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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.06.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080610018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908061001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908061001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-06
- Tag 1908-06-10
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Monat
1908-06
-
Jahr
1908
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Ausland. Italien. ' Der frühere Minister Prinetti ist gestern früh an Lungenent zündung gestorben. Marchese Giulio Prinetti war 1848 geboren und entstammte einer begüterten Mailänder Familie. Er war erst Ingenieur und «r. 1»b. N>2. Jahr,. voran. (Zustimmung.) Trotz alledem marschieren wir und zuletzt wird der Sieg doch unser sei». Es ist undenkbar, daß die geistige Zwing- kerrschaft einzelner Konfessionen sich auf die Dauer wird erhalten lasten. Das ist unmöglich. Auch aus dem deutschen Katholizismus wird einmal ei» neuer, wenn auch anders gearteter Protestantismus erstehen. (Beifall.) (Fortetz»ng folgt.) > Deutsches Reich. Leitz,iq, 10. Juni. * Per Ralfe» t« vtegtzttz. Unter Glocken gelLute traf der Kaiser gestern vormittag in Liegnitz ei». Mit dem Kaiser kam Prinz Oskar. Der Kaiser und der Prin» begaben sich unter den Hochrufen des Publi kum- in Automobilen nach der Kirche, wo eine Gruppe Schulmädchen mit Korndlumeukranze» im Haar das Spalier abschloß. Bor der Kirche wartete Herzog Ernst Günther von SchleSwig-Holsteiu, besten Gemahlin sich in die Kirche begeben hatte. Der Kaiser schritt die Front der Ehrenkompanie vom Königsgrenadierregiment ab und begrüßte die direkten Borgesetzten. Oberbürgermeister Oertel hieß den Kaiser in bewegten Worten namens der Stadt Liegnitz willkommen. Der Kaiser dankte auf da« frenndlicbste und schüttelte dem Oberbürgermeister die Hand. Geheimrat Dr. v. Heyer überreichte die Plakette, die zur Erinnerung an den Tag geprägt ist. Hierauf folgte die Zeremonie der Schlüsselübergabe, nach der der Kaiser unter Boraotritt der Geistlichkeit das Gotteshaus betrat. In der Borballe der Kirche besichtigte der Kaiser da- von ihm gestiftete Epitaphium für Kaiser Friedrich, ein Profil des Brustbildes in Bronze von Professor B ogel-Berli«, da- in die Wand eingelassen wird, von Blattpflanze» umgeben. Generalsuperintendent Haupt vollzog den Weiheakt und sprach das Gebet. Nach Beendigung des WeiheakteS nahm der Kaiser den Parademarsch der Ehrenkompanie ab und begab sich mit Priuz Oskar und Herzog Ernst Güntber zum Frühstück in das Ojfizierökasioo des Königsgrenadier - Regiment-. Bor dem Kasino wurde der Kaiser von den Damen de- Regiments begrüßt. Der Kaiser verlieh zahlreiche Au-reichnungen. * Deutsch-amerikanischer Schiedsgericht-Vertrag. Dem scheiden den Botschafter Charlemagne Tower ist es, nach dem »Tag", ge lungen, den SchiedSgcrichtsvertrag, dessen Zustandekommen zeitweise unsicher erschien, zum Abschlüsse zu bringen. * Ein bemerkenswerter Vorgang hat sich in der preußischen Lehrer schaft abgespielt, indem sich zwei konfessionell getrennte größere Verbände zu gemeinsamen Schritten in der Wahrung ihrer SiandeS- iuteressen zusammengeschlossen haben. Der Borstand des zum Preußischen Lebrervrrein gehörigen GauverbandeS der Lehrer des westfälischen In dustriebezirk- hatte deu Borstand deS GauverbandeS katholischer Lehrer