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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Vierteljährlicher Pränumorationspreis 10 tlgr. — Jnsertionsgcbühren für den Raum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag resp Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz dieses Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. 34. Imlag, den 30. April 1869. _ . -- . -- . -- Tagesgeschichte. Das am vorigen Sonntag auch unsere Gegend berührte Ge witter hat sich bei Gauernitz und Scharfenberg mit einem wol kenbruchartigen Regen in Begleitung einer Wasserhose entladen, der in den Gärten und an den Berghängen großen Schaden verursacht und Hunderte von Spaziergängern, die der schönen Baumblüthe we gen dahin gewandert waren, unangenehm überrascht hat. Döbeln, 25. April. Die heute hier abgehaltene Wahlversamm lung, welche ca. 250 Wähler vier ländlicher Wahlbezirke, nämlich des 17. 26., 27. und 28. vereinigte, eröffnete Kreissecretär Richter, der dieselbe einberufen und dem auch der Vorsitz übertragen wurde, mit Charakterisirung des Parteistandpunktes, welchen der constitutionelle Wahlverein einnimmt. Der dringenden Aufforderung, sich bezirksweise je über einen Candidaten zu einigen, gab die Versammlung statt, indem nach kurzer Eiuzelberathung aufgestellt wurden: für den 17. Wahlkreis — die Dörfer der Gerichtsämter Wilsdruff und Nossen umfassend — Oehmichen-Choren, für den 26. Bezirk — Leisnig, Mügeln, Döbeln — Ullmann auf Görlitz bei Mügeln, für den 27. Wahlbezirk — Roßwein, Waldheim, Hainichen, Oederan — Graf zur Lippe-Weißenfels und für dew28. Kreis —Mittweida, Geringswalde Hartha, Colditz — Friedensrichter Seidel in Königshain. Die Ver- samlung billigte einstimmig ohne lange Debatte alle getroffenen Wahlen. Waldheim. Am Nachmittage des 26. April verunglückte in dem Eichlerschen Steinbruche am Eichberge der Steinbrecher Claus, 45 Jahr alt und Familienvater, dadurch, daß er bei seiner Arbeit von einer 30 Ellen hohen Wand herabstürzte, und sich dabei so be deutend verletzte, daß sein sofortiger Tod erfolgte. In Engelhardtsgrüu sind neun Bauerngüter mit ihren Sei tengebäuden ein Raub der Flammen geworden. Vom ganzen Dorfe blieben überhaupt nur 3 Bauergüter stehen. Fast alles Mobiliar ist mit verbrannt und infolge dessen der Schaden sehr groß. Wie die „K. Z." berichtet, ist am 25. April der Ncichstagsab- geordnete des Freiberger Wahlkreises, Herr Fritz Mende in München- Gladbach in der Nheinprovinz verhaftet und per Bahn nach Düssel dorf tranSportirt worden. Neber die Ursache dieser Verhaftung schreibt man der „K. Z." aus München-Gladbach vom 25. April Folgendes: Auf gestern Abend 8 Uhr war durch Zeitungs-Inserat eine Volksversammlung im Locale des Gastwirthes Metzer unter Vorsitz des Reichstags-Abgeordneten Fritz Mende angezeigt worden. Der Polizci-Commissar, welcher dieser Versammlung beiwohnte, fand sich veranlaßt, dieselbe, infolge einer von Herrn Mende gehaltenen Rede aufzulösen. Die energische Aufforderung, denSaal zu räumen, fand unter den zahlreich versammelten Arbeitern entschiedenen Widerstand, welcher sich durch Auslöschen der Gasflammen und thätlichen Angriff auf die Polizeibehörde geltend machte und nicht unbedeutende Ver wundungen mehrerer hcrbeigecilter Gensdarmcn und Polizisten durch Messerstiche, resp. Schläge mit Bicrgläsern zur Folge hatte. Nach erzwungener Räumung des Locales setzte die zu Tausenden ange- wachscnc Menge die begonnenen Ercesse durch Einwcrfcn von Fenster scheiben, so z. B. auch an dem Hause der hiesigen Gesellschaft „Er holung" rc., in einer Weise fort, daß die hiesigen Behörden sich ver anlaßt sahen, die Turner-Feuerwehr zu alarmircn und militärische Hilfe von dem Regierungs-Präsidenten in Düsseldorf zu requirircu. Letzterer Requisition wurde jedoch nicht entsprochen. Herr Mende, welcher vor dem Hotel Moers eine beruhigende Anrede an den massenhaft anstürmenden Pöbel gehalten hatte, wurde heute Morgen 4 Uhr verhaftet, per Wagen nach Reuß und von dort aus per Bahn nach Düsseldorf tranSportirt, dort sofort von dem Untersuchungsrichter vernommen und in das Arresthaus abgcführt. Die Stadt war heute ruhig, obgleich ca. 15 Arbeiter verhaftet und gefesselt nach Düsseldorf gebracht worden. Berlin, 28. April. Sitzung des Reichstages. Nach einem Telegramm des Dr. I. wurde der Antrag Schweitzers auf sofortige Freilassung des verhafteten Fritz