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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.05.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080505017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908050501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908050501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-05
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
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Bezug»-Prei» >tr Lechzin nud L^rorl« durch »«<«« Lri-« imi Speditenr« >n» Hau» gebracht: Hutgab« L (nur nwrgcn») vierteIjLhr:tch U «., m»--tNch j Autgabe 8 (murgent uui, abend«) rierltl» iLhrlich 4.S0 M., MLNLlIich I.Sü M. Lurch dir choft b,ziehe»: <2 «al lLgltch) innerhalb reutschlanbl uud der deutichen tlolonien oierieljihriich 5,2b M.. «onatlich 1,7L M. anSlchl. Post- deiikllgetd, ,ür Oesterreich b L SK h, Ungar« 8 L «irrleljtbrlich. girier in Bel gien, Dänemark, den Donauftaalen, Italien, Luremdurg, Niederlande Norwegen, Ruh land Schweden^ vchwei/, und Spanien. In allen übrigen Slaaten nur direkt durch di« äxpÄ>. d. Bl. crhtltlich. Wonnement-Rnnabme: Lugustostplatz 8, bei unsere« Trägern, Filialen, Speoitrure« und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträger«. DI« «kigelne Stummer kostet 10 stlfg, Redaktion und Expedition: Johannistgasse 8. Telephon Nr. IE. Nr. US«.., Nr U6S^ Morgen-Ausgabe 8. ttp'.igtrTagtblatt Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates und -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Luzeigea.Prei» Mr Snsera:- aut ueipgla und Umgebung hi» ««spalten, Petttgeil« » PI.. »n-n,,elle Angeige» SoWf., Reklame« IM.; »« entwtrt« SV Pf., Reklamen 1.20 M.; »mnAustlmldSVPf., stnan». An,eigen 7LPf., Reklamen I.Sv Ist. Anserat«». vehbrde«ir amtlichenLellstoPs. Bkllagegebübr S M. ». Laufend »pkl. Poft- gebühr. Eeschäftst«neigen an bevorzugter Stelle im Preis» erhöht. Rabatt »ach Lari! Uesterteilte Aufträge können nicht zurück, gezogen werden. Für da» itrfchrineu an besttmmten Tagen vnb Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeige«-Annahme: Lugustustplatz 8, »ei fämUichen Filiale« u. allen Annoncen- Sipeditionen de» Ja- und Autlandest. Haupt-Filiale Merl!«: larl Tuncker, Herzogi. Bahr. Hofbuch- handlun^ Lützoächrah« W. (Telephon VI» Nr. 4S0S). Haupt-Siltal« Vrestdea: Secstrahe st, I (Lelephon stS2l.. Nr. 12L Dienstag 5. Mai 1908. 1V2. Jahrgang. Das wichtigste vonr Tage. * Wie gestern verlautete, dürfte der Reichstag bereits am Mittwoch schließen. (S. bes. Art.) * Im Reichstage wurden die Ostmarken, und die Teuerung?- zulogen, sowie die neue Maß» und Gewichtsordnung angenommen. iS. bes. Art. u. Ber.j r * Der Friede im deutschen Baugewerbe ist bis zum Fabre 1910 gesichert. (S. DtschS. R-1 * Die Reichsschulkommission ist in Braunschweig zu- sammengetreten. lS. Dtschs. R.) * Der frühere Kolonialbeamte Pöplau wurde wegen Nötigung dem Staatssekretär v. Schön gegenüber zu einem Monat Ge fängnis verurteilt. iS. Dtschs. R.s * Nach neueren Meldungen aus Tanger sind die Truppen deS Sultans Abdul Aziz von Anhängern Muleh HafidS ge- schlagen worden. lS. Ausl.), Der Go-thebrrnd. Die Natur ist aus ihrem Winterschlaf auferstanden; der Goethebund ebenfalls. Am ersten Maiensonntag hat er zu Berlin eine Protestver- sammlung abgehalten. Warum eine Protestversammlung? Nun, weil es sein Existenzzweck ist, zu protestieren. Er wurde vor acht Jahren inS Leben gerufen, als das Gesetz dem deutschen Volke aufgedrängt werden sollte, das man leider geschmacklos und logisch unrichtig die lax Heinze nennt. Bor acht Jahren erregte der Ruf der Goethebiindler einen ge waltigen Widerhall; Zehntausende drängten sich zu der ersten Per- sammlung und die Polizei verweigerte die Erlaubnis, weil sie die Neber- süllung des ungeheuren