zu einer gemeinschaftlichen Sitzung eingeladen. Der Einladung war Folge geleistet worden. Die Zusammenkunft fand in Witten start und Gegenstand der Beratungen war die Besoldung« frage, zu der ein stimmig eine Resolution angenommen wurde. Die Vorstände beider Berbäade beschlossen ferner, auch in Zukunft alle Schritte in der GehaltSfrage gemeinsam zu tun und auch in anderen Angelegenheiten, wie beispielsweise in der Schulaufsicht-srage, geschloffen vorzugehen. * General von der Goltz, der Generalinspektcur der VI. Armee inspektion, wurde auf seiner Reife in die Türkei vom Sultan mit großen Ehren empfangen. Der Sultan verlieh ihm die Jftiharmedaille in Brillanten und der Freifrau von der Goltz den Großkordon des Mediidie-Ordens mit Brillanten. * Fürst Eulenburg. Die Schwurgerichtsverhandlung gegen den Fürsten Eulenburg ist, dem „B. T." zufolge, in etwa vierzehn Tagen bis drei Wochen zu erwarten. Die Hauptverhandlung findet in der am 15. Juni beginnenden Schwurgerichtsperiode beim Land- gerich tBerlin I statt. Dem Fürsten Eulenburg, der sich noch in der Eharitö befindet, ist die Anklageschrift, wie schon gemeldet, am Freitag abend zugestellt worden. Die Anklage lautet auf Meineid. * Die Eröffnungssitzung ver 18. Jahresversammlung vrr Deutschen zoologische» Gesellschaft sand gestern in Stuttgart statt. Rektor Fünf stück begrüßte die Persammlung namens deS Kultusministers und des Senats der Technischen Hochschule, Gemeinderat Malte- im Auftrage der Stadt und Professor Subdorf namens der Tierärztlichen Hochschule. Feuilleton. Das Märkische Museum. Von Ma; Hochdorf (Berlin). Noch überwachen die Augen des Kustoden das Werk, das in jahre langer Arbeit geschaffen wurde. Das Berliner Märkische Museum ist hergestellt, die Architektur steht mächtig und eindrucksvoll m den Fugen. Auch im Innern hat alles seinen Platz erhalten. Aber ehe man die Besucher hineinläßt, will man noch jede Spur der großen Mühe verwischen, blitz und blank jeden Raum, jeden Gegenstand her- richten. Darum sieht man noch die Handwerker in den weiten Hallen, die erlesensten Gehilfen, die am fertigen Werke glätten und gerade machen, was den festlichen Anblick noch stören könnte. In kurzer Zeit soll auch das beendet sein, und jedermann wird sich einer Ausstellung freuen können, die des Belehrenden und des künstlerisch Reizvollen unendlich viel bietet. Unsere modernen MuseumSbaumeister sind nicht sehr phantasievoll, aber sie find kluge Künstler, die mit historischer Gewissenhaftigkeit die Bausormen wählen, die den Kunstformen des geborgenen Kulturgutes entsprechen. Im Märkischen Museum galt es, die ganze Geschichte der Mark an belebenden Funden vorzuführen. Die Prähistorie sollte sprechen, die älteste, dokumentarisch belegte Zeitepoche, dann sollten vor dem Be trachter die Jahrhunderte des weiteren Wachsens erweckt werden, Ent- wicklungsstadien, die bis zur Gegenwart hinanführen. So wählte der Baumeister verschiedene Stilformen, indem er einen Flügel in strenger Gotik gliederte, dem moderneren dagegen die Leichtigkeit der Renaissance vorzeichnete; hier findet man aber auch ab und zu im dekorativen Zierat Sims- und Mauerschmuck, die ans Rokoko erinnern. Der märkische Roland steht am Eingangstor, hoch, robust und massig, ein Denkmal aus einer Zeit, die Heroen ins Uebermenschliche vergrößerte und auch diesen Recken aus Stein nach gigantischen Matzen meitzelte. Dcmn steigt