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BezngS-Prei» L^nuk »«KeljührUch 7i-«-«lx » (mörgrnt u— M Lew,», «ld vorstt» durch «mk», lrtg« «ch Sp«»lr«n, v>» Han«,«bracht« küb l nL ; " »b« » (morgen« an» abend«) vl«««l» Mch 4.S0 St., monatlich I.SO M. vnrch dt« Voft p« br,tebe»: (2 «al «»glich) ia«erhalb Deutschland« and der deutschen Kolonien vierteljährlich b,2L M., m-n-tlich 1,7b M. aalschl. Poft, betzellaeld, >ür Oesterreich v L SS d, Ungarn 8 L oierteljtdrlich. g«n« in vel- nie», DLnemart, den Donauftaaten, Italien, Luxemburg, Riederland«, Norm egen. Ruft- land Schweden. Schweiz und Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch m» Sxped. d. «l. erhältlich. «bounement^lnnabme! Puguftu«dlatz 8, bei unseren Dräaern, Filialen, Spediteur« und «nnahmestellen, sowie Postämtern «b Briefträgern. Li« einzeln« Nummer kost«» 10 Pfg. Ikdaktiou und Erptdikiour Johannisgass« 8. Delevbou Sir. 14SSL Nr. I48S3, Nr. läöSa. Morgen-Ausgabe S. eiWM.TaMaü Handelszcitung. Ämtsblalt des Rates und des Rokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Luzeignr-Prew L WA »nzeig« SÜ »i«tl«m» t ; »M «üwü«» SV Pf., »klam« r» PS; »omkludland^ftf., ftna^^pl^nTL«^ Insrrat« ». Behbrde» tmamtltchear«ilMPs. vrilag«g«SiU>r SM.». lausend «xkl. Post» ««bühr. Geschälltauzetgen an bevorzug«» Stelle im Preise erhäht. Rabatt nach Darts g«sterteilt« Susträg« känaen nicht zurück» aeiogeu werden. Für da» Urjchetne» au drstiiamten Lagen und Plttz«n wirb kein« Sarantt« übernommen. Pnzetg«a.«n-ahmei Nugukusplatz 8, b«t sämtlich«» Filiale» u. all«» Lanonem»- Ekpedirtooea d«s In» und Lullend««. Haupt»Silial« Derltn» S«,l Dunck«», H«rzogl. Vahr. H«ir»che Handlung, Lützowstrahe Ul, iLrlevb»» VI, Nr. «SOS). Haupt-Stlialr vreüdenr Saestrab« 4,1 (L«levd»a 4821). Nr. 159 Mittwoch 10. Juni 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste vorn Tage. * Gestern fand in Liegnitz in Gegenwart des Kaisers die Einweihungsfeier der neuerbauten Ka iser-Jriedrich-Gedächt- niskirche statt. sS. Dtschs. R.) * Die restaurierte Klosterkirche in Neuruppin wurde gestern in Gegenwart des Kronprinzen eingeweiht. Der Kaiser hatte 10 060 zum Baufonds gespendet. * In Dortmund begannen die Beratungen der Deutschen Lehrerversammlung. lS. d. bes. Art.) * In Stuttgart begann die Jahresversammlung der Deutschen zoologischen Gesellschaften. sS. Dtschs. R.) * Die Zusammenkunft des Zaren mit dem König von England fand gestern vormittag 11 Uhr auf der Reede von Reval statt. lS. d. bes. Art.) * Der frühere italienische Minister des Auswärtigen Marchese Prinetti, ist gestern früh an Lungenentzündung gestorben. lS. Ausl.) * Den „Times" zufolge wird die russische Kaiserfamilie nach Beendigung der Revaler Entrevue nicht sofort nach Peterhof zu rückkehren, sondern vorher eine längere E r h o I u n g s f ah rt auf der Ostsee unternehmen. * Die argentinische Kammer genehmigte den Bau einer Eisen bahnstrecke von 2000 Kilometern in Südargcntinien. * In Teheran lPersien) wurde eine Verschwörung entdeckt. Der Schah verspricht die Verfassung zu respektieren. lS. Ausl.) Mißhandlungen. Vor dem Kriegsgericht der ersten preußischen Gardedivision ist ern umfangreicher Soldatenmißhandlungsprozeß ausgetragen worden. Acht Sergeanten, Unteroffiziere und Soldaten standen als Angeklagte vor dem Gericht; der Hauptangeklagte war der Unteroffizier Walter Thamm, dem sechshundert Fälle von Mißhandlungen zur Last gelegt waren. Dabei sind in den Anklagen Mindestzahlen angenommen wor den. Thamm hat auch durch Mißbrauch der Dienstgcwalt die sogenann- ten alten Leute zu Mißhandlungen jüngerer Mannschaften bestimmt; der Selbstmord des Kanoniers Knobbe, der seinerzeit auf Schwermut zurückgcführt wurde, war