Volltext Seite (XML)
Kreisrätsellosnng 3. 4. 1. Frühling. 2. Apfelsine oder Ananas, "ora oder Sachsdorf. sharandr. Ans Sachsen. Wilsdruff. 17. März 1905. In den Straßen von Dresden macht sich seit einiger Zeit wieder ein sogenannter „Naturmensch" be merkbar und lenkt die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Dieser in der Mitte der 30er Jabre stehender Sonder verraten mußte, den Judas Jscharioth. Und nun siehe das Ringen,Kämpfen und Beten desHerrn an in jener Nacht. Kein Schlaf will sich mitleidig legen auf diese gequälten Augen, die in diesen 3 Jahren so viel Unreinigkeit und Bosheit und Herzen shärtigkeit in der Welt hatten schauen müssen. Wo will der Herr nun hin in jener Nacht, wo sucht der Zagende Trost und Rettung? Allein bei seinem Vater im Himmel, der ihm dies alles auferlegt hatte nach seinem Heilsrate, allein nur im Gebete. Die Jünger hatte der Herr umsonst ermahnt: Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Der Herr aber wachet und betet. Rechtes Wachen muß immer mit dem Gebete verbunden sein. Wachen und beten! Das sind die 2 Freunde, die uns durch die schwerste Not geleiten und uns da noch Stütze und Festigkeit bieten. Der eine behält den Feind im Äuge und die drohende Gefahr, der andere weist nach oben hin, wo der einige Helfer in allen Nöten wohnt und tront. Dreimal geht der Herr hin und wirft sich auf die Erde und betet: „Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von mir, doch nicht mein Wille geschehe, sondern der deine." Es ist in diesem Gebete alles enthalten, was zu einem rechten Gebete gehört. Die Traurigkeit des Herzens und das Bekenntnis der Schwachheit, die um Abwendung des Schweren bittet, und dann die ganze Demut und Unterwürfigkeit, die alles, wie es auch komme, schließlich Gott anheimstellt. Es kam aber keine Stimme vom Himmel, die dem Dulder anzeigte, daß ihm die Not abgenommen werden solle — aber ein Engel kam vom Himmel und stärkte ihn. Und nun, liebe Christen, wollen wir lernen von dem Herrn in seinen Kämpfen für uns und unsere Kämpfe. Er bat uns den Weg gezeiget, wie wir einen guten Kampf kämpfen können; er führet uns hinein in die rechte Art des Gebetes. Wir sollen und dürfen auch so beten: „Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von mir." Wir dürfen mit unserer Bitte auch wieder und wieder kommen. Aber nie soll die Demut und die rechte kindliche Art im Gebete fehlen: „nicht mein Wille geschehe, sondern der deine." Nur diesen Teil nicht weglassen! Sonst wollen wir unser Leben nach unserem Wunsch und Willen ausgestaltet wissen und streichen schon den weisen Lenker aus dem Negimente heraus. Vergiß es nie, wenn du irgend eine Gefahr oder Not oder einen irdischen Verlust dir hinwegbeten willst, immer das das Ziel deines Gebetes sein zulassen: „Soviel der Himmel höher ist, denn die Erde, soviel sind deine Wege, Herr, höher denn meine Wege und deine Gedanken höher denn unsere Gedanken." Mit starrem, eigenwilligem Gebete hat auch mancher schon Gott etwas abgerungen, aber es ist ihm später selbst zum größesten Unheil und Herzeleide geworden. Herr laß uns lernen von deiner heiligen Passion, lehre uns beten, wie du in Gethsemane betetest unter der Sündenlast der Welt! 5. Äachligall. 