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„Melanie!" Es ist, als mache ihr es Mühe, die Lider zu heben. — Und dann sieht sie ihn mit eigenthümlich leeren Blick an. „Melanie! Das ist eine Stunde, in der man einen Freund gebrauchen kann, nickt wahr!" Ihre Hande schließen sich krampfhaft in einander und geben einem zitternden Hauch Naum. — Da tritt die Mutter wieder herzu. „Mein Gott, Melanie, wenn sie den Vater brächten, wenn er — an gefallen, vielleicht gar verwundet wvrden wäre — Melanie! — O, Du grundgütiger Gott!" Dabei fährt sie sich mit beiden Händen vor die Stirn. Das Mädchen faßt mit einem harten Griff den Arm der Mutter. „Bringen sie ihn da unten, Mama? Hast Du sie kommen sehen?" „Nein — nichts, nichts — nirgends eine Spur," sagt sie und eilt auf ihren Posten zurück. Melanie versinkt wieder in den lethargischen Zustand von vorher. Graf Hankel hat bei dieser unwillkommenen Störung unwillig die Stirn gerunzelt. Er ist so schön im Zuge gewesen, jetzt kann er von vorn anfangen. Aber benutzen will er diese Gelegenheit.— Junge Mäd chen sind niemals leichter zugänglich für Worte der Liebe, als in dem Moment einer großen Erregung. In solchem Zustande prüfen sie nicht erst lange. Also galt es, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß war. — Er neigte sich zu dem bleichen Gesichtchen nieder. „Melanie, wollen Sie mir wohl erlauben, Ihnen in der Stunde — ich will nicht hoffen, nicht glauben, denn es wäre zu entsetzlich, aber es wäre doch möglich, — die Ihnen vielleicht viel, sehr viel raubt, mein Herz zu Ihren Füßen niederzulegen? — Ein Ersatz für jeden Verlust, der Sie treffen könnte! Wollen Sie in dieser schweren Stunde diese kleine Hand in die meine legen und mir erlauben, sie fest zu halten für's ganze Leben?" Er sieht, daß sie ihn gar nicht verstanden; denn sie schaut noch immer mit diesem eigen hohlen Blick in's Leere. — Erst als sie seinen Kuß auf ihrer Hand fühlt, entzieht sie ihm dieselbe heftig. Aber er hat es auf eine schnelle Ueberrcsickung abgesehen. Er öffnet die Arme, die bebende Gestalt an sein Herz zu ziehen und flüstert dabei: „Melanie, Melanie, meine Braut!" Mit einem kräftigen Ruck fühlt er sich zurückgestoßen und Melanie geht an ihm vorüber nach der Thür, die in das Nebenzimmer führt. Davor hält sie an, heftet über die Schulter zurück einen verachtungsvollen Blick auf ihn und weist gebietend mit dem auszestreckten Arm nach der Aus gangsthür. Im selben Moment tritt die Commerzienräthin aus dem Erker, schluchzend mit gerungenen Händen. „O, Gott, stehen Sie uns bei, Graf. Was sollen wir thun? — O, Graf, noch immer keine Spur — nirgends, nirgends!" „Graf Hankel knirrscht ein nur halb unterdrücktes: „Verdammt!" während die scklauke Gestalt Melanie's hinter den Portieren verschwindet. — Und dabei flackert das unheimliche Feuer, das Melanie schon vorher erschreckt, wieder in seinen Augen. Im nächsten Moment aber schon küßt er der Commerzienräthin ritterlich die Hand, führt sie zu einem Sessel und spricht ihr Muth ein. — Sie hört sichtlich gern zu. „Würde die Tochter halb so entzückt sein, wie die Mutter, wäre ich jetzt ein gemachter Mann," denkt er dabei. — Doch so schnell ließ er sich nicht abschrecken, ein Sturm mußte noch auf die Festung gewagt werden, noch