durch Mißhandlungen veranlaßt worden. Auch den übrigen Angeklagten wurden Mißhandlungen Untergebener bis zu vierzig Fällen und schwere gemeinschaftliche Körperverletzungen vorgeworfen. Es ist eine der peinlichsten Pflichten des Journalisten, immer wieder dies Thema erörtern zu müssen. Indessen läßt sich, wenn es geschieht, kein Vorwurf gegen die Presse erheben, sondern die Vorwürfe müssen sich gegen die militärischen Vorgesetzten, gegen die Mangelhaftig- keit der Institutionen und gegen die Fehlbarkeit der Menschen richten. Lange Zeit galt es geradezu als unpatriotisch, Soldatenmißhandlungen ans Licht zu ziehen, und wer das leidige Thema mit der gebotenen Deutlichkeit erörterte, der mußte sich sagen lasten, daß er der Sozial demokratie in die Hände arbeite. Gerade das Gegenteil war der Fall. Es ist völlig unberechenbar, wieviele Anhänger der Sozialdemokratie durch Soldatenmißhandlungen zugeführt worden sind. Schon diese politische Erwägung sollte dazu anregen, gegen diesen Mißbrauch der Dienstgewalt mit drakonischer Schärfe vorzugehen. Nun hat man sich seit den natio nalen Wahlen von 1906 daran gewöhnt, die Sozialdemokratie zu unter- schätzen, wie man sie jahrelang überschätzt hat. Wir dürfen nicht ver gessen, daß auch bei dieser Wahl die sozialdemokratische Stimmenzahl noch einen Zuwachs von einer Viertelmillion aufwies, und die Tatsache, daß jetzt sieben Sozialdemokraten in den preußischen Landtag einziehen werden, gibt unseren maßgebenden Männern als Symptom gewiß zu denken, wenn auch die Machtverhältnisse innerhalb dieser parlamen tarischen Versammlung sich durch den Erfolg der roten Partei nicht verschieben. Aber nicht allein vom politischen Standpunkt aus, sondern auch unter militärischen Gesichtspunkten bleiben die Mißhandlungen sehr bedauerlich. Sie lockern das Band zwischen Vorgesetzten und Untergebenen und zerstören die innere Einheit. In dem vorliegenden Falle war kein Offizier angeklagt, aber Mißhandlungen durch Offiziere kommen auch heute noch vor. Wir sind überzeugt davon, daß eine Armee, in der die Mißhandlungen grassieren, auf dem Schlachtfelde keine sehr günstigen Chancen hat. Man könnte gegen diesen Satz die historische Er fahrung aufbieten — denn in allen Armeen der Vorzeit ist mehr oder weniger geprügelt worden —> aber die individuelle Empfindlichkeit hat sich eben in den letzten Jahrzehnten enorm gesteigert, und der Soldat, der mit Haß und Verbitterung gegen seine Vorgesetzten ins Feld zieht, ist durch ihre Schuld ein minderwertiger Soldat geworden. Wir wollen gar nicht mit pathetischen Akzenten betonen, wie unsittlich es ist, einen Wehrlosen, den daS strenge Gesetz in Fesseln schlägt, zu mißhandeln; wir wollen nur hervorheben, daß der Zweck der Armee nicht mit der selben Sicherheit erreicht werden kann, wenn dieser sadistischen Lust nicht Einhalt geschieht. Von Zeit zu Zeit versichert der Kriegsminister, daß das Usbel im Abnehmen begriffen sei, aber immer stellt sich heraus, daß hier der Wunsch der Vater deS Gedankens ist. Fast alle vierzehn Tage geht irgendein ungeheuerlicher Fall in einer kurzen Notiz durch die Presse. Nm nicht unpatriotisch zu erscheinen, ignorieren die Zeitungen gar manchen Fall; täten sie es nicht, so würde die Diskussion über dieses Thema kein Ende nehmen. Es werden häufig Soldatenselbstmorde ge meldet, ohne daß da- Motiv an den Tag tritt. Als sich der Kanonier Knobbe am 11. April auS dem Kasernenfenster stürzte, erfuhr niemand, daß Mißhandlungen das Motiv zu seiner Tat gewesen waren. Die Mittel, mit denen man gegen diese Seuche vorgehen könnte, sind noch lange nicht erschöpft. Jeder Offizier, der sich einem Manne gegenüber einen solchen Exzeß zuschulden kommen ließe, müßte