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Daß sich nach Lage der Dinge die Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße hem Prinzen Wilhelm zuwendet, ist begreiflich. In Ermangelung Mk positiver Anhaltspunkte werden aber Dinge erfunden, deren Unwahrschein lichkeit sofort Jedem einleuchten muß, der einen Blick in die thatsächlichen Verhältnisse zu werfen vermag. So wird beispielsweise gegenwärtig wieder süddeutschen Blättern gemeldet, es läge im Plane, dem Prinzen Wilhelm einen vortragenden Rath an die Seite zu stellen, dem eS obliegen würde, demselben über alle Vorgänge des staatlichen und öffentlichen Lebens dauernd Vortrag zu halten. Soviel wir wissen, arbeitet Prinz Wilhelm schon seit Monaten im Auswärtigen Amt und ist auch sehr vortrefflich berathen, denn sein vortragender Rath heißt Fürst v. Bismarck. Wie dankbar der Zögling seinem Lehrer gegenüber ist, beweist der Umstand, daß Prinz Wilhelm kürzlich, als er Anlaß nahm, in einer Tischrede die ihm da und dort zu geschriebenen kriegerischen Gelüste mit Entrüstung zurückzuweisen, von unserem großen Kanzler sprach. Von den durch schlagende Wetter im Kreuzgrubenschacht bei Saar brücken Verunglückten sind bereits 40 Todte zu Tage gefördert; einer wird noch vermißt. Die vier im Lazareth befindlichen durch Nachschwaden be schädigten Retter befinden sich verhältnißmäßig wohl. Gesicht und Hände der Leichen sind meist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die meisten Ver unglückten waren verheirathet. Die Maschinen der Grube und die Schächte sind sämmtlich unversehrt. Der Generaldirektor der „Allgemeinen Deutschen Hagelversicherungs- gesellschaft", Michels, ist auf Requisition des Untersuchungsrichters am k. Landgericht in Berlin wegen Untreue verhaftet worden. Der Fall erregt großes Aufsehen. Als ein verkörpertes Bild russisch-französischer Sehnsucht erschien auf dem Wohlthätigkeitsball der französischen Kolonie in Petersburg eine Maske halb russischer Bauer, halb französischer Marquis mit der Inschrift: Einigkeit macht stark. Alles sammelte sich um sie, aber vor dem Demas- kiren war sie verschwunden. Die Reblaus hat Frankreich um rund 10 Milliarden geschädigt, also um das Doppelte der Kriegsentschädigung von 1871. Dieser Verlust wird als die Hauptursache der Krisis bezeichnet, welche Frankreich in allen Zweigen des gewerblichen Lebens während der letzten Zeit durchzumachen hatte. Der Prozeß gegen Wilson hat in Paris endlich begonnen. Der Andrang des Publikums ist ungeheuer; Wilson sitzt neben der Ratazzi und Dubreuil, einem sehr zweifelhaften Agenten, auf der Anklagebank, er, der Schwiegersohn des früheren Präsidenten der Republik! Die Anklage be schuldigt Wilson der Theilnahme an Schwindeleien, die zum Nachtheil von Personen, die Ordensauszeichnungen wünschten, unternommen worden seien. In den Geflügcltrakten der Centralmarkthalle zu Paris brach am 15. Februar ein großer Brand aus, die Löscharbeiten gestalteten sich trotz der herbeigeschafften Dampfspritzen sehr schwierig. Eine ungeheure Rauch masse entwickelte sich so, daß mehrere Pombiers bei ihren Arbeiten beinahe erstickt wären. Ueber hunderttausend Stück Geflügel sind verbrannt. Man vermuthet, daß das Feuer aus Böswilligkeit angelegt worden ist. Vaterländisches. Wilsdruff. Vielfach ausgesprochenen Wünschen nachzukommen, beabsichtigt Herr Hotelier Otto Gietzelt hier im nächsten Monat wieder ein K ü n st l e r - C o n c e r t, ausgeführt von Mitgliedern der königlichen Hofkapelle zu Dresden, welche bekanntlich früher hier stets mit großem Beifall ausgenommen worden sind, zu entriren. Jedenfalls wird diese kurze Notiz bei Musikfreunden Freude erregen. — Sterbekasse für das deutsche Forstpersonal. Mit