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Und einer setzte hinzu: .Unsere Zeit hat die lächerliche Fessel der steifleinenen Moral gottlob über Bord geworfen, wir sind frei, wofür hätten wir uns eine Demi-Monde geschaffen? Doch nicht, um neue Sittenprediger zu hören? Ich schwöre Euch, hier in kürzester Zeit einen neuen Mormonenstaat zu gründen — und meine erste Geliebte soll die deutsche Galathee, Mademoiselle Clara Stein, werden!* Der junge Herr, welcher den letzten blasphemirenden Sermon gehalten, war der Spröhling einer der vornehmsten Familien Frankreichs, der Löwe der Pariser Halbwelt, ein Wüstling der schlimmsten Art, dem auf Erden und im Himmel nichts mehr heilig galt. Seine Worte wurden mit wieherndem Gelächter ausgenommen, kein Einziger unter dieser vornehmen Gesellschaft hatte so viel Scham oder wahres Ehrgefühl, den Buben zuiech'zuweisen. An einem Nebentisch saß ein alter Herr mit schneeweißem Haar und mildem, gutmüthigen Gesicht, ihm zur Seite ein junger Mann von 28—30 Jahren mit einem feinen, blaffen Antlitz und wunderbaren melancholischen Augen, die edlen Züge erinnerten an die griechischen Gestalten des Alterthumes, wie auch der schlanke feine Körperbau, — die ganze Persönlichkeit «ar, einmal gesehen, nicht leicht zu vergessen. Bei den frivolen Reden des Wüstlings fuhr der junge Mann, welcher mit finsterer Verachtung die laute Unterhaltung jenes Kreises angehört, heftig empor, um den frechen Buben zu züchtigen. Der alte Herr hielt ihn zurück. .Willst Du den modernen Don Quixote gegen diese jämmerlichen Windmühlen spielen, mein Sohn?* flüsterte er, „Du änderst nichts damit, und wen willst Du vertheidigen? Eine Sängerin! Weißt Du, ob sie es verdient?' .Later!' versetzte der junge Mann vorwurfsvoll, „wie kannst Du so fragen? Du hast einen Widerwillen gegen die Bühne und noch stärker gegen ihre Vertreter. Wenn Du Clara nur einmal hören würdest, Du wärest besiegt.' „Eben deshalb höre ich diese Sirene lieber nicht," lächelte der Greis. „Du fühlst überhaupt selber, daß Paris für uns nichts taugt, hätte ich ahnen können, daß der weile Umweg über Paris nur dieser Sängerin gegolten, ich hätte Deinem Wunsche wahrlich nicht nachgegeben, Richard." Dieser hörte die Worte nicht mehr, er horchte bereits wie der der Unterhaltung jener Kavaliere, und eine noch tiefere Er regung als vorhin spiegelte sich auf seinem Antlitz. Der Graf von Saint-Herem war der Aufforderung seiner Freunde jetzt gefolgt und sagte: „Ich hasse jede Art Moral gründlich wie unser guter Vicomte, und will Euch die Geschichte meines Bruders zum Besten geben. Zuvor aber erkläre ich, daß die deutsche Galathee mein werden soll und gehe jede be liebige Wette mit Euch ein, sie bis morgen Früh geküßt zu haben." „Beweise! Beweise!" brüllte der Vicomte. „Ich lade Euch auf die nächste Mitternacht in mein Hotel Rue Rivoli zum Souper ein, verlange nur Ruhe, Grabesstille von Euch. Wer wettet?' „Wir Alle gegen Einen! Zehntausend Francs ge^en eintausend?' „Angenommen," sprach Saint-Herem ruhig, „die Wette ist so gut wie gewonnen." „Nun die Geschichte von dem Bruder. .Ihr sollt sie haben, sie ist langweilig, wie eine deutsche Frau. Mein Bruder war vor ungefihr acht Jahren hier in Paris der Löwe des Tages, er lernte eine reiche deutsche Wittwe kennen, deren Gemahl in einem Schweizer See liegen sollte, doch war die Leiche nicht aufzufinden, ich denk- mir, die zärtliche Frau hat ihn wohl selber dorthin gebettet. Trotz alledem heirathete mein Bruder diese Frau, als plötzlich eine Anklage auf Bigamie gegen sie vom Stapel gelaffen wurde, der Gemahl konnte ja vielleicht noch leben. Da verschwand mein Bruder und die Frau ärgerte sich darüber so sehr, daß sie starb." „Dafür war's eine Deutsche," meinte der Vicomte ver ächtlich, „diese Nation stirbt noch an der Kalle, ihr fehlt ein Aderlaß, den wir ihr nächstens geben werden, das träge Blut muß einmal in Fluß