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Vaterländisches. Wilsdruff, 20. August. Die Feier des 25jährigen Stiftungs festes des hiesigen Turnvereins, welche am 18. und 19. August d. I. stattfand, wurde am Sonnabend Abend durch Commers im Saale des Hotels zum Adler unter außerordentlich zahlreicher Theilnahme eröffnet; eingeleitet durch den vom hiesigen Stadtmuflkchor mit gewohnter Präzision vorgetragenen Marsch z. O. „Die Folkunger", folgte hierauf der von Herrn Schuldirektor Gerhardt gedichtete Begrüßungsgesang: „Frisch und fromm und frei und fröhlich", welchem sich die Begrüßungsrede, gehalten durch Herrn Redakteur Berger, anschloß. Derselbe begrüßte die von aus wärts erschienenen Turner sowie eingeladenen Gäste hiesiger Stadt, gedachte des Turnvereins, indem er denselben mit einem in den schönen Garten genannt Wilsdruff gesteckten kleinen Zweig, welcher jetzt, unter sorgsamer Pflege, zum schönen Baum herangewachsen sei, verglich, gedachte ferner unsres alten Turnvaters Jahn, welcher wohl in dem Herzen eines jeden deutschen Turners ewig fortleben werde, sowie des heutigen Gedenktages von 1870, und feierte zum Schluß in warmen Worten Kaiser, König und Vaterland mit einem dreifachen „Gut Heil"! Hierauf reihten sich Musikpiscen und Lieder, letztere vorgetragen von der „Liedertafel" und „Sängerkranz", als auch allgemeine Gesänge an. Einen der Glanzpunkte des heutigen Abends bildete die Ansprache durch Herrn Schuldirektor Gerhardt an dieJubilare und Mitbegründer des Vereins und wurden die Herren Produktenhändler Gustav Adam, Kaufmann C. F. Engelmann und Uhrmachermeister Heinrich Pietzsch durch Ueberreichung künstlerisch ausgefübrter Diplome zu Ehrenmitgliedern des Vereins ernannt, sowie an 12 Mitbegründer schön ausgeführte Diplome als Erinnerungs zeichen ausgehändigt. Unterbrochen durch den allgemeinen Gesang des Liedes: „Deutschland, Deutschland über alles", folgte die Berichterstattung über die 25jährige Thätigkeit des. Vereins durch Herrn Kaufmann Engelmann, welcher den Anwesenden ein Bild von der ersten Anregung zur Gründung des Vereins und die weitere Entwickelung bis auf den heutigen Tag ent warf und so in manchem, besonders der mit anwesenden Gründer und Mitglieder der ersten Jahre des Vereins die Erinnerung an manche frohe Stunde wachrief. In bunter Reihe folgten nun Gesänge, Danksagungen der vom Verein geehrten Herren, Begrüßungen von Vertretern des Gaues und auswärtiger Vereine sowie Verlesung telegraphisch und brieflich ein gegangener Beglückwünschungen, so daß die Festtheilnehmer in fröhlichster und heiterster Stimmung bis weit über die 12. Stunde vereint blieben und die Eröffnung des Festes als eine nach jeder Hinsicht wohlgelungene angesehen werden konnte und allen Theilnehmern noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben wird. Der Hauptfesttag wurde früh 5 Uhr durch Reveille eingeleitet und nachdem noch in den Vormittagsstunden Empfang von auswärts einge troffener Turner stattgefunden hatte, entwickelte sich bald ein reges Leben. An dem sich gegen 2 Uhr von der Kirche aus in Bewegung setzenden Festzug, der durch mehrere mit Guirlanden, Kränzen, Fahnen und Ehren pforten reich geschmückte Straßen zog, welche ein Zeugniß der warmen § Theilnahme der Bürgerschaft Wilsdruffs an der Feier des Vereins gab, hatten sich die kaiserl., königl. und städtischen Behörden, sowie sämmtliche hiesige Vereine angeschlossen und langte derselbe, nachdem von schönen Händen so