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„Monsieur Desborres ist zur Zeit unübertrefflich, be- wundernswerth," sagte sie dann, „aber wissen Sie, Made moiselle, das gehört zu seinem Beruf und ist ganz unabhängig von feinem sonstigen Charakter. Für die Kranken sorgt er in rührender Weise, Niemand könnte mehr thun! Ich wundere mich nur immer darüber, wie er die Zeit für Alles, was er leistet, finden kann. Wenn ich nicht nieinen Posten Heer bei Mademoiselle hätte, ich glaube wahrhaftig, ich bäte den Doktor, mich bei der Krankenpflege zu verwenden, ich bin freilich alt und dumm, aber grobe Arbeiten könnte ich den Anderen doch abnehmen, und es soll ja schrecklicher Mangel an Pflegerinnen sein." „Ach, ich wollte, ich könnte auch Krankenpflegerin werden, Nanon!" „Sie, Mademoiselle?" „Ja — ich. Meinen Sie, Sie allein hätten den Wunsch, sich nützlich zu machen?" „O, Mademoiselle, Sie scherzen!" „Nein, Nanon, über eine solche Sache scheint man nicht." „Aber, Mademoiselle, wenn Sie nun selbst am Fieber erkrankten." „Mein Gott, man sollte glauben, Sie sprächen mit Monsieur Reuleaux," sagte Therese verächtlich; „als ob mein Leben mehr werth wäre als das der Anderen, die kranke pflegen! Nein, Nanon, ich bin so wenig feige, wie Sie selbst es sind." (Fortsetzung folgt.) Zu spät. Novelle von Käthe Sassen. tRachdruS verbotrn.) Strahlen der untergeheuden Sonne überhauchten mit röthlich schimmerndem Glanze Berg und Thal und ließen sie noch einmal im Zauber des Hochsommers erglühen. Doch es war Herbst, und nur ein schöner Tag, wie er gerade dieser Jahreszeit öfter eigen, verbreitete die liebliche Täuschung ringsum. Bäume und Sträucher trugen schon leise den Stempel des Vergehens, die Luft war klar und durchsichtig, nur die Sonnenhelle und Wärme hüllte alles in trügerischen Schein. Die bunt blühenden Astern im Gärtchen des Professors schienen noch intensiver an Farbe, das Häuschen noch schmucker, und auch auf die beiden auf- und niederwandelnden Menschen hatte die Schönheit des Tages belebend gewirkt. Sie hatten sich erst vor Kurzem wiedergefunden, nach fast einem Jahrzehnt, in dem sie nicht das Geringste von einander gehört Beide waren nicht mehr jung in dem eigentlichen Sinne des Wortes; sein dichtes, dunkles Haar zeigte schon vielfach silberne Fäden, wenn auch das Gesicht mit den klugen Augen, Gestalt und Haltung den Eindruck der vollen Kraft machten. Erst vor Wochen von einer mehrjährigen Reise durch Asien und einen Theil Afrikas zurückgekehrt, wollte er nun in seiner Vaterstadt — einem Städtchen Thüringens — vorläufig einmal das Heimathgefühl genießen Diesen Entschluß hatte er eben seiner noch immer schönen Jugendgespielin mitgetheilt und suchte nun in ihrem Antlitz nach einem Zeichen der Zustimmung; vielleicht der Freude aber beides blieb aus. Mit demselben Ausdruck von Herzensgüte und Wehmuth, den er schon in den ersten Tagen in ihren Augen ge sehen, sagte sie ihm, daß die Eltern und sie seines längeren Ver weilens sich freuen würden, daß man gemeinsam die Erinnerungs plätze der Kindheit aufsuchen wolle — nur der Ton, den er er wartet, blieb ihm versagt. So kam er oft, fast täglich; der alte Professor hatte für Alles Interesse, was sein junger Freund in fernen Ländern gesammelt, und was sie nun zusammen ordnen wollten. War doch das Studium desselben dem eigenen nah verwandt, und war es doch die Sehnsucht seines Lebens gewesen, aus eigener Anschauung die Sonderbarkeiten und Seltsamkeiten einer fremden Natur kennen zu lernen. Zu Beidem hatte das Geld gefehlt; jetzt war er alt, nun fehlte auch die Kraft. Uneigennützig, wie er war, konnte er sich des Gewinnes, den sein früherer Schüler aus dem Aufenthalt in fremden Ländern gezogen, von Herzen freuen, und auch für seine geliebte Wissenschaft erhoffte er erweiterte Kenntniß durch die ge meinsame Veröffentlichung. So war mit der Wiederkehr des Doktors ein reges, ange nehmes Leben in das stille Hans gekommen. Die Mutter und .Herbi heran. lautlos in ihren Schooß. weißt jc uns", i noch xlx, mal Jugend mahnen wärst u >ch jetzt gehen l Dich „I einem tz >ch nicht haben; , . Iw sah sie winden eine kle begegne ruheool Ahnen we> "<Lülleiäü » I?"