Volltext Seite (XML)
2. Ailage zu Ar. 104 des Wochenölattes für Wilsdruff. Aus Sachsen. Wilsdruff, den 2. September 1904. Amtlich wird bekannt gegeben: Im Auftrage der Ministerien des Innern und der Finanzen sollen vom laufenden Jahre an in der Königlichen Forstakademie Tharandt alljährlich wieder Vorträge über Teich wirtschaft und Fischzucht durch den Professor Dr. Jacobi abgehalten werden. Die erste Serie umfaßt: biologische Grundlagen der Teichwirtschaft, Teichbau, Teich behandlung. Die Vorträge und Demonstrationen dieser Serie beginnen Montag, 3. Oktober d. I., nachmittags 2 Uhr, und schließen Sonnabend, 8. Oktober d. I., mittags 12 Uhr. Gesuche um Zuweisung der Plätze zu den jedermann unentgeltlich zugänglichen Vorträgen sind baldigst an die Geschäftsstelle des Sächsischen Fischer vereins in Dresden-Altstadt, Wiener Platz Nr. 1, Ein gang L, zu richten. In einer Fabrik der Barbara-Straße in Dresden lief eine Strohhutnäherin in die offen gelassene Fahrftuhl- Oeffnung hinein. Sie stürzte vier Meter tief hinab und erlitt eine Gehirnerschütterung, der sie erlegen ist. In den Kunstwerkstätten von K. F. Seifert in Dresden haben 50—60 Arbeiter (von insgesamt 80) die Arbeit niedergelegt, weil sieben Kommissionsmitglieder ent lassen worden waren. Im königlichen Großen Garten in Dresden erschoß sich ein 27 jähriger Kaufmann infolge verfehlter Speku lationen. Die Verheerungen der Bodenspekulation zeigt in handgreiflicher Weise eine Zwangsversteigerung, welche kürzlich in Dresden-Mickten stattfand. Drei Baustellen waren zusammen auf 17460 Mk. taxiert und wurden für 16500 Mk. losgeschlagen. Die drei Baustellen waren mit 125368 Mk. Hypotheken belastet, sodaß beinahe 109000 Mk. ausgefallen sind. Nach dem Taxwerte war das Quadratmeter dieses Landes 9 Mk. wert, belastet war es aber mit 64 Mk., also mit dem Siebenfachen des eigentlichen Zeitwertes. Um „das Glück zu versuchen", gingen ein Kellner und einige Lohnkutscher von Pirna nicht erst nach Monako, sondern blieben hübsch dort, indem sie meinten, daß auch in einer einfachen Kutscherstube die Gunst Fortunas zu erringen sei. Und man hatte sich nicht getäuscht. Beim sogen. „Häufeln" wanderten ganz hübsche Beträge in die Hande des vom Glücke Begünstigten. Reihum hielt man die Bank, aber als man endlich Schluß machte, war doch, wie das nun einmal nicht anders möglich ist, ein „Ge rupfter" dabei, und diesmal war es der Kellner, dem erper der Lohnkutscher gegen 200 Mark „abgeknöpft" hatte. Um 4 Pfennige bis zum Landgericht. Die Post- behörde hat einen Streit wegen 4 Pfennigen bis zum Landgericht getrieben. Neun Herren eines Briefmarken- vereins in Meerane sandten ihrem Vorsitzenden eine Ansichtspostkarte mit einer lose aufgeklebten, gebrauchten 80 Pfg.-Marke versehen und zwar an der für die Fran katur bestimmten Stelle. Der Vorsitzende sollte die Marke für eine Sammlung erhalten, dafür aber 2 Pfg. Strafporto zahlen — scherzeshalber. Die Post sah hierin eine Portohinterziehung. Sie hatte aber mit dem Antrag auf Eröffnung des Strafverfahrens weder beim Staats anwalt noch beim Gericht erster Instanz Glück. Es wurde ihr bedeutet, daß, wenn eine Portohinterziehung beabsichtigt gewesen sei, die betreffenden wohl eine in Farbe und Wert geeignetere Marke verwendet haben würden. Dieselbe hätten sie dann sicher auch fest auf geklebt. Auch könne von einer Schädigung des Staates nicht die Rede sein, denn es hätte Strafporto erhoben werden können. Die Post gab sich damit nicht zufrieden und erhob Beschwerde beim Landgericht, wurde damit aber abgewiesen. — Was mögen die 4 Pfennige an Arbeit und Geld gekostet haben!! O heiliger Bureaukratius! In