man die Treppe empor, und die schweren Eingangspforten öffnen sich. Sie öffnen sich langsam und wuchtig. Sie sind die Zeugen einer strengen, versunkenen Zeit. Was hinter diesen Eisenplatten ver wahrt wird, hinter diesen Eisenbuckeln, stählernen Beschlägen und Schar nieren, das jst gut verwahrt, wie in einer festen Burg. Und diese sym- basische Tür gibt auch den Gedanken ein, daß man im Begriffe ist, ein starkes Schloß zu betreten, ein Schloß der Erinnerungen. Man steht im Dämmer der Vorhalle, wo die Helligkeit des Tage» nur sanft regiert. Was Berlin einst zur Wehr und zur Rettung bei Wetter schäden diente, die Feuerspritzen, all daS praktische Löschgerät, Schlitten und sonstiges Handwerkszeug ist hier aufgestellt. Denn erst die Dinge des Trutzes und hernach die Tinge des Putzes. Tas sind die Reliquien aus Kirchen und aus Heiligtümern, kunstvolle gehämmerte Türfüllungen, in Spiralen und in malerischen Kreisen laufende Muster sind darauf an gebracht. Hier herrscht noch der Katholizi-muS und seine Lust, dem lieben Gott in Prächtigkeit zu dienen. Die prähistorische Sammlung des Museums umfaßt 24 000 Stück. Die großen Stücke, die Hünen- und Massengräber finden sich und ebenso zahlreich die winzigen Reliquien, Urnen, Gefäße, Ringe, auch Goldschmuü. All das ist sehr übersichtlich geordnet. Es hat nicht den Reichtum der Pariser Schätze, die im Ueberfluß auf romanischer Erde auSgegraben wurden, aber eS ist der treulich gehütete Schatz eine» Landes, das mühsam groß wurde, das fast gegen den Willen der Schöpfung groß wurde, dessen Bewohner leidenschaftliche Kraft aufbieten mußten, die starre Natur zu besiegen, sie ergiebig zu machen und angenehm. Nun waren diese Märker tüchtige Männer, mit Witz und mit Er findung hochbegabt. Das zeigt sich sofort, wenn man in benachbarte Räume geht. Dort hat man in Vitrinen einige» aus der Kleinkunst deS sechzehnten Jahrhundert« ausgestellt und alle» dazu getan, was zum achtzehnten Jahrhundert hinüberreicht. Es war Sitte, zum Neujahrs. »rei-ztster rage-UM. Großindustrieller, wurde dann 1882 in die Deputiertenkammer gewählt, wo er die Führung des rechten Flügels übernahm. Im März 1896 wurde er Minister der öffentlichen Arbeiten, nahm jedoch im Dezember 1897 seine Entlassung. Im Februar 1901 übernahm er das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten, sah sich jedoch infolge schwerer Er krankung im April 1903 gezwungen, seinen Abschied zu nehmen. Bulgarien. * Ueber tz«S Ergebnis der Wahlen zur Sodrauje, über das wir be reits ausführlich telegraphisth berichtet haben, wird noch gemeldet: Sofia, 9. Juni. (Telegramm.) Die Sobranjewahlen Verliesen in vollster Ordnung. Sie ergaben eine noch nicht dagewesene Re- gierungsmehrheit von 175 unter 208 Abgeordneten. Sehr bemerkens- wert ist, daß die Stambulowistenpartei, die in der letzten Sobranje etwa 160 Mitglieder zählte, keinen einzigen Kandidaten durchzu bringen vermochte. Ebensowenig sind die radikalen Demokraten, die Tontschewisten und eine oer beiden sozialistischen Fraktionen in der neuen Sobranje vertreten. Die übrigen oppositionellen Parteien kommen mit kaum nennenswerten Vertretungen in das neue Haus, so die Radoslawisten mit 4 Mann, die Nationalisten (Gaschow- Partei) mit 2 Mann, eine der sozialistischen Gruppen bloß mit einem Mann. Von den oppositionellen Parteichcfs sind bloß der Zankowisten- führer Dr. Dänen und das Vorstandsmitglied der