manches Sträußchen ihm zugeworfen worden war, gegen 3 Uhr auf dem Festplatz an, auf dem sich schon vorher ein zahlreiches Publikum eingefunden hatte. Nach dem gemeinschaftlichen Gesang des Liedes „Brü der, reicht die Hand zum Bunde", bestieg Herr Bürgermeister Ficker die Rednerbühne und hielt in gewählten warmen Worten die Festrede an die Festversammlung, der sich die Uebergabe der Geschenke der hiesigen Jung frauen, bestehend in einer prachtvollen mit in Silber gestickter Widmung versehenen Fahnenschleife in den Turnerfarben, sowie eines silbernen Lor beerkranzes und von fast allen hiesigen sowie auch auswärtigen Vereinen geschenkten Fahnennägel, als auch eines von Herrn Gürtlermeister Hart mann geschenkten silbernen Fahnenringes anreihten. Hierauf folgten Freiübungen der Turner, welchen sich ein mit viel Takt ausgeführter Reigen anschloß, sowie späteres Turnen an sämmtlichen Geräthen. Be- : sonders hervorzuheben sind die auch von allen Anwesenden mit großem Beifall aufgenommenen Freiübungen und Reigen der unter Leitung des Herrn Schuldirektor Gerhardt stehenden Schuljugend Wilsdruffs, und wurde es mit gerechter Bewunderung ausgenommen, mit welcher Präzision ! die lieben Kleinen ihrer für sie wohl nicht gar zu leichten Aufgabe gerecht zu werden suchten. Nach Beendigung der programmmäßigen Feier ent wickelte sich auf dem Festplatz ein fröhliches Durcheinander, welches die Festtheilnehmer noch lange zusammenhielt. Als würdigen Abschluß wird die hiesigen Turner heute Abend ein Ball im Schützenhaus vereinigen, und werden dieselben nach Beendigung desselben mit Zufriedenheit aus den Verlauf ihrer 25jährigen Jubelfeier zurückblicken können und rufen wir dem Verein für sein weiteres ernstes Bestreben ein kräftiges „Gut Heil" zu. LI. — Auch das allzeit getreue Leipzig hat jetzt sein lange entbehrtes Tiegesdenkmal. Am Sonnabend Vormittag ist dasselbe in Gegenwart unseres Königspaares, der Prinzen Georg, Friedrich August, der Prinzessin Mathilde und der Minister und vieler hoher Persönlichkeiten — auch Graf Moltke, der greise Schlachtenlenker, wohnte der Feier bei — festlich ent hüllt worden. Die Feier selbst gestaltete sich zu einem erhebenden Natio nalfeste. Ganz Leipzig prangte im Festschmuck; die Stimmung war eine sehr gehobene und blieb es den ganzen Tag. Tausende promemrten bis spät in die Nacht hinein vor dem Denkmal. Dasselbe hat kolossale Di mensionen und ein Gewicht von 32 000 Centnern. Die Kosten des Mo numents betragen nahezu eine halbe Million Mark. Zwei Stufen führen auf einen Unterbau von 10,82 Meter, auf welchem sich das Denkmal er hebt. Das dunkle Postament aus grünem schwedischen Marmor erreicht die Höhe von 6 Metern. Von allen Seiten führen Stufen hinan und die Ecken des Postamentes laufen in vier verschiedenen quadratisch geform ten Sockeln von 1*^ Meter Höhe aus, auf denen in Lebensgröße ge meißelte Reiterfiguren stehen. Es sind dies die Gestalten des Kaisers Friedrich III., des Königs Albert von Sachsen, des Fürsten Bismarck und des Feldmarschalls Grafen Moltke. Um diese Reiterfiguren gruppiren sich acht Fahnenträger verschiedener Truppentheile der Armee. An der Front des Postaments ist eine Nische angebracht, in dieser erblicken wir die Heldengestalt des Kaisers Wilhelm I. in sitzender Pose auf dem Kai serstuhl. Sein Haupt ist mit dem Lorbeer umkränzt, seine Rechte erfaßt das auf seinem Schooß liegende Schwert, seine Linke den Reichsapfel; von den Schultern herab fällt der