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Mi« sd MW Tharandt, Aossen, Sieöwtehn und die Amgegenden. Amtsblatt M die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Milsdruff- sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkqardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Höhndorf, Kaufbach, KefselSdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, SachSdorf, Schmiedewalde, Sora, Ste ch bei KeffelSdorf, Steinbach bei Mohorn. — Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, WeiStropp, Wilvoerg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.54 Ps., Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — JnsertionspreiS 15 Pfg. pro viergespaltene KorpuSzeile. Druck und Verlag von Martin Berger 8- Friedrich in Wilsdruff. — Verantwortlich sür Oertliches und den Inseratenteil: Martin Berger, für Politik und die übrigen Rubriken: Hugo Friedrich. No. 77.Sonnabend, den 2. Juli 1904. 63. Jahrg. politische Rundschau. Wilsdruff, 1. Juli 1904. Deutsches Reich. Warum wurde« die Jesuiten ausgewiesen? Die Jesuilen, welche Kardinal von Hohenlohe in einem Schreiben an Bismarck eine Landplage nannte, sind aus den verschiedensten Staaten Europas etwa 30 Mal, besonders oft aus den katholischen, ausgewiesen worden. Warum? Einzelne Beispiele mögen es zeigen. 1570 wurden sie aus England verjagt wegen ihrer Mord versuche gegen die Königin Elisabeth; 1594 mußten sie Frankreich verlassen wegen eines Mordversuches des Jesu itenschülers Chatels auf König Heinrich 1V.; 1595 wiesen die Niederlande sie aus, weil sie dem Leben der Fürsten und der Ruhe des Staates gefährlich seien; 1606 stieß die Repuplik Venedig sie von sich als „Feinde und Ver leumder" ; 1618 Böhmen als „Empörer und Unruhestifter" u. s. w. Im vergangenen Jahrhundert wurden sie aus Ruhland, aus der Schweiz, aus Deutschland 1872 U'w zuletzt aus Frankreich 1880 entfernt. Wir Deutschen haben nun leider die zweifelhafte Ehre, von neuem die Weissagung eines Jesuitengenerals bei uns erfüllt zu sehen: „Als Lämmer haben wir uns eingeschlichen, wie Wölfe werden wir regieren, wir Hunde wird man uns fortjagen, wie Geier werden wir uns verjüngen." Deutsch evangelisches Volk bleibe treu und sei auf deiner Hut! Das Versprechen, keinen Protestanten zn heiraten, müssen die jungen Mädchen aus dem Bürgerstande, die in dem Ursulinerinnen-Kloster in Berlin unterrichtet werden, beim Verlassen der Schule, also etwa vierzehnjährig, ihrem Kaplan geben, nachdem sie schon früher ihm gegenüber sich durch Handschlag dazu verpflichtet haben. Mit Recht hebt die „Tägl. R.", der wir die Verantwortung für diese ganz unglaublich klingende Mitteilung überlassen müssen, hervor, daß bei diesem ungeheuerlichen Herzens zwang nicht bloß die konfessionelle, sondern auch die pä dagogische Seite in Betracht kommt. Wo in aller Welt spricht man denn mit Schulkindern von oder gar unter vierzehn Jahren vom Heiraten? Was sagt denn die zu ständige Schulaufsichtsbehörde dazu? Ei« weiteres Nachspiel zur Bilse-Affäre ist zu verzeichnen. Gegen den Oberleutnant Witte vom Forbacher Trainbataillon, dessen Persönlichkeit in dem Roman „Aus einer kleinen Garnison" eine wenig ange nehme Schilderung erfahren hat, ist nunmehr die Anklage wegen Meineids erhoben worden; der Offizier wurde ver- in das Frankfurter Milttärgefängnis gebracht. Witte, der in dem genannten Roman als - ÄL tS Ausland. Wieder ei« tschechischer Ueberfall auf deutsche Turner. ", In Mährisch-Ostrau fand jüngst das zehnjährige Gründungsfest des dortigen deutschen Turnverelns statt. E ne Abteilung des Turnvereins und Festste wurden beim Heinrichsschachte von einem tschechischen Volkshaufen überfallen und mit Steinen und dicken Holzpflücken veworsen Wie die Erhebungen bisher ergeben Haben, war der Ueberfall schon seit drei Tagen vorbereltet und auch eigene Wurfgeschosse, aus erhärtetem Kohlen- schlämm bestehend, verfertigt worden. Bisher wurden neun der Rädelsführer ermittelt und in Haft genommen. Ihre rühmen und von Unterdrückung