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vor Danzer'S Orpheum, dem Lokal, wo er selbst vor längerer Zeit seine ersten Erfolge erzielt hatte. Er las die Affichen, fast lauter bekannte Namen traten vor seinen Blick. Doch da standen neue Namen: Großartiger Erfolg der Duettisten Filou und Filette, — neu, sentationell!" Er zahlte Entree, um sich nicht als Künstler vorstellen zu müssen und suchte sich einen Platz im dichtgedrängten Parkett. Concucrenten speciell seines Fachs, die berühmten Turner Batuola, producirten soeben ihre Nummer er lohnte ihre Leistungen durch ein vornehmes „Bravo", aber das Ganze lag ihm so fern, als wäre es aus einem anderen Stern, in einem langen Traum gewesen, daß er ihresgleichen war. Er stand schon wieder in den Schuhen des vornehmen Mannes. Die nächste Piece war das zweite Auftreten der neuen Duettisten. Ein behäbiger Bürger, der mit Weib uud erwachsenen Kindern seinen Platz neben Benares hatte, erklärte ihre Namen „b'ilou", schaut dös heißt „Schelm" und „bilstto" — „kleines Madel", — aber sie sind famos, wirklich famos", — er zog seinen Stuhl ein wenig vor und benahm durch seinen breiten Rücken Benares jede Aussicht auf die Bühne. Eben führte er sein Bier zum Munde, als die Duettisten auftraten. Eine förmliche Beifallssalve empfing sie, dann setzte das Vorspiel ein. Gerade wollte Benares sich erheben, um sie auch mal zu sehen, als ihre Stimme eher an sein Ohr schlugen, als sein Auge sic sah. Und nun erhob er sich jäh und starrte sie an. Filou war ein blut junges Bürschchen, das in Mädchcntracht eine zimpferliche, cocett outrirte Cocette gab, Filette, eine reizende Brünette, die in Salon-Herrentracht den sie verfolgenden Stutzer spielte. Fünfmal, sechsmal, mußte sie äa eapn singen, sie waren mit einem Schlag die Lieblinge des Publikums, das nicht aufzuhören wollte, sie her auszurufen. „Vater, was bedeuten doch die Namen von den Beiden," frug die Tochter des dicken Wieners über den Tisch herüber. „Schelm und Madel", entgegnete er. „Entschuldigen Sie", unterbrach ihn Benares mit wuthheiserer Stimme, „Etwas anders doch, Filou heißt so viel wie Schurke, und Filette, — eine niederträchtige Dirne!" Und ohne ein weiteres Wort ergriff er seinen Hut und verließ das Lokal. „Filou und Filette", sagte er noch einmal im Passiren der Asfichen „ein hübsches Deckblatt für diese Sorte, — aber so geht es im Leben! Man kann sich todt suchen und findet nichts, — und im dcmseben Augenblick, wo ich sie nie mehr zu sehen wünschte, finde ich Robert und Marion!" 14. Capitel. Paul Tiefenbach war in eine Art stumpfe Resignation verfallen. Wohin er in den letzten Tagen gekommen war, lag noch wie ein Hauch sein Name und der Name Käthchen Liebermanns in der Luft, auf den Lippen, den errötheten Wangen der Damen. Einzelne Worte trafen sein Ohr „Müllerstraße", oder „Chinchilla-Pelz", „nicht abgeschlossenen Thüren" und dergleichen gewöhnliche Worte, die man hört, ohne das Recht zu haben, um Aufklärung zu bitten, — nur die Eingeweihten kennen den tieferen Sinn. Lothar von Bucher wurde gefragt, anstatt die Beschuldigung zurückzuwei sen, wich er aus: „Ich kümmere mich nicht um die Privatangelegenheiten meiner Freunde." AlverS konnte nur achselzuckend ebenfalls gleichgültig sagen: Ich habe die Dame nicht erkannt", es schwirrte doch mit tausend Pfeilen der Bosheit in allen Salons und befleckte den makellosen Ruf eines tugendhaften Mädchens der guten Gesellschaft. Aber es war nie eine greifbare, eine faßliche Gestalt, die Tiefenbach hätte zur Rechenschaft ziehen oder aufklären können. Man sagte, man erzählte, man wollte wissen, wollte gesehen haben, — Alvers hatte wohl Recht gehabt, doch bedauerte er jetzt, seinen Damen davon erzählt zu haben, denn ein Mädchen aus anderen Kreisen hatte ihm vorgeschwebt, die Fort setzung einer Studentenliebe vielleicht, daß die hochbegabte Tochter reicher und geachteter Eltern hinterher erkannt worden war, that ihm sehr leid, denn er war eine Cavaliernatur und bedauerte den ganzen Vorfall, ohne ihn indessen widerrufen zu können. „Das ist es ja, das ist es", rief Paul empört. „Könnt ich sie Alle