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MMN Ur UMM Beilage zu Nr. 115. - Donnerstag, 29. September 1904. Ein Patrouillenritt in Deutsch-Südwestafrika. (Schluß.) Diese Unverschämtheit der Kerls und einige von der Flanke aus fallende Schüsse machten mich stutzig; war ich mir doch nicht klar, wie stark der Feind sei! — Doch zurück zu den hinter meinen Schützen brüllenden Bockies, etwa 250 an Zahl. Ich erwartete, daß sie von unseren Kastern weggetrieben werden würden; doch wer nicht kam, waren unsere Schwarzen. Ich schickte einen Unteroffizier zurück, doch auch er vermochte die Kerle nicht dazu zu veranlassen, das Vieh zurückzuholen. Endlich mußte ick selbst aus der Schützenlinie heraus und nur durch die Drohung: „Ich schieße Euch tot, wenn ihr nicht sofort die Bockies zurücktreibt!" faßten sie sich endlich ein Herz. — Ein großer Klump war bereits zurückgctrieben auf dem Wege, auf dem wir gekommen, ein zweiter war bei den Pferden. Ich war über meinen Erfolg glücklich. Den Hereros Vieh abzunehmen, ist nämlich alles, für ihr Vieh sterben die Kerle, für ihr Vieh kämpfen sie. — Es war nun fast 6 Uhr abends geworden, ich hatte meinen Auf trag müllt und gedachte nun allmählig meinen Heimritt anzutreten. Doch es sollte anders kommen. Ich hatte bereits abgebaut auf eine zurückliegende Höhe und war ganz nahe bei unseren Pferden. Meine Absicht war es, noch die zweite Herde Bockies zurücktreiben zu lassen und dann mit meinen Leuten zu folgen. Da fällt plötzlich ein Schuß in unserem Rücken, ein zweiter in der rechten Flanke; das Geschieße beim Feinde nimmt zu, wir sehen schwarze Gestalten die Höhe brüllend herabkommen auf uns zu. Besonders hatten es die Kerle auf unsere Pferde abgesehen, ohne welche uns ein schnelles Zurückkommen unmöglich gewesen wäre. Es war eine miserable Lage. Ein Pferd hatte bereits einen Schuß durch das Rückgrat, wurde aber glücklicherweise bald von einem zweiten getötet. Die anderen Pferde, von denen immer vier zusammengehalten wurden, waren auch ganz toll, unsere Kastern wollten weglaufen, kurz und gut, es war eine wenig angenehme Lage. Nach kurzem Besinnen befahl ich eine mit dichtem Busch bewachsene Klippe zu besetzen und die Pferde ebenfalls da hinauf zu führen. Die Hereros schosfen immer stärker, die Kugeln pfiffen nur so um einen herum. Einige Pferde und Leute waren bereits in der Klippe, die anderen Gäule wollten nicht vorwärts. Da entschloß ich mich zurückzugehen, befahl meinen Leuten aufzusitzen uud hinter einen von mir bezeichneten hohen Berg zu reiten und sich dort zu sammeln. Ich kann Dir sagen: diesen Befehl zu geben, das ist mir furchtbar schwer ge worden. Doch sah ich unsere schauderhafte Lage ein; auf der einen Seite waren die Kerle schon bis aus 50 Schritte heran, von allen Seiten gaben sie auf uns Schnellfeuer ab und es war außerdem nicht die Aufgabe der Patrouille, ein großes Gefecht zu suchen. Als letzter verließ ich mit meinem Bambuscn, der sich ganz ausgezeichnet benommen, den Platz Am Fuße der von mir bezeichneten Höhe fand sich ein Mann von mir, dessen Pferd erschossen worden war und der, stark ermattet, kaum noch weiter konnte. Ein anderer Reiter setzte ihn auf seinen Gaul. Während dem wurde immer weiter auf uns geschossen. Den Berg hinauf mußte ich, der Steilheit wegen, mein Pferd führen. Oben angelangt, traf ich mit meinen Leuten zusammen. Ich glaubte nur wenige wiederzufinden, doch alle waren sie da, bis auf den Kaffer, der die erste Herde Bockies zurückgetrieben. Es war ein Wunder, daß wir noch alle lebten. Erst das Schnellfeuer, das die Hereros auf uns abgegeben, als wir an der Klippe waren, dann der Durchbruch durch die feindliche Linie. Hätte ich noch eine Minute mit meinem Rückzugsbefehl gezögert, ein