SaalcS fürchtete. Gestern war ein kleines Sälchen in kluger Voraussicht des Kommenden oder vielmehr des Nicht kommenden gewählt worden. Und auch dieser kleine Raum war nur ,um Teil besetzt, obwohl Fulda, Naumann, Muther, Liszt und andere prominent« Persönlichkeiten auf der Rednerlist-' Ständen. DaS war natürlich, denn erstens lockte das Wetter die verstaubten Großstädter in daS Kiefernparadies deS GrunewaldeS und zweitens fragte man sich ganz erstaunt, ob denn der Goethebund wirklich noch am Leben sei und wogegen er eigentlich protestieren wolle. Nicht etwa, als gäbe es im Deutschen Reich nichts, wogegen ein Gebildeter, die Freiheit liebender, modern empfindender Mensch nicht protestieren könnte; im Gegenteil, an Stoff zu solchen Protesten fehlt es durchaus nicht. Wir können dagegen protestieren, daß der Papst den Modernismus nicht dulden will, daß ein Regierungspräsident Haeckel und Strauß als verderbliche Autoren ächtet. Es finden sich gewiß bei näherer Prüfung noch drin- gendere Anlässe zu einer kollektiven Entrüstung, aber eS sind immer einzeln« Fakta, die die Massen nicht zu erregen vermögen und gegen das ganze System, das sich in diesen Einzeltatsachen dokumentiert, bat die nicht reaktionäre Presse oft genug und energisch genug Stellung genommen. Die Einberufung der Versammlung wirkte also nur als eine feuer vielen „Plötzlichkeiten", die unsere Zeit charakterisieren. Zunächst sprach Dr. Ludwig Fulda und er rang sichtlich um den Ruhm, nach Blumenthal, dessen Lorbeeren ihn, wie es scheint, nicht schlafen lassen, der witzigste Mann im Deutschen Reich zu heißen. In diesem löblichen Bestreben scheute er nicht vor dem schmerzhaften Worte zurück: „Wir leben in den Zeiten des Autos nnd nicht in denen des Autodafes". Dann aber wurde er pathetisch und rief: „Mir wollen unS den Kultus des Schönen von keinem anderen Kultusminister vorschreiben lassen als dem in unserer eigenen Brust." Von nun an wissen wir also, daß feder Deutsche einen Kultusminister in der Brust bat. Ob dieser Satz gerade „goethereif" genannt werden kann, dos möge der Leser selbst erwägen. Es sprach dann der Universitätsprofessor Stengel und er polemisierte gegen die staatlichen Gewalten und die Kirche, die bemüht leie«, die Freiheit der Universitäten zu beeinträchtigen. Die Tatsache, die er tadelte, ist unleugbar vorhanden und der Protest gegen die Knebe lung der freien Wissenschaft ist an sich billigenswert, aber ob zu diesem Zwecke der Goethebund zusammentreten mußte, das will uns doch frag lich erschein«». Friedrich Naumann hielt eine Rede, in der er die Ge bildeten zum politischen Kampf aufforderte und in dieselbe Kerbe hieb später der Professor von Liszt. Nun wäre es gewiß wünschenswert, daß unsere höheren Stände sich der politischen Indifferenz, die schwer auf ihnen lastet, entrissen, aber man kann bekanntlich im Zeichen Goethes nicht für die Gewährung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts fechten. Kein Gedanke hat weniger mit Goethes Lebensanschauung gemein, als der einer Politisierung der gesamten bürgerlichen Gesellschaft. Goethe war freilich nicht der Philister, al« den ihn die Brausejugend aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts verschrie, aber er war «in Aristokrat, der die Leitung der politischen Angelegenheiten in die Hände einer Minorität gelegt wissen wollte, die das Regieren ebenso erlernen sollte, wie ein Schuster daS Schustern. Natürlich kann man behaupten, daß Goethe jetzt, nach allem, was inzwischen geschehen 'st, anders urteilen würde, aber für diese Behauptung gebricht es an jedem Beweise, und die Konservativen können Goethe mit nicht minderem Recht für ihre poli tischen Anschauungen in Anspruch nehmen als die Herren Naumann und Liszt eS gestern zugunsten des liberal«« Gedankens getan