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nichts zu sagen", verließ er mich. Ich blieb allein im Zimmer. Nach zehn Minuten kam der König zurück, setzte sich neben mich, und das Gespräch ging weiter. Der König: „Warum wollen Sie nicht versprechen, zu schweigen?" — Wukaschin: „Meine Weigerung bezieht sich auf Staatsan gelegenheiten. Wenn Sie mir etwas Nichtdienstliches sagen, was absolute Verschwiegenheit verlangt, dann wird das Geheimnis mit mir ins Grab gelegt werden." — Der König: „Gut. Jetzt hören Siel Sie wissen, Wukaschin, daß ich weder eine Kindheit, noch eine Jugend gehabt habe, wie alle Menschen haben. Der ewige Zank zwischen meinen Eltern hat mir das Leben verbittert und meine Gesund heit, besonders meine Nerven, zerstört. Dieses Leben hat in mir jedes Gefühl getötet. Ich habe niemals besonderen Ehrgeiz besessen, nicht einmal den, als König zu herrschen. Die Krone habe ich nicht nach meinem Willen getragen, sondern weil ich dazu verpflichtet war. Sie müssen das schon bemerkt haben." — Wukaschin: In dem, was Ma jestät jetzt gesagt haben, liegt etwas Wahrheit, aber die Sache betrifft so delikate Familienverhältntffe, daß ich mich nickt für berufen erachte, dreinzureden." — Der König: „Gut. Hören Sie mich weiter an. Ihr alle habt immer gesagt, ich solle doch heiraten. Ich habe mich entschlossen, Euch den Willen zu tun. Bei dieser Entschließung fand ich, daß mir die großen Herrscherhäuser keine von ihren Töchtern geben werden. Keine Prinzessin aus einer großen Dynastie will meine Frau werden. Sie wäre auch närrisch, das gute Leben, welches sie zu Hause hat, mit dem Leben in Serbien zu vertauschen. Eine Prinzessin von irgend einem kleinen Hofe, aus einer Nebenlinie, zu nehmen, habe ich keine Lust, und das wäre auch für unser Volk von keinem Nutzen. Eine Fremde aus einem solchen kleinen Hofe würde trachten, Einfluß auf unsere Staatsgeschäfte zu nehmen. Das würde neue Zuckungen im Lande hervor- bringen und mich in eine sehr schwierige Lage versetzen. Deswegen habe ich mich entschlossen, eine Serbin zu heiraten, eine Tochter meines Volkes. Was denken Sie, Wukaschin?" — Wukaschin: „WaS mick persönlich an be langt, ich habe nie aristokratische Vorurteile gehabt, sondern gehöre eher der demokratischen Strömung an. Und des wegen, Majestät, — nicht aus den Gründen, welche Ew. Majestät angeführt haben und welche nicht stichhaltig sind, — deswegen hätte ich absolut nichts dagegen, wenn Majestät eine Serbin heiraten wollten. Selbstverständlich müßte unsere zukünftige Königin wenigstens fünf Jahre jünger sein als Sie; sie müßte aus einem guten Hause und gut erzogen sein. Sie muß jung und rein sein, wie ein Engel, und dann wird sie die Liebe des Volkes als Königin begrüßen. Nur in einem solchen Falle würde sowohl die Regierung, als auch das ganze Volk lieber eine Serbin, als eine Fremde auf dem Throne sehen." — Der König (aufstehend): „Ja, darin liegt eben die Schwierigkeit, oatz ich schon eine Frau habe, welche ich mehr liebe, als alles auf der Welt, eine Frau, mit welcher allein ich vollständig glücklich sein kann, und nur wenn ich diese Frau habe, kann ich mein ganzes Leben den Interessen des Volkes widmen. Auf der ganzen Welt gibt es nur eine einzige Frau, welche imstande ist, mich alle bisher igen Bitternisse meines Lebens vergessen und mich glück lich zu machen. Diese Frau war auch bis jetzt mein guter Engel, welcher mir die Kraft gegeben hat, alles das auszuhalten, was ich bisher auszuhalten hatte." — Wu- kaschin: „Und wer ist diese Frau, Sire?" — Der König: „Es ist die Frau Draga, die Tochter des ver storbenen Panta Lunjevitza." — Wukaschin: „Draga Ma- schin! Nein, Majestät, das kann nicht, das darf nicht sein!" Meine kalte und ruhige Antwort schien dem König aufs tiefste verwundet zu haben. Seine Augen füllten sich mit Tränen des Zornes. Er nahm die Augengläser herunter, putzte sie krampfhaft, steckte sie wieder auf, nahm den Schnurrbart in den Mund, sprang auf, lief im Zimmmer herum, setzte sich wieder, sprang wieder auf und ging wieder herum. Schließlick blieb er vor mir stehen und sagte: „Sind Sie mein Freund, Wukaschin?" — Wukaschin: „Das bin ich, Sire." — Der König: „Wenn Sie mein Freund sind, dann müssen Sie mir Helsen, diese meine Absicht auszuführen. immerhin nach außen keine ganz kleine Domäne, wo er herrschte, kalt und rücksichtslos. Das macht vieles wieder wett nach innen. Es wurde zum Kolillon geblasen. Ständer mit den opulentesten Buketts und ein Riesenhandkorb mit den schönsten Orden, ein ganzer Tisch voll reizende Präsente und aller hand Scherz-Touren-Artikel wurden in den Saal getragen, und junge Mädchen mit runden Tausendschön- undHccken- rosen-Kränzchen, die anmutlos bis in die Stirn weghingen, erbebten bis ins tiefste Herz: Wird auch der Richtige die richtigen Sachen bringen? Wird auch die Grete von Superintendents oder des Landrats Else nicht wieder so beleidigend ausgezeichnet werden, daß sie sich eine Reise tasche zur Abfahrt ausbitten müssen, um all die Gaben, von heißen Jünglingsherzen gespendet, glücklich nach Hause zu bringen? So war es neulich schon mal hergegangen — hoffentlich ist's heut anders! Heute freilich verdunkelt die blonde Eva von Coßnitz in ihrem unerhörten Staat die ganze hüpfende Lämmergesellschaft. Aber sie sieht fast aus wie eine junge Frau, so reich, so apart, als konkur riere sie mit dem verheirateten Landadel und nicht mit ihren Spielgefährtinnen. Zwar zählte sie schon nicht mehr recht mit. Denn daß, trotz allen Widerspruchs, sie mit Konrad Kauffmann einig war, das sah ja auch das allerjüngste der Lämmchen, daS mit dem jungen Strcsin zwei Stühle bezog, und Eva, die natürlich mit Kauffmann engagiert war, gerade so recht unverhohlen verstohlen hinter die Palmen gucken konnte. Konrad Kauffmann halte für das einzig vorhandene lau- schige Plätzen im Erkerfenster gesorgt — da saß man nicht so auf dem Präsentierteller, sondern von allerhand Grünzeug umnickt, fast wie in einem kleinen Wintergarten. Kauffmann hatte schon den ganzen Abend mit sich gekämpft, ob er heute endlich mit Eva sprechen oder die Ballgelegenheit vorükergeben lassen sollte, in die seine Herzensstimmung so wenig hineinpaßte. Seit Wochen war er schon mit sich zu Rate gegangen, ob wohl die Anders kann es nicht sein. Wer immer mich an der Aus führung dieses meines Entschlusses hindern würde, wäre mein Feind. Ich werde von dieser meiner Absicht nicht Massen, was immer geschehen möge." — Wukaschin: „Da es so ist, erkläre ich sosort, daß ich nicht mehr Minister Ew. Majestät bleiben kann. Die schriftliche Demission werde ich Ihnen bringen, sobald Sie mich weggehen lassen, um meine Kollegen einzuberufen und ihnen mitzuteilen, was Sie mir gesagt haben.". . . Es war klar, daß der König das Gespräch absichtlich in die Länge zog, um für sich etwas Zeit zu gewinnen. Deswegen ging Wukaschin direkt auf dasjenige über, was die Hauptsache war, indem er sagte: „Ich bitte, Majestät, gnädigst verzeihen zu wollen, wenn ich etwas sagen sollte, was einem demissionierten Minister nicht ziemt. Ich kann durchaus nicht glauben, daß Sie ernstlich daran denken, Frau Draga zu heiraten. Ja, sehen Sie denn nicht, Majestät, daß dieser Schritt geradezu der Selbstmord der Dynastie wäre? Lassen wir alle