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MMll» »E Dienstag, 19. Juli 1904 Frauenleben im Reiche des Schah. Die Frauenbewegung, die das moderne Weib zum Gipfel sehnsüchtig erträumter Menschenwürde emporheben soll, ist bisher bis zum Reiche des Schahs noch nicht vor gedrungen. Still und friedlich, durch uralt geheiligte Traditionen geregelt, spinnt sich in Persien das Leben des Weibes ab. Nur für den Mann und seine Beglückung erzogen, von Rosendüften umwoben, von Lenzeslüften um haucht, von den Liedern der „Bülbül" umschmettert, schim mert das persische Mädchen noch immer wie eine liebrei zende Gestalt der Dichterphantasie zu uns herüber und scheint des Ringens und Kämpfens, des Strebens und der ernsten Arbeit des abendländischen Weibes zu spotten. Fretltch, ganz so zart und duftig, wie sie aus den Gefangen des „Mirza Schaffy" auftaucht und zu unseren Herzen redet, ist die Perserin nicht. Die Wirklichkeit, das gemeine Leben streift auch von ihnen den Schleier der Poesie. Gewiß, die Frauen und Töchter eines edlen Persers sind vielfach ideale Wesen und verdienen wohl die Huldigungen, die die Männer, die Dichter ihnen zu Füßen legen. Sie sind liebenswürdige Erscheinungen, die ihre Körperreize durch Raffinement der Toilette zu erhöhen wissen; sie strahlen von Frohsinn und guter Laune sind graziös und entzückende Plaudermäulchen; wissen die Lieder ihrer Dichter auswendig, verstehen zu singen, zu tanzen und die Laute zu schlagen, sind gastfreundlich, großmütig und tiefrcligiös. Dabei können sie bei aller Poesie der Lebensführung recht praktisch sein und genießen den Ruhm vortrefflicher Wirtschaftlichkeit und exquisiter Kochkunst. Hand in Hand mit all diesen Tugenden und Vorzügen, geht jedoch auch bei den edelsten, nicht nur bei den Frauen des gemeinen Volkes, eine schier unglaubliche Beschränkt heit, Unwissenheit und Nachlässigkeit in den gewöhnlichsten und selbstverständlichsten Dingen des täglichen Lebens. Die Schuld daran trägt einzig und allein der Mohamme- danismus. Mit der Frömmigkeit der Perserin vereint sich auch der krasseste Aberglaube. Sie ist deshalb leicht zu be trügen und gibt die reichsten Almosen an Zauberer, Ma- gier, Wahrsager, fanatische Derwische und Gaukler aller Art, um von ihnen irgend eine Sehnsucht gestillt zu er halten, ein gutes Omen zu erlangen, einen Sohn, die Gunst ihres Mannes, seine Bekehrung von Trunk und Spiel und anderen Lastern. Ihre Ueberzeugungsttme würde rührend sein, wenn sie nicht so närrisch wäre. Fragt man sie, warum sie eigentlich den Propheten und seine Nachkommen, die „Imams", so glühend verehre, die doch der Frau eine so untergeordnete Stellung zugewieseu haben, so antwortet sie demütig: „Was ist das Weib? Asche füllte ihre Augen!" Nur für den Mann ist die Frau geschaffen worden. Sie soll ihn zum Heiligen machen, ihn für das Paradies vorbereiten. Dafür harrt ihrer der Lohn im Paradiese!" Macht man sie nun auf einen Widerspruch im Koran aufmerksam und zeigt ihr, daß für die irdischen Weiber im Paradies gar kein Platz ist, indem dort die „Puris" und „Huris" für die Be glückung des Mannes zu sorgen Haden, so daß das ir dische Weib dort überflüssig wird und auch dort wieder wie auf Erden, znrücktreten muß, dann wird sie sieb mit der Hoffnung trösten, daß Fatme, die Tochter des Pro- Sonst ist die persische Frau im Haushalt die Ge wissenhaftigkeit und Sparsamkeit selbst. Dafür wenigstens bringt sie die vorzüglichste Ausbildung mit. Sie versteht das Kochen und Backen, fabriziert Käse und Seife, spinnt und strickt und stickt die herrlichsten Teppiche. Im Hause des gemeinen Maunes ist sie zugleich Herrin und Magd. Nachdem sie Zimmer und Möbel gereinigt und das Ge schirr gewaschen hat, geht sie Gras mähen, die Tiere füttern, die Kühe melken, die Ställe säubern, was zugleich mit der Pflicht, drei Mahlzeiten