haben. Man mag den Bestrebungen des Goethebundes noch so wohlwollend gegenüberstehen und man wird sich doch eines Unbehagens über seine Tätigkeit und Untätigkeit nicht erwehren können. Wenn er nur bei außerordentlichen Gelegenheiten hervortreten will, so fehlte eS eben gestern an dieser außerordentlichen Gelegenheit. Und wenn er einen dauernden, ununterbrochen«» Einfluß auf das geistige Leben Deutsch lands ausüben will, so fehlt eS an einer umfassenden und lückenlosen Organisation. Außerdem aber erscheint es uns ganz unzulässig, daß politische Fragen, wie die Fortentwickelung unseres Wahlrechts, in die Debatte gezogen werden. Mit demselben Recht könnt« irgendeiner der Goethebiindler sich erheben »nd ein« Rede für oder gegen den Frei handel halten; die Beziehungen zu Goethes Staatsauffassung ließen sich auch hier mit einiger dialektischer Kunst wohl Herstellen. Es muß eine Grenze gezogen werden oder der Goethebund verliert den Rest von Charakter, den er noch besitzt, und könnte dann ebensogut auf den Namen Cobden oder Engen Richter oder Schulze-Delitzsch getauft werden. Gegen das Aonfirinationsgelübde. Aus Pfarrerkreisen wird uns geschrieben: Die Römische Kirche steht eS als einen wesentlichen Teil ihrer Kraft und Stärke an, daß sie, so wie sie ist mit ihrem Glaubensinhalt, ihren Glaubensformen, ihren Zeremonien, ihrer Organisation sei» und bleiben will, unbeirrt von allem Zeitgeist, von aller sich wandelnden Erkenntnis auf religiösem, philosophischem, sittlichem, psychologischem und rechtlichem Gebiete. Die protestantische Kirche, die ihre Entstehung grade dem Widerspruch gegen diesen starren Konservatismus verdankt, muß, wenn sie dem Volksleben auf religiösem und sittlichem Gebiet dankenswerte Dienste leisten soll, grade auf dem entgegengesetzten Standpunkt stehen. Sie, die auf die Reformation ihre Entstehung zurücksübrt, muß unter dem fortlaufenden Einfluß fortschreitender religiöser und philo sophischer Erkenntnis unausgesetzt reformierend wirken. Und zwar grade auch an sich selbst, an der Formulierung ihrer Glaubenssätze, an dem Stand ihrer sittliche» Erkenntnis und nicht zuletzt auch an ihren eigenen Einrichtungen. Diese darf sie nur so lange bestehen lassen, als sie im Einklang stehen mit dem gesunden sittlichen und religiösen Urteil ihrer Mitglieder. Aber wie weit davon die protestantische Kirche noch entfernt ist, wie das Schwer gewicht kirchlicher Tradition ihr anhängt, daS zeigt, um ein Beispiel vor anderen herauSzugreifen, die immer noch bestehende Kon firm a- tionSpraxiS mit dem von den Kindern erwarteten Glaubens bekenntnis und dem von ihnen geforderten Gelübde. Der Kampf gegen die Konfirmationspraxis, die zwar schon im Zeitalter der Reformation durch Martin Bucer aufgekommen und gefördert worden ist, aber ihren besonderen in dem Konfirmationsgelübde ausgeprägten Charakter erst unter dem Einfluß des Pietismus erhalten hat, ist nicht jungen Datums. Ein Kierkegaard hat schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in seiner polemisch scharf zugespitzten Weise die Konfirmation da« „oommunv vautrngium" der christlichen Gesellschaft genannt, Wei! sie es mit ibrem Gelübde darauf anlege, diese ganze Gesellschaft meineidig zu machen. Und ein Johann Hinrich Wichern aat 1889 auf dem Stuttgarter Kirchentag aus geführt, die evangelische Volkskirche grabe sich mit der Konfirmation und durch sie ,hr eigenes Grab. Jetzt — ein halbes Jahrhundert später haben wir aber immer noch diese Konfirmationspraxis mit ihrem Glaubensbekenntnis und ibrem Gelübde junger, unerfahrener Knaben und Mädchen und eS ist nicht abzuseben, wann ihr da- wohlverdiente Ende bereitet wird. Die kirchliche Tradition drückt die Reform immer wieder nieder und macht dadurch das Unheil immer größer. Es muß darum jeder neue