6. Abend 7. tzhina 8. Sund 9. Haufe oder Trauung. Fastnacht. Cs gingen 124 Lösungen ein (davon waren 2Ü mm Teil falsch, zum Teil unvollständig) und zwar aus Wilsdruff 56, Grumbach 14, Röhrsdorf 9, Blankenstein und Kausbach je 5, Helbigsdorf und Burk- hardiswalde je 3, Sora, Kesfelsdorf, Sachsdorf, Mohorn, Birkenhain, Schmiedewalde je 2, Huhndorf, Klipphausen, Lampersdorf, Groitzsch, Meißen, Rochschönberg, Weistropp, Tanneberg, Herzogswalde, Steinbach und Roitzsch je 1. Gezogen wurde die Lösung Nr. 83 mit der Unter- schuft: Max Arlt, Wilsdruff. Gewinn: Der Deutsch französische Krieg 1870/71. Der Jugend und dem Volke erzählt von Johannes Hoffmann. Betrachtung zum Ssnntag Remiurscere. Matth. XXVI, 41. „Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet; der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach." Der zweite Sonntag in der Passtonszeit führt den Namen „Reminiscere", weil man im Eingänge beim Gottesdienste in der alten Kirche die Worte aus Psalm 25, 6 sang: „Reminiscere Domini" d. h. Herr, gedenke an deine Barmherzigkeit." Das Evangelium für diesen Sonntag führt uns in die Nacht im Garten Gethsemane. In der Nacht kommt Jesus mit den Elfen im Garten an. Die Nacht Hal an sich schon etwas banges und bedrücken des. Der Kranke fühlt es, dem in seinen Schmerzen und Todesahnungen erst am Morgen der erste Gruß dec Frühsonne wieder Hoffnung und Lebrnsfreudigkeit ins zagende Herz zaubert. Aber eS hat keine Nacht gegeben, in welcher es einem armenErdenpilger so angst u. so todesbang ums Herz gewesen wäre, wie unserem Heilande Jesu Christo in jener Nacht in Gethsemane. Er wußte genau was kommen würde, er wußte, was im Stillen während der Nacht im Schoße seiner Feinde ausgemacht worden war. Alle Feinde des Herrn sind einig geworden zum Morde des Gerechten und die große Blutschuld auf sich zu laden. Im hohen Rate hatte soeben Kaiphas das be- deutsame Wort ausgesprochen: eS ist uns besser, ein Mensch kerbe für das Volk, denn daß das ganze Volk verderbe." Er war Hoherpriester und weissagte und wußte selber nicht, welche hohe und heilige Wahrheit er mit diesem Worte ausgesprochen hatte — baß der eine Gerechte in den Tod gegeben werden müsse, damit sie alle — das ganze Ge schlecht durch ihn leben sollten. Die zwei Stimmen, welche sich noch im Rate für Jesum erhoben hatten, die des Joseph von Arimathia und Nicodemus, waren — um mit unserer Zeit zu reden — als verschwindende Minorität Ubertäubt worden. Die Sache war fertig im Beschlusse, Vn sollte die Ausführung folgen in dieser Nacht. Um ^°sum in der Stille, ohne einen Volkesaufstand hervorzu- rusen.tn ihre Gewalt zu bekommen, hatten sie einen Spion ge lungen, der über seinen Wegen wachen u.sie an den hohen Rat ling trägt olivbraune Kleidung, geht im bloßen Kopfe, von dem das dichte brünette Haar lang herabwallt, während das Gesicht von einem schönen Vollbart um rahmt wird. Ein naturwüchsiger kräftiger Stock und eine geflochtene Tasche, die über den Rücken gehängt ist, sind sonstige Eigentümlichkeiten des Herrn Gras, der sich strenger vegetarischer Lebensweise befleißigt. Herr Gras hält sich studienhalber in Dresden auf und verkehrt in den dortigen vegetarischen Restaurants, wo stets ein Kreis von Gesinnungsgenossen lebhaften Meinungsaustausch mit dem „Naturmenschen" pflegt. Ein tragikomischer Neinfall passierte kürzlich zwei Privat-Detektivs in Dresden. Ein wegen geschäftlicher Dinge in gerichtliche Aktionen verwickelter Geschäftsmann hatte Wind bekommen, daß er von den fraglichen Detektivs überwacht würde, deren Auftraggeber wahrscheinlich allen Grund haben, ein Verduften des Geschäftsmannes — eines Restaurateurs, der inzwischen verhaftet wurde — zu ver hüten. Eines schönen Tags macht sich der Restaurateur auf die Beine, um nach den Hauptbahnhof zu gehen, ihm hinterdrein die zwei Wächter. Auf dem Bahnhof auge kommen, tut er so, als löse er sich eine Fahrkarte nach Nürnberg, in Wirklichkeit kaufte er sich nur eine Bahn steigkarte. Er