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Juli. Nach der Verwundung sagte der König: „Es ist nichts." Der Wagen fuhr nur drei Minuten bis zum Schloß. Als der König eintraf, starb er. Die Aerzte fanden ihn bereits verschieden. Die Königin hoffte nur eine Verwundung; als sie die Wahrheit erfuhr, folgte eine erschütternde Scene. Die Leiche wurde alsbald eingesegnet und einbalsamirt. Die Züge des Todten tragen emen sanftmüthigen Ausdruck. Das Sterbe-immer ist in eine Kapelle verwandelt. Die Königin verweilte lange knieend und betend an der Leiche; sie wollte das Zimmer nicht verlassen und rief, als die Aerzte Morgens alle Hoffnung aufgaben: „Das ist das größte Verbrechen des Jahrhunderts! Humbert war gut und ohne Falsch; Niemand liebte sein Volk mehr als er. Er hegte gegen Niemanden Haß!" Eine Verschwörung. Paris, 31. Juli. Der „Temps" theilt mit, die italienische Regierung sei am 20. Juni von den österreichischen Behörden in Kenntniß gesetzt worden, daß eine geheime Gesellschaft den Tod des Königs von Italien beschlossen habe. Die österreichische Polizei hatte an jenem Tage in Pontafel ein Individuum ver haftet, welches" erklärte, er sei von einer Anarchistengruppe, der er angehöre, auserwählt worden, den König Humbert zu ermorden. Vier andere Souveräne seien von den Anarchisten ebenfalls zum Tode verurtheilt worden. Das betr. Individuum habe hinzugefügt, seine Verhaftung ver hindere nicht die Ausführung des Urtheilsspruches, denn ein anderer Anarchist sei dazu bezeichnet worden, ihn zu ersetzen. Sobald nun der italienische Minister des Innern die Depesche der österreichischen Regierung empfangen habe, sei der Sicherheitsdienst für König Humbert verstärkt und diese Maßregeln seien von seinem Nachfolger Saracco auf recht erhalten worden. Der König habe aber gemerkt, daß er stärker bewacht werde, und habe verlangt, daß bezüglich seiner Bewachung Alles beim Alten bleiben sollte. — Der „Temps" meldet ferner, der Papst sei der Erste gewesen, der der Königin Margherita sein Beileid und den Abscheu zum Ausdruck brachte, den ihm das schreckliche Verbrechen einflößte. Frankfurt a. M., 31. Juli. Die „Franks. Zig." meldet aus New-Dor!: Der Italiener Carboni Sperandio ermordete am 17. Juli den Fabrikmeister Pessino in der Seidenweberei von Paterson (New-Jersey), worauf er Selbstmord verübte und einen Brief hinterließ, in welchem es hieß, daß er von einem Anarchistenbund in Mailand am 2 Februar durch das Loos bestimmt worden sei, König Humbert umzubringen, daß aber seine Gruppe, der großen Entfernung wegen, ihm erlaubt habe, eine andere, dem Untergange geweihte Persönlichkeit zu tödten, worauf er den Pessino ermordete. (!!) Der bisherige Kronprinz, nunmehrige König Victor Emanuel III., befindet sich zur Zeit mit seiner Ge mahlin auf einer Orientreise auf der Dacht „Dela". Wenn die Abwesenheit des Königs mehr als 48 Stunden dauern sollte, würde man der Verfassung gemäß für eine kurze Regentschaft Sorge tragen müssen. — Das Parlament wird sofort zur Eidesleistung des Königs Victor Emanuel III. einberufen werden. Die sterblichen Ueberreste des Königs Humbert werden nach Rom überführt und im Pantheon beigesetzt werden. — Der Popolo Romano, Messaggcro und Giorno, die einzigen Zeitungen, die heute Morgen er schienen, widmen dem König Humbert warme Nachrufe, in welchen sie seine großen Eigenschaften und seine Liebe zur arbeitenden Klasse hervorheben. Die Zeitungen geben gleichzeitig ihrer Hochschätzung und Sympathie für den König Victor Emanuel III. Ausdruck. Wie aus Nom telegraphirt wird, berief um 2 Uhr Morgens Minister präsident Saracco den Ministerrath. Um 7 Uhr reiste Saracco