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Narren?" brummte er leiser vor sich hin. Ilm seinem Unmnth besser Luft machen zu können, ging er hinaus, vielleicht auch, um die Ur sache eines wirren Geräusches zu erfahren, das von draußen stercin- drang. Auch die Mädchen eilten zur Schelle, aber an der Thür be gegnete ihnen schon die kräftige Gestalt des Bauern, der Plötzlich alle seine Langsamkeit und Bedächtigkeit abgestreift zu haben schien, auf seine Tochter zueilte, ihren gesenkten Kopf in die Höhe richtete und hastig hervorstieß: „Er kann nicht dafür, daß er nicht kommt, die Müllerin hätt's nur eher sagen sollen, — er kann nicht kommen — Du brauchst nicht so hämisch zu lachen, wandte er sich an Ma riannens Freundin, — „da giebts keinen Spaß — er ist todt — sie haben ihn erschlagen, draußen vor der Elseuwiese. Marianne fuhr erschrocken auf. Sie blickte ihren Vater forschend in das Gesicht, als wolle sie prüfen, ob er die Wahrheit sage, doch die harten Lippen hatten sich noch nie zu einem Scherz hergegeben, sie las auf seinem Gesichte die vollste Bestätigung dieser grauenhaften Nachricht. „Todt!" wiederholte sie langsam. Es war ein Schreck liches, Unbegreifliches, das finster, unheilbringend in ihren Hochzeits- morgen hineinstarrte. Sie hatte ihn nie geliebt, ihren aufgedrunge nen Bräutigam, aber in diesem Augenblicke vergaß sic Alles, sie hörte nur, daß er erschlagen, und Milleid erfüllte ihr Herz, Thrünen stürzten aus ihren Augen. „Armer Mann!" klagte sie, „das hast du nicht verdient, o, das ist schändlich, fürchterlich, ihn zu ermorden, und heute!" Die andern beiden Mädchen begannen zu jammern und zu fra gen, wie das möglich, „das kann ja nicht sein, er war gestern noch frisch und gesund," rief Mariannens Freundin. Der Bauer verzog das Gesicht zu einem spöttischen Lächeln, dann sagte er barsch: „dumme Gänse, hört ihr nicht? todtgeschlagen ist er worden und in kleine Stücke haben sie ihn zerhackt, so liegt er dort, sagt der Schulze." Die beiden Frauenzimmer schlugen die Hände über dem Kopf zusammen vor Einsetzen. „AmHvchzeusmvrgcn, das ist fürchterlich," rief die Freundin. „Und ich habe die Marianne so schön geputzt," setzte die Nütherin hinzu, „das ist nun Alles umsonst." „Und was erst Alls eingeschlachtet und gebacken worden," fiel die Freundin wieder ein, „und nun schlagen sie den Bräutigam todt, das ist seit Menschcngedenkcn nicht vorgckommen." — „Das ist ja eine wahre Sünde und Schande, wenn einem der Bräutigam erschlagen wird," jammerte die Nätherin weiter. „Heult nicht, Ihr Gänse!" rief der Vater befehlend, „den Kuchen werden wir schon los und den Braten, und die Marianne kriegt noch zehnmal einen Mann, aber von Schande seid mir still, sonst!" — er hob drohend bie Faust und die kleine Nütherin bückte sich, als müsse sie schon dem Schlage answeichen. „Marianne, sei ruhig!" wandle sich der Vater zu seiner Tochter, obwohl diese schweigend auf ihren Stuhl zurückgesunken und er damit nur das Hämmern seines Herzens beschwichtigen wollte, „es giebt heute freilich keine Hochzeit, ich werde zum Pfarrer gehen und es ihm anzcigen, aber laß den Kopf nicht hängen, eine reiche Bauern- tochtcr bleibt noch lange nicht sitzen." „Wer mag ihn nur todt geschlagen haben ?" fragte die Freundin bekümmert. „Weiß ich's," entgegnete der Bauer ruhig, „das ist Gerichtssache und gehl^uns nichts an," mit diesen Worten schritt er langsam hin aus. Die Braut nahm jetzt den Kranz aus den Haaren und legte ihn vor sich hin. Sie alhmete nicht höher auf von dem verhaßten Bräu tigam befreit zu sein, vielmehr schienen sie düstere Atmungen zu be schleichen, als müsse nun erst das Schlimmste, Fürchterlichste über sie hereinbrechcn. „Ich bin ja seine Braut," sagte sie sich aufraffend, „ich muß zu seiner