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TharM, WD, Sitbtülthli und die Umgegenden 1884 Rr. 10«. Freitag, den 12. December entschieden fort: „Es bleibt dabei, und ich bitt'Sie, kommen Sie nicht mehr in meine Schenke, und wenn Sie's doch probiren, dann bleibt mir nichts Anderes übrig, als^die Marie einzuschließen, denn ich dulde nicht, daß Sic mir das Mädel ins Gered' bringen, und der Geschichte mach' ich auf eine oder andere Weise ein End', da kennen Sie den alten Friedel schlecht, und nun Gott befohlen, Herr Maler!" und er wies ziemlich unzweideutig auf die Thür. Vergeblich waren die Bemühungen) desIjungen Künstlers, den starrsinnigen Alten doch endlich zur Vernunft zu bringen; die Versuche hatten den entgegengesetzten Erfolg, der Schenkwirth wurde immer zorniger und gröber, und dem Maler blieb nichts anderes übrig, wollte er sich nicht geradezu Beschimpfungen aussetzen, als sich zurückzuziehen. Nun warlplötzliMdie reizende Idylle zuWnde. — ffAberZwann hätten Liebende so leicht ihre Hoffnungen aufgegeben! Der Weg zur Schenke war freilich versperrt, denn der alte Friedel wachte jetzt mit Argusaugen darüber, daß seine Tochter nicht mehr in der Schenkstube erschien, und der Maler hielt es auch für das Klügste, dort vorläufig wegzubleiben. Es gab ja noch andere Orte, wo "man sichHeimlich sehen konnte, und Martha war es, die das liebende Paar in ihren besonderen Schutz nahm. Sie wußte mit weiblichem Scharfsinn für Alles Rath und den lebhaftesten Verkehr zwischen den beiden Lieben den zu vermitteln. Zwar hatte die Cousine selbst nicht Zeit und Gelegenheit, den Liebesboten zu spielen, aber es gab im Dorfe einen jungen Burschen, der für sie zu Allem bereit war und den sie leicht für diesen Dienst gewinnen konnte. Josef Weinert war der Sohn einer armen Wittwe, und der junge fleißige Tischlergesell war sterblich in die Martha verliebt. Da er bei seiner Mittellosigkeit ebenfalls nicht hoffen durfte, daß ihm der alte Schenkwirth die Hand seiner Nichte geben würde, so nahm er jetzt für die unglücklich Liebenden leidenschaftlich Partei und war rasch entschlossen, die Vermittlerrolle zu übernehmen.'"Seine Besuche im stillen Hafen konnten nicht auffallen, denn er war schon früher, wenn auch nicht so oft, gekommen, und ebenso war es ihm möglich, wenn auch noch so kurze Zeit, ganz verstohlen mit Martha zu plaudern oder ihr ein Briefchen zuzustellen. Es war freilich nicht für sie bestimmt, kam auch nicht von ihm, aber das Lächeln und die freundlichen Blicke der Geliebten sagten ihm, daß Martha davon ebenso hoch erfreut wurde, als wenn das Briefchen ihr selbst gegolten hätte. Das kleine Billet, oft war es nur ein Zettel, trug die Handfchrift des Malers und wurde bereits von Marien sehnsüchtig erwartet. Martha wußte einen Augenblick zu benutzen, um das Briefchen sogleich ihrer Cousine zuzustellen, und bald darauf schmuggelte/sie ihrem'Josef auch die Antwort zu. Wenn die Liebenden dann irgend eine heimliche Zusammenkunft wagten und es Marien trotz der Ueberwachung des Vaters gelungen war, aus dem Hause zu schlüpfen, mußte Jofef in der Nähe des jungen Paares Posten stehen, um eine unliebsame Ueberraschung zu vermeiden, und während der junge Bursche sich in dieser Weise für Andere in Bewegung setzte, gewann er damit das Herz Martha's am ehesten. Nun erst gab ihm das junge Mädchen vor den übrigen Bewerbern den Vorzug, denn sie mußte die Uneigennützigkeit bewundern, mit der er Alles that, um den Verkehr