mit dem Vizepräsidenten des Senats nach Monza, um die Urkunde über den Tod des Königs aufzunchmen. Der Mörder Angelo Bressi ist keiner der Anar chisten, die als notorische Gewaltsmenschen gelten; wenigstens ist er der deutschen Staatspolizei, welche die Personalien dieser internationalen verbrecherischen Vereinigung besitzt, nicht als solcher bekannt. Der Umstand, daß in schneller Aufeinanderfolge Präsident Carnot, die Kaiserin Elisabeth von Oesterreich und jetzt König Humbert durch die Hand italienischer Anarchisten fielen, läßt darauf schließen, daß diese eine besondere Gesellschaft zur Ermordung von Staats oberhäuptern begründet haben. In unterrichteten Kreisen, die durchaus in der Lage sind, die Verhältnisse zu über schauen, istman derUeberzeugung, daß hochstehende Personen, besonders gekrönte Häupter, anarchistischen Umtrieben so lauge zum Opfer fallen werden, bis man nicht dieselbe rücksichtslose Strenge anwendet, wie in Rußland gegen die Nihilisten, die durch sofort vollstreckte Todesurtheile und Verbannung nach Sibirien derart eingeschüchtert sind, daß ihre Organisation fast völlig aufgehörl Hal und ihre Thatkrast seit Jahren erlahmt ist. Gerade aber in Italien sei man mit unverzeihlicher Nachsicht gegen die Entwicklung und Ausdehnung der Anarchie verfahren. Auch der unglückliche König Humbert selbst hatte für diese Gesellschaft viel zu hochherzige Regungen. Der Mörder erklärte, er heiße Gaetano Bressi, geboren am 10. November 1869 in Prato nnd sei Seldenweber. Er sagte weiter, er sei Anarchist und komme von Amerika, wo er sich in Patuson aufgehalten habe. Er habe keine Mitschuldigen und habe das Verbrechen aus Haß gegen die monarchischen Einrichtungen begangen. Er sei am 27. Juli von Mailand, wo er sich seit einigen Tagen be funden habe, in Monza angekommen. Aus dem Leben des Königs Humbert. Der verstorbene König erfreute sich, ebenso wie seine Gemahlin, die Königin Margherita, bei seinem Volke einer außer ordentlichen Beliebtheit. Ueber einzelne Vorgänge in seinem Leben, insbesondere überdie Vermählung mit seiner Cousine, meldet ein Telegramm folgendes: Ehe es zur Heirath des Königs Humbert mit seiner Cousine Margherita kam, holte er sich an verschiedenen Höfen Körbe, den letzten in Wien, wo die Tochter des Erzherzogs Albrecht, Mathilde, welche bald nach der Werbung Humberts einen schrecklichen Tod durch Verbrennen fand, von dem italienischen Freier nichts wissen wollte. Nicht vielmehr als sechszehnjährig folgte Margherita dem Cousin „mit dem finstern Blick und dem martialischen Schnurrbart" zum Altar, und gan^ Italien bereitete rauschende Feste vor, die in Turin mit einem Turnier, bei dem der Herzog von Aosta die Rolle des sieghaften Ritters spielte, ihren Anfang nahmen. In der Hauptstadt Florenz hielt dann die märchenhaft schöne Prinzessin ihren Einzug im historischen Telemachwagen mit den klassischen Malereien. Von fürstlichen Gästen, die zur Hochzeitsfeier in Turin geblieben waren, blieb Kron prinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich, dem langen Paar zur Seite, und machte den ganzen Triumph zug durch Italien mit. Der Kronprinz schlug dann seinen Wohnsitz in Neapel auf, und hier wurde anderthalb Jahre nach der Hochzeit der Sohn geboren, der jetzt als Victor Emanuel III. den Thron besteigt. Das Savoyische Haus gesetz bestimmt, daß die Mitglieder der Regierung bei der Geburt des Thronerben anwesend sein müssen, und da die Vermuthungen über den Zeitpunkt der Gebutt sehr schwankten, brachten die damaligen Minister vier Wochen auf Reisen zwischen Neapel und Florenz zu. Die Stadt Neapel wurde Taufpathin des neugeborenen Prinzen, und Vertreter