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Zweites Blatt Sonnabend, 11. November 1905 Dort (Fortsriung.) Die Gesundheit deS alten Rentiers hatte die besten Fortschritte gemacht; — er und der ' er ik n e- e- s »e i. > spruch ohnegleichen. O wie holdselig der zu denen zur Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters! Kommt her! — schon das ist der Inbegriff aller Selig keit: Kommen für immer zu Jesu. Gesegnete des Vaters — die Gnade rühmt es laut! Ererbet das Reich, die Gnade, die in Ewigkeit gilt, rühmt es noch lauter! Und der Maßstab des Gerichtsspruches? Wohl wird nach den Liebeswerken geurteilt, aber die Liebeswerke der Gläubigen sind doch die Früchte ihres Glaubens, es sind die Werke, die sie in Gott, für Gott, für den Herrn und sein Reich getan. — Wer freilich die nicht getan, wer keine Liebe zeigte, weil er keinen Glauben hatte, wer in seinem Leben seine Ehre gesucht, der steht dort, mag er noch so sehr in der Welt vielleicht als barmherzig gegolten haben, zur Linken. Da hörst du den allerschrecklichsten Richterspruch: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer! Wie furchtbar! Ja, es gibt eine Hölle und eine ewige Verfluchung. Gehet hin — also weg, weg von Gott! O furchtbares Elend, geschieden sein von Gott, der Quelle alles Lebens, aller Freude! und das nicht eine kurze Spanne Zeit, sondern ewig! Ihr Verfluchten! Menschen verfluchen einander, aber wenn Gottes Segen auf dem Verfluchten liegt, so ists in den Wind geredet für den davon Betroffenen, hier aber verflucht der heilige Gott selbst!' Ist das Wort nicht wie ein alles zermalmender Schlag? Es gibt anzweifelhaft eine ewige Pein, ewige Qual, ewige Marter! Wie unsäglich leid- und jammer voll muß die ewige Gemeinschaft sein mit dem Teufel, diesem Lügner und Mörder von Anfang, diesem Verkläger, dem, der dem Sohn Gottes das undankbarste Leid bereitet? Noch einige Tage, und wir sehen den jungen Mann, dessen Leben vor wenigen l f Wochen uoch am Rande des Grabes schwebte, im Garten unter der Weinlaube fitzend, deren Blätterdach schon braunrot geworden, und jetzt vom Morgensonnenstrahl beschienen, wie goldig glänzten. Und an demselben Tisch bei ihm fitzen Zwei Nur daß ihr den Geist erhebt Von den Lüsten dieser Erden Und euch dem schon jetzt ergebt, Dem ihr beigefügt wollt werden, Schickt das Herze da hinein, Wo ihr ewig wünscht zu sein. guter Freund der Rentier Ehrlich und in dem andern die schönen Töchter der beiden Alten, die ihren Schutzbefohlenen auch auf der Rück reise unter ihrer Aussicht behalten wollten. Anekdoten über Alfonso XIII. von Spanien erzählt L. Mouchon im „Echo de Paris". Groß, sehr dünn, lang aufgeschossen, mit aufstehendem Mund und vorstehendem Kinn, ist der junge König von Spanien durchaus kein Adonis. „No SS Auapo" (Schön ist er nicht) sagen die Spanier, um aber sofort hinzuzufügen: „koro 68 tun 8impLtico!" (Aber er ist so sympathisch!) Was an Alfonso xm vor allem gefällt, ist seine be» strickende Liebenswürdigkeit und Einfachheit. Der König haßt die Etikette und weilt gern mitten unter seinen Unter tanen. Als er am Karfreitag dieses Jahres zu Fuß aus der Kirche ins Schloß ging, drängte sich auf der Straße das Volk an ihn heran und jubelte ihm in geradezu enthusiastischer Weise zu. In Montserrat ging er einmal seinem Hofstaar durch; man suchte ihn lange Zeit und fand ihn schließlich auf dem Felde bei den „somatsns8" (Flurhütern), denen er bet einem Gläschen Wein und zahl- losen Zigaretten Räubergeschichten erzählte. Auch sonst unter hielt er sich auf seiner Reise durch Catalonien häufig mit ein fachen Arbeitern; er plauderte mit ihnen wie mit gutenKame- raden und freute sich königlich, wenn seine Minister ob seiner ganz unköuiglichen Nonchalance lange Gesichter machten. alte Baron waren die unzertrennlichsten Freunde > geworden; — ein furchtbares Geschick, das beide Väter und deren Kinder, wenn auch grundverschieden, betroffen, hatte