der beiden Liebenden zu vermitteln. Trotz aller angewandten Vorsicht mußte der alte Friedel dahinter gekommen sein, daß seine Tochter noch immer mit dem Maler ver kehrte, denn er suchte jetzt Marie noch sorgfältiger zu überwachen. Der Alte war überhaupt seit jener Zeit wie verwandelt. Früher hatte er bei aller seiner seemännischen Rauhheit noch immer eine gewisse Gut- müthigkeit an den Tag gelegt, jetzt war er beständig übler Laune. Auch gegen seine Nichte kehrte er die unangenehmste Seite heraus, als ahne er, daß sie die Liebenden unterstützte. Martha konnte gar nicht begreifen, woher ihr Oheim diese Kennt- niß nahm? Es mußte Jemand den Verräther spielen, und ihr Ver dacht fiel auf den Krämer des Ortes, der sie schon längst mit seinen Liebeswerbungen verfolgt hatte. Der gelbe Handtke, wie er allgemein hieß, weil er früher stets in einer gelben Weste erschienen, war kein Jüngling mehr. Er mochte bereits vierzig Jahre zählen, war ein hagerer, kränklich aussehender Mensch, der für Alle und Alles stets ein süß-saures Lächeln hatte. Er war die männliche Klatschbase deS Ortes, und er besaß ein bedeutendes Talent, die unwahrscheinlichsten und für den Betreffenden unangenehmsten Gerüchte weiter zu verbreiten. Trotz seiner kriechenden Freundlichkeit begegnete ihmJeder mit Mißtrauen. Das vierzigjährige Herz des Krämers war noch einmal in glühen der Liebe für Martha entflammt. Handtke hatte ihre Freundlichkeit, die sie gegen Alle bewies, mißverstanden und glaubte sich besonders von der Nichte des alten Friedel ausgezeichnet, die in ihrer übermü- thigen Laune mit Jedem gern ihren Scherz trieb. Der Krämer hatte sich auch lange mit stiller Anbetung begnügt, aber als er einen be günstigten Nebenbuhler in der Gestalt des jungen Tischlers auftauchen sah, regte sich in seinem halbverdorrten Herzen die grimmigste Eifer sucht. Nun hielt er es an der Zeit, mit seinen Gefühlen nicht länger zurückzuhalten; er verrieth immer deutlicher, freilich in seiner Weife, Grscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werde» Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff 44. Im stillen Hafen. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Aus der Grenze." „Der Stadtschreiber." re. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen, Herr Maler," begann der Schankwirth. „Bach," entgegnete der Künstler lächelnd, mit einer leichten Ver beugung. „Also, Herr Bach, ich will ganz rundweg mit Ihnen reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Sie kommen jetzt alle Tage zu mir, sitzen dann viele Stunden, und die Leute fangen schon an, allerhand Gerede zu machen." Der junge Mann ließ sich von dieser plötzlichen Anred<nicht außer Fassung bringen. „Ich könnte Ihnen antworten," entgegnete er ruhig, „daß mir Ihr Wein ganz vortrefflich schmeckt und daß sich's in Ihrem Schenkzimmer recht behaglich kneipt; aber warum soll ich Ihnen nicht die volle Wahrheit bekennen? — der stille Hafen besitzt noch einen anderen, kostbareren Magnet als seine guten Weine, der mich unwider stehlich anzieht. — Es ist Ihre Tochter." „Potz Kompaß und Bramsegel!" rief der Schenkwirth aus, der noch immer nicht ganz den alten Seemann verleugnen konnte und der in Erinnerung an seine Matrosenzeit deshalb auch seine Schenke „Zum stillen Hafen" genannt hatte. „Was haben Sie um meine Tochter herumzusteuern? Nehmen Sie nur bald einen anderen Kurs!" „Ist schon zu spät," entgegnete der Maler, „die kleine, hübsche Fregatte hat mich