten 4procentigen StaatSfchuldcnkassenscheine und der im Jahre 1868 vom Staate übernommenen 4procentigen Alberts- Eiscnbahnaktien, deren Auszahlung planmäßig zu Neujahr 1870 er folgt, soll den 14. Juni und folgende Tage, Vormittags von 10 Uhr an, im Landhause in Dresden vorgenommen werden. Am Dienstag früh hatte sich eine Deputation aus den Dresdner verschiedenen Dienstmanngenossenschaften nach Pillnitz, dem jetzigen Aufenthalt Sr. Mas. des Königs begeben, um eine Audienz nachzu- sucheu, in welcher dem Landcsherrn eine Petition überreicht werden sollte, deren Inhalt dahin ging, die freie Arbeit der Militairstraf- svldaten abzuschaficn und so den Arbeitcrassvcialioncn mehr Rechnung zu tragen. Die Deputation, welche aus 3 Mann bestand, die dem rothen und gelben Dicnstmanninstimt und der Handarbeitergenossen schaft angehörten, wurde des Morgens halb 9 Uhr von Sr. Mas. sehr freundlich empfangen und erhielt die Zusage der möglichsten Berücksichtigung. Am 2. Juni Morgens hat in dem Dorfe Cottewitz bei Meißen ein bedeutender Brand stattgefundcn. Acht Eatasternummern, Güter und kleine Wirthschaften liegen in Asche. In dein Gehöfte, wo das Feuer zum Ausbruch gekommen, sind 10 Kühe, 3 Pferde und 4 Schweine mit verbrannt; der Sohn des Besitzers und noch ein anderer haben dabei erhebliche Brandwunden erlitten. Man ver- muthet ruchlose Brandstiftung durch fremde Hand. Im Februar d. I. gelang es einem höchst gefährlichen Subjecte, dem vormaligen Gardercitcr und Schmidt Michael Heinrich, ans dem Zuchthause Waldheim zu entspringen. Alles Fahnden auf denselben war und blieb erfolglos. Drei Monate später wurde man wieder lebhaft an Heinrich erinnert. Es war nämlich in der Nackt vom 26. zum 27. Mai in Nieder-Sedlitz bei Dresden ein 7 Ctr. schwerer eiserner Geldschrank aus einem Zimmer weg- und einige lundcrt Schritt weit fortgeschafft, mit großen Hämmern zerschlagen und sei nes nicht unbedeutenden Inhaltes beraubt. Gestern endlich wurde Heinrich bei Strehla aufgegriffen, nachdem er noch den betr. Ge richtsdiener in den Arm gebissen. Schon Vormittags hatte man den Burschen gefangen, doch gelang es ihm wieder in den Wald zu ent springen; dieser wurde aber umstellt und schließlich Heinrich durch einen Schuß vom Förster verwundet und von dem betr. Gensdarmen verhaftet. LangburkerSdorf bei Stolpen. Am 29. Mai hat sich eine hier beiiit Gutsbesitzer Mehnert dienende 20jährige Magd aus Krum hermsdorf mittels Schweinfurter Grün vergiftet. Ihre Absicht soll gewesen sein, der ganzen Familie den Tod zu bereiten, indem sie die Masse in die Suppe geschüttet, welche in der Regel vom Haus- Personal gemeinschaftlich gegessen wird. Der Hausherr, welchem die grüne Farbe der Suppe auffiel, aß nicht davon und ließ glücklicher weise auch das übrige Personal nichts davon genießen. Die genannte Magd allein ließ sich nicht stören. Sie starb trotz aller ärztlichen Bemühungen nach 21 stündigen schweren Leiden. Preußen kann die Stiefkinder nicht leiden, alles was Preußen hat, sollen die Bundesländer auch haben. So haben wir durch den Reichstag auch preußische Wechselstempclsteuer erhalten. Die Stem pelabgabe beträgt von einer Summe von 50 Thlr. oder weniger 1 Sgr.,'von 50—100 Thlrn. 