Nationalistenpariei Todorow gewählt worden. Dagegen sind sieben Minister des jetzigen Kabinetts in 29 Orten gleichzeitig gewählt worden, darunter der Mi nister der Innern Takew in 9 Orten. Im ganzen sind, da auch außerdem einige Kandidaten doppelt gewählt wurden, 32 Nachtrags. Wahlen notwendig. Eine Neuheit im parlamentarischen Leben Bul gariens ist die Fraktion des Landwirtschaftsbundes, die mit etwa 20 Mitgliedern in die Sobranje einzieht. Rußland. * Rückwärts in der BolkSaufklSrnng ist vermutlich die Devise deS russischen Unterrichtsministers. Aus Petersburg wird unS unter dem 7. d. M. geschrieben: Der Minister der Volksausklärung hat soeben ein Zirkular an die Universitätskuratorien erlassen, das von ernsten Folgen für viele Kreise der Studierenden begleitet sein muß. Die neuen Ver ordnungen beziehen sich auf folgendes. 1) Aufhebung der Aufnahme erleichterungen für Seminaristen. 2) Festlegung einer Norm für die Studentenzahl in allen Fakultäten und Sonderkursen. 3) Besondere Bedingungen für die Aufnahme solcher Zöglinge, die eine Mittejschul- blldung ober auch ein höheres Lehrinstitut besucht haben. 4) Erschwerte Zulassunq von freien Zuhörern. Diesem Punkte ist noch der Satz ange fügt: „Frauen dürfen unter keinen Umständen in die Zahl der freien Zuhörer ausgenommen werden." Die neue Aera in der Geschichte der russischen Frau soll somit plötzlich unterbunden oder auf ungewisse Zeit lahm gelegt werden. Im Jahre 1901 haben hervorragende Staatsmänner selbst dafür gewirkt, daß die alte Universitätsbestimmung, der zufolge „Männer und Frauen in keinen gemeinsamen Hörsälen studieren dürfen" gemildert und die Frauen zur philosophischen Fakultät zugelassen werden in Rücksicht auf den Mangel in Lehrkräften an den Mittelschulen. Seit den letzten drei Jahren wurden den Frauen auch noch andere Fakultäten freigegeben, die sie als „fr e i e Zuhörerinnen" besuchen durften. Jetzt aber werben sie von den Stätten der Wissenschaft wieder vertrieben. Marokko. * Muley Hafid ist offenbar mit der Bekämpfung verschiedener An hänger Abdul Aziz' beschäftigt, weil sein Einzug in Fez und damit die Proklamation zum alleinigen Sultan noch immer auf sich warten läßt. So wird jetzt berichtet: Paris, 9. Juni. (Telegramm.) Muley Hafid verließ am 2. Juni mit einer Schar Mekines, um gegen die Ueberreste der Re» bellen in Lherarda zu ziehen, die er v e r n i ch t e t haben soll. Zahl reiche Berber unter Führung eines Sohnes Zaianis bilden eine Armee für Muley Hafid. Mehrere Beamte, die von Rabat geflohen sind, trafen in MekineS ein. lieber die sonstige Lage wird noch gemeldet: Tanger, 9. Juni. (Telegramm.) Die vom marokkanischen Re- gierungSgebäude in Casablanca entfernte französische Flagge wurde zum Verdruß der Eingeborenen auf einem anderen Gebäude des Wachsen gehißt. Die hiesige englische Po st führt vom 15. d. R. ad den In- landtarif für Bricfscndungen von und nach England und den Kolonien ein. * Eine Verletzung der AlaeciraSakte wird von Abdul Aziz berichtet: Tanger, 9. Juni. (Telegramm der Deutschen Kabclyramm- Gesellschaft.) Eine hiesige französische Zeitung meldet, daß dl« Ex- Ploitierung großer Korkeichenwälder bei Rabat von Abdul Aziz einer französischen Gesellschaft konzessioniert worden sei. Diese Meldung ist schwer in Einklang zu bringen mit Artikel 3 der Algecirasakte, welcher die Erploitierung der Korkeichen wälder ausdrücklich unter Adjudikation