Mutter, ihr mein Beileid sagen." Der vorgefallene Mord hatte ein ungeheures Aufsehen erregt. Alles strömte zum Nachbardorfe hin, um den Erschlagenen zu sehen, der bereits in die Mühle geschafft worden, wahrend das Gericht schon herbeigeeill, um den Thalbestand aufzuuehmen. Der Muller war auf einer kaum einige Tausend Schritt von der Mühle entfernten Wiese gefunden worden. Die Mörder waren mit dem Leichnam gräßlich verfahren und hatten ihn, vielleicht um ihn unkenntlich zu machen, in Stücke zerhackt. Nach Angabe des Gerichtsarztes mußte der Mord noch vor Mitternacht geschehen sein, dies zeigte der aus geblutete Körper deutlich. Der Mord war um so räthselhafter, als der Erschlagene ein ricscnstarker Mensch, der erst kurz vorher seiner Miütairpflicht bei der Garde-Artillerie genügt und wegen seiner Kör- kraft allgemein gekannt und gefürchtet war. Eine ganze Baude mußte ihn überfallen und erschlagen haben, denn mit Zweien oder Dreien wäre der herkulische Mann schon fertig geworden. Was den Mord noch sonderbarer und unheimlicher machte, war der Umstand, daß der Erschlagene ohne alle Bekleidung im bloßen Hemde auf der Wiese gesunden worden, während seine Kleider noch vor seinem Bell gelegen, in dein er bereits geschlafen haben mußte, wie dies das eingedrückte Bett erwiesen. Und doch waren im Zimmer nicht die geringsten Blutspuren zu bemerken, er mußte im Freien erschlagen worden sein. Was aber sollte ihn bewogen haben, im bloßen Hemde auf der Wiese herumzulaufen? Das waren Fragen, die jetzt die vor der Muhte zahlreich versammelte Menge beschäftigten. Man stritt heftig hin und wieder und alle erschöpften sich in den wunderlichsten Vcrmuthungcn. „Ja, das wird wohl ein Räthsel bleiben," bemerkte jetzt ein tan ger hagerer Weber, dessen sonstige Lustigkeit und schnelle Zunge die schreckliche That so gedämpft, daß er sich bisher schweigend verhalten und oft wie in tiefen Gedanken schwer Ächem geholt und auch jetzt, kaum daß er dies Wort gesagt, in sein altes Hinbrüten versank. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. . Zwischen Heidenau lind Pirna hat sich am 2. Pfingstseiertagi! von dem Zuge der Abends gegen V Uhr von Bodenbach in Dresden, eingetrvffeu, ein junger, ziemlich elegant gekleideter Mann, dessen Person nicht bekannt ist, überfahren lassen. Die Locomolivenrädcl halten ihm den Rumpf vom Kopfe getrennt. Bromberg, 6. Mai. Die 13jährige Tochter des Negierung^ secretärs G., eine Schülerin der hiesigen höhern Töchterschule, hatte ihrer Lehrerin zu öfteren Malen Veranlassung gegeben sich über st unzufrieden zu äußern. Auch am vergangenen Montage wurde ist eine Rüge zu Theil, wobei die Lehrerin »och bemerkte: sie, die Säst lerin, möge ihr gar nicht mehr vor die Augen kommen. Dies scheint derseben nm so mehr zu Herzen gegangen zu sein, daß sie, nachdei» sie von ihren Mitschülerinnen feierlich Abschied genommen und dir selben zu ihrem Begräbnisse eingeladen Halle, im hiesigen Canal ist rem jungen Leben ein Ziel fehle. Gestern Vormittag wurde del Leichnam im Bassin der ersten Schleuste gefunden. Aus Aschersleben vom II. Mai wird dem Hersfelder Intest genzblatt gemeldet: „Heute wurde hier ein Zwillingspaar weibliche» Geschlechts geboren, das mit den Hintertheilcn und im ganzeu Um- fange der Bauchhaut bis zum Brustbeine vollständig zusammcngewast zeit ist, während die Brustkasten mit den ober» Gliedmaßen frei u^ beweglich sind. Die untern Gliedmaßen der einen Seite sind vo» einander getrennt und beweglich, die auf der andern Seite dagegt» verwachsen. Die Gesichtsflächen sind einander zugekehrt und die Ki» der sind völlig gesund, was sie durch den kräftigen Ton ihrer Stüm men zu erkennen geben." TaS bei Echternach gelegene preußische Dorf Irrel ist am April fast ganz abgebrannt; 