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Nr. 104. Zweites Blatt. Sonnabend, 2. September 1905. Preisrätsel- Losung. Es gingen 16 richtige Lösungen ein und zwar aus Wilsdruff 6, Limbach 3, Grumbach 2, Herzogswalde, Kaufbach, Huhndorf, Wanken stein und Röhrsdorf je l. . Gezogen wurde die Lösung Nr. 8 mit der Unterschrift: Arthur Hunger, Ratskopist, Wilsdruff. Gewinn: Lessings ausgewählte Werke. Neue illustrierte Aus- gäbe. Herausgegeben von Dr. Karl Macke. Illustriert von H. Tischler, L. Berwald und Anderen. Betrachtung zum 11. Sonntag nach Trinitatis. Ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben, die Juden vornehm lich und auch die Griechen. Röm. 1, 16. An die Römer ist dieses Wort des Apostels Paulus gerichtet. ES ist ein Zeugnis seines festen, freudigen Glaubens sowohl, wie seines freudigen Mutes, mit dem er an sein Werk herangeht, auch den Bewohnern der Welt. Hauptstadt Rom das Evangelium zu bringen und Christum zu predigen. Daß diese Ausgabe für iHv nicht leicht sei, wußte er, denn auch unter den Römern gab es viele, denen das Wort vom Kreuze wie den Juden und Heiden ein Aergernis und eine Torheit war. Solche Leute aber gibt es auch heute noch. Ihnen gegenüber gilt es, mit einem offenen Bekenntnis für das Evangelium einzutreten. Mag uns dazu der Apostel Paulus ein Vorbild werden. Brauchen kann das ein jeder, wegen der mancherlei Feinde um uns und in uns, weicht das Evangelium, die frohe Botschaft des göttlichen Wortes, verlästern und herabziehen, ja uns schließlich dazu verführen, daß auch wir uns des Evangeliums von Christo schämen. Aber das soll und das darf ein Christ nicht. Er braucht es auch nicht. Denn das Evangelium von Christo ist eine Kraft und zwar nicht eine wenschlische, also auch damit unvollkommene vergängliche, sondern wie Paulus schreibt, eine Kraft Gottes, also ewig und vollkommen. Nicht von Menschen stammt das Evangelium, sondern vom dreieinigen Gott selber. Darum ist auch seine Wirkung so herrlich, denn es führt wieder hin zu Gott und macht selig alle, die daran glauben. Wer das noch nicht weiß, der mag sich hineinversenken in das Wort Gottes und in seiner Bibel lesen. Dann wird er die alte, ungebeugte Wunderkraft des Evangeliums darin finden, daß es selig macht schon hier auf Erden durch den Frieden, den es hineingießt in unsre Herzen, aber daß es vor allen Dingen hilft zu der Seligkeit, die der Herr uns geben will, wenn er uns Heim- Holt in die ewigen Hütten. Diese Seligkeit ist das höchste und köstlichste Glück, was uns gewährt werden kann. Wenn nun ein Mensch schon das sehr hoch schätzt, was ihm ein kurzes irdisches Glück gibt, dann haben wir doch noch viel mehr Ursache, das Evangelium über alles zu schätzen, denn es verhilft uns zu dem himmlischen Gute des ewigen Heiles. Es ist eine Kraft Gottes, die selig macht nicht blos die von Gott zuerst berufenen Juden, sondern auch die Heiden, mit einem Wort, jeden Menschen der daran glaubt. Darum fort mit der kindischen, sündigen Nichtachtung des Evangeliums, fort mit der lächerlichen sündigen Scheu, sich zu diesem Evangelium von Christo Jesu zu bekennen! Nicht bloß die Geistlichen aut den Kanzeln, die Lehrer auf den Kathedern, sondern jeder Christ, ohne Unterschied müssen es alle Zeit bekennen, freudig und gläubig, was Paulus in unserer Stelle an die Römer schreibt. Zu diesem Bekenntnis aber werden wir geführt, wenn wir fleißig handeln nach den Worten der Erklärung des 3. Gebotes, daß wir Gottes Wort gerne hören und lernen. Je mehr und je treuer