stellt. Mittwoch. W, Juni 1S08. Perfic«. * Eine Verschwör», gegen den Schah ist in Teheran entdeckt und unterdrückt worden. Offenbar fürchteten die Verschwörer um die Verfassung. Teheran, 9. Juni. (Telegramm der Petersburger Tele- graphenagenlur.) Der Leiter der Verschwörung, deren Anstifter ge fangen gesetzt wurden, war augenscheinlich Prinz Zil es Saltaneh. Das Parlament stand der Bewegung ganz fern. Emir Dscheng, der in der russischen Gesandtschaft Zuflucht gesucht hatte, verließ diese wieder. Der telegraphische Verkehr mit Teheran ist unterbrochen, nur die Leitung nach Astrabad arbeitet. Der Schah ließ in der ganzen Stadt eine Kundgebung verbreiten, in der er seine Ergeben heit für die von ihm beschworene Verfassung versichert. Die vor genommenen Verhaftungen erklären sich ausschließlich aus dem Wunsche, den revolutionären Umtrieben ein Ziel zu setzen, welche die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung hindern. Die Bevölkerung nahm die Kundgebung sehr sympathisch auf. Die Stadt ist ruhig. Aus Sachsen. Dresden, 9. Juni. * Ein furchtbares Famtltrndrama hat sich heute in deu frühen Morgen- stunden im Hauie Sebnitzer Straße 50 zugetragen. Dort bracht« der Mecha- nikergehilse Janett, ein arbeitsscheuer, dem Trünke ergebener Mensch, seinen beiden Kindern und seiner Ehefrau äußerst schwere Verletzungen bei und gab sich dann selbst durch Erhängen den Tod. Der Unmensch hat im Jähzorn nach voraufgegangenem Streit seiner Fra« und den beiden im Alter von 4 und I Jahre stehenden Knaben die Sckäveldecke mit einem schweren Hammer zer trümmert. Die grausige Tat ward von den im gleichen Hause wohnenden Schwiegereltern entdeckt. Janett hing, bereits tot, am Lampenhaken, die Frau und die Kinder gaben noch schwache Lebenszeichen von sich, verstorben aber bald nach ihrer Einlieferung in die Diakonissrnanslalt. Die Ehe war von Anfang an nicht glücklich, der Haushalt durch den leichtsinnigen Lebenswandel des Mannes zerrüttet. -o- Streik Ser Glasarbeiter. In der Brackwitzer Glasfabrik nimmt der Streik immer ernstere Formen an. Jetzt ist jedem ausständigen Glasarbeiier, der in einem der Fabrik gehörigen Hause wohnt, rin Schreiben zugegangen, nach dcm der Inhaber der Wohnung dieselbe innerhalb 48 Stunden zu räumen hat. DaS Angebot der Arbeitswilligen ist mehr als ausreichend. * (*) Wurzen, 9. Juni. fSchützenfe st. — Leichnam gefun- d e n. — H e u e r n t e.) Mit heute Hal das Pfingstschießen der Bürger- chützengilde seinen Anfang genommen. Der Festplatz ist mit Schau- tellungen und Schankzelten reich besetzt. Am Donnerstag findet König- chießen, am Freitag Wettreiten der Schützeneskadron statt. Am Sonn tag ist der letzte Haupttag des Festes. — Der Leichnam der am 2. d. M. beim Suchen ihres beim Baden ertrunkenen Kindes ebenfalls in den Wellen umgekommenen Maurcrsehefrau Heinrich wurde gestern in Eilenburg gelandet und polizeilich aufgehoben, während es bisher noch nicht gelang, die Leiche des 8jährigen Mädchens zu bergen. — Die Heu ernte hat in unserer Pflege begonnen. Der Bestand der Wiesen ist fast als überreichlich zu bezeichnen. A Wermsdorf, 9. Juni. (Geschenk des Kaisers.) Ter Kaiser hat verfügt, daß dem hiesigen Militärvereine das bronzene Ge schützrohr, welches zum Gusse des König-Albert-Denkmals Verwendung findet und vom Königlich Preußischen Kriegsministerium nur käuflich abgegeben werden konnte, geschenkt wird. Das Rohr