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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Gtadtrath daselbst. Vierteljährlicher Prämimerationsprcis 10 Ngr. — Jnsertionsgebühren für den Naum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag resp Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 38. Ireitag, den 21. Kai 1888. Tagesgeschichte. Für das gesammte sächsische Armeecorps ist der Befehl ergangen, an allen Militairs die Einimpfung der Schutzblattern, gleichviel, ob dieselbe früher bereits geschehen oder nicht, vorzunehmen. Der Gar nison Dresden ist dies kürzlich durch Gouvernementsbefchl bekannt gemacht worden. Das Culmsministerium beabsichtigt, dem nächsten Landtag ein neues Volksschulgesetz vorzulegen, nach welchem den Schuldepu tationen eine sehr ausgedehnte Competenz verliehen werden soll. In Zittau ist seit Ende vorigen Monats unter den Kindern die Masernkrankheit ausgetreten und hat eine bedenkliche Ausdehnung ge wonnen. Chemnitz. Das Königs, hohe Finanz-Ministerinm hat den Be suchern des am 13. und 14. Juni d. I. hier stattfindenden Sächs. Feuerwehrtages, welche sich durch Karten des hierselbst für denselben gebildeten Localcomitös als Feuerwehrmänner, Gemeindevertreter oder Aussteller von Feuerwehrgeräth schäften legitimiren, eine Fahrpreis ermäßigung auf den sächsischen Staatsciscnbahnen insofern bewilligt, als die von ihnen in der Zeit vom 12. bis niit 14. Juni zur Hier- bcrfahrt auf den Stationen entnommenen Tourbillets zur freien Rück- fahrt bis mit dem 15. Juni berechtigen. Ferner werden die Ausstellungsgegenstände, für welche bei der Zuführung die volle Fracht zu entrichten ist, gebührenfrei an die Auf gabestation zurückbefördert werden, wenn deren Qualität als Ausstel lungsgegenstände von dem hiesigen Localcomits bescheinigt und bei deren Aufgabe zum Rücktransport der für den Hertransport ausgestellte Frachtbrief producirt, resp. dem neuen beigefügt wird. Dieselben Vergünstigungen in Bezug auf Fahrgeld- wie auf Fracht-Ermäßigung hat auch das Directorium der Leipzig-Dresdner Eisenbahngesellschaft auf den Bahnlinien derselben bewilligt. Von vielen Orten her wird über die Beobachtung eines Nord lichts in der Nacht vom 13. zum 14. Mai berichtet, das in so blen dender Pracht aufgetreten ist, wie sie gewöhnlich nur in den Polar gegangen wird. Besonders merkwürdig waren die Störungen auf den Telegraphenlinien, die sowohl in England als z. B. auch auf den directcn Linien von Hamburg nach Schweden und Oesterreich über Dresden Abends nach 8 Uhr eintraten. Um Mitternacht waren die Störungen beseitigt. Um sich einen Begriff von der Frequenz des Eisenbahnverkehrs in Dresden während des Pfingstfestes zu machen, können die D. N. mittheilen, daß vom 15. Mai früh 6 Uhr 30 Minuten bis 17. Mai 9 Uhr 15 Minuten von der Staatsbahn-Station Altstadt-Dresden allein 745 Wagen, mit 29,241 Menschen besetzt, abgefertigt worden sind. Der Gcsammtverkehr der Linien dürfte wenig hinter 100,000 Personen bleiben. In der evangelischen Hofkirche zu Dresden hat der vormalige Franziskanermönch Jäger, der noch im Jahre 1866 Geheimsecretär des Erzbischofs von Prag und im Kriege der Beichtvater des Königs von Sachsen war, mit vielem Eindruck auf die Zuhörer Zum ersten Mal gepredigt. Er ist zur evangelischen Kirche übergetreten. Aus dem Reichstage. Am 10. Mai wurde das Gesetz über die Beschlagnahme des Arbeits- und Dicnstlohnes berathen, ein für die Arbeiter sehr wichtiger Gegenstand und folgende M an genommen: tz. 1. Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar u. s. w.) für Ar beiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstver hältnisses geleistet werden, darf, fofern dieses Verhältnis; die Er- wcrbsthätigkeit des Nergütungsberechligten vollständig oder haupt sächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicherstellung oder Be friedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag abgelaufen ist, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war. — K. 2. Die Bestimmun gen des H. 