geht an den Zug, steigt in ein Abteil des Schnellzuges, hinter ihm her in das Nebenabteil die zwei Detektivs mit Fahrkarten nach Nürnberg. Als sich der Zug in Bewegung setzt, springt der Restaurateur wieder heraus und wandert ruhig in sein Geschäft, während die zwei Begleiter ohne ihn nach Nürnberg dampfen, wenn sie nicht schon eher wegdekommen haben, daß sie angeführt waren, und deshalb „die Fahrt unterbrochen" haben. DerAusflug, den derKönigmitseinen Söhnen am Sonntag durch den Lößnitzgrund bis zur Friedens burg in NiederlStznitz unternahm, zeigte wiederum so recht die Ungezwungenheit, mit welcher sich der Monarch unter den AuSflüglern zu bewegen pflegt. Im Restau rant zur „Friedensburg", wo die königliche Familie gegen 3 Uhr eintraf, wurden Kaffee und Milch nebst Pfann- kuchen und Käsekäulchen von den jugendlichen Prinzen mit großem Appetit verzehrt, auch ward der Verfertigcrin des süßen Gebäcks, Frau Schmidt, die Anerkennung nicht vorenthalten. Außerdem benutzten die Prinzen den Auf enthalt zur Ausfüllung mehrerer Ansichtspostkarten, woran sich auch der König beteiligte. Ein sensationeller Prozeß, indenzwei Berliner Schlafwagenbeamte verwickelt sind, wird jetzt vor der Strafkammer in Zwickau verhandelt. Angeklagt find neben dem früheren Gemeinde- und Sparkassenkassierer Colditz aus Niederplanitz die beiden bisher in Berlin stationiert gewesenen Eisenbahndkondukteure Bachem und Dudeck von der Internationalen Schlafwagengesellschaft in Paris. Colditz war des Diebstahls von Geld und Wert papieren in Höhe von etwa 40000 Mark beschuldigt, während sich die Eisenbahnbeamten wegen Begünstigung zu verantworten haben. Die Anklage ist auf Grund folgenden Sachverhalts erhoben: Colditz war im Dezember 1903 nach Unterschlagung amtlicher Gelder und Urkunden fälschungen, die jahrelang zurücklagen, flüchtig geworden, nachdem er sich noch kurz vor seiner Abreise durch Dieb- stahl die Summe von 40 000 Mark angeeignet hatte. Er wurde später im Auslande ergriffen und nach Zwickau Selbstliebe. Roman von Constantin Harro. (Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. Der alte Herr von Thonau und seine junge Frau holten m den nächsten Tagen Bella von der Station ab. Das frische muntere Wesen der Stieftochter berührte schon auf der Heimfahrt vom Bahnhof Fran von Thonau peinlich. Es ärgerte sie, daß dieses unansehnliche Mädchen von mütterlicher Seite über eine große Mitgift verfügte, daß sie mithin einst wählen konnte nach ihres Herzens Neigung. Beim Anblick der häßlichen Stieftochter, kam es ihr wieder lebhaft zum Bewußtsein, daß sie iclblt sich Fesseln angelegt hatte, nm der Misere der Armut zu entrinnen. Sie beneidete Bella um ihre Freiheit. Bella wirbelte in den nächsten Tagen wie ein Sturm wind durch das Schloß, Äfft unterzog das Haus vom Kaum hatte der Baron sich verabschiedet, so klingelte ihrer Zofe. - ."Die Besnchsloilette und den offenen Wagen! Ich bin 'w nn Ankleidezimmer." EUsjehe^ >°ohl, Excelleuz", sagte die kleine, hübsche, intrigant vor zehn Arson. „Aber der Herr General? Exccllenz sind fragten scho ""rn vom Spaziergang zurückgekommen und Graziader gnädigen Frau." "Muß die Dienerin mit gerunzelten Brauen an. haben mich nickten Befehl wiederholen? Es scheint, Sie „Sehr wohl, D°- bs Er führte die Rechte, die sie ihm hinhielt, mehr galant als ehrfurchtsvoll an die Lippen. Boden bis zum Keller einer eingehenden Besichtigung, sie durchmaß Wald- und Gartenwege, die in die Sommerpracht hineiuführten. Sie machte sich auch in gewinnendster Weise mit der ihr kritisch gegenüberstehenden Etta von Krosinsky bekannt. Gleich am