anderen Mängel der Frau Draga, so wäre ihre erwiesene Unfruchtbarkeit genug, um das scharfe Urteil zu begründen, welches ich soeben ausgesprochen habe. Aber auch die übrigen Mängel dieser Frau können nicht außer Acht gelassen werden. Sie ist viel älter als Ew. Majestät, sie genießt keinen guten Ruf — ob mit Recht oder nickt, ist in diesem Falle nicht wichtig; sie wird, wie es so oft im Leben geschieht, eine gerade so schlechte Gemahlin sein, als sie eine gute Geliebte war. Sie müssen wissen, daß Peter Kara- georgewitsch durch eine Heirat Ew. Majestät mit der Draga mehr erreichen wird, als wenn er eine Million Napoleondors für die Agitation gegen die Obrenowitsch verwenden würde. Sie müssen wissen, Sire, daß kein einziger europäischer Hof Sie nach einer solchen Heirat mehr empfangen wird; alle Souvernärc Europas werden Sie nach einer solchen Heirat boykottieren. Sie müssen wissen, Sire, daß gegen eine solche Heirat die gesamte Intelligenz - Ihres Volkes rebellisch werden wird, und sie wird sich mit dieser Tat sache nie aussöhnen. Seien Sie schließlich überzeugt, Sire, daß nicht bloß Ew. Majestät, sondern auch Serbien infoge eine solchen Heirat in der Welt jedes Ansehen verlieren, und daß es eine Zielscheibe für den Spott und die Ver achtung werden wird. Alles das habe ich gesagt, nicht als Minister Ew. Majestät, denn das bin ich nicht mehr, sondern als Sohn dieses Landes, in welchem die Gebeine meiner Eltern und meiner Söhne liegen. Ich spreche als Mensch, welcher entschlossen ist, wenn es notwendig ist, sein Leben zu opfern, wenn er nur damit seinen König vor diesem schicksalsschweren Fehltritte retten kann. ..." Der König (ins Wort fallend): „Hören Sie, Wukaschin! Ich bin unerschütterlich entschlossen, Frau Draga zu heiraten. Beleidigen Sie mich nicht durch Angriffe auf diese Frau. Sie ist eine ehrliche Frau, nur ihre Feinde sprechen schlecht von ihr. Sie ist nicht unfruchtbar, wie Sie sagten. Sie hat bis jetzt bloß deswegen nicht geboren, weil wir keine außerehelichen Kinder haben wollten, aber ich bürge Ihnen dafür, daß ich innerhalb eines Jahres einen Sohn haben werde. Was die Differenz im Alter anbelangl, sie ist bloß acht Jahre älter als ich, und Sie wissen, daß es in unserem Volke häufig vorkommt, daß der Manu jünger ist als die Frau. Ich weiß, daß die Feinde diese Gelegen heit im Kampfe gegen mich und unsere Dynastie ausnützen werden, aber ich bin überzeugt, daß sie nie einen Erfolg haben werden. Sie sprechen als Freund, aber Sie werden erlauben, daß ich auch meine eigene Ueberzeugung habe. Die Ihrige ist auf Hypothesen aufgebaut, und die meine gründet sich auf Beweise. Ich will Ihnen gleich den Be weis liefern, daß Draga eine ehrliche Frau ist: Ich habe sie schon im Jahre 1894 kennen gelernt. Ihre Bescheiden heit, ihre Klugheit, ihr ganzes Benehmen haben mir ge- fallen, haben mir imponiert. Ich habe jede Gelegenheit ergriffen, mich ihr zu nähern, sie ist bei jeder solchen Ge legenheit ausgewicken. Als es mir schließlich glückte, mich in ihr Zimmer einzuschleichen, hat sie aus das energischste protestiert, und als ich ihr erklärte, ohne sie nicht leben zu können, hat sie mich einfach aus ihrem Zimmer gejagt — mich, den König. So handelt nur eine ehrliche Frau. Die ganze Zeit, die wir zusammen in Biarritz zugebracht rechte Zeit schon da sei, seine Seele vor ihr zu entschleiern, und immer hatte er noch davor zurückgeschreckt. Eva war ja doch noch solch ein Kind an Jahren, er mochte sie nicht vorzeitig beunruhigen und sie zu einer Entscheidung drängen, über deren Tragweite sie sich vielleicht doch noch nicht ganz klar sein mochte. Seit