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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.06.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190906042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090604
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090604
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-06
- Tag 1909-06-04
-
Monat
1909-06
-
Jahr
1909
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bürg. Generalkonsul Franz v. M e n d e 1-soh n - Berlin, Geheimer Kommerzienrat E. K i r do rf- Gelsenkirchen, Geheimer Kommerzienrat RaoenS - Berlin, Hermann Hecht, Vorsitzender des Verbandes deut scher Exporteure, Geh. Oberfinanzrat W. Mueller, Direktor der Dresdner Bank, Berlin, sowie Redner aus allen Kreisen von Industrie, Handel und Bankgewerbe. Da von Berlin und außerhalb starke Nach, nage nach Eintrittskarten besteht, empfiehlt sich deren sofortige Be stellung in den VerbandSdureans Dorotheenstraße 3 und Karlsbad 4a. Wie der Bund der Industriellen, so bat auch der über 2000 Mit glieder starke Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser e. V be- ichlossen, eine entsprechende Zahl von Delegierten zu entsenden und an der Beratung über die für die Dauer berechnete Interessengemeinschaft der privaten Vertretungen von Deutschlands Handel, Industrie und Bankwesen teilzunehmen. Der Bescklust de- außerordentlichen Handelökammertageö gegen die neuen Steuervorschläge hat folgenden Wortlaut: „Die am 2. Juni 1909 auf Einladung der Handelskammer zu Berlin in deren Dienstgebäude versammelten sämtlichen Handelsvertretungen, die in unmittelbaren Beziehungen zu den deutschen Börsen stehen, er beben den schärfsten Widerspruch gegen den völlig ver fehlten Beschluß der Finanzkommission des Reichstages, der dem Handel mit Wertpapieren und ihren Besitzern in un gerechtester Weise unerträgliche Sonderlastcn ausbürden will. Die be- schlosiene Besteuerung würde die deutschen Börsen, die nach dem Jn- irantreten der Börsengesetznovelle von 1908 eben auf dem Wege all mählicher Gesundung waren, aufs empfindlichste schädigen und noch tiefer herabdrücken, als cs durch die frühere Börsengesetzgebung geschehen war. Sic würde den deutschen Kommunen, Anstalten und Unternehmungen die Erfüllung ihrer wirtschaftlichen Aufgaben erheblich erschweren nnd die ausländischen Börsen ans Kosten der inländischen stärken. Vor allem aber würde sie die politischen und wirtschaftlichen Gesamt interessen nnd damit die Machtstellung des Deutschen Reiches bedrohen, weil sie den deutschen Markt von den internationalen Finanzgeschäften ausfch ließen nnd so die Grundlage deS für Industrie, .Handel nnd Landwirtschaft unentbehrlichen Außenhandels erschüttern würde. Die durch nichts begründete Benachteiligung der zum Terminhandel -lUgelassenen Wertpapiere würde ähnliche Wirkungen haben, w i r die vormaligen Terminhandelsverbote, deren Aus- Hebung im vergangenen Jahre aus der Erkenntnis ihrer allgemeinen Schädlichkeit heraus unter Zustimmung des gegenwärtigen Reichstages erfolgt ist. Die Erträge der Steuer würden hinter der von der Finanz kommission ohne sachliche Unterlagen und in oberflächlichster Weise er- folgten Schätzung weit Zurückbleiben und keinesfalls im Ver hältnis stehen zu dem unberechenbaren Schaden, den sic der deutschen Volkswirtschaft auf anderen Gebieten zufügen müßte. Die Versammlung bittet ans diesem Grunde den Reichstag, dem Beschlüsse der Finanzkommission die Zustimmung zu versagen; sollte der Reichstag jedoch diesem Beichlusse beitreten, so erwartet sie zuversichtlich von den verbündeten Regierungen, daß sie eS verhindern werden, daß eine derart das wirtschaftliche Leben der Nation schädigende Steuer Gesetzeskraft erlangt." Diese einstimmig gefaßte Erklärung wurde auch