Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt. MMMMlÄkE Tharandt, Mosten, Siebenteln und die Umgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Hcrzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaulbach, Kesselsdors, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neu tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Rshrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönbera mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Zora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionsvreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktton Martin Berqer daselbst. No 50. Sonnabend, den 28. April 1900. 58. Jahrg. Zum Sonntage Misericordias Domini. Röm. 8, 24: Wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. > Wer ostergläubig geworden ist, der ist ein seliger Mensch geworden. Was andere Leute unselig macht, das ist ihm 'durch Christum Jesum abgenommen. Die Anklage des Ge wissens über Sünden und Verirrungen hat das Blut Christi zum Schweigen gebracht. Im täglichen Kampfe gegen das eigene Herz und die mit ihm verbündeten Mächte aus der Menschen- und Geisterwelt hilft die Kraft Christi. In Sorgen, Mühen und Nöthen, in Trübsal und Herzeleid ist Christus Rathgeber, Tröster, Heiland und Arzt. Der HErr sticht auch Rosen ins Leben der Ostergläubigen. Er schenkt reine, heilige, herzerhebende Freuden, die der Mensch früher nicht gekannt hat. Wer daran denkt, Sein Königliches Ge setz der Liebe zu befolgen, merkt bald, daß Liebe nicht un erwidert bleibt. — Die Dankesthräne eines Getrösteten, der innige Händedruck eines Ermuthigten, der tiefe Blick aus den Augen eines Erretteten erfreuen uns mehr, als Gold und viel feines Gold. Der Sieg über uns birgt in allen Fällen eine süße, heilige Freude von eigenthümlicher Reinheit; es überkommt uns ein Gefühl der Seligkeit dabei. Die Stunden nach einem Siege über dich selbst, mag er auch blutig gewesen sein, wirst du unter die schönsten deines Lebens rechnen dürfen. Ja, wir ostergläubigen Leute sind wohl selig. Doch selig „in der Hoffnung!" Denn unsere Wünsche gehen weiter, müssen weiter gehen. Wir leben noch im Leibe; dieser Leib aber ist sterblich, von der Sünde atigefressen. Wir haben ein Gesetz in unseren Gliedern, das dem Gesetze in unserem Gemüthe widerstreitet. Daher warten wir auf unseres Leibes Erlösung. Wir wollen nicht in alle Ewigkeit zu Felde liegen, wir sehnen uns nach einem dauernden ungestörten Frieden. Er ist uns versprochen, mit heiligen Eiden Gottes uns zugesichert; also wird er uns werden. Und in dieser Hoffnung erst sind wir schon auf Erden so recht selig. Einstweilen ist ja für dich und mich noch Wartezeit. Oft wird uns das Warten lang; der Pilger ist müde und spricht: „Herzlich thut mich verlangen nach einem selgen End!" Nicht bloß alte Pilger kennen Pauli Sehnsucht, daheim zu sein bei dem HErrn, sondern alle kennen sie, die recht kämpfen. Doch Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit. Er wird uns rufen, wenn wir reif sind; heute sind wir noch nicht reif. Wenn Er aber ruft, dann doch kein Murren und trostloses Weinen über den Heimgang, Freunde! Macht dem Bruder, den Gott heimbescheidet, den Abschied nicht schwer. Lastet ihn, daß er zu seinem HErrn ziehe, ins Land des Friedens, in die Ruhe, nach der er sich oft ge sehnt. Wenn dann alle Hoffnungen sich erfüllen werden, dann erst wird die Seligkeit vollkommen sein. Von Paul Lindenberg. (Nachdruck verboten). II. Klagen über Klagen. — Ein Sonntag in der Ausstellung. —_ Die Pariser Volksmassen. — Unglaubliche Beschaffenheit der Wege. - Fast alles noch unvollendet. Arbeitermangel. — Die armen Berichterstatter. — Wenig Fremde. — Wie sich die Pariser die Deutschen und andere Aus länder vorstellen. „Nun sitzt man da mit dem Talent und kann es nicht verwerthcn" — dies alte Berliner Couplet kann jetzt mit größter Berechtigung überall in Paris angestimmt werden. Alles schimpft auf die Unfertigkeit der Ausstellung, alles fft unzufrieden, alles sucht nach einem Sündenbock, um auf lhn deu Aerger, die