seinem letzten Besuch bei den Coßnitz' hatte das Tauwetter den Eislauf mit Eva verhindert, und darüber hinaus gab es nur selten Alleinsein mit ihr. Es hatte ihn aber geschäftlich letzthin das Glück so verfolgt, daß eine gewisse Gchobenheit in zu dem Schritte trieb, der sonst doch vielleicht weiter hinausgerückt geblieben wäre. Trotzdem war er heute nicht willens gewesen, sich sein Herzensglück zu erobern, er wollte auf eine stillere freund liche Stunde warten. Aber als er Eva gegenüberstand, fand er sie plötzlich so viel reifer und älter geworden, ihr ganzes Auftreten so viel imposanter und frauenhafter, daß es ihn gleich durchfuhr: sprich, oder sie entgleitet dir, ehe du es gewahr wirst. Der Zauber ihrer herben sich erschließenden Jung fräulichkeit hüllte ihn wie eine duftende Wolke ein und nahm ihm für Augenblicke ganz die Besinnung, wenn er sie beim Tanz in den Armen hielt. Aber dann suchte er sich immer wieder gewaltsam zu ernüchtern, namentlich wenn er Tante Alexandras spitze Blicke zu ihm hinüber stechen fah. Er wollte sich zu nichts zwingen, der Zufall sollte entscheiden heut, oder ein andermal. Und nun saß er mit ihr so abgeschlossen von den anderen, und jedesmal, wenn sie aus dem Tanzkreis in ihre ,grüne Laube' zurückkehrten, trieb es ihn, sie in seine Arme zu nehmen, und ihr im ersten Kuß seine lange, heiße Liebe zu gestehen. Er glaubte nicht, daß es vieler Worte bedürfen würde zwischen ihnen — ste mußte doch wissen, wie es um ihn stand. Es fiel ihm auch auf, daß ihr frisches Lachen sich sofort verlor, wenn sie mit ihm allein zusammensaß — ein er-^s Jnsichblicken schien dann von haben, hat ste mir nicht erlaubt, ihr näher zu treten. Erst viel später, als sie nach Belgrad kam und als ich sie überzeugte, daß ich wirklich ohne sie und ihre Liebe nicht leben kann und, als ich ihr die traurige Rolle gestanden habe, welche ich bis dahin in meinen Beziehungen zu weiblichen Personen gespielt habe, erst dann hat sie sich für mich geopfert. Ja, ich bin sterblich in sie verliebt, ich kann ohne sie nicht leben, ste ist mein bester Ratgeber in allen wichtigen Angelegenheiten." Aus Sachsen. Wilsdruff, 26. Juni 1905. Ein schweres Unglück aus der Straßenbahn ereignete sich am Dienstag abend in der 10. Stunde in Plauen i. V. Infolge Versagens der Bremse fuhr ein zahlreich besetzter Wagen der elektrischen Straßenbahn die steile Bahnhofstraße hinab, entgleiste am „Tunnel", zer störte einen Teil des Sydowschen Ladens und schlug dann an der Treppe am Eingänge zur Schustergasse um. 16 Personen find verletzt, drei davon schwer, eine tot. Der „Vogtl. Anz." berichtet über den Unfall des näheren: „Bei dem Straßenbahnwagen Nr. 11 zeigte sich, als er vom Bahnhof abwärts fuhr, daß die Bremsen versagten, und der Bahnschlosser Schröter wurde deshalb beauftragt, den Wagen nach dem Depot zurückzubringen. Nachdem die eine Bremse auf dem Albertplatze vorläufig von dem Schlosser mit Hilfe eines Strickes befestigt worden war, versuchte der Wagenführer weiterzufahren. Bald hüllte sich dabei der Wagen in Rauch. Auf den warnenden Zuruf von einem Führer eines vorüberfahrenden elektrischen Wagens meinte der Schlosser: „Wir nehmen die elektrische Bremse, da kommen wir schon rein." An der Haltestelle in der Nähe des Claußchen Delikatessengeschäfts gelang es dem Führer noch, den Wagen zum Halten zu bringen. Dort stiegen noch einige Perforiert zu, sodaß insgesamt etwa 15 Personen sich in dem Wagen befanden. Als der Wagen führer weiterfuhr, hüllte sich der Wagen wiederum plötzlich in dichten Rauch und sauste nun, da die Bremsen versagten, die steil abfallende Bahnhofstraße in