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hasse sie noch, und doch muß ich an mich halten, um nicht den Saum ihres Gewandes zu küssen in dankbarer, verehrender Liebe; auf die Kniee fallen möchte ich vor ihr und ihr sagen, wie wir sie geschädigt haben und daß jedes sanfte Wort, welches sie für unseren kleinen Adolf hat, sich gleich feurigen Kohlen in mein Herz brennt! O und die entsetzliche Strafe, unser kleiner Adolf fragt nur nach ihr, mich, seine Mutter, blickt er nicht an!" „Mathilde, so mäßige doch Deine Heftigkeit und sprich nicht so laut, Du bringst uns noch ins Unglück!" „Ach, wer fragt danach, ich gewiß nicht! Und nun höre mich an; daß Du keinen Muth hast, weiß ich längst, hast Du auch kein Mitleid? Denke daran, daß wir dem Mädchen, welches sein Leben wagt, um Adolf zu pflegen, schweres Unrecht zugefügt haben, jetzt oder nie ist der Augen blick, ihr unsere Schuld zu bekennen, ihr zu sagen, daß ihr Geliebter lebt, daß Du weißt, wo er ist, daß Du ihn jederzeit benachrichtigen kannst! Folge mir an das Krankenbett unseres Sohnes, Ignaz, dort gestehe ihr unsere Sünde; bedenke, sie könnte sterben, und dann müßten wir ewig den Fluch unserer Misseihat mit uns Herumschleppen!" „Nicht so lant, Mathilde," stammelte der Notar, und dann fügte er nach kurzer Ueberlegung hinzu: „Freilich, sie könnte sterben und dann verlieren wir die Pension, allein die würden wir auch verlieren, wenn der junge Mensch zurück kommt, für uns wäre es am sichersten, wenn sie stürbe!" Geradezu entsetzt starrte Madame den Gatten an, solche Verworfenheit im Verein mit Feigheit und Grausamkeit war ihr denn doch noch nicht vorgekommen! Sie selbst war sich bewußt, schwer gesündigt zu haben, aber das überstieg denn doch alles Maß! Und in all ihrer Verstörung bemerkte sie doch, daß der kleine Mann nur auf eine Gelegenheit wartete, um zu entschlüpfen, und so stemmte sie sich mit dem Rücken fest gegen die Thür, so glimpflich sollte er nicht davonkommen! Dem Notar erschien die dräuende Gattin gleich dem Engel mit dem Flammenschwert, der an seiner Paradiesesthür Wache hielt, und demüthig flehte er jetzt: „Laß uns wenigstens auf die Straße gehen, Mathilde, in der freien Luft soll die An steckungsgefahr geringer sein! Du willst hier bleiben, ich will Dich nicht überreden, aber ich für mein Theil kann nicht bleiben. Hast Du mir Aufträge für Deine Mutter zu geben? Ich kehre noch heute nach Tours zurück." „Das wollen wir sehen — wenn nun Adolf stirbt?" „Warum denn gleich das Schlimmste annehmen, er ist ja gesund und kräftig gewesen, er wird das Fieber über winden! Du bist nervös, mein Engel, da sicht man alles schwarz — ich — alle Heiligen stehen mir bei, was giebt's denn?" Des Notars Schreckensruf galt einem lauten Pochen an der Thür, die jetzt von außen geöffnet wurde. Monsieur Desborres stand athcmlos auf der Schwelle und sagte hastig: „Verzeihen Sie mein ungestümes Eindringen, ich suche Made moiselle Venillot! Es handelt sich um eine wichtige Nachricht, die ich ihr zu bringen habe, ich würde Sie nicht gestört haben, wenn's zu vermeiden gewesen wäre." „Sie sprechen von einer wichtigen Nachricht, Monsieur?" fragte Madame, deren Gesicht plötzlich versteinert schien. „Monsieur de Saint Martin ist angekommen, Madame." Madame nickte wie eine Pagode, dann verließ sie schwer fälligen Schrittes das Zimmer und stieg hinauf ins erste Stockwerk. Es brauste ihr in den Ohren, als sie die Hand auf den Thürdrücker der Krankenstube legte, aber dann trat sie entsch! offen ein. Drinnen war es still und ruhig, das Athmen des Kindes setzte zeitweise aus, um dann in ein leises Röcheln überzugehen; Therese kniete neben dem Bettchen und hielt die erkaltende Hand des Knaben in der ihren, tiefer Kummer lag auf des Mädchens bleichem Gesicht, und selbst diese Schmerzcnsregung ward Therese von der eifersüchtigen Mutter mißgönnt. „Weshalb blicken Sie ihn so kummervoll an?" klang es fast zischend von Madames Lippen. „Er ist mein, im Leben haben Sie mir seine Liebe gestohlen, lassen Sie mir wenigstens seinen letzten Athemzug! O, wie ich Sie