Beginn dieses Jahres hat unter vorstehendem Namen und dem Vorsitz des Revierförster Dr. Jäger in Tübingen ein Verein, als selbständiger Theil einer zu be gründenden deutschen Forstberufsgenossenschaft, seine Thätigkeit begonnen, welcher beim Forstpersonal in allen deutschen Ländern schnell freudigen Anklang gefunden und zahlreiche Milglieder erlangt hat. Seinen allge meinen Zweck, die Wohlthaten der Arbeiterversicherung im Geiste der Reichs gesetzgebung in gewisser Hinsicht auch den Forstbeamten zutheil werden zu lasfty.. erreicht er dadurch, daß sofort nach dem Tode eines Mitgliedes den Hinterbliebenen desselben ein Geldbetrag — je nach der Höhe der ver sicherten Antheilscheine — von 500 bis 6000 Mk. ausgezahlt wird, welcher also die dringendsten Sterbefallausgaben decken, beziehentlich der nachge lassenen Familie außerdem noch ein kleines Kapital in die Hand geben soll. Der Beitritt zur Kasse steht jedem im Staats-, Gemeinde- oder Privatdienst fest angestellten und zur Zeit seinen Beruf noch im voll kommenen Umfange ausübenden Forstbeamten — einschließlich der Wald wärter — frei; die Beiträge werden monatlich gezahlt. Die Ehrenstelle eines Landesvorstandes für das Königreich Sachsen hat vorläufig der Kgl. Oberförster Ettmüller in Ullersdorf bei Radeberg übernommen, an welchen alle Anmeldungen bez. Anfragen in Bezug auf den Verein zu richten sind. — Der letzte Winter war für die Stickerei-Industrie des Vogt landes wenig erfreulich; aber es scheint doch, als solle der kommende Sommer besser werden; denn es sind jetzt die Bestellungen aus Amerika, die im vorigen Jahre erst im März aufgegeben wurden, eingegangen und geben den Fabrikanten Veranlassung, Sticker zu suchen. Dieser Umstand wird auch den Lohnstickern die durch den flauen Geschäftsgang am fühl barsten betroffen worden waren, erfreulich. Während früher viel Volants in Tüll getragen wurden, scheint man solche jetzt auf Musseline zu bevor zugen, dagegen sind Tüllspitzen wieder gefragt. Dadurch wird auch den Schiffchenmaschinen Aussicht auf erneute Thätigkeit eröffnet. Die Stickerei kann eine Besserung sehr gut gebrauchen, denn die lange anhaltende Flaue lähmt sonst die Schwungkraft, die Erfindungs- und Unternehmungslust, und das wäre sehr zu beklagen. — Die dem gegenwärtigen Landtage zur Berathung vorliegenden Jn- venturergebnisse der k. Altersrentenbank in Dresden für das Ende des Jahres 1886 zeigen, daß die beiden Geschlechter an den Einlagen zur Bank sich nicht gleichmäßig betheiligt haben, daß vielmehr von Seiten der Män ner etwas häufiger, als von Seiten der Frauen eingezahlt worden ist. Die Mehrbetheiligung der ersteren ist jedoch nicht über alle Altersklassen ausgedehnt, vielmehr überwiegen in den jüngsten Altersklassen bis zum Alter von 20 Jahren, sowie im Alter von mehr als 60 Jahren die Ein lagen der Frauen, und ist es nur das eigentlich erwerbsfähige Alter zwi schen 20 und 60 Jahren, welches den Ueberschuß zu Gunsten der Männer hervorbringt. Von den gesammten bis Ende 1886 auf das männliche Geschlecht entfallenen 13007 Einlagen kamen auf das Alter bis zu 20 Jahren 3019, auf das von 20 bis 60 Jahren 9357 und auf das von über 60 Jahren 631 Stück, während die 11301 Einlagen des weiblichen Geschlechts sich auf dieselben Altersgruppen mit 3984, 6563 und 754 Stück vertheilen. Im Allgemeinen übrigens scheint sich die Betheiligung an der Altersrentenbank immer mehr zu Gunsten der Frauen zu verschieben. — Hosterwitz b. Pirna. Am Mittwoch fand in der hiesigen Kirche eine ganz außergewöhnliche und erhebende Tauffeierlichkeit statt. Zwei Dissidentcnkinder, Mädchen, die als solche den Religionsunterricht mit em pfangen hatten, erhielten im Alter von 13 und 10 Jahren im