des Tages herzustellen, ein tüchtiges Stück Arbeit bedeutet. Alles das verrichtet sie freudigen Herzens, singt im Stall, schwatz mit den Hühnern, tanzt lustig im Garten umher, während sie das Unkraut jätet, und läßt dabei noch, sowie sie nur eine Minute frei hat, die Stricknadeln munter klappern. Be sonders die Frau des Landmannes ist eine Riesin an Arbeitskraft und trägt Lasten, die fünf Europäerinnen nicht fortschleppten. Trotz ihrer jammervollen Unwissenheit und Dummheit versteht es die Perserin — diese Begabung hat die gütige Natur auch ihr mitgegeben — eine dominierende Gewalt über den Mann zu erringen. Sie ist eine unendlich feine Beobachterin, hat einen untrüglichen Instinkt. Und ihre Herrschaft über den Mann braucht sie stets zum Guten. Sie arbeitet seine edlen Eigenschaften heraus, dämpft seine schlechten. Schnell meistert sie das ganze Detail seiner Launen und Eigenschaften. Sie führt und leitet ihn, ohne daß. er es weiß. Ihr Takt hilft ihr über jeden Anstoß hinweg, ihre Nachgiebigkeit besänftigt seinen Zorn, ihre Teilnahme, ihr Mitgefühl erleichtern ihm Kummer und Sorge. So geschieht es bald, daß der sonst so eigen- sinnige, Herrschsüchte und auf seine Macht eifersüchtige Perser die ^Überlegenheit seiner Frau anerkennt und ihr das Feld überläßt. Glücklich ist sie dann, wenn er sie auch öffentlich preist, denn nun weiß sie zuversichtlich, daß sie so leicht von keiner anderen im Harem verdrängt werden wird. Die Herrschaft über ihren Mann hat eine Perserin natürlich schon von vornherein, wenn sie bei der Vermählung ihm an Rang und Vermögen überlegen war. Er fürchtet sich in diesem Falle vor ihren Verwandten und ist seinem Weibe auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Ist die Frau nun gar eine Prinzessin, eine der vielen Töchter des Schah, die auf Befehl des Monarchen einen Untertan geheiratet hat — um sie zu freien, durfte er nicht wagen — so ist er selbstverständlich stets ihr Sklave, ihr Spielzeug. Sein Los ist aber durchaus kein unglückliches. Diese Prin zessinnen, die eine hohe Bildung mitbringen, werden die besten Gattinnen, schon weil der Herrscher selbst ihre Ehe über wacht und aller Augen auf sie gerichtet sind. In weniger guten, Leumund stehen die Töchter hoher Würdenträger, die unter ihrem Stande heiraten. Sie werden die Plage des Gatten durch Hochmut und schlechte Eigenschaften. Von diesen „Feuerbränden" weiß die per sische Spottdichtung gar viel zu melden. Der Dichter Sadi hatte das Unglück mit solch einem Ausbund von Jähzorn und Herrschsucht einen Bund schließen zu müssen. Er war in die Gefangenschaft von Kreuzfahrern geraten, ein mächtiger Freund kaufte ihn frei, und gab ihm seine Tochter zur Ehe. Sie wurde ihm die denkbar schlechteste Frau, die Qual seines Lebens, weil ihm die Mittel fehl- phsten, der die Hälfte des Paradieses als Reich zuge wiesen ist, schon für sie sorgen und sie belohnen wird! Traurig ist ihre Unkenntnis der gewöhnlichsten For derungen der Hygiene, wodurch die Gesundheit und Er ziehung der Kinder den größten Schaden leidet. Von ärztlichen Vorschriften bei der Ernährung und Pflege der Kleinen hat sie keinen Begriff. Reich und arm ist sich darin gleich. Eine vornehme Dame vertraut ihr Kind der Obhut einer Wärterin an, die ebenso unwissend ist wie ihre Herrin. Ist dann einmal ein Kind erkrankt, so werden die Quacksalber herbeigeholt, die überall in Persien die Stelle des geschulten Arztes vertreten. Die unmöglichsten Medikamente werden dem armen, kleinen Patienten beigebracht, und wenn er gesundet, geschieht es trotz des Doktors, der ihn behandelt hat. Oft wird auch ein Mullah, ein Priester, zu Rate gezogen, der dann der Krankheit, die natürlich durch böse Geister verursacht worden ist, mit Koran-Zitaten und hieroglyphischen Sprüchen, auf Streifen Papier geschrieben und dem Kranken um das Hemd