sämtlichen Bundes regierungen zugesanvt. Ueber den Verlauf des Tages berichteten wir bereits gestern. Gegen die Parfümsteuer. Eine in Berlin abgehaltene Versammlung deutscher Fabri kanten von Parfümerien und kosmetischen Mitteln faßte ein stimmig folgenden Beschluß: „Die Versammlung nimmt Stellung gegen die in der Oeffentlichkeit verbreitete Meinung, als stimme die Branche und namentlich die Großindustrie in gewissem Sinne der in der Finanz kommission deS Reichstages angenommenen Steuer auf Parfümerien und verwandte Artikel zu. Sie erklärt vielmehr die fragliche Steuer für völlig unannehmbar, da sie einerseits den Ruin der Industrie bedeuten und steuertechnisch undurchführbar sein würde, anderseits auch dem Reiche die erwartete Einnahme bestimmt nicht bringen würde." Der Sächsisch- L-hv-vv-v-in und Geh. Airchenr?at O. Ri-tsch-l. Die „Sächs. Schulzeitung", das Organ des Sächsischen Lebrerver- cins, veröffentlicht die bereits vor Pfingsten angekündigie Erklärung des Vorstandes des Sächsischen Lehrervereins zu dem bekannten Vor- trag des Geh. Kirchenrats v. Riet sch ei über die Reform des Religionsunterrichts. Wir entnehmen dieser Erklärung folgendes: „Bei den Reformbestrebungen des Sächsischen Lehrervereins Han- dclt es sich nicht, was wir schon oft betont haben, um eine Aenoerung der christlichen Religion, sondern um eine Neugestaltung des Reli gionsunterrichts. für den die Heilige Schrift als Grundlage und Ausgangspunkt dienen soll. Die sächsische Lehrerschaft will nicht mehr eine in Dogmen und Formeln eingeengte religiöse Unterweisung ihren Schülern bieten, sie wünscht vielmehr, einen im Geiste Jesu echt kindlichen, auf pädagogisch-psychologischer Grundlage aufgebauten Religionsunterricht zu erteilen, durch welchen sie hofft, leichter als bis- her den Weg zum Herzen der Kinder zu finden. Bei ihren Reform, bestrcbungen hält sie fest an dem von den Vertretern der deutschen Lehrerschaft auf der Münchner Tagung angenommenen Leitsätze, nach welchem im Interesse der etnheitlich nationalen Erziehung der deutschen Jugend die Kinder aller Konfessionen und Stände ge meinsam unterrichtet werden, den Religionsunterricht jedoch nach Konfessionen getrennt erhalten sollen." „Zu der von Herrn Pastor Rietschel jun. aufgeworfenen und von .Herrn Geh. Kirchenrat v. Rietschel sen. aufgenommenen Frage, ob ein atheistisch gesinnter Lehrer Religionsunterricht erteilen dürfe, erklären wir nochmals: Atheistische Lehren dürfen nach unserer Auffassung von keinem Lehrer im Religionsunterrichte v o rg e t r a g en werben. Wir halten es darum für notwendig, daß durch die Gesetzgebung die Möglichkeit geschaffen wird, atheistisch gesinnte Lehrer, die einen auf den Zwickauer Leitsätzen aufgmauten Religionsunterricht nicht zu erteilen vermögen, vom Religionsunterrichte zu ent binde n." Im 3. Abschnitt weist die „Schulztg." Rietscheis Aeußerungen über das Kausalitätsgesetz mit Entschiedenheit zurück. „Es ist unzutreffend und irreführend, wenn Herr Geh. Kirchenrat I). Rietschel behauptet, daß die sächsische Lehrerschaft bei ihren Neform- bcstrcbungen eine Schulhierarchie zu erstreben suche. Sie ver langt nicht annähernd soviel Selbständigkeit, wie sie die Kirche heute be sitzt, was aus den verschiedenen Veröffentlichungen des Vorstandes des Sächsischen Lehrervereins, zuletzt auch aus den Grundforderungen »um Schulgesetze klar zu ersehen ist; denn es wird dem Staate als Schulhcrrn und Schulgesetzgeber sein bisheriges Recht absoluter Entscheidung voll gewahrt. Es wird ferner die Mitwirkung der Gemeinde im bisherigen Umfange beibehalten, und um auch der Familie den nötigen Einfluß zu gewähren, fordern wir in unfern Vorschlägen eine Erweiterung der Elternrechte." „In den Vorbemerkungen zu seiner Broschüre bemängelt der Herr