? ringsum, nur hin und wieder ein leise faA, Liebe; t welkes Blatt, das sommermüde der Erde zustrebte. Einen Nck Herrscht machte es Rast auf ihrem dunklen Haar, glich, von der — — ! purpurn überhaucht, einer Blüthe des Sommers, dann ft Di Rose hörten voll regen Interesses zu, wenn er nach dft" „Herb essen — der einzigen Stunde, in der ihn der Professor freig^Men An von der Farbenpracht der Tropenwelt erzählte, von den >»^^»rle find fachen Sprachen, die er gehört, den so verschiedenen SitteU zürner Gebräuchen, die er gesehen. Man wurde nicht müde, doch fragen, und auch er fand immer neuen Erzählungsstofi Mu erspa schweiften seine Blicke bewundernd zu Rose hinüber, wie sif "! "vm , reich bis zur vollsten Selbstlosigkeit um die Mutter 'we war, und er ertappte sich mehr als einmal bei der Frage, . Ein t dies holde Geschöf mit seinen reichen, inneren Gaben so durchs Leben ging. Es ward ihm nicht schwer, ihr kleines chrte chi merksamkeiten zu erzeigen, und sie dankte ihm in ihrer helft Weise dasür. Mehr tonnte oder wollte sie nicht darin soh^.^ Darüber waren Wochen vergangen; der Herbst hatte ^a> Blattwerk bunt gefärbt, aber noch war es warm und schön. . . diese Abschiedstage des Herbstes noch einmal recht zu hatte man mit einigen Freunden einen Spaziergang nach in der Nähe gelegenen Aussichtspunkt verabredet, wo »»»l «. „ Nachmittag verbringen wollte. Zufall oder Absicht hatten ftsß, fügt, daß Rose und der Doktor die Letzten waren. Der 'ZZs', einen vergessenen Shawl zu holen, war sie umgekehrt, un^ es bei täglichem Zusammensein selbstverständlich, wartete derZ "L ft auf sie. Auf ihre genügsame, empfängliche Natur wirkte dü"sZ Luft, der Sonnenschein, den sie so oft entbehrt, besonder" , regend; sie war lebhafter und gesprächiger, der Hauch von h . muth ward zurückgedrängt, und sie erschien anziehender de^ Ihre jungen Schülerinnen, denen sie Musikstunden gab, sie in jugendlich-naiver Schwärmerei noch „bezaubernder", nft kindlicher Unbefangenheit hielten sie mit ihrer Ansicht nicht " . Auch der Doktor sah es mit stillem Entzücken, nnd das Schufts i gefühl, das ihn über die Meere getrieben, wuchs zum leidem L ' lichen Verlangen. Ja, in diesem Augenblick ward es daß es Sehnsucht nach ihr gewesen, was ihn so übernZ^s? m zurückgezogen, was er unklar und sich selbst unbewußt die 8^ - , Jahre für Heimathsschnsucht gehalten. Wie befreit von ' Druck, und doch mächtiger denn je zuvor von der Seligkeit ft.zu Gefühls erfüllt, wollte er eine Aussprache suchen, wollte sie ft ob er bleiben dürfe oder der Heimath abermals Lebewohls solle. Denn nun — das fühlte er deutlich — gab es kein ftft schaftlichcs Nebeneinander mehr, jetzt gab es nur seliges o- — oder — aber das war ja nicht möglich einen "ikl für immer. ,, ° Der Rückweg bot ihm die ersehnte Gelegenheit. EbeN^E^ L eine Licblingsschülerin, die sich dieses Vorzugs auch vollkot . ,. bewußt war, Rose verlassen, als der Doktor sich ihr näherft,ft-Z8 mit ihr als letztes Paar langsam den anderen folgte. 'Fast j lich suchte Rose das junge Mädchen zurückzurufen, aber ft) — ihre Stimme verhallte, und schon bat er um ein paar E Gehör. Zu Tode erschrocken, mit leidenschaftlich-flehender Oft M sah sie ihn an doch er verstand sie nicht; einer H wandlerin gleich, schritt sie neben ihm, schwankend, fast geschl^ Auges, nach Athem ringend wie unter einer schweren Last) qm? er sprach und sprach ohne Unterbrechung; dumpf, veft . s- klangen ihr die Worte, ihr Kopf schmerzte, daß die Ms «^ankei nicht zu folgen vermochten. Er sprach von seinem Leben t -ärtlnb in der großen Welt, das ihm trotz reger Thätigkeit, trotz ft , folge keine innere Befriedigung gebracht, von seiner Sehnsu^. ihr, von seiner Liebe, die ihr stets gehört, sich selber unss/ Wie sie aus der Kinderfreundschaft emporgewachsen, die Schiv^ des Jünglings überdauert, nun erstarkt durch die jab^ Trennung, zur tiefen, bleibenden Liebe des Mannes gewoftft Da drang ein Laut an sein Ohr, jäh, unartikulirt, ft? voll ächzend, so jauchzend vor Freude, wie er ihn noch ft f einer Menschenbrust vernommen — dann ein Schwanken, eft — und in nächster Sekunde kniete er neben ihr auf dew? verbrannten Moos. Minuten vergingen, ohne daß ein Ä des Lebens durch ihren Körper ging. Er stützte ihren Köpftft ihre Hände, aber willenlos, in tiefer Ohnmacht ließ ft? geschehen. Voll leidenschaftlicher Sorge, voll verzehrender ' blickte er sie an, und, als hätten seine Blicke Gewalt, E'. die Augen auf. Aber nur ein seliges Lächeln, ein AuSdnft^ er ihn noch nie in ihren Augen gesehen, heiße, irre LebenSl sehnsüchtig-zitterndes Glücksverlangen, gab ihm Antwort, sein Geständnis wirklich gehört. Erst allmählich kehuM Bewußtsein zurück, aber dann, ihre ganze Energie zusammenneö^ schleppte sie sich mühsam, auf seinen Arm gestützt, nach ein der Nähe befindlichen Baumstamm und winkte ihn dicht »