Wuth abzuladen, aber zu dieser dank baren Rolle will sich Niemand bequemen. Dieser Tage traf ich einen der ersten Berliner Goldschmiede, der die herrlichen Erzeugnisse seiner Kunst, im Wertste von weit über hunderttausend Mark, seiner Zeit in Berlin ausgestellt hatte: „Ich welcher Abtheilung werden denn Ihre Sachen zu finden sein?" fragte ich. — „Ach, mein Lieber, daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht", klagte er mir, „seil drei Tagen suche ich in den Güterschuppen des Nordbahn hofes umher und kann meine Kisten nicht Herausbekomnien — von der Unordnung da haben Sie keinen Begriff!" — Mein Hotelier sagt mir' „Es ist jammervoll, wenn die Ausstellung fertig wäre, würden sich jetzt schon die Fremden einsteüen, der Andrang vertheilte sich und bliebe nicht nur auf den Sommer beschränkt; jetzt sind genug Zimmer leer, später weiß man nicht, wie man Raum schaffen soll." — Aehnlich lauten die Klagen der Restaurateure, welche die doppelte, die dreifache Miethe bezahlen müssen und gehofft hatten, daß sich von Mitte April an die Fremden zu un- gezähllen Tausenden in Paris einfinden würden, und die nun froh sind, wenn sie nur ihre Stammgäste behalten, und diesen Jeremiaden schließen sich die Angehörigen all' jener Berufs zweige an, die mit Beginn der Ausstellung den goldenen Regen erwarteten, und ihrer sind sehr, sehr viele. Dabei meint's Mutter Natur auch diesmal so gut mit ihrem Schooßkinde Paris. Wie wundervoll sind die gegenwärtigen Frühlingstage, warm und weich die Luft, goldig das frohe Leuchten der Sonne, alles sprießt und blüht üppig empor, die ganze weite, unendliche Stadt scheint erfüllt zu sein von übermüthiger Daseinsfreude, denn wenn auch der bedrückenden Fragen noch so viele sind, sie kriegen den echten Pariser Leichtsinn, den rechten Pariser Uebermuth nicht unter, im Gegentheil, die schießen nur desto tollere Purzelbäume, je zahlreicher sich die Sorgen einstellen. Das merkt man so recht, wenn man an einem Sonn tage die Ausstellung besucht. Vom frühen Morgen an strömen ihr die Menschenschaaren zu; je mehr die Uhr vorrückt, desto lebhafter wird der Andrang, am schlimmsten während des Nachmittags, wo mau auf den Hauptwegeu nur langsam vorwärts gelangt. Die billigeren Restaurants, in denen der Bock 30 und 40 Centimes kostet und neben dem sehr mäßigen Bier ebenso minderwerthige Musik ver zapft wird, sind überfüllt, in den besseren Lokalen, in denen man Speisekarten ohne Preise erwarten kann, machen die Kellner Wetten, wer von ihnen am meisten in einer Stunde gähnt, mehrere dieser Serviettenschwinger sollen aus Lange weile trübsinnig, andere aus Verzweiflung über die trink gelderlose Zeit tobsüchtig geworden sein. Dafür ist jedes Plätzchen auf den Bänken, jeder Stuhl besetzt, dort, wo der Verkehr nicht gar zu gefährlich ist, werden die Treppen stufen, die Quaimauern, die Schutt- und Steinhaufen, die Umfriedungen der Gartenanlagen zum Ausruhen und zum Auspacken benutzt, denn diese kleinen Bürgerfamilien sind sparsam und trauen den Ausstellungspreisen nicht: Vater enthüllt die Weinpulle aus dem Zeitungspapier und setzt sie zu manch' herzhaftem Schluck an, Mutter holt die Präpeleien hervor und füttert sich, Vatern und die Kinder, und man schwatzt, lacht und ist guter Dinge, daß man den sonst so langweiligen Sonntag so amüsant verbracht, daß man den Nachbarn und Freunden erzählen kann, was man bisher von der Ausstellung gesehen und was sie einst bieten wird, ach, einst, einst! Ueber die Wohlerzogenheit, die Genügsam-und Harm losigkeit dieser Pariser Volksmengen empfindet man immer wieder aufrichtige Freude. Viele, viele Tansende sind auf engem Raum versammelt, und kein Geschrei, kein Lärm, kein Umhcrtoben unnützer Jöhren, keine Betrunkenheit und kein Johlen, wie man's im jeliebten Berlin und auch anderswo bei solchen Gelegenheiten vernimmt. An manchen Stellen ist das Gedränge unheimlich, und doch wird man nirgends angercmpelt, gestoßen, gedrückt, unv ob ihr nun deutsch oder englisch sprecht, italienisch oder türkisch, ob ihr einen