aller Stände, vom Fürsten bis zum Schifferjuugen leisteten bei der Tanfe Assistenz. Die Wiege, ein Meisterwerk aus Gold und Perlmutter, war ein Geschenk der Stadt, und Bilder des Prinzen in der Wiege mit der Prachtgestalt der neapolitanischen Amme wurden im ganzen Reich gekauft. Es folgten keine weiteren Kinder, und aus der überschlanken, mädchenhaften Prinzessin wurde eine stattliche Dame, die, seit sie Königin ist, sich gerne Prunkhaft kleidct und wo möglich ihren ganzen reichen Schmuck auf einmal anlegt. König Humbert ist im ganzen Land als echter Bürgerkönig beliebt gewesen, noch mehr aber die Königin wegen ihrer bestrickenden Liebenswürdigkeit. Auch der Prinz war als solcher beliebt, nur ist es gewiß charakteristisch, daß, ob wohl er heute 31 Jahre zählt, man im ganzen Volk noch immer von ihm als vom „principino" spricht; selbst seine Verhcirathung hat darin keine Acnderung gebracht. Lslitische Rundschau. Der deutsche Kaiserhofhat für den König Humbert die Trauer auf drei Wochen angelegt. Der Kaiser will am 10. August in Homburg v. d. Höhe eintreffen, um der Tags darauf stattfindenden Grund- steinlegung zum Reichs-Limesmusenm auf der Saalburg beizuwohnen. In der Frühe des 13. August trifft der Kaiser auf Bahnhof Loburg ein und bezieht sich sofort nach dem Truppenübungsplätze Altengrabow, um dort die Hebungen zu leiten. Die Rückreise von Altengrabow er folgt bereits am 14. August Abends über Loburg. Die Kaiserin hat ihre Ostseereise definitiv aufgcgeben, dagegen treffen Mitte August die ältesten Kaiserlichen Prinzen in Kiel ein, um an Bord der Kreuzeryacht „Iduna" einige Ausflüge zu unternehmen. Die Prinzen werden von dem Militärgouverneur des Prinzen Adalbert, Capitänleutuant zur See Ammon, s la suits der ersten Matrosen-Division, begleitet sein. Gedächtnißfeier. In der Gruftkapelle von Fried- richsruh sand Montag Vormittag, am Tage der zweiten Wiederkehr des Sterbetages des Fürsten Bismarck, eine Gedächtnißfeier statt. Nach Orgelspiel und Chorgesang hielt Pastor Wcstphal-Bruhnstors die Gedächtuißrede und spendete den Segen, worauf ein gemeinschaftlicher Gesang die erhebende Feier beschloß. Außer Fürst und Fürstin Herbert waren die Beamten, Professor Schweninger und eine Anzahl eingeladcuer Gäste zugegen. Der Kaisk hatte einen Lorbcerkranz mit weißer Schleife und goldgesticktem „VV" am Sarge niederlegen lassen. Von Nah und Fern waren Blumenspendeu eingetroffeu. Ein deutscher Erfolg. Aus Konstantinopel wird gemeldet: Der Sultan befahl den sofortigen Abschluß der Armiruug von acht in Genua umgebauten Kriegs schiffen durch Krupp. Dieser nach langen und schwierigen Konkurrenzkämpfen von Krupp erzielte Erfolg ist umso bedeutender, als es das erste Mal ist, daß die türkische Marineverwaltung Armirungsbestellungen in Deutschland macht. Der Abschluß beläuft sich auf ca. 650000 Pfund <,13 Millionen Mark). Am Montag bezw. Dienstag haben die Transport schiffe „Straßburg", „Aachen" und „Sardinia" von Bremer haven aus die Fahrt nach Ostasien augetreten. Die „Aachen" nahm etwa 500Mann mit sich, nämlich eine Sani tätskompagnie, eine Feldbäckereikolonne (18 Oberbäcker und 147 Bäcker) und eine halbe leichte Feldhaubitzen-Munitions kolonne. Die „Straßburg" hat das erste Bataillon des ost asiatischen Infanterieregiments Nr. 2 an Bord. Bei der Aus fahrt der Schiffe stand der Kaiser salutirend hoch oben auf der Kommandobrücke der „Hohenzollern". Die Kaiserin winkte vom Oberdeck grüßend mit einem weißen Tuche. Dann stiegen an Bord der Kaiseryacht die Wimpel, durch die Se. Majestät den Ausfahrenden, hauptsächlich Sachsen, glückliche Reise wünschte. — Von Kiel aus ist der Dampfer „Marie" mit