Mende vom Hause nicht zum Be schluß erhoben, sondern an die Geschäftscommission überwiesen, nach dem Graf Bismarck erklärt hatte, Mende thäte besser, sich au der Gewerbedebatte im Reichstage mit zu betheiligen, als an tumultua- rischen Bestrebungen; schwere Beschuldigungen legen gegen ihn vor, er ist wegen Theilnahme am Aufruhr verhaftet. Im Reichstage, so schreibt man den „Dr. N." aus Berlin, er regt die Haltung der Lassaleaner nicht geringe Verwunderung. Man weiß nicht mehr, ob überhaupt Socialisten im Reichstage sitzen. Namentlich ist der sächsische Arbeiterpräsident, Herr Fritz Mende, bis her nur zweimal auf eine kurz: Zeit, ein Viertelstündchen höchstens, im Reichstage erschienen. Etwas länger hat Herr Kupferschmied Försterling ausgehalten, aber ihre Theilnahme an den Geschäften ist gleich Null. Gleichwohl steht jetzt fast täglich ein Gegenstand auf der Tagesordnung des Reichstages, der, wie selten einer, im hohen Grade geeignet ist, das Interesse gerade der Socialisten in Anspruch zu neh men. Es ist dies die Gewerbeordnung. Die Kapitel über Fabrik wesen, Lehrlinge, Gesellen, Gewerbsgehilsen, Innungen, Arbeiter rc. liegen doch gerade Abgeordneten, die sich als die ausschließlichen Vertreter der Arbeit auSgeben, sehr nahe; hier ist ein Feld, auf dem sic ihre Forderungen, Anschauungen und Erfahrungen am ehesten zum Vortrag bringen können, wo ihnen Gelegenheit geboten ist, sich um das Wohl der Classen, denen sie ihre Anwesenheit im Reichs tage hauptsächlich verdanken, verdient zu machen. Statt dessen haben sich die Lassalleaner männlicher Linie begnügt, durch Herrn v. Schweitzer in der Generaldebatte einige mißverstandene volkswirthschastliche Theo rien zuin Besten zu geben und in der Frage über die Sonntagsar beit in Fabriken und Werkstellen einen Antrag zu stellen; im Uebri- gen haben sie die Sitzungen, wo die Gewerbeordnung berathen wor den ist, vollständig geschwänzt. Die Lassaleaner weiblicher Linie, Mende und Försterling, haben sich, wie schon bemerkt, nur flüchtig gezeigt; sie kamen, obwohl sie iwBerlin weilen, kaum einmal in den Sitzungssaal; zu einem Anträge haben sie sich noch nicht aufgeschwun gen. Ob dies namentlich im Sinne der Freiberger Wähler ist, daß ihren Interessen feiten ihres Vertreters nur eine so geringe Theil nahme geschenkt wird, dürste billig bezweifelt werden. Constatirt aber muß die Thatsache werden, daß die Socialisten Par excellence gerade bei socialen Fragen fehlen. Fühlung zu behalten mit dem öffentlichen Geiste, ist eine Haupt sache im politischen Leben. Der Fürst muß Fühlung mit seinem Volke behalten, der Minister mit dem Landtage, der Zeitungsschrei ber mit seinen Lesern. — Um Fühlung mit dem Reichstage zu behalten, Hal Bismarck die Mitglieder desselben, Rechte und Linke, Fromme und Gottlose, ein für allemall auf jeden Sonnabend Abend zu sich zum Thee und Butterbrod eingeladen. Der Ausdruck kommt, wie jetzt alles, vom Militair her, wo in Reih' und Glied jeder Soldat Fühlung mit seinen Kameraden haben muß. Es verlautet, daß das Zollparlament in den ersten Tagen des Mai zusammeutreten und neben dem Reichstage tagen wird. Den Parlamenten in Oestreich, Frankreich und England werden von Zeit zu Zeit Roth- und B lau b sicher vorgelegt, welche den diploma tischen Briefwechsel mit andern Regierungen enthalten. Bismarck hält nicht viel von ihnen; nach seiner Erklärung machen diese Blaubüchcr blauen Dunst vor. Es wird viel Schwindel mi ihnen getrieben, ja, cs existirt eine doppelte Buchhaltung, dieselbe Sache wird zweimal zugcrichtet, in einer andern Form fsir die Höfe und Diplomatie, in einer andern für die Veröffentlichung in den Blaubüchern. Beust in Wien soll diese doppelte Buchführung am besten verstehen. Die schwimmenden Häuser sind die theuersten. Die Panzer fregatte „König Wilhelm" kostet mit der Artillcrieausrüstung 3,500,000 Thlr., die Panzerfrcgatten „Kronprinz" und „Prinz Fried rich Karl" jede etwa 2 Mill. Thlr. Der eiserne Panzer dieser Schiffe ist 7—8 Zoll stark, nur 2 englische Schiffe haben noch stärkere, näm lich 14 Zoll starke Panzer. München, 24. April. Die Urwahlcn auf den neuen Landtag sind auf den 9. Mai, die Abgeordnetenwahlen auf den 20. Mai an beraumt worden. Die Anzahl der zu wählenden Abgeordneten be trägt 154. Die Vokspartei in Bayern bezeichnet ihren Vertretern als ein feststehendes Ziel ihrer Bestrebungen in der deutschen Frage: die freie