schon geentert," setzte er lachend hinzu, in die Sprache des Seemanns einstimmend. „Will Sie wieder flott machen," brummte der alte Friedel ver drießlich, der durchaus nicht die Sache so scherzhaft nehmen konnte, wie der Maler. „Ich sag' Ihnen, legen Sie wo anders bei, hier ist für Sie kein Fahrwasser, muß mir das längere Herumkreuzen doch verbitten." Bach merkte nun wohl an dem scharfen, ernsten Tone des Alten, daß er in dieser Weise mit ihm nicht weiter sprechen dürfe, und er er widerte deshalb ebenfalls sehr ernsthaft: „Lieber Vater Friedel, ich will's Ihnen nur ehrlich bekennen, Ihre Tochter hat mir's angethan. Ich bin schon viel in der Welt herumgekommen, aber Ihre Marie ist das schönste Mädchen, das ich je gesehen, und sie muß meine Frau werden." Der alte Friedel machte bei dieser kecken Behauptung große Augen. „Setzen ja gleich alle Segel bei," rief er, grimmig anflachend. „Aber daraus wird nichts! Geben Sie ruhig Kontredampf." „Fällt mir gar nicht ein," entgegnete der junge Künstler trotzig. „Hören Sie mich erst ruhig an, dann werden Sie anders sprechen. Sie halten mich gewiß für einen armen Schlucker, der eine Frau nicht ernähren kann, aber nicht allein, daß ich meine Bilder gut bezahlt be komme, bin ich auch zufällig noch ziemlich reich, und Marie —" Weiter kam der junge Mann in seinen Auseinandersetzungen nicht, denn der alte Friedel unterbrach ihn grob und heftig: „Ist mir ganz egal. Ein windiger Maler bekommt meine Tochter nimmermehr. Kenne das! Nichts als brotlose Künste. Gehen Sie getrost wo anders vor Anker, nur nicht hier," — und der Schenkwirth machte eine sehr ab weisende Handbewegung. „Nehmen Sie nur Vernunft an, lieber Friedel," begann der Maler von Neuem und suchte seine Ungeduld über den Starrsinn des Alten zu unterdrücken. „Sie dürfen doch nicht alles in einen Topf werfen. Unter den Künstlern giebt es wohl leichtfertige Gesellen, aber ich sagte Ihnen schon, daß ich zu ihnen nicht gehöre. Ich habe das Glück, reicher Leute Kind zu sein, und brauche nicht ängstlich um meine Exi stenz zu sorgen, meine Eltern sind bereits todt, ich bin völlig selbst ständig und kann über meine Verhältnisse die überzeugendsten Beweise beibringen, sobald Sie in meine Angaben irgend einen Zweifel setzen." „Gar nicht nöthig!" erklärte der Schenkwirth mit großer Entschie denheit. „Ein Maler wird niemals mein Schwiegersohn!" „Aber da muß ich doch um Ihre Gründe bitten!" rief der junge Künstler heftig, der über diesen Widerstand des Alten nicht wenig erbittert war. „Hab's Ihnen ja gesagt," erwiderte der alte Friedel jetzt ebenfalls mit erhöhter Stimme. „Kenne schon die lockeren Vögel. Fliegen davon, sobald ihnen das Weibsbild nicht mehr schön genug vorkommt, um das sie vorher so verliebt gezwitschert." Der Maler hätte über diese Antwort, die ihn ungemein belustigte, laut auflachen wollen, aber er hielt sich der alten verwitterten Theer- jacke gegenüber verpflichtet, seinen Ernst zu wahren, denn der Mann schien durchaus nicht in der Laune zu sein, die Dinge humoristisch zu behandeln. Er sagte deshalb ruhig: „Sie müssen doch Ausnahmen gestalten. Ich liebe Ihre Tochter tief und ehrlich, und dies Gefühl für sie wird nur mit meinem Leben schwinden." „Mit schönen Redensarten lass' ich mich nicht fortbugsiren," er klärte der Alte finster. „Ich sag Ihnen ein für alle mal, gehen Sie anderswo vor Anker, hier ist nichts für Sie;" und als der junge Maler ihn von Neuem mit Bitten bestürmen wollte, fuhr er ganz