wir das tun, um so mehr enthüllt sich cs uns als eine Kraft Gottes, daß auch wir mit Paulo sprechen: Ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht. wie man Prinzen erzieht. Eine hübsche Anekdote aus dem Leben des Kaisers Maximilian von Mexiko erzählt im „Gaulois" der General Pierron, der Sekretär des Kaisers in Mexiko war. Die Episode spielt in der Zeit, da der junge Erzherzog als Kadett in die österreichische Marine eingetreten war. Er kam an Bord der Fregatte „Schwarzenberg", die von dem Kapitän Hadik von Futak, einem echten Dalmatiner, be fehligt war. Der alte Seebär war über den neuen Ka detten nicht weniger als erbaut, und er äußerte sich auch ganz offen darüber, daß der Prinz nur Verwirrung stiften, aber keinen Dienst leisten werde. Als der junge Erzherzog dies erfuhr, sagte er nur: „Ich werde ihm zeigen, wie ein Erzherzog Dienst tun kann." Als das Schiff nun an einem schönen Tage im Hafen von Neapel Anker warf, entzückte den Erzherzog das herrliche Panorama, und er beschloß, unverzüglich an Land zu gehen. Aber gerade an diesem Tage hatte der „Kadett Maximilian" von zwei bis vier Uhr nachmittags Dienst zu tun. Er teilte seinen Per- druß dem Sekretär mit, den man ihm gelassen hatte. Dieser meinte: „Eine großartige Idee! Hoheit legen Ihre Erzherzogsuniform und den Stephans-Orden an, dann wird kein Mensch Ihnen verbieten, daß Sie an Land gehen!" „Freilich eine hervorragende Idee!" Der Herzog legte große Uniform an, steigt auf Deck, grüßt den Komman- danten respektvoll und sagt ihm: „Ich habe die Ehre Ihnen mitzuteilen, daß der Erzherzog Maximilan an Land geht." „Ach", erwiderte der Kommandant mit seiner gewöhnlichen Schlagfertigkeit, „ich werde doch niemand anders die hohe Ehre überlasten, kaiserliche Hoheit zu geleiten. Macht das Boot fertig!" Auf diese Antwort war der Herzog nicht gefaßt; aber er mußte gute Miene dazu machen. Bet der Landung am Kai sagte der Kapitän zum Erzherzog: „Hoheit wissen doch, daß unser erster Besuch dem Ge sandten seiner kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät gelten muß, der uns bei Hofe vorstellen wird. Alsdann werden wir unsere Besuche bei den fremden Gesandten machen müssen." In der Tat wurde der ganze Nachmittag diesen Besuchen gewidmet, — das war ein hartes Stück Arbeit. Als sie fertig waren, fühlten sie, was sie getan hatten. Dann mußten sie an Bord zurück kehren. Der Erzherzog ging in seine Kabine und erzählte seinem Sekretär sein Mißgeschick. Kaum hatte er seine Kadettenuniform wieder angelegt, als ein Schiffsjunge klopfte. „Was gibts?" „Der Schiffskommandant läßt Sie zu sich bitten". „Das kann nicht mir gelten; ich bin eben von ihm gekommen." „Pardon, Sie sollen kommen". Der Kadett Maximilian kommt auf das Deck und sieht den Kommandanten, der von seinen Offizieren umgeben ist. Schlimmes Zeichen, denkt er. Und in der Tat beginnt der alte Seebär: „Kadett, es scheint mir, daß ich Sie heute an Land gesehen Habel" Sich an den ersten Offizier wendend, fährt er fort: „Hatte dieser Kadett nicht heute Dienst?" „Herr Kommandant, von 2—4 Uhr hatte er Wache." „Wie, Herr Kadett, Sie haben Ihren Dienst versäumt? 