1'/- Sgr., von 100—200 Thlr. 3 San, bis 300 Thlr. 41/2 Sgr. und sofort von jeden ferneren 100 Thlr. I Vr Sgr. mehr, jedes angefangene Hundert wird großmüthig für voll gerechnet. Nur gewisse auf das Ausland gezogene und im Aus land zahlbare Wechsel sind zollfrei. Die Branntweinsteuer ist im Reichstage mit 202 gegen 15 Stimmen (darunter die Prinzen, Minister und Generale) abgelehnt worden. Von dem LandtagSabgeordneten vr. Eberth, im Auftrage des Ausschusses des Berliner Vereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts, ist dem Reichstage eine Petition zugegan gen, in welcher die Zulassung der Beschäftigung von Frauen und Mädchen bei dem Eisenbahnbetriebs- und Postdienst beantragt wird. Aus Mecklenburg-Schwerin, 30. Mai, schreibt man der„V. Z.": In der Residenzstadt Neustrelitz hat sich vor Kurzem Folgendes zugetragen: Sämmtliche Wirthe daselbst, welche Schenkmamsells hal ten, wurden auf das Nathhaus beschieden, wo ihnen eröffnet wurde, daß sie, bei Strafe der Entziehung der Concession, ihre Mamsells am Tage darauf Punkt 1 Uhr zu entlassen und diese die Stadt zu räumen hätten. An demselben Tage um 12 Uhr begaben sich die sämmtlichen, durch diesen Befehl angewiesenen Frauenzimmer auf das Ralhhaus um die Polizeibehörde zur Zurücknahme dieser Maßregel zn bewegen, erreichtem aber ihren Zweck nicht, sondern erhielten nur die Bestätigung des ergangenen Decrets, mit dem Vermerk, daß, wenn eine von ihnen sich nach Ablauf der gesetzten Frist in der Stadt be treffen ließe, sie alsbald verhaftet werden würden. Die so bedrohten Frauenzimmer haben der Weisung Folge geleistet, welche mit dem Bundesgesetze über die Freizügigkeit nicht leicht zu vereinigen sein dürfte. Kaiser Napoleon theilt mit vielen seiner hohen Collegen die Vorliebe, die Leute Wider ihren Willen glücklich zu machen, und fin det, daß dabei wenig Dank zu ernten ist. Diese Pariser, rief er nach den jüngsten Wahlen aus, ich thue alles ihnen zu gefallen und sie wählen mnne Feinde zu Abgeordneten. — Zu diesen Feinden ge hört auch Henri Nochefort, der Laternenmann; er hat namentlich das persönliche Regiment Napoleons hart angegriffen; um so schöner wird die Rache Napoleons sein, denn Napoleon soll gesagt haben: Rochefort hat nur mich und meine Familie persönlich beleidigt, ich werde ihn daher begnadigen, wenn ihn die Pariser wählen! (N. ist nämlich vor einiger Zeit zu Gefängnis; vcrurtheilt Worden.) Kaiser Alexander leidet seit einiger Zeit an Melancholie. Ja, ja, es möchte auch Mancher, der nicht Kaiser ist, melangolisch wer den über den Verlaus vieler Dinge, wir denken aber, das Volk hat eine unverwüstlichere Natur als alle seine Machthaber. Vermischtes. Ein Rundschreiben des Cardinal-Vicars Carletti an alle Aerzte in Nom macht großes Aufsehen. Im Auftrage des Papstes und un ter Androhung der Exeommunicativn verbietet er ihnen, Kranke, die auf den Tod darnieder liegen, zu besuchen, wenn dieselben nicht binnen 3 Tagen, von der Berufung des Arztes an gerechnet, beich ten und sich mit dem Sterbesacrament versehen lassen. Carletti be ruft sich dabei auf ein altes päpstliches Decret, das zuletzt 1725 er neuert wurde; dasselbe entzieht also den Kranken, die sich nicht fü gen, den ärztlichen Beistand. Eine Kostfrau in Lausanne hörte ihre ständigen Mittagsgäste, 50 Arbeiter, eine Sinke (Arbeitseinstellung) verabreden. Da stemmte sie die Arme in die Seite und sagte: Da habe ich auch ein Wört- lein drein zu reden. Ihr seid schon schleckte Zahler, wenn Ihr Ar beit und Geld habt, wie soll es werden, wenn Ihr die Arbeit ein gestellt? Das erkläre ich Euch, für Jeden, der da sinket, sinke ich auch, er bekommt keinen Bissen mehr zu essen und keinen Heller geborgt. In Bergzabern (Pfalz) legte sich ein Müllerknccht im Rausch mit der brennenden Cigarre ins Bett. Die Mühle brannte ab, er selbst wurde als verkohlter Leichnam im Schutt gefunden.