ihres -Uousstammes zu reden, werden trotzdem die Tschechen nicht Unterlasten. s Mißwirtschaft im italienischen Postministerium. Die Voruntersuchung gegen den Exunterrichtsmimster Nast wegen der skandalösen finanziellen Mißwirtschaft, die in seinem Kabinett herrschte, ist noch nicht geschlossen und schon werden durch einen anderen Bericht des General- Budgetausschusses ganz ähnliche beschämende Unterschla- gungen des früheren Postministers und seines Unterstaats sekretärs an die große Glocke gehängt. Wenige Stichproben mögen genügen, um zu zeigen, welche kuriose Vorstellung auch der Postminister und seine Umgebung von der Be- stimmung der Staatsgelder hatten. Für eine 25tätige Reise, die ihn bis Paris, Hamburg und Budapest führte, liquidierte der Minister - es war Galimberti — 2178 , be, für eme solche von 12 Tagen im Jnlande (wo er freie Eisenbahnfahrt hat) 2543 Lire. Unterstützungen und Gratifikationen wurden nicht nur durch den Minister und den Unterstaatssekretär Squitti, sondern auch durch ihre Sekretäre vielfach an Personen, die der Postverwaltung gänzlich fernstehen und ohne Quittungen oder andere Belege gezahlt. Genau wie Herr Nast griffen auch die „ehrenwerten" Galimberti und Squitti für persönliche Be- dürfmsse m den Staatssäckel, ja sie beschenkten sich gegenseitig auf Kosten der Steuerzahler. Wenn es sich dabei lm einzelnen nicht um bedeutende Summen handelte, so tritt das Unwürdige und Unanständige der Handlungsweise nur stärker hervor. Herr Galimberti er hielt als Hochzeitsgeschenk von Herrn Squitti eine ver goldete Bronzedose für 150 Lire und er verehrte diesem ebenfalls als Hochzeilsgeschenk einen versilberten Tafel aufsatz für 99 Lire. Beide Exzellenzen beschenkten einen höheren Ministerialbeamten aus dem gleichen freudigen Anlasse mit Gegenständen im Werte von 65 und 62 Lire und die Beamten des Ministeriums fanden ebenfalls ja irgend einem Fonds 77 Lire für ein Namenstagsgeschenk für den Minister, der sogar einem Pfarrer auf Staats kosten ein Barometer und Thermometer (für 100 Lire) schenkte. Unter den zahlreichen persönlichen Anschaffungen, deren Kosten beide Paschas dem Staate in Rechnung ge stellt haben, befinden sich Reiseeffekten, Bilder und Bilder rahmen, Pelzwaren, Arzneien, Schuhhörner, Bücher, Kunst werke. Die «e«e Sp«r vo« A«dr6e. Die Andräesche Norvpolfahrt, die am 11. Juli sieben Jahre verschollen ist, macht wieder durch einen Fund von sich reden. Wie bereits gemeldet, macht Direktor Ernst Andräe, der Bruder des Luftschiffers, bekannt, ihm sei von zuverlässiger Seite mitgeteilt worden, daß im Jahre 1901 bet Kap Flora auf Franz-Josefsland ein Messingzylinder gefunden wurde, dessen Deckel die Inschrift „Andräes Polarexpedition" trägt. Wahrscheinlich hat Andräe die Mitteilung von Mr. Champ erhalten, der dieser Tage Gothenburg berührte und dann nach Tromsö fuhr, von wo er demnächst mit einem Hilfsunternehmen nach Franz- Josefsland geht. Daß man dem Fund bisher keine Be deutung beilegt, liegt daran, weil man glaubte, der Mesfing- zylinder gehöre zu der Niederlage, die der Dampfer „Wind ward" im Jahre 1897 für Andree am Kap Flora nieder legte. Das ist aber nicht der Fall; es bleibt nur die Annahme übrig, daß der Messingzylinder von Andräe ausgeworfen ist. Trifft das zu, dann würde der Fund, nach der „Voss. Ztg.", den Beweis liefern, daß Andräes Ballon über Kap Flora geflogen ist, das an der Südküste von Franz-Josefsland liegt. Früher war man der Meinung, der Ballon sei zwischen Spitzbergen und Franz-Josefsland ws Meer gefallen. Es ist daher von Wert, baß der Messingzylinder zu näherer Untersuchung herbeigeschafft und nach Mitteilung von Ernst Andräe ist dazu " vorhanden. Andräes Ballon stieg am 11. x "" der Nordwestecke Spitzbergens auf. Der erste Fund, der darnach gemacht wurde, war eine Schwimm boje, die am 12. Juli, abends 11 Uhr, auf dem 82. Breitengrad ausgeworfen worden war. Der Ballon ging um diese Zeit in nordnordöstlicher Richtung. Die nächste Botschaft, vom 13. Juli