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2. Aeilage zu Ar. 115 des Wochenblattes für Mtsdruß. Ans Sachsen. Wilsdruff, 28. September 1904. . O heiliger Bureaukratiutz! Von zuverlässiger Seite wird dem Meitzner „Tagbl." folgendes Geschichtchen Mitgeteilt. Ein vormaliger Angestellter einer größeren Fabrik, ein Mann von 72 Jahren, erhält seit kurzem infolge eines Unfalles eine Rente von monatlich 41 Mark und 35 Pfennigen. Für August und September war unter Berücksichtigung eine anderweiten Verrechnung eine erstmalige Rate von 78 Mark und 17 Pfennigen fällig. Ein auf diese Summe laufendes Quittungsfor mular war dem Rentner mit dem Bemerken übersandt worden, daß er gegen Vorzeigen desselben die Rente auf dem Kaiserlichen Postamte in Empfang nehmen möge Dieses Quittungsformular wurde nun auf dem Postamte eingesehen und geprüft, dem Rentner aber zurückgegeben mit dem Bemerken, die Summe könne vorläufig nicht ausgezahlt werden, da ein Irrtum vorliege — die Post sei von der Versicherung angewiesen worden, nicht 78 M. und siebzehn Pfennige, sondern 78 Mark und achtzehn Pfennige auszuzahlen, also einen Pfennig mehr! Man sei daher gezwungen, zur Aufklärung bei der Versicherung anzufragen, und erst nach Rückäußerung der Versicherung könne die Summe ausgezahlt werden. — Wieviel Tinte, Papier und Arbeitskraft mag wohl dieserPfennig aufzehrens Am Sonnabend nachmittag waren in Meitzer» zwei Diebe eingebracht worden, die zwei Schafe entwendet hatten. Auf der Polizeiwache wurde einer dermaßen wild, daß er drei Schutzleute die Rathaustreppe hinunterstürzte. In der Zelle stellte er sich einige Zeit darauf tot; während der Nacht gab er aber seine Verstellung auf. Beim Einbauen einer Luftheizung in der Kirche zu Niederschöna stieß man auf eine Gruft, in welcher sich drei Särge befanden. Zwei sind noch in gutem Zu stande, der dritte ist bereits zerfallen. Im letzteren hatte eine Frau ihre letzte Ruhestätte gehabt, denn man fand "och Reste eines grünseidenen Kleides vor. Auch Schmuck- mchen, als Ringe, Ohrringe, Brosche und Halskette mit Diamanten besetzt, fand man auf. Eine Inschrift lautete 2»! die Namen: Frau Freiherr von Hagen und Tochter. Ob auch Freiherr von Hagen in einem der Särge ruht, konnte noch noch nicht sestgestellt werden. Die Gruft dürfte aus dem 19. Jahrhundert stammen. Bei einem Begräbnis in Freiberg brach am Sonnabend eine 61jährige alte Frau auf dem Friedhof bewußtlos zusammen, so daß sie mittels Droschke nach ihrer Wohnung gebracht werden wußte. Dort ist sie, ohne das Bewußtsein wieder erlaugt zu haben noch an demselben Abend verstorben. Dem seinerzeit wegen Zweikampfes zu 6 Monaten Festungshaft verurteilten, aus der Pirnaer Duell-Affäre her bekannten Leutnant Bax hat der König 2 Monate seiner Strafe im Gnadenwege erlassen. Das 15 Jahre alte Dienstmädchen Arnold, welches im Pfarrhause zu Schönfeld-Pfaffroda in Stellung war und, um aus dem Dienst zu kommen, das Pfarrhaus anzündele und das 2 Jahre alte Söhnchen des Pfarrers Elsasser mit Lysol zu vergiften suchte, wurde vom Land- gericht Freiberg zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. An einem bitterkalten Februarabend hatte der Gemeindevorstand von Steinbach bei Lausigk einen Fecht bruder in höchsteigener Person, da der Gemeindediener abwesend war, nach Bad-Lausigk zu transportieren. Doch das wackere Gemeindehaupt forcht sich gar sehr vor dem Spießgesellen. Um ihn willfährig zu machen, ging er mit ihm in eine Kneipe und traktierte ihn mit mehreren war men „Amseln" (Schnaps). Dann brachen sie auf. Doch gar bald ließ er seinen Gefährten allein des Weges weiter ziehen und bat ihn noch recht sehr, sich ja in Lau sigk zu stellen. Sofort begab er sich ins Wirtshaus zu rück; nach einigen Minuten erschien zu aller Erstaunen — der Landstreicher wieder auf der Bildfläche mit der Erklärung, in Lausigk würde man