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nun schon gefallen, indem ja dabei ein großes dienstliches Interesse im Spiele jein soll; (Heiterkeit), daß aber zu einem solchen Tele gramm 02 Worte (hört! hort!) gebraucht werden, ist doch wirklich übertrieben viel. Gebührenfreiheit für Telegramme genießen nun auch alle Mitglieder der norddeutschen Regentenhäuser und die beiden Hohenzollern'ichen Fürsten. Aber nicht nur die Telegramme dieser Leute selbst sind frei, sondern auch alle, welche von den Personen ihres Gefolges (hört! hört!) und ihres Hofstaates (hört! hört!) auf gegeben werden. In diesen Telegrammen herrscht natürlich die grüßte Mannichfaltigkcit. (Heiterkeit.) Wenn z. B. der Koch irgend eines Prinzen Petersilie haben muß, so telegraphirt er. (Große Heiterkeit.) Er zeichnet das Telegramm mit einem 8. (das ist das Zeichen für die gebührenfreien Telegramme), irgend Jemand aus dem Hofstaate des Prinzen bescheinigt es und drückt das Dienstsiegel darauf, (Heiterkeit), und dann wird die Petersilie telegraphisch re- quirirt (Große Heiterkeit); und selbst dringliche Depeschen, die ost mehr im öffentlichen Interesse liegen, sind zum Warten gezwungen, sind gezwungen, wenn sie mit einer solchen Depesche zusammentressen. So ist es mir einmal gegangen, weil der Koch eines Prinzen einen rhein. Polizeipräsidenten telegraphisch ersuchte, ihm sür einen Thaler einen Fisch zn besorgen. (Hörl! Hört! Große Heiterkeit.) Das Te legramm trug das Siegel des Hosküchenamles. (Heiterkeit.) Die selbe Portofreiheit genießen aber auch das Jagdpersonal, die Gärt ner, das Hoftheater, der Marstall rc. rc. Wenn z. B. irgend ein kleiner Fürst in seinen Mußestunden Pferdehandel treibt (Heiterkeit), so gehen alle diese Pfcrdctelcgramme portofrei. (Hört! Hörl!) Wenn ein solcher Fürst als Waldbesitzer Interesse an einem Hotzwagen hat (Heiterkeit), so telegraphirt er gebuhrensrei. Wenn wir diese Tau sende von gebührenfreien Telegrammen näher betrachten, so wird für den wirtlichen Staatsdienst eine sehr geringe Summe sich heraus stellen. (Sehr richtig!) Bei dem Studium des genealogischen Ka lenders bin ich leider erst bis zum Buchstaben L. gekommen und weist das Wort Lippe allein 60 Prinzen und Prinzessinnen nach, die nach wie vor alle ihre Briefe, Packele und Gelder portosrei haben und zwar meist für Interessen, von denen man nicht behaupten kann, daß es öffentliche Interessen sind. Düsseldorf. Rach einer telegraphischen Meldung aus Düssel dorf hat am 26. April in Barmen vor dem Rathause ein Aufstand von 3—400 Arbeitern stattgefunden, welche die Aushebung dec Un- terstützungscassen forderten. Dieselben leistelen der polizeilichen Auf forderung zum Auseinandergehen nicht nur keine Folge, sondern griffen auch thätlich einige Polizeibeamte an, welche m Folge dessen von ihren Waffen Gebrauch machen mußten. Verletzungen von Per sonen sind dabei nicht vorgekommen. Am Tage daraus wiederholte sich der Auflauf, bei welcher Gelegenheit ein Pouzeibeamter, der ruhig durch die Volksmenge ging, durch einen Wurf am Kopse verletz! wurde. Seitdem sind keine weiteren Ruhestörungen in Düsseldorf bekannt geworden. Koburg, 28. April. Das von dem Rechtsanwalt Streit von hier eingexeichte Strasstundungsgesuch ist vom Herzog rin- für alle mal abschläglich beschiedcn worden und muß nunmehr Streit die ihm wegen Veruntreuung und Verletzung seiner Amtspflicht auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen zuerkannle 4jährige Zuchthaus strafe zu Tonna verbüßen. In Bayern ist das neue Schulgesetz, auf das alle Freunde des Fortschritts große Hoffnung gesetzt hallen, durchgesallen. Es unler lag schließlich dem Zwiespalt der Kammer und dem Reichsrath, die sich über die Hauptpunkte nicht einigen konnlen. Die Spanier haben die beste Gelegenheit vor Ueberraschung aus den Wolken zu fallen; denn es präsenttrt sich unerwartet ein neuer Thronbewerber, der Erbprinz vonHohenzollern. Dieser Prinz ist der Sohn des Fürsten von H.