zweites Ooikokorero hätte stattgefunden. Sehr günstig war für uns die einbrechende Dämmerung gewesen; erstens beeinträchtigte sie das Schießen der Hereros, zum zweiten verfolgten sie uns nicht, da sie unsere Spur in der Dunkelheit nicht sehen konnten. Wir warteten auf der Höhe noch eine Zeitlang, um uns ein wenig zu erholen. Dann ging es weiter. Die Nacht war unterdessen völlig hereingebrochen, aber glücklicher weise war Heller Mondschein. Zunächst mußten wir wieder den steilen Berg hinab; die Pferde mußten wieder geführt werden, da der Weg zu schlecht. Alle Minuten fiel einer von uns hin, denn die Beine konnten uns kaum noch tragen. Um 9 Uhr abends machten wir auf einer Höhe Halt. Es war wieder furchtbar kalt. Von 9—12 Uhr schlief ich wie ein Toter. Dann weckte mich das kreischende Geschrei der Paviane. Was war die Ursache hierzu? Entweder waren die Tiere durch Menschen aufgeschreckt worden oder durch einen Leoparden. Gegen 3 Uhr morgens meldete mir der Posten, er habe menschliche Stimmen gehört. Um 4 Uhr morgens ritten wir ab. Unser Pfad führte wieder bergauf, bergab, über Klippen, Felsen und Reviere. 9-/2 Uhr waren wir wieder an Gieblers Vieh- posten. Hier kochten, wir unsern Kaffee ab und zehrten den Rest unteres Proviants, der sehr knapp geworden war, auf. Von da aus ritten wir 12 Uhr mittags weiter und trafen 4 Uhr nachmittags in Windhuk ein. In was für einer Gefahr wir geschwebt, kam mir jetzt erst zum Bewußtsein. Doch ein Kaffer fehlte ja noch, und zwar der, der den ersten Klump Bockies weggetrieben. Wir glaubten ihn bereits tot, als er 3 Tage nach uns hier anlangte. Er erzählte, daß er sich mit dem Vieh, als die Hereros so heftig auf uns schossen, hinter eine Höhe geflüchtet hätte. Als die Hereros zu unserer letzten Stellung ge kommen wären, hätten sie vergeblich nach Toten gesucht. Sie wären sehr enttäuscht gewesen, keine zu finden. Ein Teil derselben habe sich zu unserer Verfolgung aufgemacht, auch hätten die Hereros selbst ziemlich schwere Verluste gehabt. Unter dem Schutze der Dunkelheit hätte er dann die Bockies weitergetrieben, sei am nächsten Morgen auf unsere Spur gelangt und habe bis Gieblers Viehposten durchgetrieben. Hier habe er jedoch, da die Bockies sehr ermüdet waren, zwei Tage ausgeruht. Ehe ich nun mit dem Bericht meines erfolgreichen Patrouillenritts aufhöre, will ich noch die Leistungsfähig keit der Pferde heroorheden. Kein Körnchen Hafer hatten wir mit, ihre Nahrung war Weide. Sobald wir rasteten, wurde abgesattell, die Spannfesseln angeschnallt, und das Pferd sich selbst überlassen. Jetzt zur Winterszeit ist natürlich das Gras nicht so nahrhaft, wie in den anderen Jahreszeiten und trotzdem haben sie diesen anstrengenden Ritt, der über Berge und Klippen ging, wo kein Weg mehr war, ausgezeichnet ausgehalten. Und dabei waren unsere Pferde von einer außerordentlichen Gewandtheit, selbst im Dunkeln gingen sie den steilen Abhang hinan. Wie man sein Pferd nach einem solchen Ritte schätzt, kann nur der wissen, der einmal ähnliches durchgemacht. Aus dem Gevichtssaale. Die Verzweiflungstat einer unglückliche» Frau und Mutter beschäftigte das Schwurgericht des Berliner Landgerichts I. Wegen versuchten Tot schlages hatte sich die Tischlersehefrau Meta Ohm geb. Bertsch zn verantworten, und was die bleiche, abgehärmte Frau oft mit tränenerstickter Stimme er zählte, erregte das tiefste Mitleid bei allen im Saale Anwesenden. Frau Ohm war eine fleißige ruhige Ar beiterin, die ihren Lebensunterhalt durch Nähen auf der Nähmaschine in einer Berliner Fabrik erwarb. Sie war sehr schwächlich und blutarm und es kam öfter vor, daß sie während der Arbeit von einer Art Ohnmacht befallen wurde. Da lernte sie den Tischlergesellen Karl Ohm kennen, es