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« e 1 t iw Lila ^L^L^^2^2^I^2^L^^L^S»L^0^U-L^>VL^l>d Verfehlt nur nicht den Zug, — wir haben ja unsre Flügel immer bei uns und sind unab hängig. Hoffentlich gibt's weder Wind noch zuviel Sonne. Also Rudi, Sie holen mich um sieben Uhr ab. Ich freue mich recht dar auf, Dich liebste Lotte, mal einen ganzen Tag über ordentlich genießen zu können. Adio und aus Wiedersehn," sagte Fanny und ver schwand. Dies war Freitag. Sonnabend mittag er hielt ich folgende Karte: „Liebes Herz! (aha, dachte ich, die will noch was). Ich vergaß ganz, Dich zu bitten, backe doch zu morgen noch einen Deiner schönen Napfkuchen und bringe den mit. Das Radeln macht Appetit und Du weißt, unsereins kann sich mit sol chem Ballast nicht beschweren. Treulichst Deine Freundin Fanny." So sehr paßte mir die Backerei nicht in meine sonnabendlichen Arrangements — doch, es wurde besorgt. Die sonntägliche Herrgottsfrühe am nächsten Morgen wurde meinem Mann und mir durch Rudi gestört. Um fünf Uhr steckte er den Kopf in unsre Schlafstubentür und meldete: „Herrliches Radelwetter." Na, das war uns ja recht interessant. Sein endlicher Abzug ging, da fein „Adler" in aller Eile noch gründlichst geputzt werden sollte, was die Magd des Hauses empörte, auch nicht lautlos vor sich, und kamen wir auf die Art um den ersten Akt eines regelrechten Sonntags — ein verlängertes Nickerchen. Nun, die Hauptsache war, er ließ Fanny nicht warten. Am Görlitzer Bahnhof trafen wir drei Flügellahmen uns pünktlich und gestaltete sich unsere Fahrt per Achse recht gemütlich. Das Coupö war nicht überfüllt, wir konnten nach Herzensluft plaudern . . . Uns zu Häupten im Netz ruhte wohlverpackt der Napfkuchen. In Wusterhausen, „Restaurant zum Bahn hof," wählten wir im schattigen Garten einen schönen Laubenplatz. „Wir essen doch selbstredend im Freien?" fragte ich, was meine beiden Herren be stätigten. „Freilich," meinte Fannys Ehegesponst. „Jetzt ist es zwölf, zwischen eins und zwei müssen unsre Radler hier sein, dann speisen wir gemeinsam. Ich glaube aber, es ist gut, man sieht sich die Speisekarte mal an und läßt sich etwas reservieren. Es wird jetzt schon recht voll hier und wir haben immerhin noch eine Stunde auf unsre Gesellschaft zu Warten." „Jetzt müßten die beiden übrigens auch bald da sein." Der Radlerin-Gatte, nennen wir ihn nach ihr „Herr Fanny", zog einmal über das andere die Uhr. „Potz Kuckuck," rief er, „es ist mittlerweile halb vier, wo mögen denn die stecken? Es wird doch nichts passiert sein!" Unruhig stand er auf und blickte die stau bige Straße hinab. In meiner Phantasie regten sich häßliche Vorstellungen. Alle Zei- tungsgeschichten von Radlern, die an Bord schwellen oder Chausseesteinen zu Tode ge stürzt sind, fielen mir ein... Endlich stiegen in der Ferne ein Paar Staubwölkchen auf, aus denen sich beim Näherkommen die Erwar teten entwickelten . . . Als wir sie so all heil wiedersahn, kannten unsere Seelen nur Regungen der Freude. Herr Fanny hatte sei ner bessern Hälfte erst mit dem Chronometer in der Hand entgegentreten wollen. Doch er ließ es jetzt. Leider waren die Sportsleute selbst in ihrer Stimmung gar nicht aus der Hohe. „Na, das war 'ne