Kampfruf gegen das Kon- sirmationsgelübde mit Dank begrüßt werden. Er vermehrt doch wenigstens die Hoffnung, daß die protestantische Kirche sich auf ihren reformatorischen Charakter begänne. Em solcher trefflicher Kampfruf ist in einer eben erscheinenden Schrift*) des geistvollen Pfarrer« an der Leipziger Reformierten Kirche Carl Bonhoff erklungen. Es ist ihm zu wünschen, daß er einen großen Kreis findet, der unter seinem Einfluß die Schar der entschiedenen Gegner der bestehenden Kon firmationspraxis vermehrt und damit jene öffentliche Meinung ver- stälken Hilst, unter deren Druck die Kirche schließlich von dieser ver- lehlten Praxis abläßt. Carl Bonhoff weist in trefflicher Weise nach, daß Männer aller kirchlichen Parteien und Anschauungen Bedeuten gegen dir Konfirmanon begen. Er gibt dazu als Beweis eine höchst interessante Zusammen- stellung solcher Urteile, die Männer der äußersten Rechten. wie der entschiedenen Linken einig darin sein lassen, daß mau das Konfirmaiionsgelübde aufgcben müsse. Und Bonhoff gibt weiter in dieser Schrift, deren Hauptgedanken er schon bei einem Vortrag in dem von Dr. Ernst Horneffer in Leipzig begründeten „Bunde für persönliche Religion" am 17. Oktober 1997 in Cassel ent- wickelte — eine sehr instruktive Diskussionstafel, in der die Einwände tür und gegen die Beseitigung des Konfirmationsgelübdes zuiammenge- stellt sind. Dem allen voran« aber gehen Bonhoffs eigene Ausführungen, die die Unhaltbarkeit der Forderung des Konfessionsgelübdes auf Grund geschichtlicher, psychologischer, ersahrungSmäßiger, sittiich.religiös.r, kirchenrechlticher und praktischer Erwägungen fesksteUeu. Wir greisen einige der vielen bemerkenswerten Gedanken heraus, die geeignet sind, grade auch in einer Tagcszeunng erörtert zu werden. Hierzu gehört gleich die Kernfrage des Ganzen: Hat man ein mora- lischcs Recht die Konfirmanden zu einem Bekenntnis und Gelübde bcran- zuzieben? Bonhoff weist auf den Widerspruch bin, daß man sonit un öffentlichen Leben, im Leben der Erwachsenen, überall vorsichtig ist mit der Kviderung von Versprechungen, raß man es sonst als einen allgemeinen Erziehungsgrundiay aufstellt: über sein Können, über feine LeisrungSfähigleit hinaus soll man niemanden verpflichten! Hier aber »ollen 14 bis 15 Jahre alte Kinder, die m der Regel keine Ahnung von den beißen Kämpfen um die Weltanschauung, in die sie später hinein- gerissen werden können, haben — die christliche bekennen und ihr Treue geloben, als hätten sie schon ihr absoluieS Recht gegenüber allen atheistischen, pantheistischen, naturwissenschaftlich-monistischen Strömungen erfaßt. Hier tollen eben diese Kiuder, die noch leine Ahnung oder wenigstens leinen klaren Begriff von dem Ilmsaug der sittlichen Ver suchungen haben, denen sie später auSgeseyt sind, geloben, der „Sünde" abzusagcn oder gar „abzuslerben" und die Gesinnung Christi in allen Dingen bewähren zu wollen. Hier sollen vierzehnjährige Kinder, die noch gar keine klare Vomellung von dem besitzen, was sie zu leisten vermögen, versprechen sich fleißig „zu Gottes Wort und Tisch zu ballen" — uuo vielleicht sind sie schon gleich nach der Konfirmation in ibrer Lehr- und Arbe.iSzelt durch soziale und wirljchaflliche Verhältnisse außer stande, dies durchzusühreu. Der Erfolg zeigt denn auch die Nichtigtett dieses ganzen Gelübdes. Man sehe sich die Zahl der freiwilligen jugend lichen Kirchgänger in den Jahren nach der Konfirmation an, vergleiche die schrecklich große Zahl dec jugendlichen Verbrecher m>l oer der Konfirmierten, denke an die wachsenden Klagen über die Lebensfübrung unserer Jugend im Alter von t4—18 Jahren. Wo 'st da die Erfüllung de« Gelübde geblieben? Wie viele baden eS gehalten! Schon Wichern bat treffend gesagt: „Die Zahl der der Kirche Entfremdeten ist die Masse der Kon *) Die Unbnltbarkeit der Forderung deS Konfirmationsgelübdes. Von Corl Bonhoff. Verlag Otto Wigand. Leipzig I9C8. 