präsentiert einen Wert von 500 ^k. r. Borna, 9. Juni. (Auszeichnungen. — Schützenfest.) Vom Ministerium des Innern haben die in der Buchdruckerei von Albert Reiche in Borna seit über 30 Jahre beschäftigten Schriftsetzer Zeichart und Maschinenmeister Kaden die Medaille für Treue in der Arbeit, ferner der Buchalter Müller, der Schriftsetzer Lehmann und der Maschinist Hoppe, welche über 25 Jahre dort beschäftigt sind, eine Bc- lobigungsnrkunde erhalten. Auch der Deutsche Buchdrnckervercin stiftete für die Herren Zeichart/ Müller, Lehmann und Hauch Anerkennungs urkunden. — Das diesjährige Schützenfest wird vom 28. Juni bis 5. Juli abgehalten. Chemnitz» 9. Juni. lAbgefakte Ausreißer. — Ein Opfer des Fußballiports). Der 20jährige Kontorbvte Friedrich Hermann Richter von hier hatte am Freitag seinem Prinzipal, einem hiesigen Geschäftsinhaber, einen Geldbetrag von 4680 ^unterschlagen, den er auf der diesigen Post Anzahlen sollte, und verschwand damit. Der leichtsinnige Mensch war mit dein Gelde sofort nach Berlin gereist, von dort aber am Sonnabend wieder nach hier zurückgekehrt, um seine Geliebte, eine Kellnerin, in einer Schankwiitsckcist der inneren Stadt auszusucden. Dort fiel er der Kriminalpolizei in die Hönde, die ihn festnahm. Bon dem nntrrscdlagenen Geld« batte er sich vom Kopf bis glückwunsche metallene GratulationSplättchcn heruuizuschickcn, Plaketten, auf denen sinnbildlich ausgedrückt war, was der Glückwünschende auf dem Herzen hatte. All das ist sehr sauber gearbeitet und mit viel Humor. Natürlich fehlt in dieser Sammlung nicht Nante, der Eckensteher, Berlins bekannter Hanswurst, Allerweltsphilosoph, Kannegießer und bester Pa triot, der Grünschnabel, der Kinderspott und Abgott und der stets will kommene Schnurrenerzähler für die Großen und Nachdenklichen. Das Märkische Museum wird eine große Bibliothek öffnen und vor allem die Schätze den Studienbeflissenen zugänglich machen, die der Bücherfreund Göritz seiner Vaterstadt geschenkt hat. Dieser Mann hat zu einer Zeit Bibliophilie betrieben, da man noch Kostbares zu vernünftigen Preisen erkaufen konnte. Seine Sammlung ist sein LcbenSwerk. Und dieses Leben ist reich an mannhafter Betätigung und Eigenart. Göritz hat noch vom Turnvater Jahn Lehre und Leitung, empfangen. Die Liebe zu den Dichtern kommt noch an anderer Stelle zum Ausdruck, so in jener Vitrine, da die Hausbücher deS krausen, genialen E. T. A. Hoffmann ge zeigt werden. Auch das Manuskript deS Chamissoschen „Peter Schlemihl" ist dort, und in seiner Nachbarschaft liegt das erste Adressenbuch von Berlin. Es entstammt dem Jahre 1704. Doch nur die Notabeln werden darinnen genannt, die Behörden, Kavaliere und Geheimräte, Kammer- mustzi und Priester. Für die Flickschuster, Schneider, Handschuhmacher, Spezereienhändler und gewöhnlichen Wechscljuden waren noch kein Platz und keine Druckerschwärze vorhanden. Darum ist das Büchlein auch nur dünn, etwa von jenem zierlichen Format der Almanache und Musen- Küchlein, die im achtzehnten Jahrhundert das Ergötzen einer dichtungs- freudigen Bürgerschaft gewesen sind. Und wir sind in einem anderen Raume, der dem Andenken des seligen Fontane dient. Sein Schreibtisch ist dort ausgestellt, ein un- elegantes, aber handfestes und zur Arbeit gehobeltes Möbel. Der nicht sehr bequeme Stuhl steht davor. In die Schubladen hat man die Manu- skripte diese» fleißigen Mannes gepackt. Er selber