entspann sich ein Liebesverhältnis und in dem selben Monat, als sie vor Sier Jahren die Ehe schloffen, wurde ihnen ein Sohn geboren. Die Ehe war anfänglich glücklich, die Frau tat ihre Pflichten, sie ver sorgte ihren Ehemann, der als Akkordarbeiter gutes Geld verdiente, gut und Beide liebten ihren Sohn, den kleinen Richard, abgöttisch. Da wurde sie vor etwa 2 Jahren von einem schweren Schlaganfall betroffen, der die Folge hatte, daß ihre linke Körperseite gefühllos geworden ist Md sie nur schwer mit der Sprache vorwärts kommt. Teildem ihr dieses körperliche Leiden zugestoßen, ist daS Unglück in ihr Haus gezogen. Die durch die Krankheit sehr nervös gewordene Frau wurde bald gewahr, daß ihr Mann sie mehr und mehr vernachlässigte. Während sie mit dem Wirtschaftsgeld sehr knapp gehalten wurde, gab der Ehemann viel Geld aus, er blieb die halben Nächte vom Hause weg. Die schon so schwer leidende Frau wurde nun auch noch durch die Marter der Eifersucht ge quält und mehr ihres Lebens überdrüssig. Sie hatte wiederholt ihren Mann vom Weggehen zurückhalten wollen und gedroht, sich mit samt ihrem Kinde das Leben nehmen zu wollen, hierauf aber nur die lakonische Antwort erhalten: „Na, aber den Richard nimm dann nicht mit!" Der Gedanke, daß sie sich mit samt ihrem Kinde das Leben nehmen wolle, setzte sich in ihrem Kopf immer fester. Am 3. Pfingstfeiertag wurde der Gedanke in die Tat verwandelt. Trotz ihrer Bitten war ihr Mann schon nachmittags weggegangen und abends noch nicht heimgekehrt. In der zehnten Stunde schrieb sie einen Brief an ihren Bruder, der etwa wie folgt lautete: „Lieber Bruder! Ich schicke Dir meinen letzten Gruß, denn so ein Leben kann und will ich nicht länger ertragen. Ich habe,es immer wieder versucht, so lange ich gesund war, jetzt aber kann ich es nicht mehr und scheide deshalb aus der Welt. Richard ist unschuldig, aber ich muß ihn mitnehmen. Karl hat sich heute wieder fein gemacht und ist weggegangen, ich habe ihn gebeten, er hat aber nicht gehört. Ich laste ihm kein ganzes Stück, wenn auch manches zum Zerstören zu schade ist. Ich habe es um ihn nicht verdient. Vielleicht freut er sich noch, da er nun kann immer allein gehen, aber ich Der Australier. Nvman von E. W. Hornung. 78s (Nachdruck verboten.) Nun zuerst die Scheine. Er kniete neben seinem Ovfer nieder, indem er es vor sichtig ansab. Der Getroffene lag auf dem Rücken ausgcstreckt guer über dem Wege. Rock und Weste waren, jedenfalls beim Lausen, aufgerissen, und das weiße Hemd zeigte einen dunklen Fleck, der jeden Augenblick an Ausdehnung znnahm. chonnd Nagte sich, ob er Wohl das Herz getroffen habe. Das znrnckgeworfeue Gesicht mit den geschlossenen Augen- lidern und d°m aeou^ Mund war naß von Schweiß und dem "i'elt^ seine Hand einen halben Zoll über den Mnnd hielt, bemerkte er, daß Rhan noch leise atmete „Sein letztes Röcheln", dachte er ohne ein Bedauern zu fühlen.' Blut floß aus einer Kopfwunde, die der Erschossene beim Fallen sich zngezogen hatte, aber das entging der Beachtung des Mörders. Was ihm aufsiel, war, daß die Alme gerade an den Seiten herunter lagen und daß die rechte Hand einen Revolver hielt. Bei diesem Anblick sprang Zean Pound mit einem er regten Ausruf auf die Füße. Er zog seinen eigenen Revolver wieder hervor, um sich zu überzeugen, daß er sich nicht geirrt hatte. Nein! Die Pistolen waren in jeder Eigentümlichkeit gleich. Das glatte, plumpe Gesicht glänzte vor teuflischer Freude. Er zeigte mit einem Finger, der jetzt vor Erregung zitterte, auf die Pistole in der leblosen Hand, dann befühlte er bedeutungsvoll den Lauf seiner eigenen. „Selbstmörder", flüsterte er, »Selbstmörder!" Er wieder holte das Wort so oft, bis er glaubte, seine volle Wichtigkeit begriffen zu haben. Dann