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ausbringung nicht rathlich sei, da, wenn letztere abgelehnt werde, die Ausführung des Baues beim Mangel anderer, dem Bezirke zur Ver fügung stehender Mittel von selbst hinfällig werde. Gem.-Vorstand Schmidt-Dittmannsdorf verwendet sich mit Wärme für die Aus führung der Straßenprojecte und für Verwilligung der Mittel gemäß des Vorschlages des Bezirksausschusses. Bürgermeister Zschiedrich- Nossen ist mit der Ansicht des Vorsitzenden einverstanden, befürwortet die Annahme der Anträge des Bezirksausschusses und weist ebenfalls auf die für Meißen und Umgebung zu Straßenbauten gemachten an sehnlichen Verwilligungen hin, indem er besonders die Nothwendigkeit des Straßenbaues für die Stadt Siebenlehn und Umgebung betont, auch auf das Beispiel anderer Bezirke Bezug nimmt, in denen eben falls Bezirkssteuer erhoben werde. Gutsbesitzer Dietrich-Nimtitz spricht sich im Sinne des Stadtrath Kurtz aus und ist besonders ge gen die Bezirkssteuer, insoweit deren Erhebung auch auf unbestimmte Zeit beabsichtigt sei. Dieser Ansicht pflichtet auch Gem.-Vorst. Stelz - ner-Gröbern bei, sowie auch Kaufmann Schumann-Meißen und Gutsbesitzer Goltzsch - Bodenbach und zwar für Ausführung der Straßenprojecte, aber gegen die beabsichtigte Bezirkssteuer sind. Gem.- Vorst. Blüm ich-Jessen will die fraglichen Straßenbauten so lange beanstandet wissen, bis die Mittel zur Ausführung ohne Bezirkssteuer vorhanden seien und tritt übrigens dem Anträge des Bürgermeisters Hirschberg bei. Kammerherr von Carlowitz auf Proschwitz wünscht einen anderen Modus der Bezirkssteuer, keinesfalls aber eine fortlau fende und erklärt sich zwar für das Straßenproject Zollhaus-Reinsberg, jedoch gegen dasjenige nach Siebenlehn. Der Vorsitzende befürwortet die Annahme der Anträge des Bezirksausschusses, erklärt seine Abge neigtheit- gegen die etwaige Aufnahme von Dariehnen Seiten des Be zirks, hält das mit der projectirten Bezirkssteuer verlangte Opfer nicht zu groß und bemerkt mit Hinweis auf die im Laufe der Debatte be rührten Verwilligungen zu Straßenbauten für Meißen und Umgegend, daß er die Bedürfnisse aller Theile des Bezirkes in's Auge zu fassen habe und nicht den einen oder den anderen bevorzugen könne. Nehme man an der fortlaufenden Bezirkssteuer Anstoß, so könne er sich auch damit einverstanden erklären, wenn die vorgeschlagene Bezirkssteuer zunächst nur auf 4 Jahre verwilligt würde. Darnach brachte Kam merherr v. Carlowitz den Antrag ein: „Die Bezirksversammlung wolle beschließen, die zur Herstellung einer Straße vom Zollhause b. Bie berstein nach Reinsberg erforderlichen 25,000 Mk. durch eine einma lige Bezirkssteuer in der Weise aufzubringen, daß ein drittel Pf. auf je eine Grundsteuereinheit und je 3 Pf. auf eine Mark Einkommensteuer falle," welcher auch die nöthige Unterstützung fand. Was die Abstim mung über die vorliegenden Anträge betrifft, so einigte man sich nach abgesetzter Debatte über dieselben dahin, daß zunächst über den Hirsch- berg'schen Antrag, sodann über Punkt 3 des Bezirksausschuß-Votums, hierauf über den v. Carlowitz'schen Antrag und schließlich über Punkt I und 2 des Ausschußantrages abzustimmen sei. Der Hirschberg'sche Antrag wurde mit 22 gegen 10 Stimmen, Punkt 3 des Ausschuß- Votums mit 20 gegen 12 Stimmen und der Antrag v. Carlowitz's mit 17 gegen 15 Stimmen abgelehnt, die Anträge des Bezirksaus schusses