schöne Geschichte," de klamierte meine Freundin kläglich, indem sie sich ihr echauffiertes Gesicht abwischte und noch ganz verängstigt auf ihre Elite blickte, die wir nebst dem Adler erst in pleno zum sichern Stall brachten. „Denkt nur, zwischen Groß- Ziethen und Waßmannsdorf habe ich ein Pe dal verloren. Wir fanden's ja, aber uner hörterweise — entschuldige, eigentlich hättest Du auch daran erinnern können, liebe Lotte — hatte Rudi keine Instrumente mit, um es mir wieder fest zu machen, und ich wäre fak tisch ausgeschrieben gewesen, wenn nicht ein Herr aus einer großen vorbeiradelnden Gesell schaft es mir sehr liebenswürdig wieder in Ordnung gebracht hätte . . . Ach, und an hundert himmlischen Stellen haben wir vor beifahren müssen, wo wir uns liebend gern gelagert hätten, aber so ist es, wenn man an die Zeit gebunden ist — nur einmal ein und ein halbes Stündchen bei Neuenmühle . . . . So, und nun wollen wir unter die Veranda zum Essen gehen ... Draußen? Nein, weißt Du, da ist kein Gedanke dran, so erhitzt wie wir sind . . . Habt Ihr uns auch was Schönes aufheben lassen? Krebssuppe gibt's jetzt doch überall." Was soll ich sagen? Unser entzückendes Plätzchen, das wir so lange knurrenden Ma gens behauptet hatten, wurde refüsiert. Die Veranda zeigte sich eng und besetzt, hingegen ergatterten wir ein dunkles Eckchen in der Wirtsstube. Hier verzehrten wir, was die andern übrig gelassen hatten. Von Krebssuppe keine Spur. Das wohl etwas übermüdete Radlerpaar schob dies Manko auf unsre „persönliche Teilnahmlosigkeit". Die Unterhaltung, mit der das karge Mahl gewürzt wurde, drehte sich ausschließlich um den eben zurückgelegien Weg und sonstige Rad angelegenheiten. Endlich warf ich mich mit einer bescheidenen Anfrage kühn zwischen die Räder, doch, sie sollten mich zermalmen. „Nein, Schatz," entgegnete meine Freun din, „daß wir das historische Schloß mit an- sehn, kannst Du nicht verlangen. Wir Radler sind für Natur. Nicht wahr, Rudichen, wir halten jetzt Siesta im Walde?" So sprach sie und so geschah's. Als wir uns am Kaffeetisch wieder trasen, machten sich die ausgeruhten Sportsleute lie benswürdiger. In wirklicher Harmonie saßen wir gegen Abend um die Bunzlauer Kanne und den Napfkuchen in der von mir er träumten Laube. Da erhob sich im Garten ein lautes Hallo, ein ganzer Troß Radler rückte ein, — staub- und schweißbedeckt — im allgemeinen kein erfreulicher Anblick. „Aha, Strampel-Brüder, Fanny," neckte ihr Mann. Diese sprang auf. „Sehen Sie nur, Rudi, das sind ja unsre Freunde von unterwegs. Ach, bitte, entschuldigt uns einen Augenblick, aber die müssen wir wirklich be grüßen." Nun gab's eine turbulanie Szene. Das All-Heil-Rufen erscholl immer auf's neue. Endlich erschienen die zwei Abtrünnigen wie der. „Denkt Euch," sagte Fanny aufgeregt, „die quälen furchtbar, wir sollen mit ihnen Kafsee trinken, und wo sie so riesig freundlich waren, können wir's eigentlich gar nicht abschlagen. Ein bißchen peinlich ist es mir ja, es anzuneh men, und da hab' ich gedacht, liebste Lotte, . . den Napfkuchen ... Ihr habt wohl ge nug . . ." Ein rascher Griff nach dem Teller und da von schritt sie mit dem kurzen Radelröckchen, meinen Kuchen mit sich führend. Mein Filius