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TharM, Nossen, Aitvtnlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags . — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. — Inserate werden Montags Rr. 92. Freitag, den 14. November 1884. Bekanntmachung. Behufs der vorzunehmenden Ergänzungswahl des mit-Ende dieses Jahres ausscheidenden dritten Theiles der Stadtverordneten und deren Ersatzmänner ist eine Liste der stimmberechtigten und wählbaren Bürger hiesiger Stadt angefertigt worden und hängt dieselbe vom 17. dieses bis 2. nächsten Monats im hiesigen Rathhause zu Jedermanns Einsicht aus. Etwaige Einsprüche dagegen sind rechtzeitig und spätestens dis mit 23. dieses Monats bei dem unterzeichneten Bürgermeister an zubringen. Nach Ablauf der gedachten Aushängezeit wird die Liste geschlossen, auch werden alle bis dahin in dieselbe nicht eingetragenen Bürger von der Wahl ausgeschlossen, sowie auch eiwaige bis dahin nicht erledigte Einsprüche unberücksichtigt gelassen werden. Wilsdruff, am 13. November 1884. Der Bürgermeister. . Ficker. Dagesgefchichte. Die „Aera der Stichwahlen" hat keinen guten Verlauf genommen, den aus vielen Wahlkreisen lauten die Berichte, daß die Socialdemo kraten gesiegt haben, so daß es den Umstürzlern vergönnt ist, aus einen neuen Zuwachs ihrer Repräsentation im Reichstage schauen zu können. Die^socialistischen Vertreter waren bisher, da sie noch nie die Zahl von I5 erreicht hatten, bekanntlich nicht im Stande, selbstständige An träge zu stellen; dies wird jetzt jedenfalls aber anders, da sie kaum einen Augenblick zögern werden, von der sich ihnen bietenden Gelegen heit, ihre Wünsche selbstständig vor das Haus und zur Berathung zu bringen, den ausgiebigsten Gebrauch zu machen. Auch im Plenum werden sie häufiger zum Worte gelangen, so daß bereits heute ein er regterer Verlauf der diesbezüglichen Diskussionen vorhergesagt werden muß. Wie bedauerlich und hemmend für die legislatorische Gesammt- arbeit dies ist, wird wohl Jedem einleuchten, der die Erkenntniß vor und in sich hat, daß das Programm der Socialdemokratie nicht die Reform, sondern die Revolution ist und dasselbe auch dem sogenannten christlichen Socialismus durchaus ablehnend gegenübertritt, weil es eben von dem bestehenden nichts wissen will, sondern auf das Chaos hin arbeitet. Es ist dies eine Thatsache, die durch den ganzen Verlauf der socialistischen Bewegung ihre Erhärtung findet; leider mußte man es aber erleben, daß die Angehörigen der sogen. Ordnungsparteien ihre Wahrheit bei Weitem noch nicht in dem zu erwünschendem Maße ergriffen, da sonst gewiß andere Resultate an die Overfläche gekommen wären. Statt alles Andere bei Seite zu setzen und die erste und wichtigste Nothwendigkeit in dem Niederwerfen der zerstörenden Ele mente und Bestrebungen zu suchen, dauerte der Bruderkampf inner halb der staatserhaltenden Parteien fort, wie auch bei den gegenwärtig bereits stattgesundeuen Stichwahlen die bezüglichen Anfeindungen eine Saat ausstreuen, die so recht geeignet ist, noch mehr socialistische Giftpflanzen auf deutschem Bodeu emporschießen zu lassen. Das alte Sprüchwort, daß der Schaden zum Klugwerden beitrage, scheint eben leider auf die Parteipolitik gar keine Anwendung finden zu wollen. Wenn nicht geradezu ein Beweis dafür, daß die Sozialdemo kratie international ist, so ist der Umstand, daß am 28. Oktober Nachts zwischen 11 und 12 Uhr zahlreiche Depeschen aus London und Liverpool in Hamburg eintrafen, in denen die dortigen Sozia listen über ihre Siege von den Gesinnungsgenossen jenseits des Kanals beglückwünscht wurden, doch ein Zeugniß dafür, daß die deutschen Sozialdemokraten mit den Kommunisten im Auslande die innigsten Verbindungen unterhalten. Die Telegramme waren, so wird der „R. Fr. Pr." geschrieben, zum größten Theil an Besitzer von Kellerwirth- schaften adressirt, in denen sozialistische Lager für den Abend aufge schlagen waren. Es ist ein großer Jrrthum, wenn angenommen wird, die Agitatoren der Sozialdemokratie arbeiteten während der Wahl umsonst und nur aus Liebe zur Sache. Zu dem Wahlfond mußte beispielsweise in Hamburg seit mehr als vier Wochen jeder Parteige nosse an jedem Sonnabend Abend nach der Ablöhnung, je nach seinem Verdienst, 50 Pfg. und mehr beistenern; außerdem hatte jeder Wirth, bei welchem Sozialdemokraten ihren dauernden Verkehr haben, eine besondere Kasse errichtet. Der auf diese Weise erzielte Wahlfonds war ganz bedeutend und erreichte nach glaubwürdiger Angabe nahezu 100,000 M. Auch die kommunistischen Vereine in England batten größere Summen eingesandt. Die westafrikanische Konferenz wird am Sonnabend, den 15. d. M., durch den Reichskanzler eröffnet werden; ob dieser den ständigen Vorsitz führen wird, ist noch nicht entschieden. Die Sitzungen werden im Reichskanzlerpalais zu Berlin stattfinden, woselbst die Vor bereitungen hierfür