30 Tage erhalten Sie keinen Landurlaub und vier Stunden stehen Sie im „Mars" Posten! . . . Macht die Winde fertig zum Ankerlichten!" Rurze Lhronik. Nach zwei Jahre« wiedergefun-e«. Ein Guts- besitzer in Beckum (Westf.) verlor vor etwa 2 Jahren sein Portemonnaie mit einem größeren Geldbeträge. Beim Pflügen eines Ackers wurde es nun kürzlich wiedergefunden. Die Goldstücke waren noch in ihrem natürlichen Zustande. Schlimmer aber sah es mit dem Papiergelde aus, das an scheinend aus einem zusammengeknickten Hundert markschein bestand, der durch die Bodenfeuchtigkeit nicht nur feine Farbe verloren hatte, sondern dessen Ränder auch vom Moder stark angefressen waren. Der König!. Rentmeister Peltzer sandte die Teile, so wie sie waren, an die Reichsbank und die Untersuchung daselbst ergab, daß es sich nicht um einen, sondern um 2 durch die Nässe zusammengeklebte Hundertmarkscheine handelte. La auch die Nummern glücklicherweise noch erhalten, über wies die Reichsbank dieser Tage dem Gutsbesitzer 200 Mark als Ersatz für die beiden eingesandten Scheine. Erst zehn Tage nach dem Tode beerdigt. Aus Berlin wird berichtet: Der folgende peinliche Vor fall bedarf noch der Aufklärung. Eine Köchin K., deren Eltern in einem Dorfe auf Rügen wohnen, starb jüngst an einem Freitage im Krankenhause Moabit. Kurz nach ihrem um */,8 Uhr erfolgten Ableben sandte das Bureau des Krankenkauses einen Brief an die Eltern der Ver storbenen, der aber infolge postalischer Versäumnis erst am Montag mittag seinen Bestimmungsort erreichte. Da, wie ausdrücklich hervorgehoben war, die Beerdigung nach drei mal vierundzwanzig Stunden stattfindcn sollte, sahen sich die Eltern außer Stand, rechtzeitig in Berlin einzutreffen und blieben daher fern. Sie beauftragten jedoch einige Verwandte, am Grabeshügel der Verstorbenen Kränze nieder- zulegeu. Groß war die Ueberraschung dieser Leidtragenden, als sie am neunten Tage nach dem Tode mit Kränzen Goldsucher. Roman von Edela Rüst. . (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Frau Kauffmann war nun auch in ganz fröhliche Stimmung geraten und machte sich mit Eva daran, all diese sonderbaren Schätze an den Wänden des Salons zu befestigen. , . .. . „Konrad kann ja alles nachher m seinem Zimmer oder bei den Töpfen zur Parade stellen, aber bis dahm sollen doch all die Kuriositäten nicht in der Verpackung moderig werden", beruhigte Eva die alte Dame, die der teuren Tapeten wegen doch ihr Bedenken hatte. Dazwischen schielte Eva immerfort nach dem Schränk chen, in dem Konrad ihre Babyschuhchen verwahrt gehalten hatte. Ob sie da wohl noch drin standen? Sie hätte sie sich zu gern noch einmal in aller Ruhe und Rührung be sehen. „Hast Du die Schlüssel zu dem Schrank, Tante Julchen? Was steckt denn da eigentlich drin?" „Ich glaube, gar nichts! Die Schlüssel hat Konrad alle abgezogen, in Gedanken vielleicht. Wie kommst Du darauf?" „Ach, es kam mir nur eben in den Sinn, weil der Schrank solch ein kleines Kunstwerk ist. Aber nun wollen wir wirklich lesen, komm!" Sie setzten sich auf den Balkon und lasen abwechselnd die Briefe laut vor, es waren einige achtzig. Vieles be zog sich auf Barken und entsprechende Wirtschaftsangelegen heiten. Die wurden dann rasch überschlagen, Eva interes sierten vor allem die Berichte über das eigenartige Leben drüben, auf der Farm und auf den Goldfeldern. Es las sich doch so anders als die vielen Bücher über Alaska, die sie mit ihrem Vater durchstöberte. Hier war doch alles persönlich erlebt, alles privater Natur, mehr der alltägliche menschliche Kleinkram herausgekehrt als technische Aus arbeitungen über das Schachtwesen und das Goldfinden an sich. Es ist doch ganz etwas anderes, wenn ein guter Freund uns erzählt: So sieht es dort aus, so habeich dort gelebt, das habe ich an mir und anderen erlebt, als wenn ein Unbekannter uns mit gelehrten Unverständlich keiten und Weitläufigkeiten kommt. Es ist