-Sigmaringen, der Land u. Regierung s. Z. an Preußen abtrat und Ministerpräsident der neuen Aera in Preußen wurde; er ist der Bruder des Fürsten Carl von Rumänien und der Gemahl einer portugiesischen Prinzessin, nahe verwandt mit Napoleon und dem prentzische» Königshause. Die Hohenzollern scheinen die Erbschaft der Coburger anzulrelen, alle Throne zu besetzen. Die Cholera ist auf ihrer todtbringcndenWanderung über die Erde in ihr Geburtsland Ostindien zurückgekchrt, hoffentlich auf Rim- merwiederkehr! Aus der Aatur. Oft genug bin ich schon gefragt worden, wenn mich Der oder Die mit Blumen in der Hand sand, wozu dieselben bestimmt, welche Heilkraft ihnen innewvhne, bei welcher Krankheit sie als Ahee zu verwenden rc. Und wenn ich dann antwortete, daß kaum eine Blume unter der Menge sich finde, welche als Thee zu verwenden; daß überhaupt viele Pflanzenthee übertrieben herausgestrichen wor den, ich mich auch nicht mit Thecsammcln beschäftigte, sondern mir mehr daran läge, der Blumen Bau, Ramen, Standort, Futter- oder gewerblichen Werth kennen zu lernen — daß es überhaupt Thorheit sei viele Thee einzusammeln und oft noch größere, solchen Absud zu trinken, sah man mich erstaunt an. Diesen Gegenstand etwas näher zu beleuchten, halte ich für meine Pflicht. Wer hätte nie auf spe- ciellen Rath eines Freundes oder einer Freundin einmal Thee ge trunken, um dem leidenden Selbst dadurch wieder etwas auf die Beine zu helfen? Sobald ein Kranker den Grund seines Unwohlseins wirklich kennt, mit den Pflanzen und ihren Heilkräften genau bekannt ist, wenn er also ärztliche und pharmaceuiische Kenntnisse genug be sitzt, um das Richtige im rechten Augenblicke anzuwenden, wer sollte ihn um solches Gebrauches halber schelten? Wem das Alles aber abgeht, der verdient gescholten zu werden, ob seines eigenmächtigen doctorns an sich, oder um seines Rathes, den er andern ertheilt. Die meisten Theeräthe und Theeräthinnen haben ihre medicinischen Kenntnisse vom Hörensagen. Was aber an solchen Traditionen ist, darüber dürften wir klar sein. Ebenso untauglich sind die alten pharmaceutischen Bücher, auf deren Lefitz manche Leute besonders stolz sind und deren Unfehlbarkeit sie beschwören möchten. Sieht ein Arzt, den wir zu Rathe gezogen, daß unsere Krankheit durch dieses oder jenes Hausmittel zu beseitigen ist, wird er es uns sicher an- rathen. Alsdann wird er uns nicht allein das Quantum, sondern auch das „wie oft" bezeichnen. Es wird Niemand läugnen, daß es Kräu ter mit arzneilichen, sehr dienlichen Kräften giebt, aber nicht halb so viel als man früher glaubte, weshalb man ihren Gebrauch auch in den Apotheken mehr und mehr beschränkt und häufiger mineralische Kräfte in Anwendung bringt. Welcher Laie in der Pflanzenkunde kennt aber die wirklich nütz lichen Kräuter und vermag sie von den verwandten Gewächsen sicher zu unterscheiden? Ohne gerade zu fürchten statt eines Heilkrautes ein ähnliches Giftkraut gekocht zu bekommen, kann manjdoch annehmen, eine unnütze oder entgegengesetzt wirkende braune oder gelbe Brühe einschlürfen zu müsfen. So oft ich Thcesammler nach den Wirkungen dieses oder jenes Gewächses fragte, wurden mir wunderbare Kuren mit Hülfe dieses Thees erzählt. Ein Monate lang mit der schrecklichsten Di arrhöe Behafteter, den schon Professoren der Medicin aufgegcbcn hat ten, wurde der Thee des Weidenröschens angerathcn — und siche, in 14 Tagen hatte dieser gemeinen Pflanze Heilkraft Wunder gewirkt. — Um zn zeigen, wie leicht das Obengesagte möglich, will ich einige Beispiele geben. Häufig wird die Thcekamille unter dem Namen „Hälmchen" ein- gesammelt. Wer aber, jei es durch