datiert, sandte Andräe mit der Brieftaube ab, die von norwegischen Fangleuten geschossen I wurde. Die Taube war auf demselben Breitengrad, aber ! westlicher ausgelassen worden. Dann fand man auf dem an der Ostseite von Spitzbergen gelegenen König-Karl- Land die sogenannte Polardoje, eine der großen Bojen, die beim Passieren eines neuen Breitengrades ausgeworfen werden sollten. Ferner fand man je eine Boje bei Is land und in der Nähe von Tromsö, und im Eismeer nordöstlich von Norwegen bemerkten Fangschiffer in der Ferne einen Gegenstand, den sie für einen toten Walfisch hielten, der aber möglicherweise der Ballon gewesen ist. Alle diese Gegenstände sind vermutlich durch die Strömung von dem Meeresteil zwischen Spitzbergen und Franz-JosefS- land nach den Fundplätzen getrieben worden. Ueber den Weg, den Andräes Ballon gemacht hat, ist man auch heutigen Tages noch nicht im klaren; ob der fragliche Messingzylinder darüber bestimmtes offenbaren wird? Der Nachlaß des ermordeten serbische« Königspaares. Der letzte Akt im Drama Ovrenowitsch geht seinem Ende zu. Der Mobiliennachlaß König Alexanders wird gegenwärtig in Belgrad zur öffentlichen Besichtigung aus gestellt, um veräußert zu werden. Unter den Mobilien befindet sich auch die Schlafztmmereinrichtung des Königs. Im ganzen nehmen die Wertgegenstände und Mobilien König Alexanders sieben Zimmer ein, und manche Räume sind bis an den Plafond vollgepfropft. Im ersten Zimmer ist die Schreibzimmergarnitur König Alexanders unterge- bracht. In der Ecke lehnen ca. 25 bis 30 Gewehre und Flinten, die Waffengalerie des ermordeten Königs. Ein Schaukeistuhl mit goldgestickter Decke, welche eme Handarbeit der Königin Draga war, fällt besonders auf. Einige schlechte Gemälde und Stiche bedecken die Wände. Im zweiten Zimmer findet man das Schlafzimmer. Die Betten sind auseinander genommen. Daneben liegt das Bettzeug mit den roten Seidcndecken. Ein marmorner Waschtisch samt Garnitur ist ebenfalls vorhanden. Dann folgt ein Zimmer, in welchem verschiedene andere Ein richtungsstücke aufgestapelt find, darunter auch die japa nische Rauchgarnitur des Königs, ein Arbeitstischchen dec Königin Draga und eine grüngepolsterte Salongarnitur. Ferner befinden sich noch verschiedene Nippesgegenstände unter dieser Aufstellung und eine Ottomane mit goldenem Fond, auf welcher der König stets nachmittags zu ruhen pflegte. Zwei Klaviere, darunter ein Ebenholzflügel, sind seperat untergebracht, und nur in den Ecken auf mehreren Stellagen sind verschiedenartige Porzellan- und Glasgar nituren zu sehen. In einem kleinen anstoßenden Raum sind Garderobestücke des Königs und der Königin ausge stellt, darunter auch die Brauttoilette der Königin Draga. Die Verhaftung eines Schwiegersohnes -es Sultans erregte vor einiger Zeit einiges Aufsehen. Ueber die Gründe der Verhaftung gingen die tollsten Gerüchte um. Man sprach von einer Verschwörung gegen den Sultan und ähnlichen Dingen, bis sich, wie schon erwähnt, all mählich herausstellte, daß es sich um eine private Ange legenheit, eine Eheirrung, handelt. Die Entscheidung ist nun gefallen. Nach einer amtlichen Mitteilung ist die Ehe zwischen Kemal ed Din Pascha, dem Schwiegersohn des Sultans, und der Prinzessin Naimeh nach dem Scheri- gesetz geschieden, jedoch die Degradation über ihn noch nicht verhängt. Ein hierauf bezüglicher Vorschlag der Untersuchungskommission soll aber bereits dem Sultan vorliegen und seine Bestätigung demnächst erwartet werden. Inzwischen wurde Kemal ed Diu nach Brussa verschickt und der dortige Wali beauftragt, für Unterkunft und Ueberwachung zu sorgen. Einer offiziellen Mitteilung zu folge, die das Wiener offiziöse „Telegr.-Korr.-Bur." aus Konstantinopel am Dienstag wiedergibt, wurde eine Jrade veröffentlicht, durch welches der Beschluß des Ministerrats, nach welchem Kemal Pascha degradiert und ihm die Or- densauszeichnungen abgenommen werden sollen, sanktioniert wird. Gleichzeitig wurde Kemal Pascha verurteilt, seinen Wohnsitz in Brussa zu nehmen.