Punkt 1 und 2 aber mit 30 gegen 2, bez. mit 17 gegen 15 Stimmen angenommen. — Es sind sonach die beantragten Verwillig ungen für die Straßenprojecte genehmigt, während die zur Beschaffung der Mittel vorgeschlagene Bezirkssteuer abgelehnt worden ist. Damit war die Tagesordnung erledigt. Zu erwähnen ist noch, daß sich im Laufe der Sitzung Hr. Kreishauptmann v. Koppenfels in der Ver sammlung einfand und den Verhandlungen einige Zeit beiwohnte. Die Versammlung gab nach erfolgter Begrüßung durch den Vorsitzenden ihrer Freude über dieses erstmalige Erscheinen des Herrn Kreishaupt manns in ihrer Mitte durch Erheben von den Sitzen Ausdruck, wofür der Genannte seinen Dank aussprach. Eine schwere Zunge. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Aus der Grenze." „Der Stadtschreiber." rc. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung und Schluß.) Ein schwaches Geräusch ließ sich hinter dem Kreuze vernehmen — vielleicht knickte ein dürrer Zweig von der Last des Schnee's. Der Unglückliche achtete darauf nicht, er kniete nieder und barg von Neuem wimmernd seinen Kopf in den kalten Schnee. Plötzlich sprang er wieder auf, und das Auge fest auf das Grab gerichtet, als liege es vor ihm offen da, begann er mit schneidender Stimme: „Aber wer hieß Dich auch dort fahren? Dich sollt' es ja nicht treffen, und dann kamst Du doch vergiftet heim und klagtest Deinen Todfeind als Mörder an. Ha, ha, und in meinem Jammer, meiner Verzweiflung fandest Du kindliche Liebe, und ich mußte schweigen; ich konnte nicht sagen: zertritt mich in Deinem Zorn, mich, den Vatermör der! Ja, so gut ist's noch Niemand mit einem Morde gegangen; ich durfte nur schweigen, und Alle waren meines Lobes voll, und der alte Mann, dem ich nach dem Leben getrachtet, glaubt mir seine Freiheit zu verdanken, giebt mir seine Tochter und behandelt mich als Sohn!" Er schlug die Hände vor's Gesicht und schwieg einen Augenblick. Die ganze Reihe jener vernichtenden Erlebnisse schien an seinem innern Auge vorüberzuziehen, und ein kalter Schauer rann durch seine Glie der. Langsam und wie gebrochen sank der arme Mensch am Kreuz herab. Endlich fuhr er mit leiser, erschöpfter Stimme fort: „Vater, aber auch so namenlos elend ist noch Niemand gewesen als ich, und doch war ich kein Heuchler, ich wollte sprechen, Alles sagen, nur meine Zunge war gelähmt — meine schwere Zunge. Und als ich endlich sprechen konnte, da wollte das Wort nicht mehr heraus. Nein, ich muß der Qual ein Ende machen; ich trag's nicht länger, es zernagt mir das Herz." Eduard wolltte sich erheben und hinwegeilen, da taumelte er zurück. Der Förster stand wie sein rächendes Schicksal vor ihm, die Hand drohend ausg estreckt und rief mit wuthzitternder Stimme, daß es un heimlich über den Friedhof schallte: „Elender so schmachvoll niederträchtig hast Du uns getäuscht!" und er stieß den Schwiegersohn, der sich ihm nahen wollte, mit Ent rüstung zurück. Der junge Bauer stand unsicher noch mit einem Fuße auf dem Grabhügel seines Vaters, schwankte von dem Stoße, taumelte und stürzte mit dem Kopfe so heftig an den von scharfen Steinen aufgesührten Sockel des Kreuzes, daß die Stirne knirschend auseinan der klaffte, und das Blut wie mit einem Schlage über die weiße Schneefläche spritzte. Ein gellender Schrei ließ sich vernehmen. Eine weiße Gestalt lehnte sich über die Kirchhofsmauer und rang jammernd die Hände. Es war Marie. Sie