die beiden oi. Alten einander näher gebracht, und beide hatten sich, wie schon vor Wochen ihre Töchter, gelobt, nicht zu ruhen noch zu rasten, bis volles Licht über die schreckliche Vergangenheit aus- gebreitet sei. , Und wieder vergingen Wochen; der Sommer nahte sich seinem hse Badegäste hatten ' sich saft sämtlich schon'verabschiedet, in dem Kurhaus zu A. war es stiller und ruhiger geworden. Da öffneten sich auch die grünen Fenster- : luken des Krankenzimmers, und an schönen, : z sonnigen Morgenden erblickte man den jungen . Baron v. Drathen als langsam Genesenden aus einem bequemen Lehnstuhl am Fenster fitzend '1. und die erquickende frische Gebirgsiust ein- : atmend. Betrachtung zum 24. Ssnntag nach Tvinitatis. Matth. 23, 31. 32. Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen aus dem Stuhle seiner Herrlichkeit und werden vor ihm alle Völker versammelt werden. Und er wird sie von einander scheiden gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Am Schluß des Kirchenjahres, in dem du nur noch drei Sonntage und den ernsten Bußtag hast, denke der letzten Dinge. Sieh in unserm Gotteswort den Richter ohnegleichen! Es ist der Herr, der Gottes- und Menschen sohn in seiner Herrlichkeit. Kannst du auch eine Ahnung haben von seiner Herrlichkeit? Er, Gott von Gott, wahrer Gott vom wahren Gott, erscheint in der Herrlichkeit, die er bei dem Vater hatte, ehe der Welt Grund gelegt ward. Das ist die Herrlichkeit seiner Gnade, Barmherzigkeit und Freundlichkeit ebensosehr wie die seiner Heiligkeit, All macht und Allwissenheit. Die heiligen Enge! Gottes, die gewaltigen hehren Geister, deren herrlichstes Geschäft ist, ihn zu verherrlichen, kommen mit als Begleiter zu dem letzten großen Werke des Mittlers. Welch eine Gerichts versammlung ohnegleichen aber wird sich im Nu, wenn auf seinen Ruf der Strom der Zeiten still gestanden und die Gräber sich geöffnet und das Meer seine Toten wiedergegeben hat und alle Ueberlebenden verwandelt werden, da versammeln! Alle, alle Menschen aus allen Ländern, Zeiten, Zungen, von Adam bis auf den letzten vom Weibe geborene«! Du und ich, wir müssen jdort erscheinen! Da schaust du, die du gekannt und nicht ge kannt, da schaust du deinen Vater, deine Mutter, deinen Großvater, deine Großmutter, alle deine Ahnen; deinen Beichtvater und Lehrer; die, deren Wiedersehn du ersehnt, die, deren Wiedersehn du gefürchtet; die, die du liebtest, die, die du haßtest. Männer finden ihre Frauen, Frauen ihre Männer. Eheleute, die geschieden waren oder getrennt lebten, dort müssen sie noch einmal zusammen vor Gericht! Kinder, welche infolge von Unzucht hier auf Erden vater los waren, finden ihren Vater. Wozu erscheinen sie alle? Um aus des ewigen Richters Munde das ewige Urteil zu der- nehmen. Betrachte den Richterspruch ohnegleichen! Der Herr scheidet die Schafe von den Böcken, d. i. die Folg samen von den Widerspenstigen, die Kinder des Lichts von den Kindern der Finsternis.. Das Gericht ist ja schon über jeden im Tode vollzogen worden. Darnach sand er sich biS zur Auferstehung in der Hölle oder im Himmel, dar nach findet er sich nun im Auferstehungsleib zum ewigen Leben oder zur ewigen Verdammnis. Jetzt soll vor aller Welt offenbaret werden, daß der Herr gerecht gerichtet in dieser Scheidung. Nun sollen die Schafe zur Rechten jauchzend bezeugen, wie sie es seiner Gnade verdanken, daß sie die Seligkeit ererbt. Nun sollen die Böcke zur Linken einsehen, wie es ihre Schuld allein gewesen, daß sie in des Teufels Reich gekommen. Das besagt der Richter OreisrRtsel- ELsung. Pflaster. Es gingen 11 Lösungen ein, davon waren 2 falsch (Natur, Glück) und zwar aus Wilsdruff 3, Limbach 3, Blankenstein 2, Kausbach, Sora und Herzogswalde je 1. Gezogen wurde Lösung Nr. 3 mit der Unterschrift: Frau Marth aBroschmann, hier. Gewinn: Ein großes Bild von Wilsdruff. Ja fürwahr ernst redet Gottes Wort, Wenns nötig ist, von der Verdammnis. Wie