gebracht und ihr einige Glieder amputirt werden, um ihr die qloßen Gedanken auszutreiben." „Wie bei Leipzig und bei Waterloo!' rief der junge Mann vom Nebentische her mit funkelnden Augen. „Src!" schrie der Bicomte, „wer wagt es, sich in fremde Unterhaltung zu mischen?" Der junge Mann, den der Greis vergebens zurückzuhalten suchte, war emporgesprungen und an den Tisch getreten, seine Erscheinung rief eine augenblickliche Stille hervor, selbst der wüste Vicomte schaute wie gebannt auf ihn hin. „Wer es wagt?" fragte er mit einer Stimme, welche zwischen Drohung und Verzweiflung klang, „ein deutscher Mann, welcher Ehre und Sitte liebt und die Prahlereien uns Schmäh ungen gegen seine Nation verachtet, der es aber nicht duldet, wenn deutsche Frauen von Buben mit Koth beworfen werden, und diese züchtigt, wo er sie findet." „Schlagt den deutschen Hund nieder," schrie Saint-Herem wüthend, „auf, Vicomte, den Degen heraus, wir massakriren das Bürschchen." Es wäre sicherlich zu blutigen Exzessen gekommen, wenn nicht einige Besonnene den Wüthenden zurückzehalten und der Greis den jungen kühnen Deutschen gewaltsam mit sich fort hinaus ins Freie gezogen hätte. „Wehe, wenn dieses Gesicht mir wieder in den Wurf kommt," murmelte der Graf zähneknirschend, „ich habe es schon in der Oper gesehen, ah, er war's, der gestern Abend der schönen Clara einen prachtvollen Kranz aus der ersten Loge zuwarf, richtig! richtig! Das fatale Gesicht, — sie ließ mein Bouquet liegen wie alle übrigen und nahm seinen Kranz.' „Was murmeln Sie da, Saint-Herem?" fragte der Vikomte, „lassen Sic den deutschen Esel laufen, wir treffen ihn wohl einmal, denken Sie an unsere Wette." .Ich denke daran," antwortete der Graf finster und schritt hinaus. Der alle Herr aber sprach draußen zu seinem Sohne, als er mit ihm hastig und aufgeregt durch die Straßen schritt: „Wir verlaffen noch heute diese' unselige Stadt, mein Sohn! Die Luft liegt nie ein Alp auf mir!" „Unmöglich, Vater!" versetzte der junge Mann mit fester Stimme, „Du hörtest doch, daß jene rohen Wüstlinge ein Attentat auf Clara's Ehre beabsichtigen, ich muß über sie wachen." „Du wirst es nicht hindern können, Richard! Du bist hier fremd in Paris, also ohnmächtig, und besitzest zum Ueber- fluß schon Feinde. Schreibe ihr einige Zeilen, wenn Du willst, und setze sie von dem Gehörten in Kenntniß " Richard schüttelte heftig den Kopf und' schritt schweigend weiter. „Wohin willst Du. mein Sohn?" „In die Oper, st- wird bald beginnen." „Singt jene Clara?" „Ja, die Valentine!" „So begleite ich Dich, mein Sohn!" Der junge Mann blieb erstaunt stehen und schaute den Vater forschend an. „Ich danke Dir, mein Vater! Du wirst st: sehen und hören und meine Liebe begreifen." Der alte Herr seufzte, die L.ebe zu einer Sängerin er schien ihm wie Wahnsinn. (Fortsetzung folgt.) Dresdner Tages-Ralen-er. Kgl. mathematisch-physikalischer Salon (Zwinger.) Montags, Mittwochs u. Freitags 9—12 Uhr, Sonn-u. Feiertags 11—1 Uhr frei, Dienstags und Donners tags 9-12 Uhr 5'» Ps., Sonnabends geschlossen. Kgl. Grünes Gewölbe (K. Residenzschloß pl.) Wochen tags 9—2 Uhr, Sonn- und Feiertags 11—2 Uhr 1M. Kgl. Münz-Kabinett (K. Residenzschloß pt.) Dienstags und Freitags von 10—1 Uhr (nur für Studien) frei. Kgl. histor. Museum (Rüstkammer) und Gewehr- ga lerie (Johannenm I). Wochentags (außer Sonn abends 9-2 Uhr 50 Pfg., Sonn- und Feiertags 11 —2 Uhr 25 Pfg. Sonnabends 9 -2 Uhr 1,50 M. Kgl. Porzellan - und G. fäßsammlung (Johannenm ll). Wochentags 9—2 50 Pf., Sonu- und Feiertags 11—2 Uhr 25 Pf. Kgl. öffentliche Bibliothek (Japan. Palais). Wochen tags 9—2 Uhr und Montags bis mit Freitags auch von 4-6 Uhr frei. Führung 12—1 Uhr, jede Person 50 Pfg. Sonn- und Feiertags geschlossen. Kgl. Sächs. Armee-Sammlung, Dresden Albertstad Marienallee. Geöffnet Dienstags und Donnerstags von 10—1 Uhr, Sonn- und Feiertags von 11—2 Uhr. Eintritt (nur für Erwachsene) frei.