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Zweites Blatt. «MW s« »W Warandt, Mossen, Sieöentehn und die Amgegendm. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff- sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsvruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkgardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Höhndorf, Kaufbach, KefselSdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz.Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, OberhermSdorf« Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bet KefselSdorf, Meinbach bei Mohorn Seeligstadt, Spechtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, WeiStropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1M. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — JnsertionspreiS 15 Pfg. pro viergespaltene KorpuSzeile. Ro. 25. Druck and Verlag von Marlin Berger tu MSdrufs. — Verantwortlich sür die Redaktion Martin Berger -aletbü. Sonnabend, den 27. Februar 1964. 63. Jahr-. Sonntagsbetrachtung für Sonntag Reminiscere. Hebr. 12, 1. Darum auch wir, dieviel wir solchen Hausen Zeugen uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklcbt und träge macht und lasset uns lausen durch Geduld in dem Kampfe, der uns verordnet ist; und aussehen auf Jesum, der Anfänger und Vollender des Glaubens." Tiefer gehen wir in diesen Sonntagen hinein in die Passton des Herrn unseres Heilandes Jesu Christi; wir sehen ihn immer mehr zu dem werden, der da keine Gestalt noch Schöne halte, der sür uns der allerun- werteste und verachtetste geworden ist. Wie arm und elend und verlaßen erscheint er uns in jener Nacht im Garten Gethsemane. Wir sind dort Zeugen des schwersten Kampfes, den je ein Mensch zu durchkämpfen hatte. 8 Jünger ließ Jesus an dem Eingänge des Gartens zurück, mit dreien ging er weiter. Auch von diesen entfernte er sich um eines Steinwurfs Weite. Und was sehen wir NUN? Er lag auf der Erde und fing an zu zittern, zu zagen und zu klagen: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod," er ringt mit dem Tode und sein Schweiß ward wie die Blutstropfen, die fielen zur Erde; ein Zittern und Zagen geht durch seine Seele hindurch, aus der heraus er dann die Bitte an seinen Vater im Himmel richtet: „Vater, ists möglich, so geht dieser Kelch an mir vorüber, doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst." Hier schon erscheint er uns recht eigentlich als das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt, und hier können wir an ihm aufsehen und lernen, wie auch wir den Kampf auf uns nehmen und zu Ende führen mögen. Er ist gelaufen durch Geduld in dem Kampfe, der ihm ver ordnet war. Und wiederum sollen wir auch ansehen einen großen Haufen von Zeugen, die um uns sind, und von denen wir lernen können, recht zu laufen, damit wir das Kleinod erringen. Das führt uns hin in die Rennbahn bei den griechischen Wettspielen. Um siegreich zu bestehen, um die ersten am Ziele der Bahn zu sein, legten diese griechischen Wettläufer alles von sich ab, alle überflüssigen und beengenden Kleider; auch mit Speise und Trank wollten sie sich nicht bebürden. Leicht und hurtig wollten sie dahin- eilen. Und wir Christen können auch nur leicht und un gehindert unsern Weg durchs Leben nehmen hinauf zu dem himmlischen Jerusalem, wenn wir uns nicht bebürden mit den Gütern dieser Welt, wenn wir die Lust und die Eitelkeit der Welt fliehen; denn diese macht uns schwer und lähmt unsere Kraft, mit der wir himmelan streben. Aber es ist bei diesem Laufen der Christen doch auch wieder ganz anders als es bei den Kampfspielen der Griechen war. Dort konnte nur einer immer den Sieg davontragen, und den Ehren-Kranz erringen; darum freute sich jeder, wenn die anderen hinter ihm zurückblieben und nicht mit sortkamen. So ist es in der Laufbahn der Christen nicht — da ist eine Wolke von Zeugen, die mit uns läuft, und uns im Laufen gerade recht