willst du dem entfliehen? Da mach dich vertraut mit dem ewigen Leben! werde heimisch! - O 6m ausgerissenes Matt. 14) Kriminal-Novelle von H- Deutschmann. Im Städtchen B. hatte man nach der Rück kehr des Rentiers Ehrlich und seiner Tochter reichlichen Stoff für ganz besondere Neuig keiten, — denn keine Woche verging, wo nicht das herrliche Viergespann des Barons von Drathen bei dem Rentier vorfuhr und der Baron nebst dessen Tochter ausstiegen, während der junge Baron gewöhnlich bald darauf zu Pferde ebenfalls eintraf. Die Besuche wurden ebenso regelmäßig von vom Rentier und seiner Tochter bei dem Baron erwidert, ja die Familien übernachteten sogar saug ASUS beieinander, wenn die alten Herren, was oft vorkam, die Zeit verplauderten, und — auch die Freundinnen sich möglicher weise recht viel zu sagen hatten. „Paß ans," — hieß es — „die Nentiers- tochter wird doch noch Frau Baronin," — und recht neidische Schwätzerinnen verfehlten nicht, bei solchen Gelegenheiten jedesmal hinzu zusetzen: „Ja es war vorauszusehen, man konnte es sich wohl gleich denken, daß das stolze Modeiränlsin den armen, ermordeten Assessor bald vergessen würde, — aber das ist doch zu stark, den Baron, — denselben Menschen, — nun, jeder Hai seine Haut zu Markle zu tragen." Die ganze Stadt B. war von Verlobung und Hockreit test überrennt, nur in den Familien von Drathens und Ehrlichs selber wußte ma» keine Silbe davon. Der junge Baron war völlig genesen, er war der dankbarste, liebenswürdigste Gesell schafter, — aber zur Melancholie blieb er noch immer geneigt, — er konnte daheim in.de» alten Herrenhause stundenlang in seinem Zimmer allein und einsam Hinträumen, — oder er ließ auch wohl sein Lieblingspferd satteln, ritt früh am Morgen in den grauen Herbstnebel hinein und kehrte erst spät am Abend zurück. Der alte Baron ließ ihn gewähr», aber di« um die Gesundheit des geliebten BruderS so sehr besorgte Schwester schüttelte den Kopf und konnte eS nicht über sich gewinnen, ihm mitunter eine Strafpredigt zu halten. Das Schwesterauge sah scharf, sie wußte, daß die Liebe zu ihrer blonden, schönen Freundin in dem Herzen des Bruders nicht ei- loschen war, ja daß sie nur um so heftiger brannte, als er sich Mühe gab, das heiße Feuer zu verbergen. Die stumme Liebe, die verborgen und hoff nungslos in seiner Brust loderte, war allein Ursache seiner finsteren Gemütsfiimmung, er kämpste vergeblich gegen diese geheime Macht, die immer und immer wieder zum AuS- bruch kam. Aber Melanie hatte auch einen Blick in ein andres Herz getan, in das Herz ihrer Freundin. Als das schöne blonde Mädchen zum erste« Male mit dem Baron bekannt wurde, damalt war er ihr als ein leichtsinniger, reich« Adliger geschildert, der die Frauenherzen al» eins Art Spielzeug ansab. mit dem er ück alte Herren und zwei junge Damen, deren Augen beide ;etzt so fröhlich und glücklich auf den Rekonvaleszenten blicken, denn sie sehen, wie die todbleichen Wangen ganz allmählich eine sanfte Röte annehmen, wie das matt gewesene, umflorte Auge wieder zu glänzen be ginnt, ja, wie der Mund des jungen Barons, der seit langer Zeit nur die ernsten, bittern Falten eines geheimen Wehs zeigte, jetzt mit unter lächeln kann, glücklich vor sich hinlächeln, als läge die ganze Vergangenheit begraben, und eine schöne, Frieden und Freude verheißende Zukunft öffnete sich dem Blicke des stillen Träumers. Die Schwester und die dieser zur treuesten Freundin gewordenen Tochter des alten Rentiers, führten denn auch wohl den Rekonvaleszenten durch die Spaziergänge des weiten Gartens, durch die breiten Alleen, an deren beiden Seiten die alten Buchen standen, und wenn es dann in den Wipseln der mächtigen Bäume leise rauschte, dann auch lächelte des jungen Mannes Mund, als flüsterten geheime Stimmen ihm viel Liebes und Trautes ins Ohr. So genas der junge Baron zur unaus sprechlichen Freude der Seinen und der kleinen Ehrlichschen Familie bald ganz, und