ein paar Tage vielleicht. Und wenn sie sich auch dann nicht ergab, wenn alle Mühe vergebens gewesen? — „Verdammt!" murmelteer wieder. — Doch da zuckt blitzartig ein Gedanke durch sein Hirn. „Dann kapere ich die Alte! Die wird sich nicht erst lange zieren, Frau Gräfin zu werden." Da — das Geräusch eines vor dem Hause haltenden Wagens und ein Schrei Melanies aus dem Nebenzimmer. Gleich darauf werden ein paar Thüren hastig geöffnet und geschlossen, dann steht Johann mitten im Salon. „Ist Papa gefunden?" fragt Melanie und schüttelt den Athemlosen am Arm. Er nickt. „Weshalb kommt er nicht mit?" „O, Gott!" schluchzt der Diener. „Ist er verwundet?" Johann schüttelt den Kopf. „Also er lebt? So sprich doch, wo habt Ihr ihn gefunden und wie?" Melanie, außer sich, rüttelt den Alten an den Schultern. „In der Urbanstraße," schluchzt er, „an einem Zaun." — Und durch eine Geberde deutet er an, „lag lang ausgestreckt auf dem Pflaster." Melanie schwankt. Ihre Augen öffnen sich so krampfhaft weit, als wollten sie aus ihren Höhlen treten. „Todt?" schreit sie. Doch der Alte schluchzt nur. Graf Hankel fängt die Bewußtlose in seinen Armen auf. Sein Ge sicht ist bleich wie der Tod, nur in seinen Augen ist unheimliches Leben. Jetzt steht die Commerzienräthin neben dem Diener. „Aber Du sagtest, er sei nicht verwundet?" — Ihre Stimme klang hohl und heiser. Er schüttelt den Kopf. „Nein," — und als müsse er selbst an diesem Worte ersticken, ringt es sich von seinen Lippen: „Erwürgt!" » X Es ist zehn Uhr vorbei. In den Straßen Berlins herrscht noch so reges Leben wie am Tage; aber in Rixdorf draußen ist es schon still geworden. Die Nachricht von dem Morde des Commerzienrathes ist zu dm Ar beitern in die Fabrik gelangt und bat mit einem Schlage aus den Unzu friedenen Theilnehmende gemacht, die über das Entsetzliche, was ihre Herr schaft betroffen, das eigene Ungemach vergessen. In großen Haufen sind sie nach dem Ort des Schreckens gezogen, um den guten Alten, wie sie jetzt den Commerzienrath in ihrer derben Herz lichkeit nennen, noch einmal zu sehen, und dabei berathen sie in lautem Durcheinander, wie sie es machen würden, wenn ihnen dieser entsetzliche Kerl von einem Mörder zur Strafe überlassen würde. Aber keine Todes art ist ihnen schrecklich und qualvoll genug. Endlich aber ruft Einer: „Kinder, der Alte war doch ein kräftiger Mann! Um so einen zu würgen, dazu gehört doch etwas; denn es hält doch dabei Keiner still. Es müssen mehrere gewesen sein; einer bringt das nicht fertig." „Nun, ja, schwächlich konnte man den Alten nicht nennen," stimmt ein Anderer bei. „Na, aber hager genug war er." „Mein Gott, man braucht kein Fettklumpen zu sein, um Kräfte zu haben." „Mager war er wohl, aber groß." „Ich möchte doch mal sehen," ruft ein besonders langer Mensch, „wenn mir Einer an die Kehle springen wollte, der flöge doch in den Rinnstein, er wüßte nicht wie. Mit einem allein würde ich immer fertig, wenn er keine Waffen bei sich hat." „Ja, zwei müssens mindestens gewesen sein," ruft der dazwischen, der zuerst auf diesen Gedanken gekommen. „Kommt, Kinder, wollen's der Polizei sagen, daß es nicht anders möglich ist." Damit biegen sie von dem Kottbuser Damm in die Urbanstraße ein. „Hui! — Was ist denn das hier für 'ne