sofort mit schlichtem Abschied aus dem Heere entlasten werden; jeder Unteroffizier müßte im gleichen Falle degradiert werden, damit die Armee erkennt, daß die Mißhandlung ein ehrenrühriges Vergehen ist. Heute wird in vielen Fällen selbst bei unerhörten Roheitsakten nicht auf Degradation er kannt. Es könnte ferner, wie einst der Erbprinz von Meiningen es ge wünscht hat, die Beschwerdepflicht eingeführt werden. Wenn man gegen solche Vorschläge einwendet, daß die Disziplin durch sie geschädigt werde, so läßt sich darauf antworten, daß sie durch nichts so schwer geschädigt werden kann, wie durch die Mißhandlungen selbst. Wir wissen sehr wohl, daß eine Armee nur mit eiserner Manneszucht geleitet werden kann. Wir sind daher für Beibehaltung der Strafarten, die jetzt üblich sind, denn wir können uns den Luxus nicht leisten, Ungehorsam auf kommen zu lassen und unser Heer zu verweichlichen. Der Ernst der Zeit verbietet es, mit solchen Regungen der Wehleidigkeit zu spielen. Ander seits aber muß in einem Heere, das sich in Sieg und Niederlage be- währen soll, Recht und Gesetz gelten und die Willkür muß völlig aus ihm ausgeschaltet werden. Die Tntrevrre von Reval und die englische Meinung. (Von unserem Londoner L-Korrespondenten.) London, 7. Juni. Von den verschiedensten Seiten, nickt zuletzt von offiziösen Federn sucht man der Opposition, welche die KönigSreise nach Reval angeblich in weiten Kreisen des englischen Liberalismus finde, eine große Bedeutung beizumesten. Es ist aber Wohl richtiger, die öffentliche Meinung schon jetzt dieser Täuschung zu entreißen, als daß man diese Ernüchterung den Tatsachen überläßt. Selbst in politisch sonst unabhängig urteilenden Kreisen Deutschlands hat man ja hören können, daß es keine ernstliche engere Annäherung Rußlands an England geben könne, solange die englische Regierung im Parlament Reve stehen müsse. Darauf ist zweierlei zu erwidern: Ist denn nicht seit Algeciras ein ununterbrochenes intimes Zusammengehen zwischen Rußland und England zu verzeichnen, das in asiatischen Fragen z. B. jetzt eben erst wieder dazu geführt, daß ein englischer Beirat mit unbegrenzten Vollmachten bei der Regierung in Peking ernannt wurde, nachdem in Herrn Korostovetz soeben erst ein russischer Anglophil nach der nordchinesischen Hauptnavt ging. Diese beiden Herren werden zusammen arbeiten. Sie sollen wohl Deutsch lands Einfluß beim Waiwupu erhöhen? Im Leipziger Tageblatt ist kürzlich eine Erwartung ausgesprochen worden, daß man bald in schlechten Geschäften die Wirkungen schwacher Politik spüren werde. Die Wahrheit ist, daß die Auslanddeutschen schon seit vier Jahren mit einer zunehmenden Erschwerung ihrer wirtschaftlichen Tätig keit durch die heimische Politik sich schlecht und recht abfinden müssen. Die zweite Antwort ist den offiziösen Optimisten vom englischen Parlament selbst erteilt worden, und zwar in der am Vor abend der königlichen Reise inszenierten Debatte über die Entrevue von Reval. Diese Antwort ist erteilt worden von Asquitb, von Sir Edward Grey, von Balfour und von Mr. Henderson, dem Führer der Arbeiter partei, von diesem letzteren vielleicht in der bemerkenswertesten Weise. Und diese Antwort geht einstimmig dahin, daß sämtliche Parteien mit der Reise und mit der ganzen russischen Politik der Regierung durchaus zufrieden sind. Die Verantwortlichen Männer aller Parteien haben ferner ausgesprochen, daß sich das englische Parlament nicht im geringsten in die innere Politik Rußlands einzumischen beabsichtige. Seit 14 Tagen hatte der Petersburger Korrespondent des „Telegraph", dessen Leit motive in gleicher Weise auf die englische Botschaft wie auf das aus wärtige Ministerium in Petersburg abgestimmt