stärkt und anfeuert. Und hier können auch alle Sieger werden und alle ihre Krone erlangen, keiner sieht neidisch auf den anderen, jeder weiß, daß er gerade darin selber am besten mit vorwärts kommt, wenn er die Brüder in ihrem Laufen fördert und noch recht Viele in die Bahn mit hineinzieht. Da helfen die Lebenden und auch längst Gestorbenen mit — da helfen uns die frommen ehrwürdigen Gestalten der Bibel mit- laufen — „in Abraham, Isaak, Jakob, ein Hiob in seinem Leidensgehorsam und Paulus, welcher längst seine Krone trägt, ermahnt auch uns noch: Folget mir, liebe Brüder, und sehet auf die, die also wandeln, wie Ihr uns habt zum Vorbilde." Da sind es uns nahestehende, Heimge gangene Christen, die uns helfen können im Laufen. Wir denken an entschlafene fromme Eltern und Voreltern von uns. Ost ist ihr Weg den Kindern und Enkeln schon zum Vorbilde geworden; sie hatten im Leben schon ge hütet und hüteten im Tode noch fort. Das Kind kam in der Versuchung wieder zu sich, erschrak bei dem Bilde des Vaters und der Mutter und sprach bei sich: Das war meines Vater Weg und meiner Mutter Tun — sie sind fröhlich und selig von hinnen gegangen in ihrer Herzensreinheit, ich will auch den Weg der Sünde meiden, ich will auch so leben und so sterben wie sie und bei meinem und ihrem Heilande bleiben." Wenn aber die Toten auch helfen zum Laufen, sollten die Lebenden nicht einander vielmehr helfen? Darum, so lasset uns untereinander unserer selbst wahr nehmen mit Reizen zur Liebe und guten Werken und nicht verlassen unsere Versammlungen, wie etliche pflegen, son dern uns untereinander ermahnen und das um soviel mehr, als Ihr sehet, daß sich der Tag neiget." Aber vor allem lasset uns aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens und den Spruch uns zum Leitstern dienen: Christus hat gelitten für uns und uns ein Vorbild gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fuß tapfen." Vaterländisches. Wilsdruff, den 26. Februar 1904. — Der Verein Deutscher Konserven- und Prä- servenfabrikanten wird auf seiner am 7. und 8. März in Frankfurt a. M. stattfindenden Generalversamm lung zu dem Darmstädter Vergiftungsfall Stellung nehmen. Einstweilen erkärt der Verein Deutscher Konserven- und Präservenfabrikanten, daß eine Gefahr für Leben und Ge sundheit durch Genuß von fabrikmäßig hergestellten Ge- müsekonserven vollständig ausgeschlossen ist und bittet das Publikum, sich durch die in einem Teil der Presse veröffent lichten, völlig unhaltbaren Darstellungen und Reklame artikel nicht beunruhigen zu lassen. Der Darmstadter Brunhilde. Ec machte Miene aufzustehen; Fräulein Maria, ich verlasse augenblicklich das Bett und ! morgen früh ihr Haus, wenn . . . ." „Ich tue, was Sie wollen!" unterbrach sie ihn. Stach wenigen Augenblicken erschien der Hafenmeister im Zimmer, und die beiden Herren hatten ihr Reich sür sich allein. -t- * Während der Nacht hatte der Sturm auSgetobt und alle Wolken übers Meer gejagt; am Morgen war windstille Luft und schöner, warmer Sonnenschein. s Kapitän Hartungg glaubte der Erste zu sein, der munter war, und als er seinen Pflegebefohlenen noch in ruhigem Schlafe liegend sah, verließ er leise das Zimmer, um in dem seinigen Toilette zu machen, was keine lange Zeit in Anspruch nahm; dann horchte er hinter der Tür seiner Tochter. Als sich auch hier nichts rührte, ging er auf den Fußspitzen die ^Treppe hinab und trat durch die bereits geöffnete Haustür , ln die Veranda mit dem Ausblick nach dem Hafen. " Er stützte die Hände auf das Holzgitter, und während er nach alter Gewohnheit nach Wind und Wetter ausschaute, wanderten seine Gedanken auf weite Zeiträume und weite Entfernungen hin und zurück. d „Wo mochte wohl jetzt die „Aurora" sein? Ob sie sefl- , her eine gute Reise gehabt haben? — Heidorn ist ein vor sichtiger Mann, der bringt das Schiff schon nach Hause — wenn es anch ein Bischen länger dauert. — Nun ja, mit dem Wasser