ihm kaum „Logis" ge- Währen, da der Gemeindevorstand seine Papiere behalten habe. Dem inzwischen aufgetauchten Gemeindediener wurde dann der Bettler zum weiteren Transport übergeben. Doch wie der Herr so der Knecht! Auch der Diener nahm den ihn Anvertrauten mit und bewirtete ihn zu Hause trefflich mit Speise und Trank. Nachdem der Vagabund sich so tüchtig gestärkt hatte, benutzte er eine passende Ge legenheit und verschwand. Der Gemeindevorstand erhielt wegen der groben Fahrlässigkeit vom Landgericht eine Ge- fängnisstrafe von 6 Wochen, der Diener eine Geldstrafe von 10 Mark. lieber das furchtbare Automobilunglück in Niederhatzlau sind noch folgende Einzelheiten zu be richten: Lie Fahrt ging in rasend schnellem Tempo. In der Dunkelheit bemerkte der Wagenführer Franz senior die Kurve am Gasthause zu spät, welhalb es, als er nach links steuerte, eine zu scharfe Wendung gab. Infolge derselben wurde das linke Vorderrad an das Spritzblcch und den Wagenkasten gedrückt, so daß es nicht weiter laufen konnte. Dadurch wurde der vordere Teil des Auto mobils aufgehalten, es gab einen gewaltigen Ruck, und der Hintere Teil stieg in die Höhe und überschlug sich, wobei die Insassen herausgeschleudert wurden. Dann schlug das Gefährt wieder zurück und fuhr noch ein Paar- Schritte weiter, bis es an ein Haus anprallte. Der Führer, Installateur Franz und der Bierreisende Gerber waren, wie gemeldet, sofort tot. Beiden ist nach dem „Zw. Tagbl." die Hirnschale vollständig eingedrückt und bis in das Hinterhaupt hinein gespalten. Gerber hat außerdem mehrere Armbrüche erlitten. Der Realschul abiturient Franz junior trug erhebliche Verletzungen an den Händen, im Gesicht und an den Knieen davon, ist aber, entgegen anderen Nachrichten, noch am Leben. Bahn assistent Hertel hat einen Oberarm gebrochen. Bahnhofs wirt Claus kam mit geringer Beschädigung davon. Noch am Morgen des Unglückstages hatte der Reisende Gerber beim Vorüberfahren eines Automobils in Zwickau zu Be kannten geäußert: „Nicht zehn Pferde bringen mich wieder in einen solchen Kasten!" Und noch am selben Abend trat er seine Todesfahrt an. Einen erfreulichenAbschluß hat die Ausstellung gezeitigt, die anfangs Juni d. I. in Glauchai» anläßlich des Sächsischen Gastwirtsverbandstages veranstaltet ' worden war. Sie ergab nach dem nunmehr vorliegenden Endergebnis einen Ueberschuß von über 1000 Mk. Die Leipziger Sozialdemokraten boykottieren den Theaterdirektor Hartmann, den bekannten Leiter der Ver- einigten Schauspielhäuser: das ist das Neueste auf dem Gebiete des sozialdemokratischen Terrorismus. Und weshalb der Boykott? Weil die Aktiengesellschaft Leipziger Zentraltheater (Theater am Thomasring), von welcher Direktor Hartmann die Theaterräumlichkeiten ge- pachtet hat, ihre Säle nicht zu sozialdemokratischen Ver sammlungen hergibt. Der Aufruf der „Lokalkommission" besagt: „Wie sich unter diesen Umständen die Arbeiter schaft dem neueröffneten Theater am Thomasring gegen über zu verhalten hat, ist klar. Jeder auf Menschenwürde haltende Arbeiter bedankt sich dafür, auf dem Umweg durch die Theaterkasse des Herrn Hartmann die Aktien gesellschaft Zentraltheater in die angenehme Lage zu ver setzen, aus den Arbettergroschen einen „namhaften Ueber schuß" zu erzielen und dadurch die Voraussetzung für die dauernde Behandlung der Arbeiter als Bürger zweiter Klasse selbst mit schaffen zu helfen." Direktor Hartmann, der Pächter der Theaterräume, die mit den übrigen Sälen des mächtigen Etablissements in keiner Verbindung stehen, hat auf die Aktiengesellschaft Zentraltheater nicht den ge ringsten Einfluß. Das wußte die „Lokalkommission", als sie auf ihn einwirkte, seinen Einfluß auf das Zentral theater dahin geltend zu machen, daß dessen Säle auch den Sozialdemokraten überlassen würden — und doch spricht sie den Boykott gegen ihn und sein Unternehmen aus und