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scheint zu den Gewohnheiten des neuen Staatsoberhauptes zu gehören", und der sonst revanchewüthigen „France" zwingt die zweideutige Sprache Kaiser Wilhelms die Versicherung ab: „Wir werden niemals angreifen, aber wir wollen in der Lage sein, uns nachdrücklich zu vertheidigen, falls man uns angreifen wird." Dazu bemerkt die „Köln. Ztg.": „Auch Deutschland wird nicht angreifen, das hat Kaiser Wilhelm ebenso fest ver sichert, wie die Thatsache, daß Deutschland die Errungenschaften seiner großen Kämpfe bis zum letzten Blutstropfen vertheidigen wird. Weshalb es trotzdem rüstet, rüstet im unverhohlenen Hinblick auf seine Nachbarn im Westen? fragen die Franzosen. Weil es die Erfahrung gemacht hat, daß es eitel Beginnen ist, mit der Republik gute Beziehung zu erstreben, weil es täglich sieht, daß der Revanchegedanke bei der politischen Agitation aller Parteien die einzig wirksame Triebkraft ist, weil die Stetigkeit der Regierung und der bestehenden Regierungsform so wenig verbürgt ist, daß neue Umwälzungen Deutschland täglich neuen Verhältnissen gegenüber stellen können und sich gegen die Möglichkeit schützen will, noch einmal von einem französischen Abenteurer zertreten zu werden, weil endlich es zu der Einsicht der bedauerlichen Wahrheit gekommen ist, daß die Furcht Frankreichs vor der Stärke Deutschlands und seiner Bundesgenossen der festeste Hort des Friedens ist. Deshalb rüstet es und bereitet sich vor zu neuem Kampfe, den es ebensowenig sucht wie fürchtet." Die Pariser Streikbewegung ist im Allgemeinen zu Ende. Am Freitag hielten die streikenden Erdarbeiter eine General-Versammlung ab, in welcher der leitende Sekretär des Streik-Bureaus mittheilte, daß die Fonds zur Aufrechterhaltung der Arbeitseinstellung nicht mehr ausreichten und es Jedem überlassen bleiben müsse, nach eigenem Ermessen zu handeln. Der Sekretär fügte hinzu, die Streik-Kommission werde in Permanenz bleiben und eine „bessere" Arbeitsorganisation vorbereiten. Infolge dieser Erklärung beschloß die Versammlung mit großer Mehrheit, die Arbeit wieder aufzunehmen, womit also der Pariser Arbeiterausstand, der eines bedenk lichen sozialrevolutionären Hintergrundes nicht entbehrte, im Großen und Ganzen als beendigt angesehen werden kann. Die finanziellen Verlegenheiten Frankreichs scheinen immer größere Dimensionen anzunehmen, und es ist gar nicht abzusehen, auf welche Weise Frankreich zu einem geregelten Budget wird gelangen können. Neben der ungeheuren Schuldenmasse, mit der Frankreich Dank der Milliarden, die es auf seine Armee und feine Flotte verwendet hat, sein Budget be lastet, sind es die kolossalen Ausgaben, die die Regierung und die Kammern in den äußerst kostspieligen und zum Theil ganz unnützen Bauten, sowie in abenteuerlichen überseeischen Unternehmungen verschwendet haben. Zu diesen gehören, ganz abgesehen von Tonkin, auch die Ausgaben für die Colonisation im französischen Sudan. In Bezug hierauf ist soeben ein offizieller Bericht erschienen, welcher von den Fortschritten, welche die Fran zosen im Senegal erzielt und von der großen Energie, welche die franzö sischen Kommandanten dort entwickelt haben, handelt. Man fragt sich allgemein in Frankreich, was die ungeheuren Opfer an Geld-und Menschen kräften, welche die colonialen Unternehmungen im Senegal erfordert haben, dem Lande genützt und ob sie auch entfernt den Vortheilen entsprechen, die man in Zukunst daraus ziehen könnte. Seit zehn Jahren hat man daran gearbeitet, Algerien mit dem Senegal durch eine Eisenbahn, die die Sahara durchziehen sollte, zu verbinden. Diese Eisenbahn sollte durch eine Reihe von Forts