doch um vieles unterhaltender zu erfahren, daß sich in der größten Dürre dort die Fliegen den Men schen in die Augen setzen, um nur zu irgend einer Feuch tigkeit zu gelangen — sie lassen sich nicht verjagen, man muß sie mit den Fingern fortnehmen. Daß die weißen Damen sich um die Zeit tagelang mit Buch und Hand arbeit in die Badewanne legen, bis das Wasser auch 36 Grad erreicht. Daß sie sich, gleich nebst Chaiselongue, auf acht Tage in den Schacht hineinfahren lassen, den einzigen Ort, wo man vor dem Geröftetwerden sicher ist. Und welcher Jubel, wenn dann endlich die Regenzeit kommt, Jubel bei Mensch und Vieh! Die Pferde brechen aus den Koppeln aus und laufen nach den ferneren Minen zu anderen Koppeln bis auch hier die Kollegen ausbrechen und mit auf die Wiesen laufen, die plötzlich mannshohes Gras und Millionen kleinere Blümchen aufschießen lassen. Wenn alles abgegrast ist, laufen die erquickten Vierfüßler wieder vergnügt nach Hause — sie haben ihre Jahres erholung hinter sich. Eva hatte sich ganz rote Wangen und Ohren gelesen, als der Kaffee serviert wurde. Frau Kauffmann packte nun die Breifschaften schnell zusammen, es war genug. Nach dem Kaffee wollten sie wirklich einen fidelen Brief an Konrad schreiben, d. h. Eva sollte schreiben und ein paar selbstgepflnckte zerdrückte Blumen einlegen. Der Duft des frischgebackenen Kuchens, der sich mit dem schweren Rosen duft mischte, der von unten aus dem Rundell herausstieg, die weithin übersehbaren Wiesen mit dem grasenden Vieh, und der stille, warme Wind, der aus leis singenden Wipfeln über den Balkon wegstrich — wie behaglich war das alles, wie weich und friedlich! Das Heimatsgefühl, die Zugehörigkeit zu diesem Frieden überkam Eva mit aller Gewalt. Es überfiel sie der Ge danke, daß sie in der Ferne, in der Fremde doch wohl et- was entbehrt haben mochte, nachdem der erste Freiheits- Trubel mehr verklungen und sie seßhaft unter Fremden geworden war. Freilich, in ihrer Kunst war sie überall daheim. Aber sie gehörte doch wohl zu den Seelen, die am Kleinen im Menschendasein hafteten, denen das Großtreiben doch nur hohles Getöse bleibt, denen die Paraderollen auf der Welt bühne nicht als ersehntes Endglück vorschweben. Eva erschrack vor diesem Gedankengang. Sie durfte sich nicht zurückgleiten lassen, sie trat in die Welt ein und mußte im Getöse stehen. Sie hatte schwer und langsam begriffen, was Aline und Patric Swansen ihr täglich predigten: auch die Kunst ist in erster Linie ein Kampf! „Sag mal, Nuckchen, ist es denn wahr, daß Kollmanns schon in den furchtbarsten Schwulitäten stecken?" „Davon weiß ich kein Wort! Woher denn über haupt?" „Sie sollen ja leben wie die Grafen und immer aus des alten Kollmann Tasche. Jetzt soll er aber nicht einen Pfennig Schulden mehr bezahlen." „Wer hat Dir denn das aufgebunden, Tante Julchen?" „Blücherhilde Kleistrine hat das so aus dritter Hand von Bremen erfahren. Ja, was denkt sie denn, die Aline! Immer nur Gesellschaft geben und in Gesellschaft gehen! In jedem Theater, jedem Konzert sollen sie zu treffen sein — aber verkauft soll noch keiner etwas haben von all ihrer bemalten Leinwand! Können sie denn überhaupt was?" „Man sagt doch, ja! Besonders Kollmann soll sehr talentvoll sein, aber freilich, er kommt nicht viel zur Arbeit, weil sie wirklich ..." „ . . . Vor Vergnügen keine Zeit haben. Na also!" „Gott, es ist ja wahr, Aline übertreibt vielleicht ein bißchen, aber weißt du, es ist doch beinahe, als ob man immer mitten drin sein muß, sonst sehen einen die Leute