Verfasser auch die Abstimmung in Zwickau, an der sich nicht die 3000 an wesenden Lehrer, sondern nur d i e 310 Ä er t r e t er beteiligt Pötten. Das ist Tatsache und satzungSgemäßc Bestimmung, aber die Abstim mung erfolgte ,m Nameu und Auftrage sämtlicher Be- zirksvereine, die nach eingehenden Beratungen den ihnen lävgst bekannten Thesen ihre Zustimmung gegeben hatten, und somit war die Abstimmung nicht nur eine Kuudgebung der 3000 anwesenden, sondern der durch die 310 Abgeordneten vertretenen 13 000 Mitglieder des Sächsischen LehrervereinS." Nachdem sodann noch der Kompromißcharaktcr der Zwickauer Thesen begründet worden ist, heißt eS zum Schluß: „Die Bemühungen, durch die Broschüre Spaltungen in unseren Reihen hervorzurufen, werden vergeblich sein. Da« auS tief reli giösem Empfinde» geborene lebhafte Verlangen der sächsischen Lehrer- 'chaft, einen auf religiöse Vertiefung gerichteten und auS Wahrhaftigkeit entspringenden Religionsunterricht zu erteilen, hat die Zwickauer Leit sätze gezeitigt, die von ihr nie wieder preiSgeaeben werden. Dos Zwickauer Kompromiß wird sich nicht als „ein Zeichen der Schwäche und des Unterliegens", sondern des „Fortschritts" erweisen. Uner Psingstglaube und unsere Pfingsthofsnung lassen uns mit froher Zuver sicht in die Zukunft schaueu, denn unsere aus dem Geiste der Zeit ge borenen Ideen werde, sich trotz aller Hindernisse kraft der ihnen inne wohnende» Wahrheit doch z»m Siege durchdringen." Deutsches Reich. Leipzig, 4. Juni. * Die sächsischen Nationalliberalen und die Lage i« Reich. In einem in oer „Obererzgebirgischen Zeitung" veröffentlichten Aufsatz spricht sich Reichstagsabgeordneter Dr. Stresemann über die gegenwär- tige Stellung der nationalliberalen Partei zu der nengeichasfene» po!>- tischen Lage folgendermaßen aus: „Für die nationalliberale Partei ist die Stellung in dieser Situa tion gegeben. Sie hat von vornherein den Standpunkt eingenommen, daß die Reichsfinanzreform sich aufbanen müsse auf einer allgemeinen Besitzsteuer, mit der Besteuerung entbehrlicher Genußmiitel. Von diesem Standpunkt wird sich die Partei nicht abbringen lassen. Von allen Ecken und Enden bemüht man sich jetzt, die Nationalliberalen zu ver anlassen, von links abzurücken und gemeinsam mit Zentrum und Kon servativen die Reichsfinanzreform auf der Grundlage der konservativen Bcsitzsteneranträgs zu machen. Die Beschlüsse des Zentralvorstandcs beweisen, daß man diesen Sirenenrufen nicht folgen wird. Ohne eine allgemeine Besitzsteuer in der Form der Erbschaftssteuer ist die Reichs- finanzreform für die nationalliberale Partei unannehmbar. Den Herren preußischen Konservativen muß einmal gezeigt werden, daß. sie nicht allein in Deutschland regieren und daß der nationale Liberalismus nicht gewillt ist, sich einfach ausschalten zu lassen und ihnen die Steigbügel zu halten. Gerade in den jetzigen Lockrufen und Werbungen von allen Seiten zeigt sich, welche große Bedeutung die nationalliberale Partei innerhalb des deutschen politischen Lebens ausmacht. Aus allen Schich- len des Volkes bestehend, im Süden des Reiches verbreitet wie im Nor den, als Trägerin des nationalen Gedankens seit der Gründung des Deutschen Nationalvereins bestehend, weiß man auch rn konservativen Kreisen, wie es im Volke ausgenommen werden würde, wenn auch d:ese Partei, die so oft ihre eigenen Interessen dem Vaterlande geopfert hatte, diesmal gezwungen wird, beiseite zu stehen. Man möchte die Zustim mung der nationalliberalen Partei, damit sie gewnsermayen das Feigen blatt abgede, hinter dem sich die Scham des konservativ-ultramontanen Bündnisses verberge, und damit man im Lande sagen könne, die national liberale Partei habe ja auch mitgemacht. Dazu sind wir zu gut. Glaubt es der Reichskanzler verantworten zu können, die