Tage nach ihrer Ankunft war sie, nachdem Etta das Schloß verlassen hatte, ganz aufgeregt in das Boudoir ihrer Mama gestürzt und hatte enthusiasmiert ge rufen : „Henrietta muß meine Freundin werden, Mama! Sie ist nur zwei Jahre jünger als ich, und wir passen wunder schön zusammen. Ich muß Dir nur gestehen, Mama, als ich Etta gestern sah, mar ich versucht, sie zu hassen. Ihr Engels gesichtchen und meine vi8NAe! H.U ciel! Welch ein Unterschied! Aber ich habe meine schwarzen Gedanken alle niedergeknebelt. Nicht hassen will ich diese entzückende Kleine, sondern sie ganz außerordentlich lieben. Hörst Du, Mama?" Frau von Thonau ließ mit etwas süffisanter Miene diesen Sermon über sich ergehen. Sie dachte dabei: „Sollte Bella, häßlich wie sie nun einmal ist, so dumm sein, diese Etta ohne Not neben sich zu stellen?" Sie erwog auch sogleich die Vorteile, welche ihr eine Freundschaft der beiden Mädchen bieten konnte. Sie wollte nämlich schon wieder ein bißchen von der kleinen Krosinsky befreit sein. Das „Spielzeug" war ihr nicht automatenhaft genug. Aber sie hatte schon beim ersten Besuch auf dem Bauern hof Frau von Krosinsky die Zusage gegeben, sich Ettas an zunehmen, so lange ihr Manu im Schloß bleibe. Sie hatte versprochen, Etta an dem Unterricht ihrer Stieftochter teil nehmen lassen zu wollen. Jetzt war ein Zurück nicht gut ausführbar, denn Henrietta hatte sich nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen. Mochten also die beiden Back fische nun Zusammenhalten! Da waren sie ja ans dem Wege! i Ettas außerordentliche Schönheit berührte Frau von Thonau geradezu unangenehm. Sie hatte sich vorgercdst, Baron ! Faßmühl habe vor ihr nur ein Bauernmädchen idealisiert, um sie zu ärgern. Nun zeigte ihr der Spiegel täglich ein freilich sehr hübsches und pikantes Gesicht, dem aber schon der Jugendschmelz fehlte, neben der Taufrische einer halb- erschlossenen Nosenknospe. Das brachte sie auf. In stiller Weise vergingen den beiden Mädchen die Tage. Sie waren stets zusammen, und Fräulein Huugar, die Er zieherin, trat nicht als Störerin in diesen Bund. Sie ver stand es, ihre Zöglinge so zu leiten, daß sie sich eines Zwanges garnicht bewußt wurden. Mit der Zeit aber gewöhnte sich Bella daran, einen Nachmittag der Woche mit ihrem Vater im Walde zu ver bringen. Baron Faßmühl leistete ihnen dann Gesellschaft. Wenn der General glaubte, aus diesen harmlosen Plaudereien der jungen Leute werde eine Liebesleidenschaft sich entwickeln, so irrte er sich freilich. Baron Faßmühl und Bella berührten sich eigentlich nur auf dem Gebiete der Kunst. Faßmühl hielt sein kleines Maltalent für eine außerordentliche Be gabung und sein Festhalten am militärischen Beruf für bei spiellose Aufopferung im Interesse seiner Anverwandten, die ihn höchst ungern die schwankende Laufbahn eines Künstlers hätten betreten sehen. Bella, klug und vielseitig begabt, brachte allem, was sich Kunst nannte, Helle Begeisterung ent gegen. Sie glaubte an das Talent Faßmühls, weil er selbst eS nicht einen Augenblick bezweifelte, und weil sie in der stolzen Bescheidenheit, die einen Grnndzug ihres Charakters bildere, nicht ahnen konnte, daß Eitelkeit und Selbstbewubrsei» den Baron zum Genie stempelten. Bei einem dieser Spaziergänge hatte nun Bella das Un glück, ihr wohlgesülltes Geldtäschchen zu verlieren, «^be merkte den Verlust erst, als man sich schon wieder im Harr befand, und sie getränte sich nicht gleich, ihren Cltern ihr Mißgeschick mitznreilen. Vielleicht war es möglich, da« Portemonnaie wiederznfinden, ohne sich vorher einer Straf predigt ansznsetzen, (Fortsetzung folgt.)