gewickelt, zu Leibe rückt. Solche heilige Schriftzelchen tragen übrigens die mohamedanischen Kin der zu allen Zeiten in ihre Unterwäsche eingenäht. Wie die Hygiene im Allgemeinen so wird auch die Sauberkeit im besonderen gröblich mißachtet. Vergeblich wird man eine Frau, die in ihrem Kruge Wasser aus aus einer Stelle des Flusses holt, wo Schmutzabflüsse hi- neinströmen, zu belehren versuchen, daß das Wasser weder zum Trinken noch für die Küche taugt. Leichtfertig wird sie sagen: „Ach was! Wasser säubert alle Dinge und sollte sich selbst nicht säubern können?" Mit ihrer Nah rung ist die Perserin gleich unvorsichtig. Faulige Früchte, Fleisch von kranken Tieren genießt sie ohne Bedenken. Säugende Frauen nehmen auf ihr Kind nicht die geringste Rücksicht und legen es gleich nach Genuß der unerträg lichsten Speisen an. Die Frauen sind höchstens auf die Sauberkeit ihres Gesichts bedacht. Ebensowenig ist man mit der Leibwäsche penibel. Die Impfung betrachtet der Moslem als ein Verbrechen, wie er sich überhaupt gegen alles auflehnt, was vom Abendlande kommt. So fanden beispielsweise die von den amerikanischen Missionaren ein geführten Tomaten keine Aufnahme beim Volke, man nannte sie die „Aepfel der Ungläubigen" und mied sie wie etwas Giftiges. Leider gibt es in Persien keinerlei öffentliche Schulen für das weibliche Geschlecht. Nur emige wenige Damen der höchsten Klassen können lesen und schreiben, sie haben das im Elteruhause gelernt. Die Folge des Mangels jeder Bildung, aller Kenntnisse ist eine Unwissenheit in den einfachsten Dingen, eine Naivität, die bis zur Albernheit geht. Eine persische Scherzgeschichte weiß von solcher Borniertheit der Durchschnittsperserin ein lustiges Beispiel zu erzählen. Ein verschmitzter Geselle kommt zu einer- braven Hausfrau und will ihr ihre Hühner abkaufen. Man einigt sich über den Preis, der Gauner verspricht, das Geld später zu bringen, nimmt sämtliche Hennen mit und läßt dem guten Weibe den Hahn zurück als — Sicher heit für sein baldiges Wiederkommen. Freudestrahlend erzählt am Abend die Frau ihrem Manne von dem guten Handel, den sie gemacht, und kann nicht begreifen, warum sie von ihm eine Tracht Prügel als Belohnung für ihre Schlauheit erhält. Beilage zu Nr. 84. Der Australier. Roman von E. W. Hornung. 261 (Nachdruck verboten.)' „Ich möchte nur etwas wissen", begann Dick schnell mit leiier Stimme, „ob dies Ganze eine Verabredung ist. Sage es, wenn eS der Fall war.- soweit es mich angeht, soll ihr Effekt ein möglichst schneller sein - ich werde sofort gehen. Nur möchte ich gleich im Anfang das Schlimmste wissen." Alice saß Ivie ein Steinbild da. Sie gab kein Zeichen von sich, daß sie ihn gehört hatte. Armes Mädchen! Des Geschickes Hohn schien sich auf sie gerichtet zu haben. Sie hatte Dick nur eingeladen, um ihn über Mr. Miles nm Nat zu fragen. Und nun — l „Du sagst nichts", begann Dick wieder, doch weniger be herrscht, „aber Du mußt mir eine Antwort geben, ehe einer von uns das Zimmer verläßt. Ich will alles, was ich missen muß, sofort erfahren. Es soll ein Ende mit diesen Täuschungen gemacht werden." . „Welches Recht hast Du, so mit nur zu sprechen?» iDas Recht eines wahren - wenn auch, wie ich sehe — hoffnungslosen Liebenden. Antworte mir, hattest Dn dies üevlant?" »Du weißt das ist abgeschmackt." kalt und gleichgültig sie sprach. Hatte sie denn ein Herz von Stein? Aber . in Dicks Auaen war wenig wahre Liebe, vielmehr wahrer Haß zu lesen. Noch jetzt würde ein sanftes Wort, ein zärtlicher Blick von ihm Thränen des Mitleids und der Rene haben fließen lassen. Seine nächsten Worte erstarrten sie. „Keine Verschwörung Eo! Nur reines, kunstloses, ehr liches, richtiges Lieben und. natürlich nur durch ein unglückliches Zusammentreffen, derMann. den Du eiustliebtest und für immer zu Deinem Sklaven machtest, gerade zu dieser