hatte im Halbschlummer das Oeffnen der Thür gehört, war aufgestanden und hatte das Bett ihres Mannes leer ge funden. Ihr Kind schlief noch sanft und ruhig, vielleicht bedurfte es ihrer nicht sogleich. Sie küßte es leise und zärtlich auf den Mund, und sich rasch ein Unterkleid und ein Tuch überwerfend, eilte sie hin aus, die Thür sorgfältig hinter sich verschließend. Sie sah eine dunkle Gestalt um die Ecke der Dorfgosse schlüpfen, cs mußte Eduard sein: sie beflügelte ihre Schritte und sah den fast schattenhaft Dahineilenden auf dem Friedhöfe verschwinden. Ein Schauder erfaßte sie, aber sie war ja eines Försters Tochter, und ihren Muth zusammcnraffend, folgte sie ihm auch dorthin. Das eiserne Grabkreuz des Bauers über ragte alle übrigen Denkmäler des kleinen Kirchhofs. Die goldenen Buchstaben desselben blitzten so hell im Mondschein, daß Mariens scharfes Auge die Grabschrist deutlich lesen konnte: — Frieden seiner Asche! — Auch ihren Mann erkannte sie jetzt, und an die Kirchhofs mauer gelehnt, verfolgte sie in athemloser Spannung sein an Wahn sinn streifendes Beginnen, hörte, zwar abgebrochen, aber dennoch ver ständlich, sein entsetzliches Bekenntniß. Jetzt gewahrte sie eine zweite Gestalt sich hinter dem Grabkreuze aufrichten. Um Gotteswillen, es war ihr Vater! und noch ehe ihr Warnungsruf verhallte, sah sie ihren Mann zusammensinken. Im nächsten Augenblick war sie über die Mauer, sie wußte selbst nicht wie, — stürzte sie auf die Gruppe zu. Der alte Mann hatte die Hände übereinander geschlagen und starrte düster vor sich hin. Was man ihm fälschlich beschuldigt hatte, er war es jetzt in der That — ein Mörder — und in dem Hirn des Unglücklichen wirbelten jene Gedanken der Verzweiflung, die zähne knirschend mit Gott und ihrem finstern Schicksal grollen. Marie lehnte den bluttriefenden Kopf ihres Mannes an ihre Brust und suchte mit ihrem Halstuch das unaufhaltsam hervorqueüende Blut zu stillen. Der Verwundete gab kein Zeichen des Lebens von sich, die Augen waren matt geschlossen, der ganze Körper kalt und erstarrt. „Er ist todt!" jammerte sie. „Vater, nun ist das Maaß unsers Elends voll!" Der Förster lächelte bitter, und sich an das Kreuz lehnend, sagte er mit finsterm Hohne: „Hast Du nun Ruhe, alter Freund?" Die junge Frau beugte sich noch einmal über den Mund ihres Mannes. Hatte sie sich getäuscht, oder war das wirklich ein schwacher Athemzug? Ihr Herz begann heftiger zu schlagen, und sie wandte sich an ihren Vater: „Hol' dort die Bahre, wir wollen ihn heimtragen." „Loss' ihn hier, dann ersparen wir uns eine Mühe," entgegnete der Förster mit dem wilden Humor eines Verzweifelnden. „Nein, noch ist Leben in ihm!" bemerkte Marie. Sie legte sanft den Kopf Eduard's in den Schnee und trug selbst eine an der Kirch hofmauer lehnende Todtenbahre herbei. Mechanisch befolgte jetzt der Förster die Befehle seiner Tochter, und lautlos, im Schweigen der sternenklaren Dezembernacht, traten sie ihre traurige Wanderung an. Die junge Frau zeigte eine Ruhe und Ueberlegung, wie sie in solch entscheidenden Augenblicken oft dem erfahrensten Manne abhan den kommt. Kaum zu Hause angelangt, weckte sie einen Knecht, der in die Stadt nach einem Arzte fahren mußte. In der Zwischenzeit machte sie fortwährend kalte Umschläge um die Stirn des Schwerver wundeten. Sie hatte früher dies Mittel bei einer Wunde ihres Vaters erprobt, und wirklich schien nach einiger Zeit