Proviant und Ausrüstungsgegenständen nach China in See gegangen. Bier nach China. Für das ostasiatische Expe ditionskorps werden sowohl jetzt gleich als auch späterhin viele Tausend Flaschen Bier auf Veranlassung der Militär verwaltung nach China gesandt. Damit dieses Bier, ohne zu verderben, den Aeguator passiren kann, wird es vor der Verladung nach einem vom Pariser Professor Pasteur erfundenen Verfahren sterilisirt. Dies geschieht in der Weise, daß das auf ganze Litcrflascheu von sehr starkem Glas gefüllte Bier in einem langsam auf 80 Gr. Maumur erhitzten Wasser zwei Stunden liegen muß. Sodann ist auch die Hefe vollkommen keimfrei und das Bier erträgt unbeschadet seiner Güte jede Temperatur. Zur „Los von Rom"-Bewegung wird noch nut- getheilt: Der evangelische Oberkirchenrath für Oesterreich veröffentlicht eine amtliche Zusammenstellung der fett 1. Juli 1899 erfolgten Uebertritte zu den beiden evangelischen Bekenntnissen. Darnach sind im zweiten Halbjahr 1899 zur evangelischen Kirche Augsburger Confession 2703 Personen, darunter 782 Frauen und Kinder, zur evan gelischen Kirche helvetischer Confession im selben Zeitraum 233 Personen, insgesammt also 2936 Personen überge treten. Während des ganzen Jahres 1899 erfolgten ins gesammt 6385 Uebertritte. Im ersten Vierteljahr 1900 wurden 1280 Uebertritte — 1162 zur evangelischen Kirche Augsburger Confession und 118 zur helvetiscken Confession gezählt. Diese Ziffern beweisen, daß die Los von Rom- Bewegung stetig anhält nnd eher zu als abnimmt, wenn sich auch die Uebertritte jetzt ruhiger vollziehen, als zu Beginn der Bewegung. Französische Kämpfe in Jnnerafrika. Der französische Colonialminister Decrais erhielt ein Telegramm von dem Commissar im Tschari-Gebiet, Gentil, das vom 28. April datirt und am 28. Juli von Libreville weiter expcdirt ist und welches meldet, daß die Mission Foureau- Lamy sich mit der früheren Mission Voulet-Chanoine ver einigt und daß beide Missionen eine Expeditionscolonne gegen den Sultan Rabah unter dem Befehl Lamys or- gauisirt haben. Bei Kusri habe ein heftiger Kampf statt gefunden, in welchem der Commandant Lamy und der Capitän de Cointet getödtet, die Truppen Rabahs in die Flucht geschlagen wurden. Rabah sei ebenfalls getödtet und sein Kopf von einem Schützen in das Lager gebracht worden. Foureau habe die Mission am 14. April bei Mandjafa und zwar vor dem Kampfe verlassen und sei über den Congo zurückgegangen. Dev Rrieg mit China. Nach den drei Mittheilungen unseres Konsuls in Tientsin, er habe eine handschriftliche Nachricht des ersten Sekretärs bei der deutschen Botschaft in Peking und stell vertretenden deutschen Gesandten daselbst, des Herrn v. Below-Saleski des Inhaltes erhalten, daß am 19. Juli noch alle Gesandtschaftsmitglicder außer dem Baron v. Ketteier am Leben und wohlauf waren, daß aber gleich wohl Gefahr im Verzüge und schleuniger Entsatz dringend nothwendig sei, hat die Hoffnung, daß die große Mehrzahl der Europäer sich noch am Leben befindet, einen kräftigen Impuls erfahren, wenngleich an den leitenden Stellen noch nicht die volle Ueberzeugung zum Durchbruch gekommen ist, daß das Belowsche Schreiben auch wirklich ecdt und nicht etwa bloß die Nachahmung eines geschickten Chinesen ist. Die fast zur Gewißheit gewordene Annahme, daß die Gesandtenleben, gründet sich, wie eine offiziöse Aus lassung darlegt, auf den Umstand, daß der Consul in Tientsin die Schrift des Herrn v. Below gekannt habe, eine Täuschung also ausgeschlossen erscheine. Auch die Bemerkung, ein schleuniges Vordringen der Entsatztruppen ist dringend nothwendig, läßt auf die Echtheit der Meldung schließen. Eine Bestätigung