8'1 L. firmierten." Diejenigen aber, die im Sinne deS Gelübdes leben — tun eS sicher weit weniger um dieses Gelübdes willen, als weil sie unter sonstigen starken religiösen und kirchlichen Einflüssen stehen. So spricht denn alles, wa» au Erfahrung deS Leben- vor handen ist, gegen dieses Konfirmationögeliibde, und jeder ernste Sinn für die Heiligkeit eine- Gelübdes, der Sinn für innere Wahr haftigkeit fordert dir Abschaffung dieser kirchliche« Einrich tung. Sie ist sittlich geradezu bedenklich, weil sie Millione» zu Ber- sprechungen und Bekenntnissen nötigt, deren Tragweite diese gar nicht übersehen, deren Konsequenzen ihnen verborgen find, deren Erfüllung vann auSbleibt. Im Interesse der öffentlichen Wahrhaftigkeit muß gegen das Konfirmationsgelübde protestiert werden. Nun sagt man dagegen, dieses Gelübde sei ja kein Trenschwur, sei kein Eid im vollen Sinne deS Worte« und will damit diese Vorwürfe gegen die Wahrhaftigkeit entkräften. Aber treffend führt Bonhoff da gegen ins Feld, weshalb man dann dem „Gelübde" den ernsten Charakter gibt, an manchen Orten in Verbindung mit Handschlag, wo möglich einem dreifachen, Pfarrer und Kirchenältesten gegenüber. Gerade diese Verwahrung „verrät das Gefühl dafür, daß ,m Prinzip, sittlich verstanden, zwischen dem einfachen Ja und dem beteuernden Eid kein Unterschied besteht, daß der schlicht-aufrichtige Mensch eS mit jenem ebenso ernst nimmt wie mit diesem, daß daher auch jene« ein wachsames oder gar empfindliches Gewissen ebenso beschäftigen und ängstigen kann wie dieser". DaS ist zweifellos treffend bemerkt. Weiter sei darauf hingewiesen, wie falsch eS ist, wenn man dem entgegenhält, eS werd- ja kein Kind gezwungen, das Bekenntnis und Gelübde abzulezen. Welche Weltfrcmdheit gehört einmal dazu, um nicht zu wissen, wie stark der gesellschaftliche Zwang ist, die Kinder konfirmieren zu lassen, und dann dazu, Kindern im 14. und 15. Lebens jahr die Willenskraft zuzumuten, daß sie sich von sich au« weigern. Wo dies in einzelnen Fällen geschehen ist, haben gerade diese einzelnen Fälle größtes Aussehen erregt. Durch die Verbindung der Kirche mit dem Staat und öffentlichen Leben sind Gewohnheiten geschaffen, denen sich der einzelne schwer entzieht, auch wenn er innerlich mit ihnen gar nichts mehr zn tun hat! Dazu gehört auch die Konfirmation. Man macht sie eben mit, obwohl sie vielmehr schon ein Familienfest mit viel Speise unv Trank unv sonstigen Aeußerlichkeiten geworden ist, die alle nur dazu vienen, die ganze Feier zu veräußerlichen. Aber um so schlimmer ist es, wenn man in dem Mittelpunkt dieser veräußerlichten Feier, an der vollkommen unkirchliche Leute, wie e- oft genug auch die Eltern der Konfirmanden sinv, um ver „Sitte" willen teiloebmen — rin Bekenntnis und ein G< löbuis stellt, die über das Vermögen des Kindes hinausgehen unv iu weilau« den meisten Fällen den Keim der Unwabrhaftigkeit und Unzuverlässigkeit in sich tragen. Es mag genügen, diele Gevankeu anzudeuten. Sie zeigen die Dich tigkeit des ganzen Problems. Es ist nicht nur ein kirchliche-. E- ist ein Problem, das das ganze Volksleben angeht, denn für diese- ist es wichtig, ob mau in der Mitte der Jugenderziehung eine Praxis be stehen lassen will, vie ihre schwere» sittlichen Bedenken für die deutsche Jugend hat. Für -ie ReiehLb-aint-n. sAus dem Reichstage.) O Berlin, 4. Mai. (Privattelegramm.l Zwei Nachtrüge zum Reichshaushaltetat hat Heuer die Reichs- reaierung vorzelegt. Beide bringen den Beamten etwas, der erste die außerordentliche sogenannte Teuerungszulage und der zweite die Ost- markenzulape. Diese Ostmarkeuzulage stand heute, Montag, nach Erledigung von Rechnungssachen zur