zwischen dem Senegal und dem Niger geschützt werden. Unter der energischen Leitung der französischen Offiziere wurde denn auch das Land schnell occupirt. Am Ende des dritten Feldzuges wehte die fran zösische Flagge auf dem Niger, aber mit der Eisenbahn ging es nicht so schnell; man hatte 26 Millionen ausgegeben und nur wenige Kilometer waren erbaut. Jetzt nun sollen große Summen auf die Fortsetzung der Eisenbahn verwendet werden, ohne daß man die geringste Garantie dafür hat, daß das Unternehmen gelingt. Diese Affaire zeigt von Neuem, wie leichtsinnig die Franzosen mit ihren öffentlichen Geldern wirthschaften. Der Boulangismus in Frankreich kann den 19. August in seinem Wahlkalender roth anstreichen, denn die an diesem Tage vollzogenen drei Ersatzwahlen zur französischen Deputirtenkammer bedeuten in ihren Er gebnissen einen zweifellosen Triumph der schon todtgesagtcn boulangistischen Sache. Boulanger hatte bei allen drei Wahlen kandidirt und wurde er in den Departements Somme und Charente-Jnferieure im ersten Anlaufe gewählt, während er sich im Norddepartement, wo infolge des Auftretens von sechs Kandidaten eine große Stimmenzersplitterung erfolgte, einer Stichwahl sich unterziehen mußte. Aber auch hier ist der Sieg des Ex- Generals schon jetzt so gut wie gewiß und mit Stolz präsendiren nunmehr die Boulangisten ihren Herrn Md Meister als den „Gewählten dreier Departements" und diese Thatsache wird natürlich den Boulangerschwindel auf's Neue in Flor bringen. Die Republikaner haben zwar nicht Unrecht, ! wenn sie diesen unerwarteten Erfolg des Zukunftsdictators dem Eintreten der Monarchisten für Boulanger auf's Kerbholz setzen, aber an seinem Triumph wird hierdurch nichts geändert und das Ministerium Floquet mag sich daher nur gehörig im Sattel festsetzen. Ueberigens war der Wahl kampf in allen drei Departements ein sehr hitziger und zwar nicht nur figürlich genommen, denn an zahlreichen Orten gericthen sich Boulangisten und Antiboulangisten tüchtig in die Haare, so daß z. B. in Amiens das Militär mit dem Bayonnett die Ruhe wieder Herstellen mußte. Rom, 20. August. In Savona stellten 1500 Arbeiter der Metall- sabrik die Arbeit wegen Lohnherabsetzung der Arbeiter ein. Eine Depu tation begab sich zum Unterpräfekten. Die Ordnung blieb ungestört. New-Aork, 22. August. Heftige Stürme in den Ost-Staaten zerstörten Bahnbrücken und Fabriken und schädigten die Landwirthschaft. Viele Personen sind umgekommen. Vaterländisches. Wilsdruff. Zu dem in voriger Nummer unseres Blattes ge brachten Festbericht über die 25jährige Jubelfeier des hiesigen Turnvereins haben wir heute ergänzend nachzutragen, daß beim Hauptfestaktus auf dem Festplatze nach der allseitig begeistert aufgenommenen Festrede des Herrn Bürgermeister Ficker, Derselbe im Namen des geehr ten Stadtgemeinderathes dem Jubelverein unter herzlichen Be glückwünschungsworten einen goldnen Fahnennagel verehrte. — Das am Montag Abend im schön geschmückten Schießhaussaale statt- gefundcne Concert und Ball des Turnvereins, wozu wiederum die Spitzen der löblichen Behörden sowie die Vorstände der hiesigen Vereine freundlichst geladen und zur Freude des Jubelvereins größtentheils auch erschienen waren, verliefen ebenfalls in schönster Harmonie. Während des Concerts nahm Herr Schuldirector Gerhardt Gelegenheit, an den Turnverein an- erkennensde, dankende und bittende Worte zu richten, worauf später eins Mitglied des Tumvereins namentlich dem mitanwesenden Herrn Bürgermeister Ficker, Herrn Schuldirector Gerhardt und Allen, welche den Verein vor und während seines Jubelfestes so aufopfernd unterstützt und mit so herrlichen Geschenken beglückt haben, Worte