Reichsfinanz, reform aus den Händen der Konservativen und des Zentrums entgegen zunehmen und den Liberalismus auszuschalten, so mag er es tun und gemeinsam mit jenen Gruppen auch die Verantwortung für die kommende Zentrumsherrschaft übernehmen." Wir sind überzeugt, daß hier die Auffassung der sächsi schen Nationallibcralen prägnant zum Ausdruck kommt. Be reits im März d. I. hat sich der Vorstand des nationalliberalen Landes- Vereins in ähnlicher Weise vernehmen lassen. * „Tas Geheimnis von Hoiterwitz". Unter dieser Sp tzmarke weist die „Chemn. AUg. Ztg." die völlige Haltlosigkeit einer von einem satt sam bekannten DreSoner SensationSblättchen verbreiteten Mär von der Existenz eines legitimen Sohnes deS verstorbenen Königs Albert und seiner gleichfalls verstorbenen Gemablin Carola nach. Ein ungarischer Musiker, dessen Name nichts zur Sache tut, hatte sich unberechtigter weise den Beinamen „von Wertin" zugelegt und war nach voran gegangener Verwarnung und Bestrafung wegen unbefugter Führung eines AvelStitels über die sächsische Grenze gewiesen worden. Da dieser Mann eine Aehnlichkeit mit dem verstorbenen König Albert aufweiscn soll, und da eS immer noch Leute gibt, die an die Existenz von Sonder bestimmungen für das Glaubensbekenntnis des erstgebornen Königs- bzw. ThronsolgersohneS in Sacksen glauben, konnte die betreffende Dresdner Wochenschrift mit ihrem geheimnisvollen Sensatiönchen zu nächst hier unv da einiges Aussehen erregen. Wir haben den ganzen Klatsch bisher nicht beachtet, weil eS in der Gegenwart noch Wichtigeres zu tun gibt, freuen uns aber, daß es dem zitierten Chemnitzer Blatte gelungen ist, mit wenigen Worten die schaurig-schöne Mär in ihrer Bedeutungslosigkeit zu lennzeichnen. U * Der Kaiser ist am Donnerstagvormittag Uhr in Posen ein- getroffen. Zum Empfange hatten sich General der Infanterie Emmich, . Oberpräsident v. Walkow und Polizeipräsident v. tzeyking auf dem Bahnhofe einyefnnden. Nach Begrüßung der Herren fuhr der Kaiser unter dem Jubel de* Bevölkerung nach dem Schlosse. Der Kaiser i wurde im Schlosse vom Hausmarschall Freiherrn von Lyncker, Geh. Bailrat Professor Schmechten und dem leitenden Baumeister Duhm empfangen. Er besichtigte sodann unter Führung dieser Herren das Schloß, über dessen gesamten Bau er sich sehr anerkennend aussprach. Um 11 Uhr 00 Min. vormittags erfolgte vor dem Schlosse ein Vorbei marsch der Truppen der ganzen Garnison, worauf sich oer Kaiser im Automobil zum Frühstück in das Offizierkasino des Regiments der Künigsjäger zu Pferde Nr. 1 begab. , * Fürstliche Gäste beim Kaisermauövcr. Die Teilnahme der deutschen Bundesfürsten sowie anderer Fürstlichkeiten am Kaisermanöver wird diesmal, der „Nat.-Ztg." zufolge, sehr bedeutend sein. Außer den bayerischen Prinzen, die zum Teil aktiv am Manöver teilnehmen, wird voraussichtlich der König von Sachsen den Hebungen bei wohnen, ebenso der Großherzog von Sachsen und der Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha. Ueber die Teilnahme de- Königs von Württemberg ist ein definitiver Entschluß noch nicht bekannt geworden; er hat jedoch seine Anwesenheit in Aussicht gestellt. Bon den Kaiser söhnen wird voraussichtlich Prinz Eitel Friedrich auf dem Manöoerseld erscheinen. Bekannt ist schon, daß der österreichische Erzherzog-Thron- solger eine Einladung des Kaisers zu den Manövern erhalten uud an genommen hat. * Geheimrat v. Halle erkrankt. Wie wir hören, liegt der Geheime Admiralitätsrat Dr. v. Halle in seiner Wohnung im Grünewald schwer erkrankt danieder. Geheimrat v. Halle ist bekanntlich vor einigen Wochen aus dem Reichsschatzamte, wo er kommissarisch beschäftigt war, ausgeschieden. Man brachte sein Ausscheiden aus dem Reichsschatzamte in Verbindung mit Konflikten persönlicher Natur, die Herr