gehaßt habe, ich that Ihnen alles erdenkliche Leid an, nun Sie das wissen, werden Sie doch nicht hier bleiben wollen, wie?" em Erstarr Der Erste, auf den des Doktors verwunderte war der Maire von Adron; er erwiderte steif den Grütz , und sagte dann würdevoll: „Gestatten Sie mir, Fabian de Saint Martin vorzustellen — Monsieur -O < Der junge Herr, der sein wohlfrisirtcs, dmw nur schwach zum Gruße neigte, maß den Arzt um beinahe mißtrauischem Blick; der Doktor hatte s^ „still, o still, Madame," flüsterte Therese sanft sie wußte, daß die Frau die Wahrheit sprach, aberst^ ' f sie ihr angethan haben mochte, sollte den Frieden diep ' bettes — vaß cs ein solches war, mußte Jeder... . . l nicht stören. Die Seele des kleinen Kranken stand der Schwelle jenes Landes, „von dessen Saum wicdcrkehrt", jetzt ging es wie ein Heller Strahl ; O kleine, verzerrte Gesichtchen, und die schmale zitter"/ stahl sich in die treue Hand der Pflegerin. Mada»".^"' die Knie und drückte ihr Gesicht in das Kissen, aUlEsyortete dunkle Köpfchen lag, vom Dom klang die feierliche^ch n Mozartschen Requiems berüber, der Knabenchor^ um diese Stunde „requiem, äona ms roquiem' durch die klare Herbstluft, und mit dem letzten Kla" spö die befreite Seele der irdischen Hülle! r ließ ihn 16. Kapitel. Monsieur Desborres, dessen Zeit ohnehin schon .-j bemessen war, schritt in leicht begreiflicher Unaedist^E kleinen Burcan auf und ab; wo mochte nur Therest welche Der kleine Notar hatte aufgeathmet, als schwanden war, mit einem Satz war er an der TditzMkehr lcbl Hinauseilen warf er die kurze Frage hin: „Ist r Doktor de Saint Martin hier in Charville, Monsieur?" >1 Der M Der Doktor war zu sehr mit anderen Gedanken der uni das Zittern der Stimme, welche diese Frage th"ff achten; er antwortete nur hastig: „Nein, Monsieur , Martin befindet sich in Mauri), und wenn wir N dorihin abgehenden Zug erreichen wollen, müssen " eilen. Vielleicht lassen Sie Mademoiselle wissen, höchste Zeit ist." .-Muss Der Notar verschwand, der Doktor sah auf' wartete noch etwa fünf Minuten und verließ dann,'k ^mdl schritt das Haus, um auf den Bahnhof zu eilen, uu' stte"Desbo noch vor Abgang des Zuges cintraf. Er sprang instte es ar Konpee, wischte sich den Schweiß von der Slirn ^pfficur M tief auf — so war denn jede Hoffnung vernichtet, -f nm nicht der Therese liebte, und dem ihre Liebe galt, war si die Hochzeit würde staltsinden, der Gatte führte ststkt unmö Fran von Charville fort, und er, der Doktor, bliest MlMgk einsam nnd traurig zurück. Er hatte es doch läM;piml von wie ging's zu, daß er sich noch immer nicht in feiststen mir finden konnte? Das Leben ging seinen Gang iveststchbtc ich ville würde sich von der Epidemie erholen, der Prä ls Txftam die Kanalisation nicht mehr hinausschieben; alles bstisgesolgt i ins alte Geleise, und sein Balkon blieb leer, währest Noch Alaine nach wie vor für seine Bedürfnisse sorgte u^Men die ihrem Geschwätz langweilte. Grau und öde, glchstütheckung endlosen Weg, erschienen ihm Gegenwart und Zuk-Zrres soll er von Glück kennen gelernt, gehörte der Vergau/iW frage Wie Mancher hat schon seinen Lebensweg est^t gewiß < und öde vor sich liegen sehen, um dann im West^b gegen ungeahnte Schönheiten zn entdecken. Hier murmelt eistL Der k Bach, au dessen Rand blaue Blumen sprossen; inne: trüben Wolkenschleier bricht die Sonne hervor, und sW tzervm nicht mehr die Gluth der Mittagssonne, so sind's dist .^ tzlende den Strahlen der Abendsonne, die den Pfad des vergolocn. Als Max Desborres in Maury den '^ara sah er um zehn Jahre älter aus als gestern, da Saint Martin noch ins Reick) der Sage gehörte; das lag um etwa Steinwurfsweite von der Station nach zehn Minuten stand der Doktor vor dem ein^Mvnsj "r Hause des kleinen Ortes und fragte den Hausdiener restaincnt sieur de Saint Martin. .Fannie, „Die Herren sind oben auf Nummer zehn /.;/rächte dl höfliche Antwort, und etwas erstaunt über die . Herren", während er doch nur nach einem hatte, erreichte der Doktor das bezeichnete Zinnncn F "F.. Der Erste, auf den des Doktors verwundertes , o < „UNo