des herzlichsten Dankes und ein „Gut Heil!" zurief, in welches die ganze Festversammlung begeistert einstimmte. Der Turnverein aber wird dieser für ihn schönen Tage stets eingedenk und bestrebt sein, ein würdiges Glied in der Kette der hiesigen Corporationen zu bleiben. — Nach einer Verordnung des königl. Lvndesconsistoriums soll für den Bau einer Kirche in Hammerbrücke eine allgemeine LandeScollecte ein gesammelt werden. Die zur Paroebie Falkenstein i. V. gehörigen Orte Hammerbrücke und Friedrichsgrün mit circa 1500 Einwohnern liegen weit entfernt von ihrer Pfarrkirche im oberen Muldenthale, so daß der Besuch des Gotteshauses schwierig, zur Winterszeit oft ganz unmöglich wird; seit einer Reihe von Jahren werden deshalb allmonatlich Gottesdienste in Hammerbrücke abgehalten; doch haben sich die zur Verfügung stehenden Räume im Schulhause unzureichend erwiesen, weshalb von den Gemeinden Hammerbrücke und Friedrichsgrün beschlossen worden ist, eine kleine Kirche zu erbauen; zu diesem Zwecke ist von ihnen ein Bauplatz erworben wor den, auch wollen sie aus eignen Mitteln für Orgel und Glocken sorgen, während der Kirchenvorstand von Falkenstein 10 000 Mark aus den Mit teln der Kirchgemeinde zur Verfügung gestellt hat; doch wird trotz mög lichster Einschränkung der in den bescheidensten Verhältnissen gehaltene Kirchenbau 25 000 Mark kosten; die lieben Gemeinden, welche arm und mit Abgaben reichlich belastet sind, hoffen, daß ihnen der Fehlbedarf von der christlichen Mildthätigkeit gewährt werde, so daß der in diesem Sommer in Angriff genommene Bau bald zu Ende geführt werden kann. Daher haben auf das Ansuchen der hilfsbedürftigen Gemeinden die in LvanAsUois beauftragten Herren Staatsminister die Veranstaltung einer allgemeinen LandeScollecte bewilligt, welche in Rücksicht auf locale Verhältnisse erst am nächsten Sonntage an den Kirchthüren eingesammelt werden wird. Die am Besuch des Gottesdienstes Behinderten werden freundlichst gebeten, ihre der Collecte zugedachte Gabe im hiesigen Pfarrhause abgeben zu wollen. — Auf das heute Freitag Abend im Saale des Hotels zum „goldnen Löwen stattfindende große Extra-Concert vom hiesigen Stadtmusikchor mit Unterstützung des Herrn Opernsängers Oskar Küchenmeister aus Hannover machen wir hierdurch nochmals alle Musik- und SangeSfreunde aufmerksam. — Sonnabend den 8. September wird in Meißen eine Zucht schwein-Ausstellung stattfinden. Es sind nämlich die 12 landwirth- schastlichen Vereine der Meißner Umgegend, welche die Breslauer Aus stellung durch das „Meißner Gebrauchsschwein" beschickt hatten, infolge der günstigen Erfolge, die sie auf dieser Ausstellung erzielt haben, zu einer engeren Vereinigung zusammengetreten und beabsichtigen, eine „Zuchtge nossenschaft" zu begründen, welche Angelegenheit durch die projektirte Aus stellung Förderung erhalten soll. Jeder der betheiligten Vereine hat zu der Ausstellung einen Eber und drei Sauen zu liefern. Für denselben Tag ist auch die endgiltige Constituirung der „Zuchtgenossenschaft" in Aussicht genommen. — Die Anwesenheit des Kaisers Wilhelm in der sächsischen Ober lausitz wird Anfang September mit Bestimmtheit erwartet, wird jedoch nur von kurzer Dauer sein. Wie Oberlausitzer Blätter melden, fährt der Kaiser, der sein sächsisches Regiment bei den Divisionsmanövern in der Zittauer Gegend gesichügen will, von Dresden, wo er dem Königshause einen Besuch abstattet, ohne Aufenthalt nach der Station Oberdorf-Oder witz, besteigt dort sein Pferd, nimmt die Parade ab und kehrt ohne Auf enthalt wieder von der Station nach Dresden zurück. Bei dem reichhal tigen Reiieprogramm des Kaisers für den nächsten Monat klingen diese Angaben sehr glaubhaft. — Graf Moltke hat bei seiner Anwesenheit in Leipzig den Armen der Stadt die Summe von eintausend Mark überwiesen. Das Begleit schreiben lautet: „Leipzig, 18. 