kniete er wieder nieder uud beugte sich über den zu Boden gestreckten Rban mit der vertrauens vollen Miene eines .glücklichen Mannes, der auf dem Punkte steht, einen Schatz zu beben. Langsam und vorsichtig öffnete er die Knöpfe an Rvans Hemd, er kam jetzt mit dem Blut in Berührung und mußte neue Flecke vermeiden. Er wollte nur nehmen, was er wünschte, ohne eine Svnr zurück zu lassen, dann Rvans Pistole absckießeu und sich davon machen. Also nun — die Scheine! Die Brust war schon in Blut gebadet — aber Pound sah sofort den Gegenstand seines Suchens, und sein böses Herz hüpfte vor Freude. Aber — der kleine Sack von geölter Leinewand war klein — unerwartet klein — unglaublich klein sogar! Aber es gab Banknoten für enorme Summen, und ein Bankvapier, auch zwei oder drei, konnten sich leicht so klein zusammenfalten lassen. Pounds unwissendem Verstand schien es ganz natürlich, daß Sundown, der unvergleichlich kluge Sundown, sein unrecht erworbenes Geld in gutes, leicht zu transportierendes Papier geld zu irgeud einer Zeit, au irgend einem Ort eingewechselt habe. Geschickt schnitt Ponnd mit der scharfen breiten Schneide seines Messers die an dem Säckchen befestigten Bänder ab und ergriff ihn am äußersten Ende. Er war ganz mit Blut befleckt, welches er bedächtig an Rvans Rockfntter abwischte, ebenso wie seine eigenen Finger. Er wußte wohl, daß Banknoten nicht mit Blut befleckt fein durften. Aber wie leicht wog der Benrel in der flachen Hand, als wenn er überhaupt nichts enthielt! Doch nach seiner Forni muute etwas darin sein. Ponnd erhob sich, nm nachznschcn; fein Vertrauen sank, seine Kniee schlotterten vor Schrecken. Er ging unsicher bis au die Brustwehr, fetzte sich nieder und trennte den kleinen Sack mit solcher plnmvcn Hast auf, daß er sich in den Finger schnitt. Jean Pound saß wie zn Stein erstarrt. In seiner linken Hand hielt er noch das Biesser und das Säckchen, die rechte war leer, denn der Inhalt, eine Locke blonden Haares, war auf die Erde gefallen. Jean Pounds Gesicht zeigte eine unaussprechliche, grenzen lose Enttäuschung, plötzlich sah er auf, und seine Miene ver wandelte sich in eine Grimasse sprachlosen Schreckens. Die Mündung des anderen Revolvers war auf ihn gerichtet. Durch die in seine Lunge eingedrungene Kugel heftig blutend und betäubt durch den Fall auf seinen Kopf, hatte Rvan seine Besinnung gerade in dem Augenblick, als Pound den kleinen Sack aufriß, wiedererlangt; er hatte Zeit, über das mm Folgende matt lächelnd, seinen Vorteil zu be rechnen. Ryan sprach jetzt nicht. Das schwache Lächeln war aus seinem Gesicht geschwunden: in dem unerbittlichen Blick las der geächtete Elende, auf der niedrigen Brustwehr sitzend, sein Todesurteil. Ein Schweigen von wenigen Augenblicken! Pound ver suchte, seine Zunge zu gebrauchen, aber sie war wie gelähmt. Dann erklang das Echo eines scharfen zweiten Pistolenschusses von der Klippe, und als der weiße Dampf sich verzog, war die Brustwehr leer — Jean Pound war verschwunden. Ryan hatte seinen Vorteil wahrgenommen. Dann siel er zurück, die Pistole entglitt seiner Hand. Wieder verlor er die Besinnung, aber diesmal kam er bald wieder halb zu sich, und die Ereignisse der letzten Minuten und Stunden verwirrten sich in einer Art Delirium. Das, was in dem Augenblick, als seine Sinne ihn verließen, passiert war, stand ihm am klarsten und allem voran in Erinnerung! „Der Schurke", stöhnte er schwach. „Er ließ mir keine Wahl. Er hat mich getötet! Ich verblute mich zu Tode, und keine Seele ist da, mir beizusteüen!" lind doch hatte er sich noch soeben klar gemacht, daß sein Leben wertlos sei, und sogar daran gedacht, es mit eigener Hand zu enden; auch davon kam jetzt eine dunkle Erinnerung über ibn. (Fortsetzung folgt.)