Hermelinmantel. Zwischen Pfeilern mit palmartiger Bekrönung zieht sich am Sockel ein Broncefries mit Krie- gerscenen. Ueber dem Sockel ragt hoch die Gestalt der Germania in Höhe von 3^ Mtr. auf. Von einem weiten und lang herabwallendenBrocat- mantel umhüllt, welcher an dein Halse von einer Kettenspange zusammen gehalten, dann die Büste freiläßt, aber den «ordern Unterkörper und die Rückseite in weitem Faltenwurf umfließt, trägt die Figur einen Flügelhelm. Ihre linke Hand stützt sich auf den Adlerschild, ihre Rechte hält quer über der Schulter das in der Scheide steckende Schwert, eine Symbolik deutscher Friedensliebe. Auf den Feldem des Postaments sind drei Broncetafeln eingelassen. Diese tragen folgende Inschriften: „Unsrer Väter heißes Sehnen, Deutschlands Einheit ist erstritten." „Unsre Brüder haben freudig für das Reich den Tod erlitten." „Enkel mögen kraftvoll walten, schwer Errungnes festzuhalten." — Beim Tunnelbau am Hauptbahnhof in Chemnitz verunglückte am Mittwoch früh ein Arbeiter dadurch, daß er beim Ersteigen eines zum Abtragen bestimmten Lehmkegels, in welchen er einen Keil eintreibcn wollte, mit einem Theil des Erdreiches abruschte und von demselben verschüttet wurde. Der Verunglückte ist am darauffolgenden Mittag im Stadtkran kenhause gestorben. — Das Landgericht zu Zwickau verurtheilte eine Frau, welche in Schönhaide am 10. Juni einem vor der Hausflur stehenden Manne im Aerger einen Topf kochendes Wasser über den Kopf goß, zu drei Monaten Gefängniß. — Am Sonnabend wurden der Bodenmeister und ein Comptoir- diencr in der Hofmühle zu Plauen bei Dresden verhaftet, welche ge meinsam mit einem Gctreidehändler längere Zeit hindurch in höchst raf- finirter Weise Betrügereien sich zu Schulden kommen ließen. Die Warnung. Erzählung von Ludwig Habicht. (Nachdruck verboten ) (Fortsetzung.) „Ach richtig", sagte die gute Dame zerstreut. „Aber wollen wir uns wirklich erst diese Unbequemlichkeit aufbürden?! Und mein Bankier wird mich auslachen wegen meiner großen Aengstlichkeit, davon bin ich überzeugt." „Nein, nein, ich habe keine ruhige Stunde mehr", entgegnete Adele und fuhr eifrig fort: „Wir dürfen nicht die Warnung Kalthoff's in den Wind schlagen, wenn wir nicht selbst unser Verderben wollen." „Nimm die Sache nur nicht tragisch", ermahnte die sorglose Tante. Adele ließ sich dennoch durch diese Reden nicht beschwichtigen, sie drängte von Neuem, nunmehr sogleich alle Werthpapiere und Kostbarkeiten einzupacken. „Auguste mag uns helfen", meinte Frau v. Tellberg, die ein wenig bequem war. „Nein, nein, erinnerst Du Dich nicht daran, daß wir gegen unsere Leute das tiefste Stillschweigen beobachten sollen? Du darfst nur die Papiere einpacken, alles klebrige werde ich allein besorgen und in einer Stunde kannst Du schon Anton bestellen." Seufzend, beinah' widerwillig, fand sich die Tante in ihr Schicksal. Sie mochte und konnte nicht begreifen, daß ihr in Wahrbeit irgend eine Gefahr drohe und fand den Schritt, zu dem sie Adele drängte, wirklich überflüssig und doch, wie alle anlehnungsbedürftigen Frauen, fügte sie sich in dm Willen der Nichte, mit dem leisen Hintergedanken, sic aus zuschelten oder wenigstens zu verspotten, wenn sich die ganze Vorsichtsmaß regel als unnütz erwies. Frau v. Tellberg konnte vollends nicht begreifen, daß ihre Nichte gar so hastig und heimlich das Einpackungsgeschäft ausführte, denn sie hatte sogleich alle Thüren der Wohnzimmer abgeschlossen, um völlig un gestört zu