häufiges Einsammeln, oder durch botanische Studien, nicht genau mit ihr bekannt wurde, wird häufig genug entweder die ganz" schwach wirkende Ackerkamille, oder auch die völlig untaugliche und geruchlose Wucherkamillc statt ^latrienrin. EbamomiUn pflücken. Ein ähnliches kann Theeliebhabern mit der einst vielberühmten Lrnicn moutano passiren, statt deren er vielleicht Habichtskraut oder Alant einträgt. Solche kleine Verwechselungen sind wenigstens unschuldige; schlim mer ist es, wenn man die Theekräulcr mit Giflkräutcrn verwechselt, wovon es genug traurige Geschichten giebt. Wie häufig hat man nicht die Wurzeln des Wasserschierling mit der des Kalmns verwech selt. Die Blüthe desselben ist von Kindern mit den Blüthen des Baldrians, der ost aus gleichem Orle wuchs, nicht selten verwechselt worden, wie HundSgleise mit Petersilie, oder die wilde Möhre mit Otraoiopstzllum tomulum, betäubenden Kälberkropf, oder auch Eo- llinrn inne., gefleckten Schierling. Dem Kenner scheint das etwas Unmögliches und doch ist es vorgekommen. UeberdieS gehören viele Theestanzen unter die Giftpflanzen, als Hollunder, Bittersüß, Zaun gewinde rc. weshalb man bei ihrem Gebrauche vorsichtig zu Wege zu gehen hat. Darum nochmals: Vorsicht beim Einsammcln und Trinken des Thees! Lieber einen Arzt um Rath gefragt und den unbekannten Thee in der Apotheke geholt. Vielleicht ist mirs ver gönnt die gebräuchlichsten Theepflanzen einmal zu beschreiben und ihre Standorte in dieser unserer Gegend anzugeben. Eine Frage möchte ich noch beantworten, die oft an mich ge stellt wurde: Welchen Rutzen hat das Studium der Botani k (Pflanzenkunde)? - Die Beantwortung dieser Frage scheint mir deshalb von großem Werthe, weil man, obwohl noch viel zu wenig, diesen Gegenstand unter die Lehrfächer der Schule ausgenommen hat. Alles hat seine Wissenschaft, fagt man, also auch die Pflan^n- welt; ihr Name ist Botanik. Die Weisheit des Schöpfers hat es also angeordnet, daß sich die farbigen Kinder der Natur in gewlye, von den Forschern entdeckte Ordnungen fügen. Selten weicht eine Pflanze in Rebenmerkmalen von dem Modelle des Ewigen ab, in Hauptmerkmalen nie, und so vermag man das ganze Heer von ge gen 150,000 Arten in Classen, Ordnungen, Familien rc. einzureihen, wie die Könige ihre Soldaten in Brigaden, Bataillone, Compagnien rc. theilcn. Was soll das aber den Kindern; wozu überhaupt dies trockene Wissen? Manchem sind die Naturwissenschaften Steckenpferde, d. h. Lieb- lingsnebenbeschästigungen. Vermag irgend etwas das Herz zu ver edeln, den Verstand zu wecken, den Geist über den Materialismus zu erheben, so ist es dieses Wissen, die Kcnntniß der ausgedehnten Natur, darin jeder Atom ein Wunder ist von dessen Hand, der selbst das Wunder aller Wunder. Alle unsere hohen Kunstschöpfungen, wie sehr sie uns begeistern mögcn, sind doch nur Nachahmungen der le bendigen dialur; die Natur ist die Hülle unseres Geistes; aus ihrem Verständniß quillt uns das Vcrständniß des Höchsten. Die Natur ist eine ewige, gewaltige, stets neufesselnde Predigt des Herrn über das kurze, inhaltreiche Gesetzeswort: Ich bin! — Dieser Seite der Naturwissenschaft steht die materielle nicht nach. Je vielseitiger man die Sache aber ansieht, um so tiefer dringt man in ihr Verständniß ein, um so segensreicher ist die Rückwirkung un serer Studien. Den jetzigen Stand unserer Civilisation haben wir zum größten Theile der erweiterten Raturerkcnntniß zu verdanken. Handel, Gewerbe, Ackerkultur und ihre Hülfswisscnschaften basiren auf ihr. Ihren höchsten Aufschwung werden sie darum dann erst nehmen können, wenn den Menschen die Natur nicht fremder ist, als die Buchstabenschrift, d. h. wenn sie ebensogut im Buche der Natur als in der Bibel zu lesen verstehen. In die nächste Berührung kommt der Landmann mit ihr; sein