ersten Lesung. Schon vor Jahren hatte der Reichstag derartige Aufbesserungen für die Beamten in den gemischtsprachigen Provinzen beantragt, wie sie den preußischen Beamten auch bereits seit längerer Zeit zuteil werden, zuletzt noch in einer Resolution -um Reichspostetat des laufenden Jahres. Damals einigte man sich, außerordentliche und „unwiderrufliche" Zulagen ohne weitere einschränkende Bezeichnungen zu verlangen. Dafür konnten zo- wohl die Freisinnigen als auch die Rechte stimmen. Von der Wider ruflichkeit hätten die Freisinnigen Gesinnungsriecherei und Züchtung von Strebertum befürchtet, sie wollten den Beamten einen festen An spruch geben. Damals hatte man hauptsächlich an die Postbeamten ge dacht; die Regierung hat aber heranszerechnet, daß dann auch die Be amten des Heeres in der Provinz Pofen und den gemischtlprachigen Kreisen Wcstpreußens solcher Zulagen würdig feien und forderte daher für diese Beamten noch 301 000 ^l. Diese Aufbesserungen sollen unter vie mittleren Kanzlei- und Unterbeamten bes HeereS sowie unter die Unteroffiziere ausgeteilt werden. Der Reichstag wird beide Zulagen gewähren trotz des Widerspruchs der Polen, des Zentrums und der Sozialdemokratie, für die Brezski, Gröber und Ledebour das Wort ergriffen. Die Abgeordneten S ch u l tz - Bromberg jRpt.fi Orte! jNatl.f und Pach nicke lNatl.f befürworteten die Vorlagen, der letztere namens des größten Teils der linksliberalen Fraktions gemeinschaft. Von der Regierungsseite traten die Staatssekretäre iLydow und Krätke für die Vorlagen ein. Da Kommifsions- beratung nicht beantragt wurde, wird also auch die zweite Lesung im Plenum vor sich gehen. Zwischen den beiden Nachträgen -um Etat wurde in jehr ausgedehnter Weife die -weite Lesung des Gesetz entwurfes einer Maß- und GewichtSordnung erörtert. Zahlreiche Anträge wurden gestellt; wir zahlten allein vier Anträge, welche gestellt und dann wieder zurückgezogen wurden. Abg. Raab lWirtsm. Vgg f wünschte die Wage, mit der man wägt, mit „aa" zum Unterschied von wagen zu schreiben. Es erhoben sich aber nur wenige verstreute Mitglieder des HauseS für diesen Antrag. Ein« große Rolle spielte die EnstchädigunaSfrage. Durch die Vorlage war es der Regie rung überlassen, den Städten an Stelle ihrer Eichämter Entschädi gungen einzuräumen. Zwei Nationalliberale und ein Zentrumsmann, Abgg. Detto, Everling und Neuner, wollten ven Gemeinden die Eichämter nur entAvgen wissen unter angemessener Entschädigung oder mit mindestens fünfjähriger Kündigung. Die Sozialdemokraten, für die S t o l l e sprach, beantragten die Beibehaltung der Gemeinde- ömter in ihrer jetzigen Form neben den staatlichen Eichämtern. Beide Anträge wurden vom Regierungstische aus mit sehr gemessenen Worten als unannehmbar bezeichnet Nachdem Staatssekretär v. Betbmann-Hollweg so diesen Anträgen widersprochen hatte, zogen die Nationalliberalen ihren Antrag znrück. Tie Sozialdemo kraten natürlich wollten die Ablehnung ihres Antrages mit eigenen Augen sehen. Der Vertreter der sächsischen Regierung, Geh. Rat Ministerialdirektor Fischer sagte tunlichste Schonung der Städte bei Errichtung staatlicher Eichämter zu. Aus eine Anfrage des Abg. Wagner jKons.f, ob die Beamten der städtischen Eichämter über nommen würden, gab er noch die Auskunft, daß diejenigen Beamten, dir den staatlichen Anforderungen vollkommen genügen würden, auch übernommen werden. Auffallend war es, daß di« Sozialdemokraten diesmal nicht für die Verstaatlichung eintraten, die sie sonst doch recht schätzen. Auch konnte ihnen der Abg. Wagner nackuagen. daß sie hier doch eine indirekte Steuer befürworteten. Aus der Liste der Redner seien noch genannt Direktor im R-ichscmit des Innern von Jonquitzre-, dann die Abgg. von Kav-
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