schon getroffen sind. Welche Aufmerksamkeit Eng land der Konferenz schenkt, geht daraus hervor, daß dem englischen Botschafter drei Beamte zur Unterstützung und zum Beirath beigegeben worden sind, nämlich: der assistirende Uuterstaatssekretär im Kolonial amt, Robert Meade, der Vorstand des Dedartemeuts für afrikanische Angelegenheiten im Auswärtigen Amte, Percy Anderson und der Attacha für Handelsangelegenheiten, Crowe. Cleveland ist Präsident der amerikanischen Union geworden. Diese Nachricht ist an den amerikanischen Gesandten in Berlin gekommen und leidet also schwerlich einen Zweifel. Die meisten Deutschen drüben haben für ihn gestimmt, weil er als ein Mann von reinen Händen gilt und den Augiasstall des öffentlichen Dienstes zu reinigen vorhat. Jeder Präsident drüben ernennt zu hohen und niederen Beamten in der ganzen Union seine Parteigänger und darf in der Auswahl der selben nicht zu zimperlich sein; sie sitzen nur vier Jahre im Rohr und schneiden sich Pfeifen auf Kosten des Publikums; in diesen vier fetten Jahren suchen sie reich zu werden; denn hinter diesen winken die magern Jahre. Cleveland hat den guten Willen, mit diesen Miß bräuchen aufzuräumen und darum unterstützen ihn die Deutschen; man muß abwarten, ob er wider den Stachel lecken kann. Da die seither regierende (republikanische) Partei unterlegen ist, so werden die meisten Gesandtschaften in Europa neu besetzt werden. Cleveland, der neue Präsident der Union, sagte am letzten Tage, als die Wahlstimmen der Staaten gezählt wurden: Ich glaube selbst, daß ich gewählt bin, nur die größten Fälschungen können meine Wahl verhindern. Daraus sieht man, daß drüben den Wahlen im Stillen nachgeholfen wird, wie von Spielern dem Glück. Der in der Wahl besiegte Blaine hat übrigens einen goldenen Trost. Am Tage der Wahl telegraphirte ihm sein Buchhändler: So eben habe ich von Ihrem Buche: „Zwanzig Jahre im Kongreß" das 250,000ste Exem plar verkauft. Blaine ist dadurch nahezu ein Millionär geworden. Der Winter, hoffte man, würde der Wanderung der Cholera ein Ziel setzen. Es ist aber nicht der Fall. So ist sie in Paris in zwei Spitälern und mehreren Armenhäusern ausgebrochen und hat von 33 Erkrankten 16 in zwei Tagen das Leben gekostet. Auch in Nantes fordert die Seuche viele Opfer. Paris, 10. November. Von Mitternacht bis heute Abend 11 Uhr kamen hier 152 Choleraerkrankungen und 33 Choleratodesfälle zur Anzeige. 11. Nov. Eine Mittheilung der Seinepräfektur kon- statirt, daß gestern in ganz Paris, sowohl in der Stadt, wie in den Hospitälern von Mitternacht bis Mitternacht 98 Todesfälle an der Cholera vorgekommen sind. Die erste Fahrt zweier Kapitäne in Paris mit lenkbarem Luftballon ist geglückt. Der Korrespondent der „Pall Mall Gazette" in Kairo telegra- Phirt: „Die Gerüchte vom Falle Khartums sind ohne allen Grund. Ich habe mit dem vornehmsten Kaufmann von dort gesprochen, der fast täglich auf telegraphischem und anderem Wege Nachrichten aus dem Sudan erhält. Er sagte, er habe am 7. November den Bericht erhalten, daß nichts Neues in Khartum vorgefallen sei. Diese Kauf leute haben stets authentische Nachrichten aus dem Sudan." Vaterländisches — Auch in Dresden-Altstadt ist nunmehr die Wahlschlacht endgiltig entschieden. Während sich die Freisinnigen ablehnend, und der Reichsverein (sogenannte Rathsverein) neutral hielten, haben die Konservativen und Sozialdemokraten alle Anstrengungen gemacht, den Sieg zu erringen. Es traten im ersten Wahlgange von 32,463 Stimm berechtigten 24,978 Mann an die Urne, diesmal haben fast genau eben so viel, nämlich 24,900 mitgewählt. Wie vorauszusehen war, hat Herr Baumeister Hartwig die Majorität erlangt, indem er nach den vorläufigen Ermittelungen 13,790 Stimmen erhielt, während auf Herrn Bebel nur 11,110 entfielen. — Dieser Tage erschien in einer Dresdner Expedition ein schlichter Bauersmann, angeblich aus Weinböhla, mit einem Tragkorbe auf dem Rücken, in welchem sich zwei große Krüge Rothwein befan den. Der Bauer klagte über Geldnoth und bot den von ihm auf seinem eigenen Grund und Boden gewonnenen Wein für billiges Geld, 90 Pfg. der Liter, an. Die Beamten kauften dem Bäuerlein den hell und klar funkelnden Rothwein bis zum letzten Tropfen ab, und — waren geleimt. Der Wein des angeblich Weinböhlaer Winzers war ein Mantsch, in dem sich nicht ein einziger Tropfen Traubenblut befand. — Sollte es denn möglich sein — und doch ist dem so. Saß am 6. d. M. in der Babnhofsrestauration zu Dahlen ein Mann, in den 50er Jahren stehend, ungefähr 1Vs Stunde von da zu Hause, und — sah an dem genannten Tage zum ersten Male das schnaubende Dampfroß von Leipzig nach Dresden sausen. Seine Freude und sein Erstaunen waren darüber so groß, daß er eben zum Besten gab, was mau hier mittheilt. Ob des seltenen Ereignisses sprach der Wirth den neugewonnenen Eisenbahner auch noch zechefrei. (Forts, in der Beilage.)