zu sein pflegen, die Note angeschlagen, daß die Duma und mit ihr die freiheitliche Bewegung eigentlich überraichend große Fortschritte gemacht habe, so daß die Duma und die wirtschaftliche (sic!) Entwicklung Rußlands am besten sich selbst überlassen werde! Diese Tonart ist von der gesamten unter richteten britischen Presse ausgenommen worden, und es ist die Tonart, woraus die Parlamentsverbandlungen abgestimmt waren. Es ist genau das, was Sir Charles Hardinge dem Zaren zu dokumentieren wünschen muß. Presse und Parlament haben in England immer verstanden, wie die Unteroffiziere eiuzujchwenken, wenn es ein nationales Interesse galt. Diesmal haben sogar die Heuchlerstimmen des puritanischen Radikalismus geschwiegen. Und kein Hardie und Mc Neil, Personen die in England als auswärtige Politiker soviel gelten, wie bei uns seinerzeit Herr Ahlwardt, haben sich lediglich auf die Frage nach dem konstitutionellen Arrangement beschränkt, eine Frage, worauf die Antwort von vornherein bekannt war. Der Vorsitzende der Arbeiterpartei, Mr. Heudersou, hat sogar eine PräsidentjchaftSkrise und die schwerste parla mentarische Sünde, das murrUng (Maulkorben) nicht gescheut, um ein beliebtes jüngeres sozialistisches Mitglied an der Aeußerung von Taktlosig keiten gegen den Zaren zu verhindern. Mit anderen Worten auch die poli tische Macht des Trade-UnioniSmuS setzt sich sür die russisch-englischen Bündnis-Bemühungen ein. DaS japanisch-englische Bündnis hat heute noch unter den wie in jedem Lande so auch in England vorkommenden Ideologen Gegner. Trotzdem ist dieses Bündnis der Eckstein der eng lischen Politik geworden und geblieben. Die Opposition gegen daS Bündnis ist noch geringer und noch minder bedeutend. Man gebe bei uns zu Hause doch die Auffassung endlich auf, als ob Sentimentalität den politischen Kurs Englands jemals ernstlich beeinflusse und ziehe die Konsequenzen aus der Wirklichkeit. S Weiter wird berichtet: Reval, 9. Juni. (Telegramm.) In zwei Hofsonderzügen trafen aus Peterhof ein der Kaiser mit der K a i s e r fa m i l i e, die Köni. ain von Griechenland, Großfürstin Olga Alexanvrowna, Großfürst Michael Älexandrowitsch, Prinz Peter von Oldenburg und ein zahlreiches Gefolge, unter dem sich Ministerpräsi dent Stolypin, der Minister des Aeußern Iswolski, Marine minister Dikow und der russische Botschafter in London mit dem Militärattachö und dem Marineattachc befanden. Alle begaben sich nach dem Hafen des neuen Bassins, wo sie vom Generalgouverncur und anderen Würdenträgern empfangen wurden. Die Bevölkerung be- grüßte die Majestäten mit begeisterten Hurrarufen. Die Majestäten und das Gefolge bestiegen die Jachten „Standart", „Polarstern" und „Almas". Um 9 Uhr wurde das englische Geschwader gesichtet. Während Salutschüsse gewechselt wurden, fuhr das englische Geschwader im Bogen um das russische herum; die englische Jacht „Victoria ano Albert'^ stellte sich dem „Standart" gegenüber, während sich die beider- seitigen Geschwader in Kiellinie formierten. Der Kaiser fuhr mit kleinem Gefolge in einem Kutter an Bord der „Victoria and Albert", wo die gegenseitige Begrüßung der Herrscher um 11 Uhr 10 Min. stattsand. Ter Kaiser verweilte kurze Zeit aus der „Victoria and Albert" und begab sich darauf mit dem englischen Königs- paar und der Prinzessin Victoria an Bord des „Standart'.wo sie von der Kailserin, der Kaiserin-Witwe, den Mitgliedern des Kaiserhauses und den Ministern Stolypin, Jswolkski und Dikow empfangen wurden. Deutscher ^ehrevtag. 