gemeinschaftlicher Sitzung der städtischen Kollegien in Olbernhau wurde am Sonnabend Ratsassessor Steuer in Dresden zum Bürgermeister gewählt. Der Luftschiffer Spiegel, der am Sonntag nach mittag vom Etablissement Tiergarten Scheibe in Chemnitz aus einen Ballonavfstieg unternommen hatte, ist in der Nacht zum Dienstag wohlbehalten bei seinen Angehörigen in Dresden eingetroffen. Er erreichte mit seinem Ballon eine Höhe von 4260 Meter (bei einer Temperatur von 6 Grad Eelsius unter Null) und landete unter schwierigen Verhältnissen auf der sogenannten Polackenheide bei Ko- motau. Die Fahrt schildert der Luftschiffer als eine seiner schönsten und denkwürdigsten. Viel Unheil ist schon durch die Unsitte mancher Ge schirrführer, mehrereWagen zusammenhängend zu befördern, angerichtet worden. Am Montag Mittag wurde in' Oelsnitz i. V. durch einen solchen „Doppelwagen", als sich der Anhänger löste, ein 4jähriges Kind überfahren und schwer verletzt. Eine unangenehme Zeitgeschichte widerfuhr letzte Woche einer Firma im nordwestböhmischen Jndustrie- bezirke. Sie hatte einen Waggon Frachtgut nach Zittau beordert und den Inhalt als Baumwollabfälle deklariert, für welche kein Ausfuhrzoll zu zahlen ist. Die öster reichischen Zollbeamten unterzogen jedoch den Waggon in Zittau einer gründlichen Prüfung und entdeckten hierbei, daß sich bei der Türe des Waggons wohl eine geringe Menge Baumwollabfälle befand, die übrige Ladung aber aus Hadern und Lumpen bestand, die einem be- deutenden Ausfuhrzoll unterliegen. Der Zoll würde in diesem Falle über 500 Kronen betragen haben. Außer dem fanden sich aber auch noch 7 Ballen Kettengarn im Gewicht von 900 Kilo vor, die wieder der Achtsamkeit der sächsischen Zollbehörde entgehen sollten, um hier 500 Mk. Einfuhrzoll ersparen zu können. Die Zollbehörden belegten das Kettengarn mit einer Strafe von 3000 Mk. Der Adressat in Zittau verweigerte daraufhin die An nahme der Ladung. Die ganze Sendung im Gewicht von 5000 Kilo rst von der österreichischen Zollbehörde mit Beschlag belegt worden. Dem österreichischen Staate wird durch diese Entdeckung an Strafe und Zoll eine Einnahme von etwa 6000 Kronen zufließen. — Wie ver lautet, soll der Empfänger zugleich Absender der beschlag nahmten Waren sein. - In der Nacht zum Montag machte der etwa 40 Jahre alte Bergarbeiter Richard Bauch inLugau seinem Leben durch Erschießen, jedenfalls mittels Dynamit, ein Ende. Wie Augenzeugen berichten, ist der Körper B.s durch die Gewalt des Schusses in entsetzlicher Weise verstümmelt worden. Der 29jährige verheiratete Kontorist Ernst B., der am 7. August nach Unterschlagung eines größeren Geldbetrags mit einer in Annaberg in Stellung gewesenen Kellnerin durchbrannte, ist am Freitag mit seiner Begleiterin in Breslau verhaftet worden. Der aus Lobendau i. B. gebürtige, kürzlich in Wien verstorbene Hofrat Professor Dräsche hat seiner Heimatsgemeinde reiche Vermächtnisse hinterlassen. Zum Andenken an seine Eltern errichtete er eine Stiftung in Höhe von 160000 Kronen unter dem Namen „Josef und Magdalena Drasche-Stiftung für Arme und Sieche", ferner Studienstistnugen im Betrage von 14000 Kronen für zwei Knaben aus Lobendau, welche die Mittelschule besuchen und 100000 Kronen für zwei Mädchen, welche Lehrerinnen werden wollen, sodann Stiftungen für humani täre Vereine in Lobendau im Betrage von 6000 Kronen. Aurze Lhrsnik. In-er Affäre Lucie Berlin, die, wie erinnerlich, ebenso wie die elfjährige Margarete Koschoreck in Berlin einem Lustmorde zum Opfer siel, war gegen den der Tat beschuldigten Berger die Voruntersuchung, nach Abschluß der Sachverständigengutachten durch den Untersuchungs-