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag aus geschlossen oder beschränkt werden. So weit nach diesen Bestimmun gen die Beschlagnahme unzulässig ist, ist auch jede Verfügung durch Cession, Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsge schäft ohne rechtliche Wirkung. — ß. 3. „Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten gebührende Vcrmögensvortheil anzusehen. Auch macht e§ keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berech net wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Werthe für Ma terial oder mit dem Ersätze anderer Auslagen in ungetrennter Sunrme bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses Gesetzes der Be trag, welcher nach Abzug des Preises oder des Werthes der Mate rialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt." — ß. 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine Auwendung 1) ans den Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten, 2) auf die Beitreibung der directcn persönlichen Staats- und Communalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schul- und Coinmunalverbände ein geschlossen) und auf die Beitreibung der auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Alimentationsansprüchc der Familienglieder, 3) auf den Gehalt und die Dienstbezüge der iin Privatdienst dauernd «»gestellten Personen, soweit der Gesammtbetrag die Summe von 400 Thlr. übersteigt. Als dauernd in diesem Sinne gilt das Dienstverhältniß, wenn dasselbe gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig mindestens auf ein Jahr bestimmt oder bei unbestimmter Dauer für die Auflö sung eine Kündigungsfrist von mindestens ein Monat einzuhalten ist. Das mexikanische Trauerspiel hat jetzt ein Nachspiel erhalten, das in Berlin seinen Verlauf nimmt. Die „Gcr.-Ztg." berichtet da rüber Folgendes: Als der unglückliche Kaiser Max in Queretaro ge- fangen sah, wurden bekanntlich von seinen Anhängern verschiedene Versuche zu seiner Befreiung gemacht. So brachte unter Anderm der Exmiuister des Kaisers, Don Navarra, 10,000 Pesos — 13,000 Thlr. preussisch — an den preußischen Gesandten Herrn von MagnuS, mit der Bitte, dieselben zur Befreiung des Kaisers durch Bestechung der Wächter desselben zu verwenden. Herr von Magnus gab sich bekannt lich alle mögliche Mühe, um den gefangenen Kaiser zu befreien oder ihm wenigstens das Leben zu retten, alle seine Anstrengungen waren jedoch, wie man weiß, vergeblich. Nach dem Tode des Kaisers Max trat nun Don Navarra mit der Behauptung auf, die 10,000 PesoS seien sein Eigenthum gewesen und aus seinen Mitteln hergegeben worden. Er verlangte daher die Rückzahlung des Geldes von Herrn v. Magnus. Dieser mußte aber wohl der Ansicht sein, daß Kaiser Maximilian resp. seine Erben mehr Ansprüche an die 10,000 PesoS hätten als der Exminister Don Navarra, denn er verweigerte Letzte rem die Herausgabe des Geldes und zahlte die ganze Summe an den Kaiser Franz Joseph von Oestreich. Dies Verfahren hat nun keines wegs eine Billigung des mexikanischen Herrn erhalten, er hat viel mehr jetzt Herrn v. Magnus auf Rückzahlung der demselben von ihm übergebenen Summe verklagt. Für den Kläger tritt der Rechtsan walt Wilke, für den Verklagten der Justizrath Niem auf. Der geschüftssührende Ausschuß des süddeutschen Protestanten vereins ladet zu einer Protestantenversammlung am 31. Mai in Worms ein. Er sagt: „Die Einladung des Papstes an die deutschen Protestanten zur Rückkehr in die römische Kirche erfordert eine Ant wort aus dem Munde des protestantischen Volkes. Die wachsende Kühnheit der ultramontanen Partei mahnt die deutschen Protestan ten zur Wachsamkeit und Vereinigung. Unsere höchsten Güter, die Gewissens- und Geistessreiheit, die Selbstständigkeit des Staates und der cvnfessionelle Friede sind durch die Encycliea und den Shllabus des Papstes angegriffen. Wir dürfen nicht länger schweigen." Sehr angenehm ist die Temperatur in Paris nicht, das Wahl fieber scheint ziemlich stark zu sein. Die Candidaten sprechen laut und vernehmlich, viele in rolher Fractur und manche Versammlung mußte geschlossen werden. Im Studentenviertel gings sehr lebhaft her, die Menge lärmte und Gitter wurden ausgerissen, an andern Orten wurde die Marseillaise, das Schlachtlied der Revolution, ge sungen und gerusen: „Hoch die Republik! nieder mit dem Kaiser!" Die Polizei mußte oft mit der Waffe einschreiten und eS gab hüben und drüben Wunden in Menge. Ob der Kaiser auch das Wahl oder Examensieber hat? Die Wahlen sind eine Prüfung für sein pä dagogisches System. In jedem Fall verläßt er sich auf seinen Stern und seine Pappenheimer auf dem Laude. Ein wohlwollendes Gerücht läßt ihn 100,000 Soldaten, wie Polycrates seinen Ning, in den Strudel werfen, nämlich die Beurlaubung von 100,000 Mann. —