Beisein ihrer Mütter, der erwählten Pathen und ihrer Mitschüler die heilige Taufe. Die Mitschüler der Täuflinge hatten den Taufstein mit Blumen geschmückt und stimmten Festgesänge an. Das Glaubensbekenntniß legte das älteste der Mädchen in klarer würdiger Weise selbst ab. —- Cunewalde. Die Zahl der Opfer der Trichinose ist auf 30 gestiegen; am 12. Februar starb das 3 Jahre alte Töchterchen der bereits vor einigen Tagen an derselben Krankheit gestorbenen Eger'scken Eheleute und leben von dieser Familie nur nocb 3 Waisen, und am 14. Februar erlag der 25 Jahre alte verheirathete Weber Hauptmann seinen Leiden. — Dieser Tage sind wieder in einem in Oederan geschlachteten Schweine Trichinen in großer Menge vorgefunden worden. Der dortige Stadtrath ordnete sofort die umfassendsten Maßregeln an. — Kürzlich wurden aus einem Orte bei Waldenburg 5 Fortbildungs schüler, die vor erfülltem 17. Lebensjahre einen Tanzsaal während der öffentlichen Tanzmusik betreten hatten, mit 6 und 3 Mark gerichtlich be straft. Der betreffende Wirth erhielt auf Grund des bestehenden Tanz regulativs der Königlichen Ämtshauptmannschaft eine Geldstrafe von 10 Mark und das Gemeinderathsmitglied, welches die Tanzaufsicht geführt hatte, eine dergleichen von 3 Mark und hatten die Verurtheilten außerdem noch die Kosten des Verfahrens zu tragen. — Ju Ermangelung eines feuerfesten eisernen Geldschrankes hatte kürzlich ein Weber in Treuen, bevor er in Gemeinschaft mit seiner Frau einen Geschäftsweg antrat, sein Vermögen, bestehend in harten Thalerstücken, in dem Feuerherde des Ofens niedergelegt. Wohlgemuth verließ er darauf die Wohnung. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. Als seine Frau, welche etwas eher nach der Wohnung zurück gekehrt war, die Temperatur daselbst zu frostig fand, beschloß sic, cinFeuer- chen im Ofen zu machen. Sonderbarer Weise wurde von der guten Frau der im Feuerherde verborgene Schatz nicht bemerkt. Als nun kurz darauf der Herr Gemahl in die Stube trat und das hellauflodernde Feuer im Ofen bemerkte, stieg auch ihm die Hitze in den — Kopf. Die Ofenthüre aufreißend und die Feuerung mit beiden Händen aus dem Herde in die Stube befördernd, war das Werk eines Augenblicks. Die erschreckte Frau war höchlichst besorgt um ihren Mann über dessen seltsame Handlungs weise. Doch wurde ihr die Situation bald klar, als die harten Thaler stücke in der Stube herumkollerten. Beide gingen nun betrübt um die heißen, schwarzen Lieblinge — wie die Katze um den heißen Brei. Wie mitgetheilt wird, sind die guten Leute jetzt damit beschäftigt, mit Hilfe von Putzpommade den Thalern ihr früheres Ansehen wieder zu geben. Die Moral von der Geschicht: plazirt eure Thaler in den Ofen nicht. Ucber den gegenwärtigen Stand der Geflügelzucht in Deutschland. Vortrag, gehalten im „Klub der Landwirthe" am 6. December 1887 von Du. «Karl Aufl in Berlin. Diskussion. (Schluß.) Herr Prof. Dr. Wittmack. Es ist doch zu bedauern, daß von all' den einheimischen Rassen keine so ergiebig ist, wie wir es von fremden Ländern hören. Denn doch nur speziell französische Rassen sind es, die durch gute Zucht zu solchem Ansehen gekommen sind. Sollte man nicht auch aus unseren Landhühncrn solche erziehen können? Außerdem möchte ich Herrn Dr. Ruß bitten, uns etwas über Geflügel-Mastanstalten mit- zutheilen. Herr Dr. Ruß: Mit den Landhühnern in Frankreich verhält es sich anders, wie man anzunehmen Pflegt. Wir können wohl sagen, daß seit der Revolutionszeit die Geflügelzucht in Frankreich sich so großartig ent wickelt hat. Aber es sind auch keine Landhühner im eigentlichen Sinne des Wortes mehr, es sind durch die sorgfältigste Zucht veredelte Hühner, mit denen man dort die bewundernswerthen