8. u. 8. Dortmund, 9. Juni. (Telegramm.) Unter zahlreicher Beteiligung trat hier im „Jredcnbaum", dem größten Versammlungslokale des rheinisch-westfälischen Bezirks, heute der Deutsche Lehrertag, der nur alle zwei Jahre stattsindet, zu wichtigen Beratungen zusammen. Die Frage des Lehrermangels, die von wesentlicher Bedeutung für die Weiterbildung des Volkes ist, wird ein» gebende Erörterung finden. Das Referat über diesen Punkt der Tages ordnung hat der Generalsekretär der in letzter Zeil so vielgenannten Ge- sellschaft für Volksbildung, Lehrer Tews (Berlin), übernommen. Die Notwendigkeit einer Reichsschulbehörde für Volksbildung und Volks» schulwesen wird Reichstagsabg. Rektor Sommer (Burg bei Mägde- bürg) darlegen. Eingeleitet wird die Hauptversammlung durch' einen Vortrag des Universitätsprofessors Dr. Natorp Warburg) über: „Volk und Schule Preußens vor hundert Jahren und heute". Neben den Hauptversammlungen finden auch interessante Spezialveran- staltungen statt, so Versammlungen der Schulhygieniker, der Pestalozzi- vereine, der deutschen Auslandslehrer, der stenographiekundigen Lehrer, der naturwissenschaftlichen Lehrer usw. Es haben sich mehr als 5000 Delegierte der Deutschen Lchrervereine eingefunden. Auch zahlreiche Lehrerinnen sind erschienen, ebenso eine Reihe offizieller Vertreter deutscher Städte. Der Obcrpräsident von Westfalen bat den Geh. Oberrogierungsrat Beckcndors als Vertreter entsendet. Die Stadt Dortmund vertritt Oberbürgermeister Schmieding. Zum Vorsitzenden des LehrertageS wurde Lehrer Roehl (Berlin) gewählt. Er gab seiner Freude Ausdruck, in Dortmund eine so zahl reiche Kollegenschaft begrüßen zu können. Mögen die Diplomaten sich aneinander reiben, die Männer der Schule bereiten den Frieden. Er hoffe, daß die Deutsche Lehrerversammlung Werte hcrvorbringen möge, die in kultureller Beziehung dem Staate und dem Lehrerstande zur Ehre gereichen. (Beifall.) Hierauf ergriff das Wort Geh. Oberregierungsrat Beckendorf, der den Lehrertag im Namen des Oberpräsidenten und des Regierungspräsi denten von Arnsberg willkommen hieß. Oberbürgermeister Schmieding (Dortmund) betonte, daß in keinem Staate der Welt die Lernpflicht in einem solchen Maße willig vom Volke übernommen worden ist, wie in Deutschland, und daß nirgendswo die Einrichtungen gerade der Volks schule so mustergültig seien wie im Deutschen Reich. — Lehrer Ellerling» mann (Dortmund) dankte für die bereitwillige Unterstützung der Stadt und die Hilfsbereitschaft der Bürger. Die Stadt Dortmund sei eine schulfreundlicbe Stadt, die den Ruhm in Anspruch nehmen darf, die all- gemeine Volksschule sich unverfälscht erhalten zu haben. (Beifall.) Dortmund habe keine Vorschulen, und wenn eS in der Entwickelung seiner Schuten nicht in allervorderster Reihe stehe, so liege das nicht an dem guten Willen aller Beteiligten, sondern an dem schnellen An wachsen der Arbeiterbevölkerung. In der Opferwilligkeit für die Schule stehe Dortmund sicherlich an erster Stelle. (Lebhafter Beifall.) Ter Vorsitzende Lehrer Roehl hob sodann heroor, daß die dies jährige Tagung im Jahre der Zentenarfeier der Städteordnung statt finde. Auch die heutige Tagung werde sich noch zu den Steinschen und Pestalozzischen erzieherischen Grundsätzen bekennen. Darum stehe auch heute das Thema auf der Tagesordnung: „Volk und Schule Preußens vor 100 Jahren und heute". Ter erste Tag der deutschen Lehrerversamm lung solle daher zu einer Steinfe > er gestaltet werden. Wir brauchen Hebung der Volksbildung durch Emporhebung der einzelnen Persönlich keiten, so sagte schon Stein. Das kann aber nicht geschehen in über- füllten Schulklassen und in Halbtagsschulen. Es ist sehr betrüblich, daß wir heute noch das Thema: Lehrermangel auf die Tagesordnung setzen müssen. Wir dürfen aber nicht -usehen, daß der Schulacker, den wir zu bebauen haben, verdorrt, versandet und verödet. (Lebhafter Beifall.) Es