gelben Cylinderhut aufhabt oder einen grünen Regenschirm unter dem Arm tragt zu einem karmoisin- rothen Ueberzieher, das ist diesen Leutchen völlig gleich, ihr werdet kaum beachtet, am wenigsten aber belästigt, hier kann Jeder nach seiner Faxon leben, und an Verrücktheiten in der Toilette, na, daran sind die guten Pariser schon durch das Ewig-Weibliche gewöhnt. Die armen Damen, wie leid konnten sie einem am letzten Sonntag thun! Viele hatten sich ihre hübschesten Fähnchen angezogen mit den Weißesten Spitzenröckchen (denn die buntseidenen stehen auf dem Aussterbeetat) und den coquettesten Stiefelchen darunter, mit den chicesten Früh jahrshüten auf den sorgsamen Frisuren, ach, wie mag dieser Staat am Abend ausgesehen haben, wie mancher der spitzen Absätze mußte sein Leben lassen, wie manche Schleppe an die Vergänglichkeit alles Irdischen glauben, wie manches Hütchen bekam ein immerwährendes Andenken! Denn noch jetzt, zwölf Tage nach der feierlichen Eröffnung der Aus stellung, befindet sich die Mehrzahl der Wege in einem wahrhaft schauderhaften Zustand, überall spitze Steine, ge legentlich Felsblöcke und Sandkuhlcn, häufig Erderhöhungen und Wasserlachen, über die fchmale Bretter gelegt sind, dann Gerümpel, Baumaterialien, Schutt, und all' das mit einer dicken Staub- und Gipsschicht bedeckt, und erhebt sich ein Windstoß, so ist man im Nu jeingehüllt von dichten Wolken, die einem ein negerhaftes Aussehen verleihen, und die jüngsten Errungenschaften der Pariser Mode sind ein fach futsch, für immer geliefert! Daß viele Bauten noch nicht fertig sind, daß fast noch nichts in den großen Palästen ausgepackt ist, gut, daran hat man sich za allmählich gewöhnt, daß die Wege aber einen so grauenhaften, so unbeschreiblichen Anblick darbieten, das ist ein Skandal ohnegleichen. Wenn die Arbeiterkräfte nicht ausreichen, so hat man ja genug Soldaten, die gern gegen einen kleinen Zuschlag die Säuberung übernehmen würden, und in zwei, drei Tagen könnte man dann doch wenigstens in der Ausstellung gehen und könnte sich deren Herrlichkeiten von Außen besehen, jetzt hat man tatsächlich nur Obacht auf seine Gebrüder Beenekens zu geben, damit diese nicht zu Schaden kommen. Es hat beinahe den An schein, als ob mit Absicht die Besucher zurückgeschreckt werden sollen, eine andere Erklärung giebt's für diese bodenlose Rücksichtslosigkeit nicht. Ach, und wie wüst sieht's sonst noch aus! An einem Theil der großen Bauten kleben noch die Gerüste, im Innern sind Tischler, Tüncher, Maler, Dekorateure beschäftigt, manche der kleineren Gebäude sind erst halbfertig, andere kaum begonnen, unter dem Eiffelthurm hinweg aufs Mars feld rollen die Güterzüge, nahebei sind mächtige Krähne thätig, um Einzeltheile der zur Ausschmückung der Jn- dustriepaläste bestimmten Bildhauergruppen emporzuwinden, und trotzalledem ist ein reges Fortschreiten der Arbeiten kaum zu bemerken. Kein Wunder, verlangen doch die ge wöhnlichen Arbeiter 15 bis 20 Franks per Tag, die kunst fertigeren das Doppelte, und selbst wo diese Preise bezahlt werden, reichen die vorhandenen Kräfte nicht aus — statt 20, 30 Personen, die dringend zu thun hätten, können bloß 6 bis 8 eingestellt werden. Trotz der warmen Abende ist das weite Ausstellungsge biet verödet und leer,^selbst am letzten Sonntag flüchteten um die siebente, die achte Stunde die letzten Besucher mit Grausen von dannen — was soll man auch auf diesen dein- und halsbrecherischen Pfaden, die nur zum Theil erleuchtet sind, weshalb soll man hier verbleiben, wo man hunderttausende von Säcken mit der berühmten ägytischen Finstcrniß füllen könnte und mau vergebens der „großen Illumination" harrt? Nur auf der offenen Veranda des hübschen Schweizer häuschens nahe dem Eiffelthurm saßen nocb einige trink feste Landsleute mit Schweizer Freunden und sangen ver gnügten Sinnes neben anderen deutschen Liedern: xn geschmauset, laßt uns nicht rappelköpsisch sein, wer nicht mit hauset, der bleib' daheim!" Aber ich war froh, wie ich wieder daheim war in meinem gemüthlichen Gasthause.