ist nicht gerade zu spaßen. — Freilich auf dem Lande kann Einem auch Allerei passieren — das hat man gestern gesehen." „Curage hat der Mann'. Ohne Besinnen einer gegen vier! Denn ich zähle den Augenblick für nichts. — Und enorme Kräfte: den ganzen Kerl am Genick aufheben und in 'ne Lust werfen, das hätte ich selbst in meinen jüngeren I Jahren nicht gekonnt — uno Hervor» >cyon gar mehr." „Allerdings ist Heidorn auck einen halben Kopf kleiner — das macht viel aus; ich glaube, er ist sogar kleiner als Maria. — Uebrigens tut die Uebung viel dabei: Der Maler ist ein guter Turner, wie er sagt: Die üben sich wahr scheinlich solche Sachen direct ein. — Einerlei, der hätte einen tüchtigen Seemann abgeben. Er könnte es noch heute werden." „Das ist sicher, für solche Extrageschichten ist Heidorn nicht der Mann, dafür ist er zu pomadig, ehe der sich besinnt ist Alles vorbei. Wir Menschen ffnd eben verschieden. — Ich hätte Heidorn wohl sehen mögen damals, in der Nacht, alt wir den Volta hinaufluhren, die Engländer dicht hinter mir und die verfluchten Schwarzen hatten die Luken gesprengt und meuterten . . . Na, ich habe es ihnen besorgt! — Für Heidorn sind solche Sachen nicht." „Wie es ihm wohl mit seiner Dysenterie geht? Ich habe niemals Dysenterie gehabt. — Um sieben Uhr hatte der Mann noch starkes Fieber, und um acht lachte er uns in's Gesicht! Solche Leute giebt es nicht viel." „Warum ist nun solch' ein Mann ein Maler! Es ist der reine Hohn! — Dabei ist er gar nicht mehr so jung, jeden falls näher an vierzig, als an dreißg. — Ob er wohl ver mögend ist? Manchmal bekommen die Maler ihre Bilder teuer bezahlt; ich kenne nichts davon. Das wäre ja nun üb rigens ganz einerlei." So weit war der Hafenmeister in seinen Betrachtungen gediehen, als sich ein weicher Arm um seinen Nacken legte und ein süßer Mund ihn küßte: „Guten Morgen, Pappa!" Das war vorher nie gewesen, und dennoch wunderte er sich gar nicht; die Welt hatte sich auch sür ihn auf einmal umgedreht. Er küßte sie wieder und fragte dann nur freund lich verwundert: „Wo kommst Du fchon her ? Schläft er noch ?" „Ich bin schon lange auf," antwortete sie lächelnd; „ich konnte nicht länger schlafen, ich war im Garten. Ich weiß nicht, ob er schon ausgemacht ist." „So geh' hinauf, Mädchen, und sieh zu. Doktor Her defeldt ist früh auf den Beinen, er wird bald seinen Besuch machen." „Geh' Du hinauf, Vater — ich glaube — es ist ihm lieber." „Wieso? Es ist helllichter Tag, und bei einem Kranke« geniert man sich nicht." „Es ist besser, daß Du gehst." „Wie ist das?" fragte Hartnngg verwundert. „Dar ist das Neueste, daß meine Tochter sich geniert?" „Ich geniere mich auch nicht, Vater; aber er will es nicht Gehe Du zuerst!" Kopfschüttelnd ging er hinauf. — Maria ein paar Stufen hinter ihm; sie ließ ihren Vater allein ins Zimmer treten und blieb hinter der Tür stehen. Der Maler war wach und streckte dem alten Herrn mit lächelndem Gesicht die gesunde Hand entgegen. Er hatte wunderbar gut geschlafen, hatte gar keine Schmerzen, und seine erste Frage galt Maria: „Wie geht's Ihrer Fräulein Tochter?" „Meine Tochter steht hinter der Tür; soll sie herein kommen?" Natürlich soll sie hereinkommen — keine der beiden Per ionen machte eine Anspielung darauf, wie energisch sie heute Nacht zur Tür hinaus komplimentiert worden war. Nachdem das Tema des Befinden? des Kranken sowohl, als feiner Pfleger bald genug erschöpft war und ebenso das jenige des plötzlichen Umschwunges der Witterung, und daß draußen so herrlicher Sonnenschein sei, kam die Unterhaltung ins Stocken. Von den schaurigen Ereignissen des gestrige« Tages wnllte und sollte Niemand sprechen, und so machte sich zum ersten Male der eigentümliche Umstand geltend, daß die drei Menschen, die das Schicksal in so seltsamer Weise zu- saminengesührt und in das denkbar engste Zusammenleben gedrängt hatte, nichts weiter von einander wußten, als ihre Namen.