wurde dann an den Kaffer unter stürmischem Beifall ein Hul digungstelegramm gesendet, in dem die Lehrerversammluna ehr furchtsvollen Huldigungszruß und das erneute Gelöbnis unwandelbarer Treue zu Kaiser und Reich ausspricht. Begrüßungstelegramme sind ein gegangen vom Obersten Falk (Königsberg), dem Sohne des früheren Kultusministers und vom Abgeordneten Ernst (Schncidemühl). Darauf nahm Universitätsprofessor Prof. Tr. Natorp (Marburg) das Wort zu seinem Festvortrage: „Volk und Schule Preußens vor 100 Jahren und heute." Profi Natorp führte etwa aus: Der Gedanke einer einheitlichen nationalen Erziehung sei damals, vor 100 Jahren, von Stein und Pestalozzi gefördert worden. Er entstammte der französischen Revolution, nur wurde der Gedanke durch Stein und Pestalozzi vertieft mit den idealistischen Ideen des damaligen Deutschlands. Das alte Preußen mit allen seinen pädagogischen Rückständigkeiten ist im Jahre 1808 untergezangen, um nie wieder aufzustehen. Allerdings bleibt auch noch heute viel zu wünschen übrig. Selbst ein so volksschulfreundlicher Mann, wie der frühere Kultusminister v. Bosse, hat es nicht durchsetzen können, die Vorschulen zu beseitigen. Der Widerstand gegen die Volks schule ist allerdings gewaltig, solange bei uns in Preußen die real- tionäre Strömung herrschend ist. Wir haben ja die Trennung der Stände nicht nur in den Schulen, sondern sogar auf den Spiel- und Turnplätzen und in den Schwimmanstalten. Unsere scheinbar Lemo- kratische Verfassung hat heute immer noch die Privilegien des einjährig freiwilligen Dienstes und des Offizierstandes. Wir selbst empfinden diese Mißstände gar nicht so scharf wie die Ausländer, die zu uns kom men und sehen müssen, wie schon in der Schule die Stände gegliedert werden. Wenn man sich daher die Frage vorlegt, ob Preußen das Testa- ment von 1808 vollstreckt hat, so muß das in vielen Fällen verneint wer den. (Zustimmung.) Die Mitschuld liegt zum Teil daran, daß für das Heer ganz erhebliche Aufwendungen gemacht werden mit der Begründung, daß das zur Aufrechterhaltung unserer Weltmacht stellung notwendig sei. Es mag dahingestellt fein, ob das richtig ist, aber die JrWe muß doch aufgeworfen werden, ob das zulässige Maß dieser Rüstungen nicht bereits überschritten ist. Wir müssen mehr fordern. Die Gemeinsamkeit muß sich nämlich so weit erstrecken, als sich das ohne Schädigung der Berufswahl ermöglichen läßt. Als Grundlage muß ein gemeinsamer Unterricht vom 6.—12. Lebensjahre dienen. Dieser Unterricht muß auch die Möglichkeit zur Ausbildung der Handgeschicklichkeit bieten, er mutz die individuelle Be gabung feststellen. Im zwölften Lebensjahre kann schon eine Differen zierung nach den Fähigkeiten erfolgen. Man würde dann schon entschei den können, wer sür den höheren Unterricht tauglich ist. Das jetzige Fortbildungsschulwesen ist nur ein Notbehelf. Erstrebenswert »st wenigstens in der Theorie eine weitere Vollschule von 12—18 Jahren und ebenso eine Fortbildung der Erwachsenen. Der Elementarlchrer nimmt leider heut nicht die Stellung ein, die er eigentlich haben sollte. Er müßte der angesehenste Mann im Staate sein. Er müßte ebenso viel gelten wie der Offizier, denn die Waffenausbildung auf dem Exerzier platz ist dock sicher auch nur eine Elementarbildung. Der Lehrer führt einen fortgesetzten Krieg gegen sittliche Verrohung und Unkultur. Lähmend auf den Berus des Lehrers wirkt auch die konfessionelle Zer klüftung. Vor hundert Jahren arbeiteten die Konfessionen noch zu sammen. Jetzt ist da leider ein Rückschritt einaetreten. Die Lehrerschaft muß aber weiter kämpfen, auch für die staatlich« Schulaufsicht. Leider geht in diesen Dingen Preußen weder in Deutschland noch in der Welt