sein. In weniger als einer Stunde war Adele mit ihrer Aufgabe zu Ende und nun bat sie die Tante inständigst, nicht länger mit der Abreise zu zögern. Diese zog etwas übellaunig die Klingel, um den Kutscher her beizurufen. „Wäre es nicht besser, wenn ich hinunter ginge, um Anton zu sagen, daß er anspannen solle?" rief Adele sogleich. „Warum?" fragte Jene verwundert zurück. „Weil der Kutscher dann sieht, daß hier etwas Absonderliches vorgcht." „Ach, Du treibst es mit Deiner Angst doch etwas zu bunt", ent- gegnte Frau v. Tellberg ärgerlich und nun wagte Adele nicht, die gute Frau noch mehr zu reizen und auf ihren Vorsatz zu bestehen. Wenige Augenblicke später trat schon Anton in das Zimmer. Es war ein mittelgroßer Mensch, auf dessen breiten Schuldern ein großer viereckiger Kopf saß. Das volle, vom Wetter gebräunte Antlitz zeigte einen sehr gutmüthigen Ausdruck und die kleinen, etwas schief stehenden Augen blickten meist matt und schläfrig vor sich hin. Der Kutscher war ein Czeche und zeigte die ganze Unterwürfigkeit des Sclaven. „Was befehlen gnädigste Frau?" sagte er, sich demüthig verneigend. „Du mußt gleich anspannen, ich will in die Stadt fahren", sagte Frau v. Tellberg, beinah' im Tone des Bedauerns, daß sie genöthigt war, den armen Burschen so früh in Bewegung zu setzen. Gewöhnlich trat sie erst Nachmittags ihre Spazierfahrt an. „Wollen gnädigste Frau im offenen Wagen fahren?" fragte der Kutscher von Neuem, ohne sogleich dem ersten Befehl Folge zu leisten. „Nein, Du mußt den geschlossenen Wagen nehmen, wir haben sonst nicht Platz", und ihre Blicke schweiften dabei über die Packete hinweg, die herumlagen. Die Äugen des Kutschers folgten ganz verstohlen ihren Blicken. „Werden wir das alles mitnehmen?" fragte er unbefangen mit der Zu traulichkeit eines alten Dieners, der sich schon eine solche Frage erlauben darf. Frau v. Tellberg nickte mit dem Kopfe und Adele, die nicht länger an sich halten konnte, sagte ungeduldig: „Beeile Dich nur, wir wollen gleich fort." Anton zeigte sich über dies Drängen nicht empfindlich. „Zu Befehl, gnädiges Fräulein", murmelte er demüthig und verschwand auf der Stelle. Adele mochte nicht mit ihrer Tante den Streit erneuern; aber sie war sehr beunruhigt, daß die gute Frau die Unvorsichtigkeit begangen und Anton in ihre Absichten so ziemlick eingcweiht hatte, denn sie glaubte be merkt zu haben, daß sich der Kutscher heimlich im Zimmer umgeblickt und gewiß manche dort aufgestellte Werthsachen vermißt hatte. Er konnte sich also sehr gut denken, daß man dieselben fortschaffen wolle. Schon nach kurzer Zeit kam Änton in größter Aufregung zurück und berichtete jammernd: „O, gnädige Frau, Handpferd ist umgefallen, wie ich anspanncn will, muß Kolik haben. Hat nicht geholfen, was ich armen Thiere gab. Weiß nicht, wo mir der Kopf steht, will gleich zum Thierarzt." „Dann eile nur", rief Frau v. Tellberg sogleich und der Bursche stürzte hastig fort. „Das ist fatal", wandte sich nun die Tante an ihre Nichte, anscheinend besorgter um ihr Pferd, als um die nunmehr vereitelte Reise. „Könnten wir nicht einspännig fahren?" fragte Adele unruhig. „Wer soll denn das kranke Thier pflegen?" „Anton holl ja schon Hülfe herbei und wenn wir fort sind, kann Auguste sich einmal darum kümmern." „Nein, nein, erst will ich meinen armen Fnchs wieder gesund sehen." „Und Du vergissest ganz, welche Gefahr uns droht", meinte die Nichte „Ach, ich glaube, wir lasten uns unnütz abhetzen", entgegnete di- e