Kreuzspinne?" ruft der Lange, der unter den Ersten marschirt und stößt mit dem Fuß an einen Körper, der da dicht an dem Zaun auf dem Pflaster liegt. — Zehn, zwanzig Zündhölzer blitzen auf einmal auf. „Holzblock, altes Ungeheuer, wie kommst denn Du hierher?" ruft Einer, der sich neugierig herzugedrängt. Die kleinen stechenden Augen blicken heimtückisch und doch unsicher aus dem gedunsenen Gesicht des Krüppels auf die Schaar. > (Fortsetzung folgt.) Bermischtek. - Warmes Futter für Hühner. Erfahrene Hühnerzüchter wissen es allerdings, wie richtig es ist, den Hühnern während des kalten Wetters warmes Futter zu geben, doch scheint es auch Vielen unbekannt geblieben zu sein. Man erwärme alles Futter, mag es gemischt oder rein, gequetscht oder ganz sein. Wenn man den ganzen Mais verfüttert, muß er im Ofen so weit erhitzt werden, daß er beinahe geröstet ist; dann läßt man ihn etwas abkühlen und gibt ihn dann den Hühnern. Das gekochte Futter, das von Zeit zu Zeit gegeben wird, sollte warm verfüttert werden und, wenn nöthig, sollte man cs im Ofen aufwärmen. Es ist über raschend, welchen Unterschied warmes Futter während der kalten Tage auf die Eierproduktion ausübt, namentlich wenn für geeignetes Obdach und Pflege des Viebes gesorgt ist. * Verbot der Blutwürste. Im 10. Jahrhundert kam die Bereitung der Blutwürste in Aufnahme. Dagegen erließ Kaiser Leo folgendes Ver bot : „Es ist uns zu Ohren gekommen, daß man Blut in Gedärme wie in Säcke einpackt und so als ein ganz gewöhnliches Gericht dem Magen zuschickt. Es kann unsere kaiserliche Majestät nicht länger zusehen, daß die Ehre unseres Staates durch eine so frevelhafte Erfindung blos aus Schelmerei freßlustiger Menschen geschändet werde. Wer Blut zu Speise umsckafft, der wird hart gegeißelt, zum Zeichen der Ehrlosigkeit bis auf die Haut geschoren und aus ewig aus dem Lande verbannt. * Er kann cs wissen. Ein Sträfling in Cayenne, der französischen Strafkolonie, hatte vom Gouverneur die nachzesuchte Erlaubniß erhalten, sich mit einer Genossin seiner Verbannung zu verheirathen, wenn er, der ein Wittwer war, die Bescheinigung über den Tod der ersten Frau bei bringen könnte. Man schrieb an die betreffenden Behörden, aber die Ein gabe kam unbeantwortet zurück. Da der Sträfling nun nichtsdestoweniger darauf drang, daß die Trauung nickt länger verschoben werde, sagte der Gouverneur: „Aber es ist doch gar kein Anhalt dafür vorhanden, daß eure erste Frau todt ist; wie wollt ihr das nachweisen?" „Sehreinfach," sagte der Sträfling, „wegen was bin ich denn hier, als weil ich sie todt- geschlagen habe?" Nach dieser durchaus befriedigenden Beweisführung wurde die Trauung ohne weiteren Aufenthalt vollzogen. * Ein schwedisches Blatt erzählt: Vor einigen Tagen, als König Oskar von Schweden mit seinen Söhnen nach dem Diner, wie üblich, sich nach dem kleinen Salon neben dem Eßsaal zurückgezogen hatte, um eine Cigarre zu raucken, und sich von den Söhnen aus den Tagesblättern die wichtigsten Artikel vorlesen zu lassen, wurde er Plötzlich in einer ge schäftlichen Angelegenheit in ein Nebenzimmer berufen. Kaum hatte er das mitten im L>alon placirte sogenannte Blumensopha verlassen, als der kolossale Kronleuchter herunterftel und das Ende des Sophas, wo der König soeben