o. Helle mit einigen Abgeordneten der Flnanzkommission hatte. An eine Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Tätigkeit Geheimrat v. Halles ist vorerst nicht zu denken. * Der elfte Berbandstag des Deutschnationalen Handlungsgehilfen. Verbandes, Sitz Hamburg, wird in der Zeit vom 12. bis 15. Juni in Stuttgart abgehalten. Es sind dazu nahezu 900 Stimmführer aus über 1100 Städten Deutschlands, Oesterreichs und des Auslandes an gemeldet. Da der Verband bald 125 000 Mitglieder zählt, so dürfte auch die sonstige Beteiligung an dieser Tagung recht lebhaft werden. Man rechnet ans mehr als M00 Teilnehmer. * Das Verfahren gegen Geh. Rat Hammann eingestellt. Wie ver lautet, ist das Meineidsverfahren gegen den Geheimrat Hammann, den vom Amte suspendierten Preßdezernenten im Auswärtigen Amte, im Sande verlaufen. Die Untersuchung der Staatsanwaltschaft, die schon in einer früheren Phase der Affäre ein Einschreiten abgelehnt hat, ergab allem Anschein nach nichts Belastendes, denn das Verfahren wurde ein gestellt. Herr Hammann kann also seine Tätigkeit wieder beginnen. * Die nationalliberale Partei und Ministerialdirektor Thiel. Dem hochverdienten Direktor Thiel aus dem preußischen Landwirtschaft». Ministerium, einem alten treuen Anhänger der nationalliberalen Partei, ist zu seinem 70. Geburtstag folgender Drahtgruß der Partei zugegangen: „Exzellenz Thiel, Temvelhofec Ufer 37, Berlin. Der Zentralvorstand der nationaluberalen Partei spricht Ihnen au» Anlaß der frohen Feier dr» 70. Geburtstages al» früherem Vertreter für Osterburg-Stendal und altem treuen Parteifreunde herzlichste Glückwünsche au», ^ck multo« annosl Bassermann." * Landgerichtsdirektor Lchman» zu» Zivildieust perfHt. An Stelle deS -um Zivilgericht versetzten Landgerichtsdirektors Lehmann wurde der LanbgerichtSdirektor Ja en sch zum Vorsitzenden der beim Harde »-Prozeß vielgenannten 4. Strafkammer des Landgerichts I er nannt. Diese Versetzung Lehmanns konnte natürlich nur aus dessen Antrag erfolgen. Landgerichtsdirektor Lehmann scheint also ein ähn liches Bedürfnis empfunden zu haben wie der Vorsitzende in dem aller- ersten Verfahren gegen Harden, Amtsrichter Dr. Kern, der sich ja auch aus der Strafabteilung in eine Zivilabteiluna versetzen ließ. Jeden- falls sollte es uns nicht wundern, wenn sich in Richterkreisen, die mit oer Harden-Affäre zu tun haben, die Meinung verbreitet: Hui mau«« <i« Üarcküa su wvuist. * Z»r Schnnergelderfragr wird nnS geschrieben: „Der Reichstag hat kurz vor seiner Vertagung das Gesetz über den unlauteren Wett bewerb angenommen und auch die von der 35- Reichstagskcnnmission be schlossene, gegen das sog. Schmiergelderunwesen gerichtete Fassung des 8 10» kienehmigl, nach welchen mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft wird, wer Schmiergelder aubietet und gewährt oder solche »er langt und annimmt. I» weiten Kreisen der selbständigen Kaufleute sind solche Strafbestimmungen für unnötig angesehen worden, während die Organisationen der Handlungsgehilfen sich überhaupt dagegen ausgc- sprvchen haben, weil die gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen zur Ahndung des Schmiergelderunwcsens, wo solches wirklich vorhanden ist, vollständig genügen. Der Verein der Deutschen Kaufleute, unabhängige Organisation für Handlungsgehilfen und Gehilfinnen, Sitz Berlin, wel- cher in letzter Stunde nochmals an den Reichstag mit einer Eingabe um Ablehnung der Strafbestimmungen herantrat, hat jetzt seine Mitglieder aufgefordert, eventuelle Angebote von Schmiergeldern strikte abzulehnen und der Vereinsleitung jeden Fall bekannt zu geben, in dem Schmier gelder angeboten werden. Durch ein solches Vorgehen glaubt der Ver ein, am besten den Nachweis zu erbringen, daß die Strafandrohungen in dem am 1. Oktober 1909 in Kraft tretenden Gesetz überflüssig sind und daß es möglich ist, aus dem Wege der Selbsthilfe die angeblichen Miß stände zu beseitigen." * Fürst Eulenburgs Badereise wird auch von der „Nat.