die entschwundene Lebens kraft Eduard's zurückzukehren, noch einmal begann der Pulsschlag seines Herzens leise zu hämmern — vielleicht! Der herbeigeholte Arzt gab wenig Hoffnung. „Die 0880. tsinporum — die Schläfe — sind verletzt — nun, wir wollen sehen. Fristen wir ihm nur wenige Tage das Leben, dann ist wenigstens Ihr Vater gerettet." Marie nickte dem Arzte beifällig zu. Wirklich kam der Schwer verwundete nach einigen Tagen sorgfältigster Pflege noch einmal zum Bewußtsein. Er schlug matt die Augen auf und sah seine Frau sich zärtlich über ihn beugen, während der alte Förster am Fußende des Bettes stand und aufmerksamen Auges jede Bewegung des Kranken verfolgte. „Verzeiht mir!" flüsterte Eduard, „ich habe Euch sehr wehe ge- than, doch Ihr habt mir Frieden gebracht, — ich danke Euch!" — Er wollte die Hand ausstrecken, vermochte es aber nicht. Mit überströmenden Augen reichte ihm der Förster die Hand — er fühlte noch einen leisen Druck . . . daun erkaltete sie langsam in der seinen — ein Seufzer — und er hatte geendet. . . . Der Förster wurde wegen unvorsätzlicher, tödtlicher Körperverletz ung eines Menschen zu sechs Manaten Gefängniß, dem niedrigsten Strafmaß, verurtheilt. Marie vermochte nicht länger in dem statt lichen großen Bauernhause, wo das Glück ihres ganzen Lebens zer trümmert worden, zn wohnen; sie zog wieder in das Häuschen ihres Vaters, in das auch der alte Förster nach verbüßter Strafe, an Leib und Seele gebrochen, wieder einkehrte. Mochte auch noch so warmer Sonnenschein durch das Häuschen zittern und Alles in Licht und Aether tauchen, in die Herzen seiner Bewohner drang doch kein freund licher Strahl — dort blieb es Nacht. . . . Der alte Förster beitete sich bald zur ewigen Ruhe und nun stand die unglückliche Frau ganz allein. Allein?! Sie hatte ja noch ihr Kind; aber selbst dies schönste und oft einzige Glück war für sie eine Quelle neuen Leids! Die erschreckende Aehnlichkeit des Knaben mit seinem Großvater mußte ihr täglich die unheimliche Vergangenheit vor die Seele führen, und als ob sie Alles an dem Knaben für immer au die Kette ver gangenen Leides und Unglücks schmieden sollte, auch er hatte — wie einst sein Vater — eine schwere Zunge! * Haarnoth. Der Streit mit China bedroht die Französinnen mit einer „Haarnolh". Jährlich werden durchschnittlich 2000 Kilo Haare in Frankreich eingeführt, von welchen bei Weitem die meisten aus China kommen. Die Chinesen haben also in gewissem Sinne Recht, wenn sie behaupten, Frankreich müsse im Kampf mit ihnen „Haare lassen". * In den Flitterwochen. Sie: „Sag' einmal, Ferdinand, würdest Du Dich, falls ich Plötzlich sterben sollte, jemals wieder ver- heirathen?" — Er (mit Ueberzeugung): „O nein, niemals wieder!" — Sie (schmollend): „Ach Du Garstiger. Du willst wohl sagen, daß Du bei der ersten Verheirathung genug gelitten und keine Lust haben würdest, zu einer zweiten Ehe zu schreiten?" — (Schluchzend): „Ist das Deine Liebe? Ach ich unglückliche Frau!" — Er (ganz verlegen und verwirrt): „Weine doch nicht, Kind. Ich will Dich ja ganz ge- Wiß nicht kränken. In der That, wenn ich mir die Sache recht über lege, so würde ich mich doch im Falle Deines Todes zu einer zweiten Ehe entschließen." — Sie, (in einen Strom von Thränen ausbrechend): „Abscheulicher! Jetzt weiß ich, daß Du mich nicht liebst. Du hast es selbst gesagt, daß Du mich schon bald vergessen und eine Andere neh men wirst."