als das erste rauhe Herbstwetter sich einstellte, da ver- ließen drei Reisewagen zusammen daS Kurhaus zu A., den Weg nach dem Provinzialstädtchen B. einschlagend. In dem Reisewagen aber saßen nicht etwa wieder getrennt die Familie von Drahten und der Rentier mit seiner Tochter, nein, in einem der Wagen saßen be- baalich nebeneinander der alte Baron und sein Ebenso berühmt wie die natürliche Schlichtheit des Königs ist seine feine, aber nie bösartige Malice, sein — fast möchten wir sagen — ausgelassener Humor. Er fragte eine Frau, wieviel Kinder sie habe. „Sieben, Majestät" erwidert sie. — „guo tÄiciäaäl« (Welches Glück!) ruft er bewundernd aus. In Arenys de Mar überreicht man ihm ein Schächtelchen mit Mandelbonbons, eine etwas „anrüchige" Spezialität des Ortes. Gerade in diesem Augenblicke sollen die offiziellen Begrüßungsreden gehalten werden. Der König streckt daS Schächtelchen rasch dem Abgeordneten Sagnier hin, nötigt ihm zwei Bonbons auf und sagt, als er steht, daß der unglückliche Deputierte den Mund voll hat: „Nun, Herr Sagnier, haben Sie das Wort!" Eines Tages scherzte der König mit einem älteren Offizier der Schloßwache. Der Hauptmann, der aus den Worten deS Monarchen einen leisen Spott herauszuhören glaubte, sagte plötzlich vorwurfsvoll: „Es scheint mir, als ob Sie mich bei den Haaren packen", das heißt sich über mich lustig machen wollten. — „So geschickt werde ich in meinem ganzen Leben nicht sein", erwiderte der König, indem er einen mitleidsvollen Blick auf den radikal kahlen Schädel des armen Hauptmannes warf. Als der König in Bar celona weilte, veranstaltete man ihm zu Ehren im Hafen Ruderregatten. Alfonso erschien und sah, daß man die sür die Behörden bestimmten Plätze durch Ketten abge sperrt hatte. Mit einem Satz sprang er wie ein Junge über die Ketten und nahm von den zur königlichen Tribüne führenden Stufen immer zwei auf einmal zur großen Verzweiflung seines Gefolges und vor allem des Generals Pacheco, Ler, ein alter hinkender Mann, alle Hindernisse im Laufschritt nehmen mußte. Wenn der König auf Reisen ist, sind seine Tage gewissenhaft auS- gefüllt, und es passiert ihm manchmal, daß er von 5 oder 6 Uhr morgens bis gegen Mitternacht repräsentieren muß. Eines Tages übergab er-seinem Ministerpräsidenten ein „alluntertänigstes" Gesuch: „Es ist eine Bittschrift", sagt er, „die mir heute überreicht worden ist; ich empfehle sie Ihrer besonderen Aufmerksamkeit und ich wünsche, daß Sie die Bitte erfüllen." Der Minister wollte etwas er- widern, aber der König unterbrach ihn mit den Worten: „Kein Aber, lesen Sie und handeln Sie danach!" Nun öffnete der Minister das Gesuch und sah, daß es vom König selbst geschrieben war: Der Monarch verlangte, wie die Arbeiter, für sich den Achtstundentag und vollständige Sonn tagsruhe! Wenn Alfonso aber auch gern scherzt und lacht, so will er doch nicht ausgebeutet werden. Als seine Groß mutter Isabella starb, ging er persönlich in einen Laden und wollte schwarze Handschuhe kaufen; der Kaufmann wollte das Glück beim Schopfe fassen und verlangte für die Handschuhe nicht weniger als 50 Mk. „Nein, nein", sagte der König, indem er sofort den Laden verließ, „was soll denn mein Volk sagen, wenn ich so teure Hand schuhe trage!" Die Zahl der Geschichten, die von dem Sportsmann Alfonso erzählt werden, ist Legion. Die meisten haben auf seine Autofahrten Bezug. In Madrid hielt einmal ein Schutzmann, der nicht wußte, mit wem er es zu tun hatte, den königlichen Kraftwagen auf der Straße an. Der Polizist erkannte aber sofort seinen Irr tum und stammelte einige Entschuldigungen. Der König wollte zunächst wissen, warum er aufgehalten worden sei. „Weil Kraftwagen auf dieser Straße nicht fahren dürfen, Majestät!" „Wenn es so ist", erwiderte der König, „will ich auch nicht mehr hier fahren. Der König muß den Gesetzen und Verordnungen ebenso gehorchen wie der letzte seiner Untertanen!" Rührend in seiner unstet-