8. 88. Geehrter Herr Oberbürger meister. Ich darf Ihre Zeit heute durch persönlichen Besuch nicht in Anspruch nehmen, möchte Ihnen aber doch meinen aufrichtigen Dank für die überaus freundliche Aufnahme aussprechen. Gestatten Sie mir anlie gend einen kleinen Betrag für die Armen zu überreichen, welche wohl selbst in dieser schönen Stadt nicht fehlen werden. Mit vorzüglichster Hochachtung ergebenst Gr. Moltke, Feldmarschall." — Wurzen. In hiesiger Gegend ist die Getreideernte in voriger Woche während der letzten warmen Tage zum größten Theile be endet worden. Die Halmfrüchte sind nicht nur gut eingebracht worden, sondern haben auch die Erwartungen recht befriedigt. Roggen und Weizen sind überall. Hafer und Gerste aus den meisten Feldern gut gerathen. Was die Obsternte anlangt, so waren die Erträgnisse der Kirschen Heuer ganz zufriedenstellend, Aepfel giebt es dies Jahr nur in sehr geringer Menge, die Birnbäume dagegen hängen so voll, daß an vielen Orten die Aeste gestützt oder hochgebunden werden mußten. — In der frühen Morgenstunde des 19. d. M. wurde der in Dres den, Waisenhausstr. 5 wohnende Schuhmacher Jul. Gallwitz verhaftet, weil derselbe in dringendem Verdachte steht, einen Mordversuch auf seinen ! im Hinterhaus desselben Grundstücks wohnhaften Bruder, den Schuh- machcrmstr. Ernst G. und dessen Familie, bestehend aus Frau, einem Kinde, Schwiegermutter und Dienstmädchen, geplant zu haben, welcher aber zum Glück nicht gelungen ist. Die Familie wurde früh in der 5. Stunde durch gräßlichen Schwefelgeruch geweckt und eilte hinaus,, wo sie auf der engen zu ihrer Wohnung führenden Hofttreppe einen mit Schwefel getränkten und mit Streichhölzchen gefüllten Sack bemerkten, der bereits so stark brannte, daß die darunter befindliche Treppe anzukohlen begann. Zwischen den Brüdern sollen von früher her Zwistigkeiten bestanden haben, die für die erwähnte Familie recht verhängnißvoll hätten werden können. G. hatte seinen Bruder und dessen Familie vermuthlich dadurch vernichten wollen, daß dieselben entweder ersticken oder verbrennen sollten, was auch geschehen mußte, wenn die Insassen nicht rechtzeitig noch erwachten. Vermischtes. * Die Hochwasserschäden in Böhmen bezw. dem Jsergebiet in der Gegend von Reichenberg, Hohenelbe bis Trautenau sind ganz erheblich. Der Gesammtschaden wird in Böhmen bei den Gemeinden auf mehr als 250 000 Gulden geschätzt; 11 Personen sind in den Fluchen umgekommen. Im Trautcnauer Stadtforst sind 803 Stämme entwurzelt. Gegen 120 Meter Klafterholz in verschiedenen Forsten wurde fortgeschwemmt, über 20 Mühlwehre sind vernichtet. Die Schäden in Aupa sind auf 6000, in Marschendorf auf 30 000 Gulden geschätzt. * Ein furchtbarer Wolkenbruch ging, wie aus Wien gemeldet wird, ' über mehrere Ortschaften im Bezirk Kronenburg in Niederösterreich nieder und richtete großes Unglück an. Etwa fünfzehn Personen, darunter ! eine Wiener Familie, sind ertrunken, fünzig Häuser eingestürzt, mit Frucht gefüllte Scheuern weggeschwemmt und vieles Hausvieh und viele Pferde sind in den Fluchen umgekommen. Die Leute flüchteten sich auf Bäume und Dächer, die unter ihnen zusammenbrachen; daher sind auch zahlreiche schwere Verletzungen vorgekommen. «Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 13. Trinit.-Sonntag: Vorm. 8 Uhr Gottesdienst. Predigt: Herr Pastor Hochmuth aus Blankenstein. An den Kirchthüren wird nach Schluß des Gottesdienstes eine Collecte für den Kirchenbau in Hammerbrücke eingesammelt werden.