Stunde anf- aefordl-rt, heljukommen und thatsächlich den Mittelpunkt dazu zu bilden!" — Und das war Zufall! Ich freue mich, cs zu hören.» Sicher waren dies, auch wenn die Herausforderung ihm ungeheuer schien, zn harte Worte, aber man darf nicht ver gessen, daß er sic jahrelang geliebt, ihretwegen sich von England loSgerisscn und ihr Bild während der ganzen Zeit treu im Herzen getragen — und außerdem, Lab er ein rauhes Leben in rauhen Gegenden geführt hatte, wo Männer leicht die feinere Lebensart abstrcifcn. Wenn Vorwürfe beleidigend werden, ist ein Weib nicht länger ohne Verteidigung. Ob sie im Recht oder Unrecht anfangs war — jetzt hat sie recht. Sie hat mir dies Bewußtsein nötig, um ihren Geist amznrütteln und ihre Znngc zu lösen. „Ich Verstehe Dich nicht", rief Alice, ihm gerade ins Gesicht sehend. »Sei so gnt. Dich deutlich zu erklären, ehe ich das letzte Wort ausspreche, das uns auf immer treuueu wird." „Ja, ich werde mich erklären", rief Dick, außer sich, „ich werde Dir klar macheu, wie Du mich behandelt Han. Während Du wußtest, daß ich auf der Heimreise war, nahmst Du mir Deine Liebe und gabst sie einem andern. Nun wohl, der Manu, dem Du schmeichelst, den Ihr verzieht, mit dem Du kokettierst, der Mann, welcher wie ein Hund hier herumwcdelt, ist ein Landstreicher, ein. Schuft und ein Vagabund, denke an meine Worte."' Wie im Nebel sah er alles vor sich, bebend vor Leiden schaft, und so schien sich eine Statue, rein und kalt, vor ihm zu erheben.. „Ein Wort", sagte Alice Vristo mit einer ebenso kalten nnd ruhigen Stimme. „Du sprachst davon, ein Ende zn machen mit der — Täuschung, das war das Wort, welches Du ge brauchtest. Nun wohl, früher war etwas zwischen uns, obgleich Du ein freundlicheres Wort hättest wählen können, aber, wie Du weißt, ist das lange vorbei. Seitdem waren wir Freunde; ja, auch das soll zn Ende sein, wenn Dn es auch auf andere Weise hättest fordern können. Bleibe hier, ich bin noch Mt zu Ende. Du sprachst von Mr. Miles; das meiste war keiner Beachtung wert, denn Du mußt Deine Selbstbeherrschung soweit verloren haben, daß Dn nicht zu wissen scheinst, wa» Du sagst. Du Machst in grausamer, schlechter Weise von Mr. Miles und hast hinter seinem Rücken Worte ausgesprochen, die Du ihm nie ins Gesicht sagen würdest. Er ist wenigste»; großmütig und gut. er wenigstens vergißt nie, daß er ein Gentlenian ist, aber wenn, wie Du selbst siebst, dieser Mann so viel edler, treuer und größer ist als Du, wie kannst Dn wagen, ihn einen Schurken zu nenncu.» „Du liebst ihn!" rief Dick wild. Anstatt zu antworten, schlug Alice ihre Augen nieder. Bis zum äußersten getrieben, das Herz zerrissen von Weh, konnte sie der ihr sich bietenden Gelegenheit zur Rache nicht wider stehen. Besser konnte keine Lüge ausgeführt werden. Dick wankte. Er näherte sich ihr unsicher. „Du liebst einen Schurken!» keuchte er. „Ich weiß es. einen Schurken und einen Betrüger. Aber ich werde ihn mit eigener Hand entlarven. Dazu helfe mir Gott!" Er richtete sein blasses Gesicht bei diesen Worten empor, indem er seine Hände zusammeupreßte. Im nächsten Augen blick war er durch das Fenster, in welches Miles kurz vorher hineiugesvrungen war, verschwunden. Inzwischen fand eine Unterredung ganz anderer Art in Colonel Bristos Zimmer statt. Sie endete folgendermaßen: „Sie meinen also wirklich, daß diese Hundert ausreichend sind, nm damit weiterzugehcn?» „Mehr als genug. Fünfzig würden schon ausgereicht haben. Es muß bereits eine zweite Sendung vor einem Monat aus Queensland abgegangen sein, die mich nicht rum zweiten Mal verfehlen wird." „Aber Sie meinten doch, da Sie so weit ins Land hinein geraten sind, könnten Sie nicht zu jedem Postschiff hinunter schicken. Ihr Teilnehmer wird wahrscheinlich nicht daran gedacht haben» daß Sie in Verlegenheit kommen könnten." (Fortsetzung folgt.) -