wuchtiger, sich immer schneller gestaltenden Fahrt abwärts. „Wie der Blitz sauste der Wagen vorüber," so erzählen die Leute, an denen er vorbeifuhr. Glücklicherweise war das Gleis frei. An der steilsten Stelle der Bahnhofstraße, wo der Fall 1 : 12,89 beträgt, sprangen eine Anzahl Personen vom Wagen; sie haben fast sämtlich Verletzungen davong.tragen. An der Kurve beim Tunnel sprang der Wagen aus dem Gleis, fuhr etwa 30 Meter über das Straßenpflaster, riß am Tunnel einen Teil des Sydowschen Laden, sowie die ganze linke untere Ecke des Tunnel-Vorbaues fort und schlug am Eingang der Treppe zum Schustergäßchen mit donnerndem Krach um. In viele tausend Teile wurde der Wagen zer trümmert. Alle Insassen wurden verletzt, besonders erheb lich der Wagenführer und der Schlosser, die auf dem Vor- der-Austritte standen. Leider wurde auch ein Arbeiter, der vor der Treppe zum Schustergäßchen stand, überfahren und schwer verletzt. Die im Innern des Wagens befind lichen Personen trugen gleichfalls erhebliche Verletzungen davon, am besten kamen noch einige junge Leute davon, die auf dem Hinteren Austritte standen und lediglich bei der Zersplitterung des Wagens Abschürfungen usw. erlitten. Hilf war sofort zur Stelle. Die schwer Verwundeten wurden in nahegelegene Gebäude oder zu nahewohnenden Aerzten und dann ins Krankenhaus gebracht, den leichter Verletzten wurde auf dem Platze selbst von einigen Aerzten und Sanitätspersonen Beistand geleistet. Da man fürchtete, daß sich noch Personen unter den Wagentrümmern befanden, wurde das Wagengestell in die Höhe gewuchtet und der Trümmerhaufen genau durchsucht. Glücklicherweise er wies sich diese Befürchtung als nicht gerechtfertigt. Kurz ihr Besitz zu ergreifen, und er deutete auck das zu seinen Gunsten: sie wußte: er würde das große Wort sprechen — sie wartete darauf. Und da sprach er. So unvermittelt, so plötzlich, den Arm um ihre Stuhllehne gelegt, mit so heißem, jagendem Atem, daß sie fast unmerklich ein wenig scheu davor zurück- wich und ihm in das Gesicht starrte, das bleich und erregt dem ihren so nahe entgegenleuchtete. „Konrad . . .!" sagte sie dann halb in tiefem Staunen, halb in einem süßen Mitleid, und legte ihm die weißbe handschuhte Hand auf die Augen, die sie in einem fremden Feuer anglühten. . , , Er mißverstand auch diese abwehrende Zärtlichkeit, nahm sie für eine scheue Liebkosung, schlang in loderndem Aufbegehren seine Arme um die erhebende Gestalt und küßte sie wild auf den jungen, unentweihten Mund „Eva!.. .ju- belteerverhalienauf. Er hatte seine ganze Umgebung vergessen. Es war ja alles nur ein flüchtiger Augenblick gewesen, aber Eva war es, als hätte sie ein langes schweres Alp drücken mit Ueberanstrengung von sich abgeschüttelt, als sie sich wie eine rassige Katze auS Kauffmanns Armen wand und plötzlich wie verstört mitten unter den Tanzen den stand. Die Hand, die den Fächer hielt, schlaff her unterhängend, die andere wie im Erwachen über die die Stirn streichend, den roten Mund geöffnet, als sträubten sich die vergewaltigten Lippen, sich zu begegnen. Als wollten sie sich gegenseitig vor der unreinen Berührung miteinander bewahren. Es war ja nur einen Augenblick. Alle um sie herum waren so sehr mit ihrem eigenen Frohsinn beschäftigt, daß ihnen das hilflose Jsoliertstehen der Ballkönigin gar nickt zum Bewußtsein kam. Selbst das jüngste Lämmchen mit dem um den Kopf klingenden Tausendschönchen wäre durch die Schwerenötereien Jung-Stresins so in Anspruch ge» nommen, daß ihm längst das Interesse abhanden gekommen war, nach dem vermeintlichen Brautpaar zwischen Palmen und Gardinen zu gucken. (Fortsetzung folgt.)