war nicht dumm, er folgte ihr und ihm. Herr Fanny setzte seinen Kneifer auf und sah mich an. „Na, was sagen Sie nun?" „Ja," meinte ich kleinlaut, „ich las neulich in einer Lobrede auf den Radelsport, „jede Be wegung wird durch das Ausarbeiten der Mus keln freier und leichter" — das ist uns eben bewiesen worden... Im übrigen, Kellner^ haben Sie Buttersemmeln?" Riesig animiert strandete nach einer Stunde das Raubritterpaar wieder bei uns Zivilisten. „Nein, solche Radler sind doch einzig," rief meine Freundin . . . „Dies na türliche Sich-Geben, so ohne alles Konventio nelle. Und der Napfkuchen hat ihnen ge schmeckt, Dein gutes Herz hätte seine Freude daran gehabt!" Ich drückte ihr über den Tisch die Hand. „Tausend Dank für Deine gute Meinung von mir aber. Du vergißt, ich bin nicht Radler, nur Mensch. Und nun müssen wir wohl an die Rückfahrt denken. Ihr kommt ja jetzt mit uns per Eisenbahn, da halten wir ein Schwätzchen." Auf dem Bahnhof war ein furchtbares Gedränge und unser Einsteigen wurde sehr hinausgeschoben, da wir doch gern zusam- menbkeiben wollten, zuerst aber die Räder untergebracht werden mußten. Wir wurden dennoch auseinandergerissen und ich war froh, schließlich mit meinem Gatten einen Stehplatz zu erwischen. „Wir hätten uns ganz gemütlich setzen können, wäre nicht die dumme Besorgerei der Räder wieder gewesen," brummte dieser. „Wa rum kamst Du denn nicht?" „Ach," murmelte ich, „wir wollten doch zu sammen bleiben, und dann hoffte ich immer noch, Fanny und Rudi sollten mich von den Laternen befreien, die sie mir zu halten gaben. Nun kann ich mich den ganzen Weg damit quälen. Fanny sagt, hinstellen darf ich sie auf keinen Fall, das könnte ihnen schaden." Mein Gatte wurde nachgerade ärgerlich. „Na, wie ich das finde!" rief er. Der Zug fetzte sich in Bewegung. Ich hatte genug zu schaffen, um mit den beiden Beleuch tungsgegenständen nicht die Balanze zu ver lieren. Es war keine schöne Situation, zu mal ich an meinen neuen Glacees sah, die Lampen schwitzten durch und gaben unange nehme Fettflecke. Auch mein Herr bemerkte dies. „Du ruinierst Dir noch die ganzen Hand schuhe, da, fasse die verflixten Dinger wenig stens mit Papier an." Er überreichte mir ein paar eilig aus seinem Notizbuch gerissene Blätter. Nun stand ich da wie ein kompakter doch schwankender Laternenpfahl. Um mich über meine miserable Lage hinwegzutäuschen, zi tierte ich innerlich alle mir bekannten dich terischen Ergüsse über Freundschaft. „Die Freundschaft ist die heiligste der Gaben" und so weiter. Und was sagte doch Goethe von ihr? ... Er sprach mit Vorliebe von einem besonnenen Freund, von einem redlichen Freund letzteres natürlich ohne ä. Ich war ganz stolz, daß ich noch die Courage fand, einen, wenn auch faulen Privatwitz zu machen. Endlich winkte uns der Schlesische Bahnhof. Ich gab die gehüteten Güter ab, ein Dank, ein flüchtiges Abschiednehmen von Fanny, — die Tagestour mit gemischtem Publikum war zu Ende. Für uns kam noch ein Nachspiel . . . Am nächsten Tage erwies sich, daß auf den beiden Blättern, mit denen ich die Lampen halten mußte, wichtige Geschäftsnotizen meines Man nes gestanden hatten; da leisteten wir beide einen Schwur und.wir werden ihm treu blei ben!