zusammenschmeißcn, ich dürfte sie doch nicht als Lügner heißen", — und der Schein ist gegen uns." Im Club versuchte er endlich die Taktik des offenen Bekennens. Er erzählte wie zufällig, daß er ein armes Kind Abends vor Zedwitzens Thür halb todt gefunden, — Lothar von Buchner konnte das bestätigen, und er bestätigte es sofort, — wie er, von Mitleid und Berufspflicht getrieben, das kranke Kind nach Hause gebracht habe, und am andern Morgen statt seiner unpäßlichen Tante, Irene Tiefenach, stellvertretend deren liebens würdige Schülerin, Frl. Liebermann ihn als Charitas in das Haus der Armuth begleitet habe. Der plötzliche Tod der kranken Frau erregte bei Fräulein Liebermann einen derartigen Schreck, daß sie gefallen wäre, wenn er sie nicht ausgesangen hätte, — ein seltsamer Zufall brachte in diesem selben Moment Herrn Lionel Alvers, den Besitzer des Hauses, zu dieser Scene, — er wollte den Bankier eben bitten, Fräulein Liebermann mit zunehmen, als er schon wieder gegangen war. — Der übertriebene Ernst, womit diese Erzählung ausgenommen wurde, das krankhafte Bemühen, ihm zu zeigen, daß man jedes Wort davon glaube, bestätigten seine Furcht, daß dies dennoch nicht der Fall war. Lothar sagte ihm später unter vier Augen: „Du hast für die kleine Liebermann die Sache schlimmer gemacht, gui s'oxvuss, 8'»oon8S. Um den Ruf des Mädchens ist es geschehen, die nimmt kein honetter Mann mehr zur Frau, — wes halb hast Du mir, als ich Dich damals fragte, nicht den wahren Sach verhalt mitgctheilt?" „Damals," entgegnete Paul seufzend, „glaubte ich noch die Persön lichkeit Käthchens ganz aus dem Spiel lassen zu können, weil sie nicht erkannt war, weshalb sollte ich sie freiwillig dem Urtheil der Welt preis geben?" — Lothar zuckte die Achseln. „Wenn Du ihre Ehre nicht wieder durch eine Heirath rehabilitirst, so ist Käthchen Liebermann ferner unmöglich." Paul nickte düster. „Das habe ich mir schon selbst gesagt, und ich bin entschlossen, falls das Gerücht sich nicht bald als ein Nichts auflöst und wirklich als Makel an ihr hängen bleibt, dies Opfer zu bringen. Lothar fing das letzte Wort auf. „Opfer, — na, erlaube mir die Bemerkung, daß sehr viele Männer, ohne den dummen Vorfall, mit Freuden eine so nette, begabte und vermögende Dame heirathen würden. Sie ist keine Schönheit, zugegeben, aber sic hat eine allerliebste Figur und ein angenehmes Gesicht, mit solchen Augen und Prachtzähnen ist man nie häßlich, und Ihre Talente für Malerei und Musik stellen sie hoch über unsere meisten hohlen Modepuppen." Paul war zu niedergeschlagen, um aus des Freundes warmer Lobprei sung etwas anderes als einen Trost für das Unerläßliche herauszuhören. „Aber ich liebe sie nicht," rief er dumpf. „Liebst Du eine Andere?" „Nein." „Nun, so ist das kein Hinderniß, man lernt sich hinterher lieben, wenn man schon vorher so gut befreundet ist. Nach zehn Jahren ist es ja überhaupt einerlei, ob man aus Liebe oder Convenienz geheirathet hat, — das sagte mir heute wenigstens Bella, als sie mich persönlich einlud, zu ihrer Hochzeit zu kommen." — Einige Tage gingen hin, in welchen bas Gemurmel sich zu deutlichen Anspiegelungcn steigerte. Doctor Tiefenbach beschloß endlich, mit seiner Tante Rücksprache zu nehmen, zuvor versuchte er aber, das unparteiische Urtheil der völlig uneingeweihten Mutter zu erforschen. Paul hatte seine Mutter nur flüchtig gesprochen, da sie sehr zerstreut schien, ließ er ihr nach seiner Weise Zeit, bis sie sich ihm in einem Ent schluß freiwillig anvertraute. Er fand sie, wie gewöhnlich von Büchern umgeben, nur fiel es ihm auf, daß sic in leichter Verlegenheit ein beschriebenes Blatt wandte, als er sich zu ihr an den Schreibtisch setzte. Aber nur einen Augenblick verbarg sie die Schrift, dann zeigte sie ihm dieselbe und ein rührendes Vertrauen sprach aus dem Blick, womit sie ihre Frage begleitete. „Nicht wahr, mein Sohn, Latein ist unter allen Umständen eine Sprache, die es Werth ist, selbst noch in reiferem Alter erlernt zu werden." „Du lernst Latein, Mütterchen?" Paul war grenzenlos erstaunt. Er las mechanisch die Conjugation des Verbums oroäero, welche sie in