-Lib. Korr." in derselben Weise beurteilt, wie dies von uns geschehen ist. Die ge nannte parteioffiziöse Korrespondenz schreibt: Eine unbehagliche Affäre macht seit ein bis zwei Wochen in deutschen Landen von sich reden. Sie würde noch mehr von sich reden machen, wenn nicht die Finanznötc und der konservativ-klerikale Kampf nm die Macht uns zur Stunde so auf den Nägeln brennten: Fürst Philipp zu Eulenburg und Hertefeld, oer — so war doch die Fiktion, die ihm auf seinem idyllischen Landsitz zu leben erlaubte — so leidend ist, daß er weder an Gerichtsstatt gebracht werden konnte, noch länger in milder Krankenhaft zu kalten war, hat sich nach kurzer, nachträglicher Verständigung der Kgl. Staatsanwalkschast ans eine lange, beschwerliche Neise begeben. Er ist zur Kur nach Gastein in die steirischen Berge gefahren. Dort lebt er, der, wenn er nicht vorm Jahre so bedauernswert erkrankt wäre, vermutlich jetzt von jedem Zuchthausauf. seher mit dem vertraulichen „Du" angeredet würde, unter dem wohl klingenden Pseudonym eines Grafen von Hamm: ein Partikulier von Distinktion, ein illustrer Badegast. Uns will scheinen: man kann diesen Handel gar nicht ernst genug nehmen. Das ist doch geradezu eine offene Verhöhnung aller staatlichen Gewalten, eine grinsende Verspottung der Fundamente, auf denen jedwede staatliche Ordnung ruht. Und — das wolle man bitte nicht vergessen — eine Verspottung, die ohne eine gewisse Mitschuld eben dieser staatlichen Organe doch nickt möglich geworden wäre. Hier und La bemüht man sich, solche Mitschuld zu leugnen: die Justizorgane hätten getan, was sie tun mußten; den Gutachten der Medizinalbrhörden hätten sie sich zu fügen gehabt. Leider können wir nicht finden, daß damit alle Unbehaglichkeiten, die diesen Fall seit Jakr und Tag schon umwittern, auSgeräumt wurden. Nach unserm Dafür halten gab es in dieser in mehr als einer Beziehung traurigen Affäre doch nur zweierlei. Schweren Meineides hinreichend und dringend ver- dächtig ist der Fürst Philipp zu Eulenburg und Herteseld nach wie vor. Im lehren Prozeß Moltke gegen Harden haben Staatsanwalt und Gc- richtsvorsitzende sogar deutlich zu erkennen gegeben, daß sie ihn für schlechthin überfuhrt erachteten. Entweder also war Fürst Eulenburg nicht transportfähig: dann mußte jede Luftveränderung, schon jede Ucbcr- führung in einen andern Raum von ihm ferngebalten werden. Oder aber er war doch transportabel: dann war er schonend zwar, aber aus dem schnellsten Wege vor das Tribunal zu führen, dem er unter solchen Umständen zu lange schon entzogen war. Aber ein Drittes kann und konnte es nicht geben, soll nicht die Ueberzeugung, daß in Preußen- Deutschland Recht gesprochen wird ohne Ansehung der Person, ins Schwanken geraten. Und ohne diese Ueberzeugung als Gemeingut i>'t wahres Staatsgefühl gar nicht zu denken. Ausland. Oesterreich-Ungarn. I Die Kaisermauöver. Aus Wien wird gemeldet: Nunmehr wird bekanntgegeben, daß die diesjährigen Kaisermanöver zwischen dem 8. und 11. September stattfinden. Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef werden im Schlosse des Grafen Harrach in Groß-Meseritz Aufenthalt nehmen. O Ein neues handelspolitisches Ermächtigungsgesetz. Aus Wien w'irb unterm 3. Juni telegraphiert: Die Regierung wird heute dem Reichsrat den Entwurf eines neuen handelSpvlitis chen Ermächtigungsgesetzes vorlegen. Er enthält die Genehmigung rumänischen Handelsvertrages und die Ermächtigung, ihn provisorisch in Kraft zu setzen. Außerdem wirb di- Regierung be vollmächtigt, die noch ausstehenden Verträge mit den Balkanstaaten nach ihrem Zustandekommen gleichfalls provisorisch in Kraft zu setzen. Rußland. /V Zur Begegnung des Zaren mit Kaffer Wilhelm, die, wie wir im gestrigen Blatte meldeten, Mitte Juni im nördlichen Teil der Ostsee vor sich gehen wird, wird heute weiter berichtet: Petersburg, 3. Juni. sTelegramm.) Wie es heißt, wird der Zar auf seinen Wunsch bei der demnächst stattfindenden Entrevue mit Kaiser Wilhelm von Stolypin und Iswolski be gleitet sein. Die Fahrt der „Hohenzollern" in die nördliche Ostsee erfolgt auf eine Einladung des Zaren selbst. Wien, 3. Jnni. sTelegramm.) Die Nachricht von der Be- gegnung Kaiser Wilhelms mit dem Zaren hat hier überrascht. Man sieht in der Begegnung einen HöfIichkeits. alt und glaubt nicht, daß sie zu einer Acnderung der russischen Politik führen wird. Indessen erhofft mau von der Aussprache eine gewisse Abschwächung der Gegensätze. Türkei. o Demeuti. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Vor einigen Tagen ist einem Berliner Blatt aus Konstantinopel eene Meldung zugegangen, die unter Angabe bestimmter Einzelheiten die bei der Pforte akkreditierten Botschafter zweier Machte der Be - stechlichkeit beschuldigte. lEs handelte sich hierbei bekanntlich, wie wir meldeten, um den russischen und den sranzösischen Botschafter. Red.l Von der deutschen Presse ist diese Meldung von vornherein mit dem Mißtrauen behandelt worden, das sie verdient. Indem wir aus drücklich fest stellen, daß die Angaben des Korrespondenten von Anfang bis zum Ende erfunden sind, geben wir unserem tiefen Be- dauern darüber Ausdruck, daß sich der Mitarbeiter eines deutschen Blattes einer solchen Verleumdung schuldig gemacht hat. H Die reaktionäre Bewegung in Kleinasieu. Wie der Pester Lloyd" aus Konstantinopel meldet, wurden in Damaskus eine Anzahl reaktionäre Notabel n, die Mitglieder der Moho- medanischen Union sind, verhaftet. Von Adrianopel sind fünf Bataillone nach Damaskus gesandt worden. Die Ausruhrbeweguug in Kleinasien ist immer noch i« Wachsen begriffen. Serbien. H Der geforderte Exkronprinz. Prinz Georg verhilft der serbischen Hauptstadt immer noch zu gewissen Sensatiönchen. Heute wird über ein niedliches Koriakintermezzo folgende- mitgeteilt: Wien, 3. Juui. sTelegramm.) Wegen eines Zusammen- stoßeS mit dem Prinzen Georg im Belgrader Kouak schickte gestern der Major Okanowitsch dem Prinzen durch zwei Zeugen, darunter einem bekannten Beiffchwöreroffizier, ein« Herausforderung zum Duell. Prinz Georg ließ die Kar tellträger durch seine Diener auS dem Palast werfe». Indien. * Di« redolutiouäre Bewegung. Der „Lokalanz." läßt sich aus London schreiben: Die Aufhebung des Urteils gegen die drei Indier, die eine- MordanfallS auf Sir Andrew Fraser schuldig be funden wurden, hat in Indien großes Aussehen erregt und i» England sogar nicht wenig Entrüstung hervorg-rufen. Verschiedene Blätter mahnen beute daS englische Volk, es soll mit seiner Meinung zurück- halten, bis die Begründung des Appellgerichtes, daS daS auf Deporta tion lautende Urteil aufhoo, in England eingetroffen ist. Der heutige Bericht der „Daily Mait aus Kalkutta erweckt den Eindruck, alt ob daS höhere Gericht dem Zeugnis der Polizei, die die Verurteilung in niederer Instanz heroeigesührt hat, kein Vertrauen schenke. Ander, seit- scheint eS, daß viele Zeugen aus Furcht vor den Revolutionären nicht zu Aussagen gegen die angeblichen Attentäter bewogen werden konnten. Jedenfalls muß der auS Europäern bestehende Nppellhof schwerwiegende Gründe zur Aushebung des Urteils gehabt haben. An fangs Warrn wegen dieses Attentats 27 Eingeborene, darunter der Radscka von Nairole, angcklagt. Aber schon während des ersten Pro zesses oekannte ein Polizeffpion, daß die Anklage auf falschem Zeug-
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