blickt im Porträt von der Wand herab, und er wundert sich »wohl, der Selige, daß sich jetzt an ihn alle wohlgeschulten, gescheiten und ungescheiten Philologen mit ihren Irrungen und Wirrungen heranmachen. Es ist selbstverständlich, daß dicht bei dem Kritiker des Schauspielhauses das Gesippe der Künstler wohnt. Oelbilder, Aquarelle und Skizzen ihrer Gesichter sieht man, hübsch gerahmt. Theaterzettel aus alter Zeit sind dicht dabei, und das Programm de» braven Thcatervater» Doebbelin fehlt natürlich nicht. So gehen wir weiter vom Theater de» Frieden» in- Theater de» Krieges, in die Waffenhalle, da Morgensterne, Genickknacker, blitzendes und sauber genietetes Mordwerkzcug ein lieblicher Schmuck sind. Folter werkzeug, Schandmasken und das wimmernde Armesünderglöcklein ge- hören dazu. Auch kann man ehrfürchtig an die Türe pochen, die einst- mals auf der Hausvogtei die Gefängniszelle Fritz Reuters verschloß. Wieder ist tiefe Ruhe. So in dem gelungensten dieser schönen Aus stellung: In dem Spreewaldzimmer, dem Heime der breiten, behaglichen Bäuerlichkeit, da das mächtige Daunenbett im Schatten steht, und über dem klobigen Gastet,sch der Starmatz sein Liedchen Pfeift. So in dem heiteren Biedermeierzimmer, da auf zierlichen Nippes und Bibclot» die Tageshelligieit spielt, und die Sonne hereinkommt, um auf den Tasten des zierlichen Spinettes Rast zu halten. Endlich in der kühlen, schattigen Kapelle, die ungefüllt ist mit ehrwürdigem Kultgerät, mit einem wunder- vollen Hochaltar aus dem Jahre 1500, mit den Statuetten der Heiligen, der Apostel und der anderen untertänigen Gefolgschaft deS Erlösers. Die Künstler, die das schnitzten, waren witzige und gutgelaunte Meister. Der Söldner, der in der Predella des Hochaltar» den Heiland aufs Schmerzenslager bettet, ist ein ganz famoser Bursch, ein tänzeriger Stutzer, ein stelzenbeiniger Geck, der den leidenden Leichnam hält, als Iväre er eine duftige Blume. Auf einem Bilde der Passionsgeschichte sind aber die Frommen und die Guten alle schöne Menschen, die Verfolger und die Hetzer dagegen durchweg häßliche Kerle mit Fratzen und komischen Bärten. DaS Gute und da» Böse ist hier wundervoll charakterisiert. DaS sind die Schätze deS Märkischen Museums. Sie sind nicht von geringem Wert. Wenn man sic überschaut, dann erstaunt man, wie nn „armen" Lande Brandenburg so diel Reichtum an Schönheit und Merk Würdigkeit, an Größe und auch an Glanz zu finden war. * Erika Wedekind, die berühmte Opernsängerin wird, wie veilantet, demnächst die Dresdner Hosoper verlassen unv sortan nur noch Gast spiele absolvieren. * Tschirikows neuestes Drama. Tschirikow, dessen Drama „Die Juden" auch in Berlin metnsach aufgeführt worden ist, hat, wie berichtet wird, ein neues Stuck geschrieben, das den Titel „Die weiße Krähe" führt. Eugen Tschirikow hat kürzlich diese neueste Schöpfung in einem Prioatztrkel vorgrlesen. Zu Lieser Vorstellung drängten sich aber so viele Menschen, daß die Polizei ans die „ge heime Masten-Versammlung" ausmrrlsam wurde nnd unerwartet in den Privat zirkel Andrang. Sämtliche Anwesenden wnrdeu festgestellt, ausgeschrieben, und ein Protokoll wurde ausgenommen, wonach sich die Zuhörer der Teilnahme an einer geheimen Versammlung schuldig gemacht haben. * Förderung Ser Biidhauerknnft. Der Bildhauer Professor Eugen Boermel hat kürzlich in einem Vortrag, den er im Verband deutscher Bildhauer hielt, die Ansicht