Nutzerfolge erzielt. — Ich verstehe unter Landhuhn ein Huhn, welches der allergeringsten Pflege und Aufsicht bedarf. Wir haben ja verschiedene Rassen in verschiedenen Ge genden z. B. das ostpreußische, friesländische und hamburgische Huhn und zahlreiche andere Schläge, die man noch immerhin als Landhühner ansehen kann. Die eigentlichen Landhühner, um die man sich gar nicht zu küm mern und die man nicht zu füttern braucht, giebt es indessen kaum mehr. — So großartige Mastanstalten, wie in Frankreich haben wir bei uns nicht; dagegen giebt es recht einträgliche Mästereien, so z. B. bei Ham burg. Die Mästung der Hühner ist eine eigenartige, und muß eine ver- ständnißvolle und überaus sorgfältige sein, wenn sie Erfolg bringen solle. Trotzdem oder vielmehr darum hat sie keine Aussicht für die Landwirth- schaft. Man benutzt zur Mästung sogenanntes jungfräuliches Geflügel, also Hennen und Hähne, die noch nicht in Berührung mit einander waren. Diese werden in der einfachsten Weise gemästet — und doch nur dann liefern sie wirklich das köstliche Geflügel, wenn man das Verfahren ge nau kennt. Vors. Prof. Dr. Müller. Jetzt möchte ich mir noch ein paar Fragen erlauben. Ist es statthaft, das Geflügel in Ställen unterzubringen? da ja das Federvieh viel Milben und anderes Ungeziefer hat, welche dann auch auf die Pferde übergehen sollen. Würde in diesem Falle Torsstreu nützlich sein und warum hat die Torfstreu noch nicht im Zoologischen Garten Eingang gefunden? Ferner ist mir von sachkundiger Seite gesagt worden, daß je weiter wir nach Norden gehen, je weniger die Hühner ge deihen, weil sie in langen Winternächten zu wenig Futter zu sich nehmen. Man müßte ihnen schon früh um 3 oder 4 Uhr ein Lämpchen anzünden, damit sie das Futter finden. — Uebrigens würde der Klub sich sehr geehrt fühlen, wenn Damen nicht nur den Vorträgen beiwohnen, sondern auch sonst unsere Räume besuchen wollten! Herr Dr. Ruß: M. H.! Der günstigste Aufenthalt ist und bleibt der Viehstall. Aber es giebt ein Vorurtheil, dahin nämlich, daß wenn eine Kuh eine Feder herunterschluckt, sie krank wird und stirbt. Das ist ganz falsch. Ein anderes Bedenken ist das, daß die Hühner das Vieh verlausen sollen. Es ist jedoch entschieden festgestellt, daß diese Schmarotzer sich nicht von einer Thierart auf die andere, so namentlich nicht von Vö geln auf Vierfüßler übertragen lassen. Um dem Verschleppen des Schmutzes und Unraths vorzubeugen, dürften die Hühner nicht im ganzen Stall her umlaufen, übrigens sollen die Hühner sich nur des Nachts in demselben aufhalten. Um dem Schmutze zu steuern, giebt es kaum ein besseres Mittel als Torfstrcu. — Was das Füttern der Vögel anbetrifft, so ist es nicht richtig, daß die Vögel nicht gedeihen können, wenn man ihnen des Abends keine Lämpchen ansteckt. Ich, m. H., habe selbst ohne diese Mittel die kostbarsten fremdländischen Stubenvögel mitten im Winter gezüchtet. Ich meine, daß, wenn kleine Vögel sich ohne dieses Hülfsmittel satt fressen und zu erhalten vermögen, so können dies auch die Hühner. Herr Wölbling: Ich möchte zuletzt noch die Frage aufwerfen, wie man die Hühnerzucht in ein besseres Fahrwasser bringen kann? Wir ha ben Ausstellungen, die nur dem Sport dienen. Die Mittel des Staates dienen zum allergeringsten Theil der landwirthschaftlichen Produktion. Wie wäre eine Ausstellung am besten einzurichten, um reines Nutzgeflügel zu erhalten? Auch darf ich wohl außerdem bemerken, daß der heutige Vortrag die Folge einer Unterhaltung mit Herrn Dr. Ruß darüber ist, wie am besten eine Nutzgeflügel-Ausstellung einzurichten wäre. Herr Rittergutsbes. v. Rohrscheidt. M. H.! Wie werden denn über haupt solche Ausstellungen gemacht? Da kommt ein erster bester Verein,