gesessen, zerschmetterte und selbst, in tausend Scherben zer schlagen, den Fußboden bedeckte. Wäre der König nicht abgerufen worden, würde er wohl nicht mehr unter den Lebenden weilen. - Goldene Regeln für Gewerbetreibende. Solche giebt „Der Fabrikant" seinen Lesern, und er thut recht daran. — Behandle Deine Arbeiter als Deine Mitmenschen. — Kaufs für Deine Arbeiter gutes Material. — Liefere nur dauerhafte Arbeit. — Bezahle Deine Schulden auf's Pünkt lichste. — Achte das Talent und fordere nicht, daß sich dasselbe blindlings dem Gelddeutel unterwerfe. — Beachte die Fortschritte auf dem Gebiet der Industrie und suche die Vortheile daraus. — Verliere niemals den Muth, wenn hin und wieder Geschäftsstockungen eintreten. — Habe stets einen Bleistift in der Tasche, um sogleich rechnen zu können. — Vergeude Deine Zeit nicht in Wein- und Bierstuben, der Vormittag ist die beste Zeit zur Arbeit. — Achte Deine Arbeit und wirf Deine Waare nicht auf die Straße. — Mache Dich von Deinen Kunden nicht abhängig. — Begnüge Dich mit einem bescheidenen Nutzen. — Beim Verborgen der Waare sieh auf den Charakter des Kunden, dessen Ehrlichkeit und Tüch tigkeit, und schätze auch den kleinen und ordentlichen Kunden. " Erfroren sind nächst Komorau in Mähren in der Nacht zum 3. d. M. acht Zigeuner in ihrem Lager. " Der Hund als Retter. Im Hotel Wandl in Wien ereignete sich ein Unglücksfall unter ganz merkwürdigen Umständen. Der Geschäfts führer Hofer begab sich mit einem brennenden Lichte in den Keller. Der Luftzug blies plötzlich das Licht aus, Hofer verlor den Boden unter seinen Füßen und stürzte drei Stockwerke tief in den Eiskeller. Dort blieb er mit gebrochenem Schlüsselbein buchstäblich auf dem Eise liegen; seine Hilfe rufe wurden von Niemandem gehört. Erst spät Abends wurde er durch einen glücklichen Zufall aufgefunden, und zwar in folgender Weise: Eine Bedienerin, welche im Vorkeller zu thun hatte, nahm einen Hund mit sich, der sich in der Nähe des Eiskellers sehr unruhig geberdete und trotz aller Drohungen nicht von der betreffenden Stelle fiu bringen war. Da hörte die Frau plötzlich ein leises Wimmern, sie erschrak und eilte rasch in das Hotel zurück, wo sie die Hausleute alarmirte. Diese begaben sich sofort in den Eiskeller, wo sie den verunglückten Hofer, dessen Verschwinden be reits aufgefallen war, in einem höchst bcmitleidenswerthen Zustande an trafen. Rasch wurde er aus dem Keller in die Wohnung getragen und ein Arzt gerufen, der dem Halberfrorenen die erste Hilfe brachte. * Nachstehende Notiz dürfte für Pferdebesitzer gewiß von Interesse sein. In der Operationshalle der Hochschule für Thierarzneikunde zu Berlin nahm kürzlich Dr. Möller in Gegenwart des Ministers für Land- wirthschaft Dr. Lucius eine Operation an einem kranken Pferde, einem sogenannten Lungenpfeifer, nach einem neuen Operationsverfahren vor. Von den bis jetzt operirten 25 Pferden sind 20 als brauchbar und gesund ihren Besitzern wieder ausgeliefert worden. zu höchsten Preisen Roßschlächter Hartmann, Potschappel. WML Ltoll^ero 1^'80^ «ZWÄlk , pnokunp; in VViisckrun: Lonck. e. n. 8»bsstisn, Üio886ll: Oonä. L. Xülmv- I munä u. ^potli. kill. Lcüäffer; 'IRnrnnckk: ü.potll. O.l.og3ir W und e. 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