ihrer zierlichen Handschrift niedcrgeschrieben hatte. „Hast Du nur allge meines Interesse an dieser Sprache, oder einen besonderen Zweck?" frug er so leise und sanft, als berühre er eine schmerzende Wunde, das Zeit wort selbst zeigte ihm die Richtung ihrer Absichten. „Ich möchte die Bibel im Urtext lesen," gab sie ebenso zurück. Ein peinliches Schweigen folgte, sie fühlten Beide, daß sie sich nahe der gefähr lichen Stelle befanden, wo ihre Wege sich trennen. „Meine gute Mutter," sagte Paul nach einer längeren Pause, „ich weiß, Du wandelst in reineren Sphären wie Dein böser Sohn, aber ist es Dir möglich, mir einen Augenblick in das Getriebe unserer realen Welt zurückzufolgen? Es handelt sich für mich um die Wahl einer Gattin, und ich möchte nicht ohne Erfragung Deiner Meinung ein Mädchen zum Altar führen." „Du willst heirathen," Paul, jetzt schon?" „Nein, Mutter, ich will nicht, ich muß." „Wie soll ich das verstehen, mein lieber Sohn?" (Forts, folgt.) Vermischtes. * Großer Brand. Am Morgen des 30. Mai wurde das große Seiden- und Tuchlager von E. u. R. Garroul in London, welches die Häuser 150—158 in Edgeware Rvad und 58 Queen Street einnimmt, durch eine Feuersbrunst eingeäschert. Die Flammen schlugen zuerst aus dem unteren Stockwerk, während eine Anzahl Ladenmädchen in dem obersten schlieft». Man hielt ihnen Tücher hin, um hineinzuspringen, allein nur eine faßte den Muth. Leider zog sie sich bei dem Sprunge nicht unbe deutende Verletzungen zu. Zwei andere Mädchen wurden vom Hinteren Theil des brennenden Hauses aus gerettet. Als die Gewalt der Flammen etwas nachgelassen hatte, begab sich die Feuerwehr in die Schlafräume, wo sie fünf junge Mädchen erstickt vorfand. Der an den Waaren an gerichtete Schaden wird auf 40000 Pfd. Sterl, geschätzt, ist aber voll versichert. * Ein entsetzliches Brandunglück ereignete sich am 30. Mai Abends in Friedrichsberg, Gemeinde Hardt. Gegen 10 Uhr brach auf bis jetzt unbekannte Weise bei dem Landwirth Gantner Feuer aus, welches mit solcher Schnelligkeit um sich griff, daß in Zeit von 2 Stunden das ganze Bauernhaus eingeäschert wurde. Leider sind auch a ch t Menschenleben zu beklagen: die Ehefrau des Gantner und deren 6 Kinder, sowie eine 22 Jahre alte Magd. Einen erschütternden Anblick boten die Ueberreste der unglücklichen Verbrannten, welche in zwei kleinen Kisten gesammelt sind. Der Abgebrannte (Gantner) konnte sich nur mit Gefahr des eigenen Le bens retten, indem er durch das Feuer sprang, wobei ihm die Fußsohlen verbrannt und das Harr versengt wurde. Dem Knecht, der sich ebenfalls retten konnte, und der noch das Vieh aus dem Stalle holte, verbrannten die Kleider auf dem Leibe. Prima Mm DraMahle»^» sowie UM" Sandsteinwaaren "HW empfiehlt billigst ab Niederlage I Or»n«rnit« «.«I Lid« 1W Etr. gute Speisekartoffeln sind noch zu verkaufen. Fehrmann, Wildberg. Ein Tischlergeselle findet dauernde Beschäftigung bei V8vu1ä ^älsr, Neumarkt. Pferdeknechte werde« bei gutem Lohn sofort gesucht. Nitteegut Lrsunsäorf. Wncb, Pachter. AW" 8ommer8pros8en "HW verschwinden unbedingt durch den Gebrauch von ktzrSimiiii'8 allein fabricirt von Bergmann L Co. in Dresden. 50 Pfennig das Stück. Depot bei Apotheker Leutner. kauft zu höchsten Preisen '»"U-nllPlPfllrt Roßschlächtertisrtmunn, Potschappel. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 1. Juni. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 10 Pf. bis 2 Mark 20 Pf. Ferkel wurden eingebracht 200 Stück und verkauft ä Paar 10 Mark — Pf. bis 21 Mark — Pf. Meißen, 2. Juni. 1 Ferkel 4 Mk.— Pf. bis 12 Mk. — Pf Eingebracht 585 Stück. 1 Läufer 25 Mk. — Pf. bis 54 Mk. — Pf Butter 1 Kilogramm 1 Mark 80 Pf. bis 2 Mark 16 Pf. Dresden, 1. Juni. (Getreidepreise.) An der Börse: pro 1000 Kilogramm: Weizen, weiß 184—190 M., Weizen, braun 184—188 Mk., Korn 135—136 Mk., Gerste130—140 Mk, Hafer 130-136 M. — Auf dem Markte: Hafer pro Hektoliter 6 Mk. 50 Pf. bis 7 Mk. 50 Pf. Kartoffeln 4 Mk. 40 Pf. bis 4 Mk. 80 Pf. — Butter 1 Kilo gramm 2 Mk. — Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. Heu pro Centner 3 Mk. 20 Pf. bis 3 Mk. 70 Pf. Stroh pro Schock 26—28 Mk.