ausgesprochen, e« sollte, um die Kunst als solche zu fördern, alljährlich von der Akademie ein Preis von hunderttausend Mark für denjenigen ausgeschrieben werden, der sich da- künstlerisch schönste Haus erbaute, und dann ein lolcher Preis sür jenen Künstler, der daS schönste Kunstwerk darin geschaffen usw. „Man würde überrascht sein", sagte der Referent, „welch ein Wetteifer plötzlich entstünde, wieder künstlerisch schöne Baudekorationen zu schaffen — ganz von selbst kämen da vielleicht Werke zustande, wie in der Billa Carlotta aus Cavenabbia, wie im Palazzo Pütt in Florenz oder wie in den Ge mächern des Vatikans ujw." — Der Vortragende wies, indem er diese An regung gab, auf olle die Preise hin, die zur Hebung des Sports, der wiffeu- schnsltichen Forschungen, der industriellen Unternehmungen ausgesetzt werden, Preise, welche großartig dazu beitragen, alle beteiligten Kräfte zu den höchsten Leistungen anzuspornen. Die Anregung, di« Professor Boermel in seinem Vortrage gab und die namentlich in Bitdhauerkreisen mit Befriedigung ausgenommen wurde, hat gewiß manches für sich. Es fragt sich nur, ob sie auf fruchtbaren Boden fallen wird. Jeden- lalls hat der Kultusminister Dr. Holle an diesem Vortrage Interesse genomnien; ec hat nämlich dem Vortragenden seinen Dank für diese Anregung ausgesprochen. * Kostbare Maauskrfttzte und Bücher. Aus London wird berichtet: Bei einer Versteigerung bei Sotvebq wurden für eine Anzahl Grdichtmanuskripte und einen Brief de- Dichter» BuruS 3000 gezahlt. Einen erstaunlichen Preis erzielt« da» Manuskript-Tagtbvch der MrS. Piozzi, die al» Mr«. Tdrale in sech» Bänden ihre Unterhaltungen mit Dr. Johnson »nd anderen interessanten Persönlichkeiten auszeichnete; die sechs Bände brachten 41000 Ein Band Dramen, der ursprünglich im Besitz König Karl» I. war und, wie durch eine Eintragung bezeugt ist, „während der schrecklichen einsamen Stunden in feiner lraürigen Gefangenschaft in Carisbrooke Castle" »riesen wurde, erzielte 10200 * Hochschnlnnchrichten. Au-Jena meldet un« ein Privatteleqramm: Zur Tagung der deutschen Chemiker treffen zadlreiche Festgäste hier rin. Man besichtigte die Schottsche Glashütte and daS Zeißwerk. Die Stadt Jena gab gestern ölend ein großes Marktfest. — Ter berühmte Pandektist Exzellenz Belker tritt vom Lehramt nach 55 jähriger Lehrtätigkeit, wovon 34 Jahre aus die Ruverlo Carola entfallen, zurück. Sein Nachfolger ist Wenger-Graz. — Der StaatSrechiler Fleiner-Tübingen nahm einen Ros al« Anschütz' Nach folger an. — Der ans Leipzig stammende Staatsrechtler Jelliuek beging gestern sein Lüiährige» Professorcajubiläum. * Kleine Chronik. Die Ausstellung der Berliner Sezession am Kur- sürstendamm wurde in Liesen Tagen durch eine Büste Richard Wagners von Max Klinger bereichert. — Heute wird in BrrSlau da- Denkmal de» berühmten Botaniker« Hermann Cobn, de- Begründer» der moderne» Baiteriologie, enthüllt. — Ta- von Adolf L'Arrona« bintrrlaffene Ver mögen wird auf sechs Millionen Mark geschätzt. Ein großer Teil seine« Vermögen« stammt au- den Tantiemen, die er jahr zehntelang aus seinen Theatecstücken bezog, die bekanntlich über alle deutschen Bühnen gegangen sind. Tie L'Arronge-Feier, die da- Deutsche Theater am nächsten Sonntag veranstalten wollte, dürft« verschob«, werden, weil mehrere der rnitwirkendrn Künstler o» dem Tage verhindert k»d
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