der Nachricht unseres Konsuls in Tientsin enthält eine der englischen Regierung zugegangene des Contreadmirals Bruce, der eine Meldung des englischen Gesandten von, 28. Juli empfing, der zufolge die englische Gesandtschaft in Peking vom 20. Juni bis zmu 16. Juli von allen Seiten durch chinesische Truppen beschossen wurde. Seit diesem Tage herrscht Waffenruhe, doch ist eine strenge Absperrungslinie durch chinesische Truppen auf beiden Seiten der Stellung gezogen und die chinesischen Barri kaden sind dicht bei den europäischen. Alle Frauen nnd Kinder seien in der Gesandtschaft, von deren Mitgliedern und Angehörigen 62 getödtet worden seien. Die Angaben des britischen Gesandten finden in ganz ähnlicher Müthcil- ung des Gesandten Japans ihre Bestätigung. Die Lage scheint also menschlichem Ermessen zufolge die zu sein, daß sich die Fremden thatsächlich zu Verthei digen vermochten, daß die chinesische Regierung allmählich das Gefahrvolle ihrer Maßnahmen begriffen und den Waffenstillstand durchgesetzt hat. Die Gesandten befinden sich daher in Gefangenschaft, die Gefahr ist noch nicht vorüber, da die Angriffe jeden Augenblick erneuert werden können. Aber sie haben bisher Stand zu halten vermocht und werden vielleicht gerettet, wenn ihnen bald Hilfe naht. Sicher ist natürlich noch garnichts, vor Allem nicht, daß die chinesische Regierung im Staude sein wird, die Fremden zu schützen, wenn die verbündeten Truppen vor den Thoren Pekings erscheinen. Aber die Führer der fremden Detachements kennen nun wenigstens das Ziel, das sie als das wichtigste und dringend zuerst zu erreichen suchen müssen. Leider fehlt es noch immer an der ein- heirlichen Oberleitung und daher trotz der Anwesenheit eines ausreichend starken Expeditionskorps an einem ener gischen und zielbewußten Vorgehen. Mit dieser ewigen Unschlüssigkeit wird viel kostbare Zeit vergeudet und die Gefahr vergrößert, daß cs in Peking Niemanden mehr zu retten giebt, wenn die Entsatztruppen endlich anrucken. Wie die „Nat. Ztg." mittheilt, erhielt die Baronin v. Ketteler, die Mutter unseres Gesandten in Peking, vom Auswärtigen Amte in Berlin folgendes Telegramm: Berlin, 30. Juli. Die Mitglieder der deutschen Gesandt schaft in Peking sind laut einem Briefe v. Belows vom 21. Juli wohlauf. Sollte das Auswärtige Amt auf die Möglichkeit rechnen, daß auch der Freiherr v. Ketteler noch unter den Lebenden weilt? Das ist doch wohl kauman- zunchmen. Li-Hung-Tschang, der Vertrauenswürdige, hat nach einem Londoner Telegramm im Verein mit den anderen Vizeköuigen und Gouverneuren eine Petition au den Kaiser nach Peking gerichtet, in der er dringend rath, die auswärtigen Vertreter unter sichrem Geleit nach Trentsin zu senden und ihnen Gelegenheit zu geben, direkt mit ihren Regierungen zu verkehren. Obgleich Li-Hung-Tschang vom Kaiser wiederholt dringend beordert worden ist, nach Peking zu kommen, das Amt eines Vicekönigs von Pet- sckili zu übernehmen und Ruhe und Ordnung zu schaffen, hat dem für ihn ehrenvollen Befehl noch nicht Folge geleistet. Es ist daher in der Hauptstadt des Reiches der Mitte sicherlich noch nicht Alles so, wie es sein müßte Vielleicht bestätigt sich das Gerücht, daß die Gesandten als Geißeln einbehalten werden und für den Fall eines militärischen Angriffs auf Peking mit dem Tode bedroht werden sollen. An der russisch-chinesischen Grenze finden fort während Kämpfe statt. Dagegen ist in Tientsin bisher alles ruhig geblieben. Die Bahn von dort nach Taku ist seit dem 17. in ununterbrochenem Betriebe, so daß die Aussichten des internationalen Expeditionscorps jetzt als günstig bezeichnet werden können. Am schlechtesten ist ge-