12.) Wohngebäude und Stallungen füll ein Raub der Flammen geworden. Die Noch unter den Obdachlo sen soll erschrecklich sein. Ein Arzt in Paris, der seine Patientinnen auf raffinirte Aä mißbrauchte, gerietst an eine keusche Lucretia, die ihn auf der Stell« tödlete. Sie wurde vor die Afsisen verwiesen, einstimmig freigespro cheu und im Triumph in ihre Wohnung geleitet. Es ist nicht ohne Interesse, zu erfahren, daß Paris am meiste in der Welt Billard spielt. Dort sind 20,000 Billards ausgestellt deren tägliche Gcsammteinnahme „Figaro" auf 80,000 Thlr. vera» schlägt; nächst Paris spielt England am meisten, wo der größte Thell der vornehmen Damen theils zum Vergnügen, theils auf ärztliche» Rath sich diesem Spiele stingiebt, welches zu einer Kunst erst erho ben wurde, als Mingaud zu Anfang dieses Jahrhunderts den Le derbeschlag an der Spitze des Billardstockes erfand. Ein Parish Arzt muß ihm wegen dieser Erfindung besonders dankbar sein. Del Lederbeschlag Halle das Billardspiel kurz zuvor allgemein gemacht, öl' jener Arzt von dem Banquicr Hoguet gefragt wurde, wie seiner Fr»" zu helfen sei, die an Appetitlosigteit leide und sehr nervös und trü^' sinnig geworden sei. „Kaufen Sie ein Billard und spielen Sie fleiß') mit ihr," antwortete der Arzt. Drei Monate später schickte ihm di" geheilte dankbare Frau eilt Bankbillet von 10,000 Franken, »E das größte Honorar, was für so wenige Worte jemals bezahl wurde. Ein glücklicher Gedanke! Ueberall hört man klagen, daß vo» rohen Buben Thtere geqüult, Vögel weggefangen, Vogelnester zerjM Bäume beschädigt werden. Solche Klagen haben den Lehrer W. Ä. in Kurhessen auf den Gedanken geführt, unter seinen Schüler" einen Verein zum Schutze der Thier- und Pflanzenwelt zu bilden, die Einrichtung hat sich trefflich bewährt. Die Kinder haben bereit viele Tausende von Kohlenw-ißtingen gefangen, unzählige Raupe»' nester zerstört und die Maikäfer scheffelweise zusammengebracht gelobtet. Nützliche Thiere hegen sie, beschützen die Vögel und ihr" Nester auf das eifrigste und sorgen auch für jene im Winter, iude^ sie Futter ausstreuen. Die Gemeinde Ä. hat ausgedehnte Obstpflmll ungen angelegt; diese stehen unter dem Schutze der dortigen Sch»^' fügend. Jedem Schulknaben hat der Lehrer eine Anzahl der jung^ Obstbäume zur Beaufsichtigung und Pflege zugewiesen. Die Kin^ haben ihre Bäume ordentlich lieb gewonnen, und wehe dem, der neu Baum mulhwillig beschädigen wollte. Belohnungen werden M verabfolgt; in dem Gefühle für das allgemeine Beste zu wirken, den diese Kinder ihre Belohnung. Gewiß verdient diese EinrichM^ recht vielfache Nachahmung. Die Sicherheit der Straßen Londons läßt in letzter Zeit w» der gar viel zu wünschen übrig. So kamen vor einem einzigen P" lizcigerichie innerhalb dreier Tagen nicht weniger als sechs Anklage wegen Straßenraubes zur Verhandlung. Fügt man hinzu, dast diejenigen Fälle von dem Gericht zur Verhandlung kommen, in dc^j die Verbrecher gefaßt werden, und daß das Straßenräubcrhandü^ augenblicklich ziemlich ungestraft betrieben wird — auf zehn F», kommt durchschnittlich nur eine Verhaftung des Verbrechers —, so h^ man ungefähr ein Bild von der öffentlichen Sicherheit selbst, vd« vielmehr gerade in den belebtesten Geschäftsstraßen. Bei dem thcilSspruche in einem dieser Fälle ließ der Richter sich über daS3» nehmen des ungestraft verübten Straßenraubes aus und bemerk' daß die modernen Slraßenräuber eine Organisation unter sich bild"', daß jeder von ihnen bei Ausübung eines Verhrechens eine auständ^ gekleidete Leibgarde besitzt, welche seine Verfolgung verhindert. Kirchcnnachrichtcn aus Wilsdruff. Am Trinitaiis-Fesi predigt NormittaaS: Herr Pastor Schmidt- Nachmittags: Herr Tiaconus Fia^> Redaktion, Druck und Verlag von H. Ä. Berger in Wilsdruff.